Die Schweiz ganz soziologisch — „Verorten“ und „in die Sätze bringen“

Februar 3rd, 2006

Unsere Lieblingslektüre beim Frühstück wurde ziemlich anstrengend, denn uns ward soziologisch schwer verdauliche Kost vom Tages-Anzeiger geboten:

  • Wir orten und verorten an alle Orten
  • Der Berner SVP-Präsident Hermann Weyeneth ist ein schlauer Politiker und als Kritiker weitherum gefürchtet. Jetzt hat er selber die Probleme, die er bei anderen verortete
    (Quelle Tages-Anzeiger 21.01.05)

    Verorten und in die Sätze bringen
    Den „Herminator“-Gag haben wir sogar verstanden, denn das war eine extrem clevere Anspielung auf Arnold Schwarzenegger als „Terminator“ (auch ein Politiker, sogar Gouverneur, jetzt in Kalifornien). Aber leider gehört das Verb „verorten“ noch nicht zu unserem gängigen Wortschatz. Ob es wiederum typisch Schweizerisch ist? Nein, weit gefehlt, es ist waschechter Soziologien-Slang und findet sich in der Soziologie beherrschenden Schweiz bei Google 802 Mal erwähnt.

    Gegencheck bei Google Deutschland? Oups, satte 163.000 Fundstellen!

    Wir sollten vielleicht doch mal wieder öfters eine Deutsche Zeitung kaufen, um danach in der Schweiz alles verstehen zu können. Der Duden klärt uns über die Bedeutung auf und bringt ein „leicht verständliches“ Beispiel als Beleg:

    ver|o.r|ten (sw. V.; hat) (besonders. Soziologie):
    einen festen Platz in einem bestimmten Bezugssystem zuweisen:
    „Sexualität ist eine existenzielle Lebensäußerung, die recht genau in der Gesamtkultur verortet und an gesellschaftliche Formen der Körpernutzung gebunden ist“ (Kursbuch 88, 1987, 121).

    Als Synonyme finden wir:

    ausgemacht, bekannt, bestimmt, definiert, durchschaut, erfasst, festgelegt, geortet, identifiziert, klar umrissen, lokalisiert, registriert, zur Kenntnis genommen; (besonders Soziologie): verortet.
    (Quelle: Duden – Das Synonymwörterbuch)

    Puh war das anstrengend! Zurück zum Artikel über Herman Weyeneth, denn der wird jetzt zur Abwechslung richtig schweizerisch!

    „Tatsächlich ist die Affäre mit allem ausstaffiert, was einen Typen wie Herman Weyeneth in die Sätze bringt

  • Bring mich doch mal in die Sätze!
  • Moment bitte, was haben wir da eben gelesen? „Jemanden in die Sätze bringen“, was kann das heissen? Es muss wieder eine Redewendung sein, die es nur in der Schweiz gibt, denn an allen Fundstellen in Google-Deutschland reden sie immer von Melodie und Satzzeichen, nur bei den Schweizern scheint dies eine völlig andere Bedeutung zu haben.

    Hier noch ein Beleg aus dem Tages-Anzeiger vom 20.8.2005

    Auch Hans Fehr, SVP-Nationalrat und Auns-Geschäftsführer, lässt sich nicht in die Sätze bringen.
    (Quelle:)

    Schon zwei Belege mit SVP-Politikern. Ob es etwas ist, was man nur als Mitglied der SVP zu Stande bringt?

    Ist jemand „schwer zu formulieren“, wenn er sich nicht in die Sätze bringen lässt? Aber warum sollte eine Person „formuliert“ werden. Wer oder was macht sonst noch einen Satz? Na klar, jetzt haben wir es: ein Pferd, wenn man ihm mit der Peitsche eins drüberbrät oder tüchtig die Sporen gibt. Dann macht es einen gewaltigen Satz und sogar meist gleich noch mehrere hintendrein. Ob das „in die Sätze bringen“ bedeutet? Jemanden kräftig zum Hüpfen und Rennen bewegen? Warum sollte ein SVP-Präsident plötzlich herumhüpfen?

    Wir lassen das Rätsel offen und ungelöst. Nicht immer hilft ein Französischkurs, nicht immer hilft ein Fremdwörterbuch, wir werden also demnächst mal wieder den freundlichen Schweizer in der S-Bahn fragen, ob er es weiss.

