Wenn sie in der Hitze einen Hitzgi bekommen.

Februar 12th, 2006
  • Was ist ein Hitzgi
  • Was könnte das nur wieder sein? Vielleicht einen „Hit“ beim „Ski“ fahren? Oder einen „Hitzeschlag“? Vielleicht ist es ja auch ein Einwanderer aus Polen, denn die haben alle irgendwie Familiennamen, die auf –ski enden.

  • Die Ruhrpolen
  • Im Ruhrgebiet wimmelt es in den Telefonbüchern von Essen, Dortmund oder Bochum nur so von Wischnewski, Maslowski, Rosowski und Kowalski. Alles keine „Ski-Fahrer“, sondern Nachfahren von Bergleuten, die vor über 120 Jahren zu Beginn der Industriellen Revolution, als der Kohlenpott noch eine grüne Wiese mit hübschen Fachwerkdörfern war, aus Polen geholt wurden:

    Mit Ruhrpolen sind die Menschen gemeint, die seit 1880 mit ihren Familien aus Polen ins Ruhrgebiet eingewandert sind und dort meist als Bergleute gearbeitet haben. Heute schätzt man, dass ca. 150.000 Deutsche von diesen Ruhrpolen abstammen.
    (Quelle: Wiki)

    Aber die schreiben sich alle mit „k“ im „-ski“ und haben mit dem „Hitzgi“ nur rein lautlich was zu tun. Google hat 560 Belege für „Hitzgi“.

    Duden und Wikipedia wissen dennoch nix darüber, also müssen wir die Schweizer fragen. Wir lernen sehr schnell:

    „Gegen Hitzgi hilft rückwärts trinken. Hicks!“
    (Quelle: Hitzgi)

    Denn ein „Hitzgi“ ist ein Schluckauf. Darüber weiss Wiki zum Glück wieder Bescheid:

    Der Schluckauf (lat. singultus = Schluchzen, Schlucken) ist eine reflektorische Einatmungsbewegung (Kontraktion) des Zwerchfells, wobei die Einatmung durch plötzlichen Stimmritzenverschluss unterbrochen wird. Dadurch entsteht ein hörbares Geräusch.
    (Quelle: Wiki)

    Im Schwäbischen haben wir die Bezeichnung „Häcker“ vernommen, und im Siegerland sollen die Leute dazu „Schlick“ sagen. Eigentlich eine wunderbare Sache, für die es zahlreiche lautmalerische Wortbildungen in jedem Dialekt gibt:

    In Bayern ist es ein Heschar oder Häggr (Quelle:)

    In Südtirol ist es ein Schnaggl oder Schlukker . (Quelle:).

    In Kleve ein Schluckauf ein Hekk, ganz ohne Mek (Quelle:)

    In Franken ein Hedscher

    Mein Gott, das hört ja gar nicht mehr auf, ich kriege gleich selbst noch einen…
    Und falls Sie mal einen Schluckauf / Hitzgi / Häcker / Schlick / Heschar / Häggr / Schnaggl / Schlukker / Hek / Hedscher haben sollten, dann kennt Wiki auch ein paar Tricks, wie man ihn wieder los wird:
    Beenden von Schluckauf

    * Atem anhalten
    * tief in den Bauch ein- und ausatmen
    * viel trinken
    * sich stark auf etwas konzentrieren
    * während eines Kopfstands ein Glas Wasser trinken
    * Wasser schlucken mit zugehaltener Nase bzw. zugehaltenen Ohren
    * Zucker schlucken
    * einen Schluck Wasser nehmen und so lange wie möglich gurgeln
    * den Schluckauf vergessen (dabei kann man sich z.B. die Mahlzeiten der vergangenen Tage überlegen)
    * versuchen, die nächste Schluckauf-Kontraktion bewusst zu provozieren
    * Salz auf die Zunge streuen
    * erschrecken
    * auf einem Bein stehen
    * Kopf unter Wasser halten
    * plötzlich kaltes Wasser oder Eis in den Nacken
    * Mund in fließendes Wasser halten
    * Erbrechen (hierbei fragt sich jedoch, was als unangenehmer bzw. leichter ertragbar empfunden wird)
    * tiefes Summen „mit dem Bauch“. Beim Gesang ist „mit dem Bauch singen“ eine Singtechnik. Es gibt auch noch das „Singen mit der Brust“.
    * Reizung des Atemzentrums durch Einatmen von kohlendioxidreicher Luft, z.B. Ein- und Ausatmen durch Textilien oder Papiertüte, flache Atmung mit minimalem Luftaustausch, Einatmen über stark kohlendioxidhaltigen Getränken
    * ein Schnapsglas mit Balsamico-Essig trinken, zur besseren Verträglichkeit eventuell mit einem Teelöffel Zucker verfeinern
    * küssen
    * lachen, z.B. indem man sich auskitzeln lässt
    * Es wird oftmals „scherzhaft“ behauptet, ein Schluckauf lässt sich beenden wenn man an drei Glatzköpfe denkt.
    Man sollte aber auch an die Wirkung dieser Methoden glauben. Es ist möglich, dass die Wirkung erst durch den Placeboeffekt eintritt.

