Mit viel Gefühl in den Sündenpfuhl aus „Pfulmen“

Februar 7th, 2006
  • Ein Kuss auf dem Kissen
  • Während einer Autofahrt hörten wir im Schweizer Radio Werbung für ein Matratzen- und Bettenhaus in Zürich. Als besonderes Lockangebot wurde für die (selbstverständlich ausschliesslich deutschen) Schnäppchenjäger versprochen, beim Kauf einer Matratze ein kostenloses „Gsundhiitschüssi“ als Zugabe geschenkt zu bekommen.

    Wir übten den Rest der Fahrt fleissig die Aussprache von „Gsundhiitschüssi“ und fragten uns, wie denn auf Schwiizerdütsch ein „Küsschen auf dem Kissen“ korrekt artikuliert werden müsste:
    äs küssli ufem chüssi“ vielleicht?

  • Pfulmen sind nicht fulminant
  • Wenig später stiessen wir bei einem Bettenausstatter auf das Wort „Pfulmen“. Es kam uns „fulminant“, also blitzartig in den Sinn, dass das sicher was mit „Pflaumen“ zu tun haben muss. Leider völlig verkehrt, denn nicht die Pflaume, sondern der „Flaum“ steckt in diesem weichen Wort, denn es bezeichnet in der Schweiz ein kuscheliges super breites Kopfkissen:

    Pfu.l|men, der od. das; -s, –
    [alemannische Nebenform von frühneuhochdeutsch ‚pfulwe‘ = Pfühl]
    (südd., schweiz.): breites Kopfkissen.
    (Quelle: Duden)

    Hier eins von pandashop.ch:
    Pfulmen
    Bildunterschrift: „Gefüllt mit neuen, halbweissen französischen Entenfedern (kein Lebendrupf)“
    Wir wollen lieber gar nicht so genau wissen, was eigentlich „Lebendrupf“ bedeutet.

    Das Wort Pfulmen müssen Sie kennen, wenn Sie in der Schweiz Kissen kaufen wollen. Google-Schweiz bietet 668 Fundstellen:

    Unser altes Grimms Wörterbuch kennt nur einen Fisch, der so heisst:

    PFULW,PFULWEN, s. pfühl; FISCHART Garg. 63a;
    (Quelle: Grimms Wörterbuch)

    Das kann es ja wohl nicht sein, denn das Wort kommt aus dem Latein:

    Pfühl, der, auch: das; -[e]s, -e
    [mhd. pfülw(e), ahd. pfulawi von lat. pulvinus] (veraltet):
    großes, weiches [Bett]kissen; weiche Lagerstatt:
    auf einem Pfühl ruhen;
    als ob es (= das Geräusch) auf einem weichen Pfühl glitte (Augustin, Kopf 237).

    Von den Römern haben sie es gelernt, die Schweizer und die Alemannen! Das bequeme „Pulvinus“ wurde zum „Pfulmen“, denn was bequem und praktisch ist, das geben wir ungern wieder her!

    Voll Freud und Wonne — „Wonig“ in Zürich

    Februar 6th, 2006
  • Wohneigentum nur für Schweizer?
  • Wie verhindert man als Anbieter von Wohnungen in Zürich, dass dort missliebige Ausländer, Ticinos oder Welsche alles aufkaufen? Ganz einfach! Man formuliert sein Angebot so sehr auf Schweizerdeutsch, dass es garantiert nur noch von sauberen, ordentlichen und gut betuchten Deutschschweizern verstanden wird:
    Wonnige Wohnung
    (Quelle: Tages-Anzeiger 23.01.06. S. 32)

    „Wotsch ä lässigi Wonig haa?
    Dänn click d Milchbuck aa!“

    Wie sich das Englisch geschriebene „click“ mit „c“ dazwischenmogeln konnte, ist uns ein Rätsel. Wir hätten, wenn schon – denn schon, ein alemannisches „gligg“ erwartet.

    „Nöi! Eigentumswonigä: www.xxx-xxx.ch
    Flug-, Ussäufnahmä, Wonigsplän und vil me, damit weisch, wie chasch huuse.
    Chasch au aalüüte“

    Wollen wir mal sauber auseinander sortieren, wie sich das für einen Deutschen liest:

    „Wotsch“ das kennen wir, das ist eine Uhr, wir haben eine Swotsch-Wotsch am Arm.

    „Nöi!“ = das ist Schwäbisch für „Nein“, denn wir kennen ja alle die Geschichte vom schwäbischen Quizkandidaten, der gefragt wurde: „Wie heisst die Hauptstadt von Vietnam?“ Antwort: „Ha-Noi“, dös woiss ii net!

    Eigentums-wön-i-gä: „Eigentum will ich gern“?

    Flug– = Moment, die ist doch wohl nicht in einer Flugschneise in Kloten gelegen?

    Us-säuf-nahmä“ = Ausser Säufer nehmen … = die nehmen alles ausser Säufer?

    Wonigsplän“ = ein wonniger Plan, jawohl das ist es bestimmt.