    Seien Sie nicht so direkt mit den Schweizern — Matthias Hartmann hat es schnell gelernt

    Februar 2nd, 2006
  • Seien Sie nicht so direkt mit einem Schweizer
  • Wir haben schon in der Vergangenheit ausführlich erläutert, wie man in der Schweiz eine Gesprächssituation, beispielsweise bei der Frage nach dem Weg, eröffnet und beschliessen sollte. (vgl. Blogwiese) . Zu vermeiden gilt es hierbei, sein Schweizer Gegenüber mit allzu platter Direktheit zu überfordern, ihn quasi direkt mit dem Anliegen zu überfallen: „Tagchen, wo geht das hier zum Bahnhof?“ wäre also eine ganz falsche Gesprächseröffnung.

    Diese Erfahrung musste auch der neue Direktor des Schauspielhauses Zürich machen. Er heisst Matthias Hartmann.
    Matthias Hartmann
    (Quelle Foto: Schauspielhaus Zürich)

    Der Mann ist Jahrgang 1963 und kommt ursprünglich aus Osnabrück, was ziemlich weit im Norden von Deutschland liegt.

    Vom Sommer 2000 bis zum Sommer 2005 war Hartmann Intendant des Schauspielhaus Bochum. Er übernahm das Haus von Leander Haußmann. Dem Traditionstheater an der Königsallee verlieh Hartmann seitdem zu alter Größe und unterstrich seine Stellung als eines der führenden Theater Deutschlands.
    (…)
    Für Medienwirbel sorgten auch die zwei Arbeiten mit dem beliebten Entertainer Harald Schmidt. So spielte Schmidt in Samuel Becketts Warten auf Godot die Rolle des Lucky. Das Haus war voll: Hartmann brach am Schauspielhaus den bisherigen Rekord an verkauften Abonnements, der noch von Claus Peymann aufgestellt wurde.
    (Quelle Wiki:)

    Ein paar seiner spektakulären Inszenierungen aus Bochum hat er uns nach Zürich mitgebracht, denn so ist das üblich: Wird ein Intendant in eine andere Stadt an ein anderes Theater berufen, so nimmt er seine gesamte Truppe an Schauspielern, Regisseuren, Dramaturgen etc. gleich mit. Schliesslich ist das ein eingespieltes Team, auf das er nicht verzichten möchte. In der Theaterwelt gibt es bei jedem Intendantenwechsel ein munteres Plätzewechseln der Akteure.

  • Wie man es vermeiden kann, direkt zu fragen
  • Matthias Hartmann hat sich sehr schnell bei den Schweizern eingelebt. Bereits nach kurzer Zeit weist er eine erfolgreiche Zwischenbilanz in Zürich vor und kann an seine Bochumer Erfolge anknüpfen.

    In der Weltwoche Nr.2.06 wurde er von Julian Schütt interviewt. Er antwortet auf die Frage: „Was vermissen Sie am Schweizer an und für sich“ wie folgt:

    Zwar ist der Schweizer nicht so leicht zu durchschauen. Doch wenn Sie mich fragen, dann vermisse ich zuweilen doch das Direkte im Umgang. Ich sage selber nicht mehr: „Bitte, fahr dein Auto weg von meinem Parkplatz“, sondern: „Wie lange möchtest du denn noch hier stehen bleiben?“

    Matthias Hartmann in der Weltwoche
    Artikel Weltwoche Nr. 2.06

    Und dann ging das doch noch schief mit der Kommunikation zwischen Herrn Hartmann und dem technischen Personal. Es kam zum Streik, und vorbei war es mit der indirekte Sprechweise. „Nicht so Hart, Mann“ stand auf den Transparenten. Dazu befragt, ob seine direkte Art vielleicht als arrogant interpretiert werden könnte sagte Hartmann zum Tages-Anzeiger vom 28.01.06:
    Verschiedene Massstäbe
    Womit wir wieder beim uralten Problem wären: Die Deutschen sprechen Hochdeutsch und drücken sich klar aus. Das wird als arrogant aufgefasst, „in diesem Kulturkreis„.

    Wir wollen endlich alles auf Schwiizertüütsch

    Februar 1st, 2006
  • Eine Schwester im Geiste
  • In einem Leserbrief an den Tages-Anzeigers vom 12.01.06 (S. 18) entdecken wir unverhofft eine Schwester im Geiste. Frau Eichenberger-Reichmuth aus Volketswil fordert die radikale Einführung von Schweizerdeutsch als allein gültige Schriftsprache. Die Idee hierzu kam ihr beim Wetterbericht des Schweizer Fernsehens. Was auf Tele-Züri schon lange üblich ist, und uns armen Deutschen als ewiges Vorbild für die korrekte Aussprache von astreinem Züridütsch gilt (vgl. Blogwiese), findet nun Eingang in den „Service Public“ (das ist in der Schweiz die Deutsche Übersetzung von Englisch „öffentlich-rechtlichen Sendern“, wie wir sie aus Deutschland kennen).