    Hier dürfen Sie einen Haufen machen — „äufnen“ in der Schweiz

    Februar 11th, 2006
  • Hier dürfen Sie einen Haufen machen — „äufnen“ in der Schweiz
  • Wir bekamen Post von einem aufmerksamen Deutschen Leser der Blogwiese, der über einen Begriff der Schweizerdeutschen Schriftsprache stolperte:

    Ich habe es im Radio gehört, es ging um die Welt-Klimakonferenz und man werde für einen bestimmten Zweck einen Fonds „äufnen„.

  • Mit „H“ oder ohne „H“ vor dem Vokal
  • Rein phonetisch erinnert das Wort an „häufen“, mit ein paar Umstellungen und einem vorangestellten „h“. Dies beobachten wir im Alemannischen auch bei den Kartoffeln, die mal mit „h“ als „H-erdäpfel“, und mal ohne „h“ als „Erdäpfel“ benannt werden. Oder hat hier ein Welsch-Schweizer versucht, Hochdeutsch zu sprechen. „Isch ‚abe ‚ier heinen ‚aufen Geld ange-`äuft“? In Lausanne hörte ich mal im Radio, wie ein Sprecher den alten Song „Our house“ von Crosby, Stills, Nash & Young“ mit „Hour ‚ouse“ ansagte. Und aus „Wieviel Uhr ist es?“ wurde bei unseren französischen Freunden mitunter „Wieviel Huhr(e) ist es“. Dafür kriegen wir Deutschen die Wortverkettung im französischen Satz nicht hin machen abgehackte hässliche Pausen im Sprachfluss.

  • Wo braucht man das Wort „äufnen“?
  • Mal schauen, ob das nur gesprochene Sprache ist, oder ob man das auch schreiben kann in der Schweiz. Man kann, sogar in einem Gesetzestext findet sich das Wort:

    Die Schweizerische Eidgenossenschaft ist verpflichtet, diese Sammlungen auf eigene Kosten zweckentsprechend aufzustellen, zu unterhalten, zu verwalten und zu äufnen.
    (Quelle:)

    Nur aus dem Zusammenhang ist das Wort für uns nicht verständlich. Google-Schweiz bietet 815 Fundstellen, das muss was Wichtiges sein!

    Auch im Tages-Anzeiger wird es erwähnt, dann hat es also alle Weihen der Schweizer Schriftkultur:

    (…) frei verfügbares Kapital in Form von Wertschriften sowie zusätzliches Vorsorgekapital in der zweiten Säule über Einkäufe fehlender Beitragsjahre zu äufnen.
    (Tages-Anzeiger vom 26.03.04)

    Als letzte Zuflucht greifen wir zum Duden. Der alte Schlauberger weiss es wieder, das hätten wir ihm echt nicht zugetraut:

    äuf|nen (sw. V.; hat) [mhd. ūfenen = erhöhen, zu: ūf, 1 auf] (schweiz.):
    [ver]mehren; (Kapital, Geld) bilden, ansammeln:
    eine Sammlung, ein Kapital ä.; Wie ist sicherzustellen, dass der durch staatlich verordnetes Zwangssparen geäufnete Sozialfonds von bald 25 Milliarden Dollar nicht missbraucht wird? (NZZ 13. 10. 84, 5).
    (Quelle: Duden)

    Also kein „Haufen“ sondern „auf-tun“ , „auf-nehmen“ steckt da drin, und es geht ums Fachvokabular für die Vermehrung von Geld. Jetzt wissen wir auch, warum wir das Wort nicht kannten. Wir kennen uns besser aus mit dem Fachvokabular für die Vernichtung von Geld, nicht für seine Vermehrung.
    P.S.:
    Wir fragten ein paar Schweizer Muttersprachler in unser Umgebung, ob sie uns erklären können, was „äufnen“ bedeutet. Konnten sie nicht. Wir sind beruhigt, denn es scheint, es gibt doch mehr Fachleute für die Geldvernichtung als für die Geldvermehrung.