    Damit weisch, wie chasch huuse“ = Irre ich mich, oder werden wir hier von wildfremden Leuten geduzt? Obwohl, es ist keine Präposition zu entdecken, nicht ein mal ein klitzekleines „ihr“ ist zu sehen, geschweige denn ein „Du“. Sehr geschickt gemacht, diese Kumpeltour, das müssen wir neidvoll zugeben.

    Chasch au aalüüte“ = Hasch gibt es auch, für alle Leute?
    Nee, da gehen wir nicht hin, das ist sicher so dein Drogenkollektiv mit eigener Cannabis-Zucht im Innenhof und auf den Balkonen.

    Ja, so kann es gehen, wenn eine Anzeige zu freier Interpretation einlädt. Hoffentlich wird die Zielgruppe von Nicht-Säufern und Haschischkonsumenten, die sich nix aus Fluglärm machen, mit diesem Text auch gefunden, wäre ja sonst schade um das fehlinvestierte Geld für die Anzeige im Tages-Anzeiger.
    P.S.: Die Website ist übrigens komplett auf Hochdeutsch gehalten. (Siehe hier). So eine Enttäuschung! Richtig hinters Licht geführt fühlt man sich da. Erst mit Schweizerdeutsch so ködern, und dann mit Hochdeutsch abspeisen. Nicht die feine Art ist das.

    Massnahmen gegen das Sinken des Schiffes

    Februar 5th, 2006
  • Tempo 80 auf den Autobahnen
  • Die derzeitige Inversionswetterlage mit damit zusammenhängender Feinstaub-Belastung in den Ballungsräumen der Schweiz führten dazu, dass am 12. Tag der kritischen Luftbelastung nach langer Beratung die betroffenen Kantone beschliessen, die Höchstgeschwindigkeit auf einem Teil der Schweizer Autobahnen auf Tempo 80 zu begrenzen. Uns erinnert diese entschiedene Vorgehensweise an die alte

  • Die Parabel vom Schiff und vom Eisberg.
  • Das Schiff ist mit einem Eisberg zusammengestossen. Der Eisberg riss ein grosses Loch in die Aussenwand des Schiffes. Wasser dringt ein. Das Schiff beginnt vollzulaufen.

    Als der Kapitän von dem Unglück erfährt, beruft er sofort eine Kommission ein, welche den Grund für das Auftreten von Eisbergen in diesen Gewässern klären soll.

    Wasser läuft in das Unterdeck. Die Passagiere beginnen sich zu beschweren, weil sie nasse und kalte Füsse bekommen, wenn sie über die Gänge laufen.

    Der Kapitän beruft eine weitere Kommission von Spezialisten, welche die Ursache für das Loch bestimmen und die Grösse des Loches vermessen sollen. Ausserdem werden sie die Menge des eindringenden Wassers pro Minute berechnen.

    Das Schiff beginnt zu sinken.

    Die Loch-Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass nicht das Auftreffen des Eisbergs auf das Schiff für das Loch in der Aussenwand verantwortlich ist, sondern der Zusammenstoss des Schiffes mit dem Eisberg. Ausserdem wird errechnet, dass pro Minute 500 Liter Wasser eindringen. Das Eindringen des Wassers wird weiterhin kontinuierlich und genau beobachtet.

    Auf dem Schiff sind mittlerweile alle genaustens über die derzeit pro Minute eindringende Wassermassen informiert. Die Gesamtlast des Schiffes liegt 240% über der zulässigen Höchstschwelle.

    Das Schiff liegt tief im Wasser und sinkt weiter.

    Die Eisberg-Kommission trägt ihr Ergebnisse vor, und man weiss nun ganz genau, was im nächsten Winter auf dieser Schifffahrtsroute getan werden muss, um das Auftreten von Eisbergen zu verhindern.

    Es wird diskutiert, das Schiff mit 80% seiner Kraft in Richtung Süden fahren zu lassen, um möglichst schnell in wärmere Gewässer vorzustossen. Das würde die nassen Füsse weniger unangenehm erscheinen lassen. Sie wären dann zwar immer noch nass, aber nicht mehr kalt.

    Das Schiff sinkt weiter.

    Der Steuermann lässt die Maschinen starten, damit endlich etwas geschieht. Das Schiff sinkt zwar immer noch, aber jetzt bewegt es sich dabei vorwärts.

    Es werden weitere Massnahmen diskutiert, die zukünftige Eisberge unmöglich machen sollen.

    Angesichts des immer weitere steigenden Wasserstands wird beschlossen, die Pumpen anzuwerfen. Dank 70%er Pumpleistung kann die eindringende Wassermenge um 7% von 500 Liter pro Minute auf 465 Liter pro Minute gesenkt werden. Ein grosser Erfolg!

    Das Schiff sinkt weiter.