    „Das war eine Glanzidee des Schweizer Fernsehens, Wetterprognosen in Mundart. Macht doch nichts, wenn Meteo nur noch von Schwiizertüütsch Sprechenden verstanden wird.

    Und Frau Eichenberger-Reichmuth macht es gleich gekonnt vor, wie das sein könnte:

    Deet, wotzunä tuät fürägüxlä, ischäs mäischtsunnig. Ond übrau viumiudr, wenns mitem näbu de nit chewtr wiird. Metem hööätüüf öberde naupä.

    Dahinter steckt natürlich eine Absicht! Es ist nämlich egal, ob das noch irgend jemand ausser den Schweizern versteht:

    Hauptsache, wird sind unter uns. Sollen die Touristen, die Romands und Tessiner doch ihren Gwundr anderweitig stillen. Hauptsache, man merkt endlich, dass wir eine eigene Sprache besitzen. Genauso wie die Holländer. Dafür sollten sich alle patriotisch denkenden Schweizer endlich konsequent einsetzen. Eventuell eine eigene Partei gründen. Das wollen wir zügig angehen.

    Wir hätten auch gleich einen Namensvorschlag zu machen: „Die Naupä und Näbü Partei“. Wir wissen zwar eigentlich nicht so genau, was das heisst, aber es „tönt“ auf jeden Fall schon mal verdammt gut. Diese Partei kriegt natürlich ein Programm und wird diverse Dinge konsequent ändern:

    Deshalb werden ab sofort alle Bahnhöfe und Poststellen konsequent umbenannt und neu beschildert, und zwar in der lokalen Mundart. Es heisst dann Züri, Böju, Soleduurn, Sängälä, Seebä, Hoofdärä, Buächs, Arousä, Huttu, Buäri. Hei, wird das lustig, wenn die Japaner unterwegs sind. Denn die Fahrpläne werden natürlich auch angepasst.

    Liebe Schwester im Geiste, wir können Ihnen versichern, in Bülach muss es schon mal so eine Partei gegeben haben, oder es gibt sie noch. Denn mit den Strassennamen hat man bereits tüchtig angefangen, was mit den Ortsnamen noch ansteht:
    Beispiel:
    Vögeliacher in Bülach
    Wir haben drei Kurse „Schwiitzerdütsch für Zugezogene“ bei der Migros-Clubschule absolvieren müssen, bis wir hier den „Vogel-Acker“ herauslasen, und keine schmutzigen Nebengedanken mehr hatten.

    Das mit dem „Acher“ = Acker ist nämlich ziemlich verwirrend in Bülach, da gab es mal eine andere Partei, die hat auch Schilder eingeführt, und die schreiben „Acker“ einfach mit „Äch-“ wie „Ächer“:
    Stadtächer in Bülach

    Aber wir werden diese Kleinigkeiten schon noch in den Griff bekommen, wenn erst mal alle mitmachen:

    Dann sollte der „Blick“ sofort nachziehen und nur noch schwiizertüütschi Artikel schreiben. Mit der Zeit folgen die andern Zeitungen von selbst, irgendwann auch die Ännzättzätt. Damit lässt sich auch sparen: In der Schule gibt’s kein Hochdeutsch mehr. Frühhochdeutsch im Chindsgi wird überflüssig. Pisa wird elegant ausgebremst. Es braucht viel weniger Lehrkräfte für den Deutschunterricht, denn alle dürfen so schreiben, wie sie Schwiizertüütsch sprechen. Da stellen wir keine Regeln auf. Die arbeitslosen Deutschlehrer brauchen wir, um alle behördlichen und sonstigen infrastrukturellen Texte umzuschreiben: Gesetze, Vorschriften, Verzeichnisse, Bussenzettel (zädu oder zädl, macht nichts).

    Frau Eichenberger-Reichmuth, so wie Sie das schön beschreiben, da wird uns richtig warm ums Herz und im Gemüt:

    Dann sind wir endlich auf der Schweizerinsel, die wir ja schon lange anstreben. Und völlig unter uns. Ond aui zfrede, momoou!