    Überleben im Schweizer Satzbau — Was alles „erst noch“ passiert

    Februar 10th, 2006
  • Was „erst noch“ passiert
  • Fast täglich stolpern wir bei der Lektüre des Tages-Anzeigers oder Schweizer Webseiten über ein Konstruktion mit „erst noch“, die wir nicht interpretieren können:

    Pisten gut – und erst noch Sonnenschein
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 04.01.06)

    Was heisst das jetzt: Danach wird es regnen? Erst haben wir noch ein bisschen Sonnen, danach nicht mehr?
    Erst noch
    Tages-Anzeiger vom 26.01.06
    Was passierte danach? Erst haben sie sich noch erfunden, dann muss da doch noch etwas anderes geschehen sein.

    Oder hier das Portal cash.ch:

    BAUHERRENBERATUNG: Guter Rat, der erst noch spart
    (Quelle: Cash.ch)

    Heh, das reimt sich sogar! Heisst das, später wird es dann richtig teuer?

    Der Begrif „erst noch“ findet sich bei Google-Schweiz 198.000 Mal.
    Oder hier, aus einem Tages-Anzeiger Artikel über einen Sammler alter Telefone:

    Engler hütet insgesamt 370 verschiedene Modelle aus der ganzen Welt, alle detailgetreu restauriert und erst noch funktionstüchtig
    (Quelle: Tages-Anzeiger)

    Später gehen sie dann kaputt? Was passiert danach, wenn „erst noch“ etwas geschieht?

    Wir stellen fest: In der Schweiz bedeutet diese Floskel etwas ganz anderes als in Deutschland. Dort wird das immer rein zeitlich verstanden. So z. B. in der Wochenzeitung, „Die Zeit“:

    „Das Schlimmste kommt erst noch“
    (Quelle: Die Zeit)

    Der Duden meint dazu:

    erst (Adv.) [mhd. ēr(e)st, ahd. ērist, Sup. von eher]:
    1.a) als Erstes, an erster Stelle; zuerst, zunächst:
    b) anfänglich, zu Beginn:
    2.a) nicht eher, früher als:
    b) nicht länger zurückliegend als:
    c) nicht mehr als:

    noch (Konj.) [mhd. noch, ahd. noh, zusgez. aus: ne = nicht u. ouh = auch, eigtl. = auch nicht]:
    schließt in Korrelation mit einer Negation ein zweites Glied [u. weitere Glieder] einer Aufzählung an; und auch nicht:
    er kann weder lesen noch schreiben; (…)
    (Quelle: Der Duden)

  • Erst noch und für einmal
  • Es kommt für uns in die gleiche Kiste wie das „für einmal“, welches in Schweizer Zeitungstexten ständig an Stelle von „diesmal“ oder „ausnahmsweise“ verwendet wird.

    Erst noch“ muss soviel wie „ausserdem“ bedeuten in der Schweiz, das können wir aus dem Kontext erschliessen. Allein, wir müssen es einfach „erst noch“ verstehen.

    Hader niemals mit dem Kader — Marxistische Soziologiebegriffe im Schweizer Alltag

    Februar 9th, 2006
  • Hader niemals mit dem Kader
  • Ein Deutscher Arbeitsloser, der sich auf dem Schweizer Stellenmarkt umschauen will, stösst bald auf einen Begriff im Anzeigenteil der Zeitungen, mit dem er in Deutschland ganz andere Dinge verbindet als ein Schweizer in der Schweiz:

  • Der Kader
  • Für Deutsche ist dieser Begriff negativ verbunden mit der DDR-Vergangenheit. Dort gab es die „Kader-Schmieden“ im Hochleistungssport. Dort wurde gedoped und gespritzt, was das Zeug hielt und die Pharmaindustrie hergab. Ein Kader, das weckt also Erinnerungen an die DDR, an Besuche bei den lieben Freunden in Moskau, den Parteikadern.