    Der Kapitän ordnet an, dass die Passagiere am besten in ihren Kajüten bleiben und die Türen fest verschlossen halten mögen, um das Eindringen von Wassers zu verhindern. Die Passagiere sind unzufrieden mit dieser Massnahme. 57% wünschen, dass das Wasser nicht mehr eindringt und sie ihre Kajutentüren wieder öffnen können. Ausserdem soll der Steuermann entlassen werden, weil er zu spät gehandelt hat. Damit hofft man, die Lage in den Griff zu bekommen.

    Es wird erwogen, die Pumpleistung weiter zu erhöhen. Die Idee wird verworfen. Die Pumpen würden wegen der grossen Belastung in 3 Monaten nicht mehr funktionieren. Das würde grossen wirtschaftliche Schaden für die Rederei bedeuten.

    Das Schiff sinkt weiter.

    Der Kapitän informiert sich über Funk, welche Massnahmen andere Schiffe zur Vermeidung von Kollisionen mit Eisbergen getroffen haben. Es wird überlegt, diese Massnahmen gleich für die nächste Fahrt im nächsten Herbst verbindlich umzusetzen.

    Das Schiff ist gesunken.

    Wenn die Hausaufgaben nicht Ski fahren können

    Februar 5th, 2006
  • Hörverständnis-Probleme als Wahl-Schweizerin
  • Von unserer Inlands-Korrespondentin „Empörte Tochter“ erhielten wir den folgenden interessanten Beitrag für die Blogwiese, den wir hier ungeschnitten und unzensiert abdrucken:

    Der populärste Wintersport in der Schweiz ist natürlich Skifahren. Wie sagen das die Kinderchen so schön: „Uff Ski“.

    Funken wir mal kurz in die Schweizer Schule, der Lehrer fragt die Kinder: „Was macht ihr denn gerne?“ Da der Satz: „Ich fahre gerne Ski“ viel zu lang und zu kompliziert zum aussprechen ist, kürzt man ab und sagt: „Ich mach gärn Uffzgi.“

    Aber Uffzgi heisst doch „Hausaufgaben“ nicht „Uff Ski“. Wer aber Deutscher ist und neu in die Schweiz kommt, muss erst Mal knobeln, was das überhaupt bedeutet.

    Ich spreche da aus eigener Erfahrung! Schlussfolgern wir daraus, das „Uff Ski“ auch als „Uffzgi“ verstanden werden kann.

    Von der eigenen Sprache an den Rand Europa gedrängt — Das Risiko der „Hollandisierung“ der Schweiz

    Februar 4th, 2006
  • Von der eigenen Sprache an den Rand Europa gedrängt
  • Das Forum Helveticum diskutierte im Januar über die Zukunft der Schweiz und ihrer Sprachgemeinschaften. Sechs der 24 Beiträge des Forums Helveticums wurden von Teilnehmern aus der romanischen Schweiz beigesteuert, die sich angeregt am kritischen Diskurs beteiligten.

  • Für die Welschen ist Schweizerdeutsch eine Bedrohung
  • Die Schweizerdeutsch Dialektwelle wird von den Welschen und Tessinern als Gefahr für die Verständigung der verschiedenen Sprachgemeinschaften in der Schweiz gesehen.
    Das Risiko der Hollandisierung
    Liberté vom 11.01.06

  • Das Risiko der Hollandisierung
  • (…) Für Roy Oppenheim, Medienspezialist, ist es dringend notwendig, auf ein Phänomen zu reagieren, das durch die Verarmung der Sprachkompetenz der neuen Generation ausgelöst wird.
    Wie werden sich die jungen Schweizer behaupten können im Europa der 25, wenn sie nicht mal in der Lage sind, korrekt zu kommunizieren mit dem deutschsprachigen Raum?“, fragt er sich. Er warnt vor dem Risiko der „Hollandisierung“ der Schweiz, Bezug nehmend auf die Niederlande, die sich im 17ten Jahrhundert selbst vom Deutschsprachigen Raum isolierten, in dem sie aus ihrem Dialekt ihre Standardsprache machten. (…)

  • Mit Tessinern nur auf Hochdeutsch im Fernsehen? Denkste…
  • Der Tessiner Fulvio Caccia, ehemaliger Nationalrat, erzählt:

    Vor ein paar Jahren habe ich an einer Fernsehdiskussion teilgenommen, bei der wir zwei Stunden auf Mundart diskutiert haben, während gleichzeitig die neuen Bestimmungen den Gebrauch des Hochdeutschen vorschrieben.

    Soviel zum Anspruch und Wirklichkeit, wenn Hochdeutsch einfach von oben verordnet wird.
    Die Dialektwelle schafft das Chaos
    Untertitel des Artikels in der Zeitung „Liberté“ vom 11.01.06:


    Schwyztertütsch kommt nicht in die Gänge (stottert, hat Ladehemmungen):
    Die Dialektwelle, die über die Deutschsprachige Schweiz hereingebrochen ist, hat ein sprachliches Chaos verursacht.

    Und da sage noch mal einer, dass den Suisse Romandes die „höchstalemannische“ Schweiz total egal sei…