    Wir sind dabei, mit Leib und Seele, ähm, mit „liib und seel“, fu ganzem härzä.
    Näbu z Huttu ond z Böju
    Foto Leserbrief Tages-Anzeiger 12.01.06 S. 18

    Wenn es brennt, dann muss man löschen, oder? — „Feuer im Dach“

    Januar 31st, 2006

    Wir lasen in Standardwerk für unverfälschte Schweizer Sprichwörter und Redensarten, dem Tages-Anzeiger vom 21.01.06:

    Bei der Walliser Polizei ist Feuer im Dach

    Nun, wenn es brennt, da hilft nur löschen, sollte man meinen. Aber hier brennt es gar nicht, hier wird Brauchtum gepflegt in Form von original Schweizerischen Redewendungen.
    Feuer im Dach

    Wir testen ein wenig, wie häufig es bei Google-Schweiz „Feuer im Dach“ gibt, und kommen auf immerhin 298 Fundstellen , von denen kaum eine etwas mit echten heissen Bräuten Bränden zu tun hat.

    Interessant finden wir, dass diese Redewendung im Deutschen Sprachraum nicht überall das Gleiche bedeutet. Das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm interpretiert den Ausdruck „Feuer im Dach“ ganz anders:

    In niedriger sprache für kopf, hirnschädel, da ist gleich feuer im dach er ist ein hitzkopf.
    (Quelle: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm)

    Sind also die Walliser Polizisten alles Hirnschädel und Hitzköpfe? Wir hoffen nicht.
    Im Lauf der Zeit muss sich das Feuer langsam vorgearbeitet haben, denn ursprünglich war nicht „Feuer im Dach“, sondern nur „am Dach“. Solches Feuer kennt auch der Duden, für Österreich und die Schweiz, und bringt ein Zitat aus der NZZ:

    es ist/dann ist Feuer am Dach
    (österr.,schweiz.): dann/es herrscht grosser Aufruhr:
    „Wenn jedoch auch in der so genannten Paradedisziplin des österreichischen Skiwettkampfsports derart enttäuschende Ergebnisse wie jene in Kitzbühel auftreten, dann ist Feuer am Dach, beim Skiverband, aber auch bei der Industrie“
    (NZZ 29.1.1983, 33)
    Quelle: Duden-Band 11 (Redewendungen) S. 203

    Wie gesagt, mittlerweile brennt es wesentlich häufiger „im Dach“ als „am Dach“, denn auch Redewendungen unterliegen offensichtlich physikalischen Gesetzen. Immerhin brennt es hier, und „mottet“ nicht nur. (vgl. Blogwiese)

    Die alte Formulierung „Feuer am Dach“ gibt es bei Google-Schweiz nur noch 141 Mal. Also sind das jeweils keine Hitzköpfe mehr, aber dafür herrscht stets eine grosse Aufruhr. Na dann können wir ja den Feuerlöscher ungebraucht zurück in die „Nasslöschstelle“ bringen
    und warten, bis sich der Rauch im oder am Dach verzogen hat.

  • Im Ruhrpott brennt es nicht, da dampft es
  • Wie würden wir in Deutschland ausdrücken, das „Feuer im Dach“ ist? Nun, da bieten sich einige Redewendungen an. Zum Beispiel: „Dann ist Polen offen“. Laut Duden steht das für:

    „da/dann ist Polen offen (da/dann kann alles Mögliche passieren, kann es Ärger geben)
    (Quelle: Duden)

    In meiner Heimat, dem Ruhrgebiet, also „tief im Westen, wo die Sonne verstaubt„, bevorzugt man etwas drastischere Ausdruckformen. Da es dort die selige Erfindung des Robidog Hundebriefkastens noch nicht gibt, und häufiger mal eine Tretmine auf dem Bürgersteig zu finden ist, würde der typische Ruhrpöttler eine grosse Aufregung so ankündigen:

    „Dann is aber die Kacke sowat von am dampfen, eh“.

    In diesem Sinne… lassen wir es einfach dampfen.

    Was die Schweizer gerne essen (Teil 7) — Etwas Feines

    Januar 30th, 2006
  • Hunde sind herzig
  • Seit wir in der Schweiz leben, haben wir uns angewöhnt, mit einem reduzierten, äussert ökonomisch, wenn nicht sparsam eingesetzten Wortschatz auszukommen. Wir wissen zum Beispiel, dass kleine, niedliche, kuschelige Hunde, die wir süss, schnuckelig, putzig, bezaubernd, entzückend, liebenswert finden, dies in der Schweiz alles nicht sind. Hier sind sie herzig, ausschliesslich herzig, und sonst nix (vgl. Blogwiese).

  • Mit wenigen Worten viel sagen
  • Schon in der Französischen Klassik wurde das Ideal gepflegt, den auswuchernden Wortschatz der Französischen Sprache radikal zu verkleinern. Es galt als gekonnt und schick, mit wenigen Worten viel zu sagen. Bestes Beispiel: Zur Zeit der Klassik kam der Tragödiendichter Jean Racine in all seinen Dramen mit nicht einmal 5.000 Wörtern aus, während der Kollege Shakespeare über 200.000 unterschiedliche Ausdrücke in seinen Stücken verwendete. Dieses klassische Ideal, mit wenigen Worten viel zu sagen, wird offensichtlich heute noch in der Kulturnation Schweiz gepflegt. Unser liebstes Beispiel hierzu:

  • Wie war das Abendessen?
  • Die Schweizer essen nicht „zu Abend“, sondern „zu Nacht“, denn es wird früh dunkel in diesem Land. Das mag an den hohen Bergen liegen, hinter denen schnell die Sonne verschwindet, oder einfach an den Rolladen, die die Deutschen auf dem Teller zu essen bekommen (als „Roulade“) während die Schweizer sie am Abend sorgsam herunterlassen, um bedrohliche Lawinen oder Nachtbuben auszusperren.

    Fragen Sie mal einen Schweizer, wenn er „im Ausgang“ war, z. B. mit der Belegschaft seiner Firma in der Weihnachtszeit, was es zu essen gab. Wir garantieren Ihnen, die Antwort wird in 95% aller Fälle lauten:
    „Etwas Feines“.

  • Ein feines Nachtessen
  • Fein“ ist das Essen, muss es sein, wird es sein, und war es offensichtlich schon immer.
    Ein feines z’Nacht“ findet sich bei Google-Schweiz (77 Belege)
    Und ein „Feines Znacht“ mit ohne Auslassungszeichen nach dem Z gibt es 288 Mal.

    So bietet die Philo-Fachschaft der Uni-Bern auf einem Flyer an:

    Leute kennenlernen, Fragen stellen, Fragen gestellt bekommen, nebenbei ein feines Znacht essen, gemütlich zusammensitzen und natürlich ganz viel philosophieren!
    (Quelle:)

    Man achte auf die geschickte Verwendung von Schweizerdeutsch UND Hochdeutsch!

    Oder hier auf dem Flyer einer Langlauf-Skischule:

    Natürlich gönnen wir uns nach „der Arbeit“ ein feines Znacht!
    (Quelle:)

    Fein fein, können wir da nur sagen. Nicht delikat, nicht geschmackvoll, nicht lecker, sondern fein muss das Essen sein.

  • Sind Varianten schöner als Gleichförmigkeit?
  • Wir rätseln noch, wie es zu dieser Variantenarmut im Ausdruck der Schweizer kommen konnte. Der Ansatz „aus der französischen Klassik übernommen“ klingt logisch, wenn man davon ausgeht, dass die Schweiz grosse Teile ihrer Kultur via Westschweiz und Frankreich importiert haben. So z. B. die Form der „Schnürli“-Schrift = Schreibschrift mit einem echt französisch geschriebenen Schreibschift-Z (Siehe Pfeil auf dieser Tabelle):
    Französisches Schreibschrift Z in der Schweiz

    In der Mediavistik (=Sprache und Kultur des Mittelalters) haben wir ausserdem gelernt, dass es zur Zeiten von Walter von der Vogelweide,
    Walter von der Vogelweide (Foto Wiki)
    (Foto Wikipedia: Walther von der Vogelweide)
    dessen Mittelhochdeutsche Minnelyrik immer noch verdammt ähnlich wie heutiges Schweizerdeutsch klingt, es als ausgesprochen „schön“ angesehen wurde, beschreibende Adjektive häufig zu wiederholen. Der Zwang zur „Varianz“, nie die gleichen Adjektive zu verwenden, ist eine viel spätere Erfindung. Bei den Menschen im Mittelalter konnte alles „guot“ sein, und zwar viele Verse lang, ohne das sich irgendein norddeutscher Kleingeist darüber zu beschweren wagte.

    Also finden wir das „guot“, echt „guot„, einfach nur „guot“ (jetzt ist aber echt genug!).