    Der Ausdruck Kader (v. frz. quadre, cadre Geviert, besonderer Bereich, entlehnt aus russ. kadr) bezeichnet ursprünglich eine besondere Gruppe militärischer Vorgesetzter.
    Im sowjetischen Einflussbereich waren Kader ein durch politische und fachliche Kenntnisse und Fähigkeiten führender Personenkreis im Partei- und Ideologiebereich „Parteikader„, „Führungskader„, „Leitungskader„, „Nachwuchskader„, „Kaderpolitik„). Insbesondere zählten die Funktionäre der Parteien und Massenorganisationen (Leitungskräfte) und die Hoch- und Fachschulabsolventen (Experten) dazu, normale Werktätige aber nicht. „Reisekader“ hatten die Erlaubnis, im „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“ Aufgaben für ihre Betriebe oder Institutionen zu erfüllen.
    (Quelle: Wiki)

    Der Begriff „Kader“ wird in Deutschland heute ausschliesslich im Sportbereich verwendet, und niemals für eine Führungskraft: Google-Deutschland hat 2.930.000 Belege. Anstatt „Kader“ sagt man also ist in Deutschland immer eine „Führungskraft“ (niemals nie ein Führer, denn der ist ja abgeschafft, vgl. Blogwiese ) oder ein „leitender Angestellter“ (nicht zu verwechseln mit dem „leidenden Angestellten“).

  • Kader-Vermittlungen und Kaderstellen
  • Auch die Geschäftsidee der „Kader-Vermittlung“ war uns völlig unbekannt, als wir noch nicht in der Schweiz wohnten. Solche gibt es in Zürich, Basel und Bern in der Innenstadt massenhaft. Ihr Job ist es, Stellenanzeigen von Firmen auszuwerten, dann selbst einen passenden Kandidaten durch Kopfgeldjäger (Neudeutsch „Headhunter“) zu finden, um anschliessend ihre Beutestücke (möglichst lebend) gegen Lösegeld an interessierte Firmen weiterzuverscherbeln.

  • Spezialverband für Kaderkräfte
  • Es gibt sogar eigene Verbände für Kader. Ein Kaderverband wie der „Schweizer Kaderverband“ definiert sich so:

    Der Schweizerische Kaderverband ist ein Interessenverband (keine Gewerkschaft), der bestrebt ist, Selbständigerwerbenden und Kaderpersonen entscheidende Vorteile zu bieten: günstige Angebote, insbesondere durch die Realisierung von Kollektiv-Abschlüssen für die Mitglieder. (…)
    (Quelle:)

    Die flüssige Aussprache „Selbständigerwerbenden“ müssen wir aber noch üben, ich lese da immer „selbständiger werbend“ irgendwie.

  • Kader im Kollektiv
  • So treten die Kader also gleich im Kollektiv auf. Auch dies ist für die meisten Deutsche ein aus der DDR-Vergangenheit bekanntes Wort, gleichfalls politisch vorbesetzt. Es erinnert an „Ernte-Kollektive“ und Brigade. Wiki meint dazu:

    Der Begriff wird in der marxistischen Soziologie den sonst üblicheren wie Gemeinschaft, Gruppe, Organisation vorgezogen und betont dann die bewusste Zielausrichtung eines „Kollektivs„. In der DDR entsprach der Begriff „Kollektiv“ ungefähr dem, was man in der Bundesrepublik Deutschland Team nennt; doch wurden in Verlautbarungen und Agitprop auch große Kollektive zitiert, wie die Arbeiterklasse, die durch das Wort „Team“ nicht mehr erfasst werden. (Eine andere in der DDR für ein Kollektiv verwendete Bezeichnung war Brigade.)
    (Quelle: Wikipedia)

    Kader kann jeder werden in der Schweiz, auch ohne Sport zu treiben. Damit es besser klappt, gibt es jede Menge Schulen für Kader. Google-Schweiz findet 120.000 Belege dafür! Zum Beispiel die Kaderschule Zürich, mit einem eigenen Kaderforum:

    Kaderforum: Kompetenz und Führungsstärke
    Mitarbeiter im Kader stehen unter erheblichem Erfolgs- und Innovationsdruck. Permanentes Lernen ist notwendig, um die professionellen Herausforderungen erfolgreich zu meistern.

    Immerhin wird hier nur „permanentes“ Lernen, und nicht „lifelong learning“ gepflegt, was sich in unseren Ohren immer ein bisschen wie Knast anhört.

  • Motto: Try harder, become a Kader!
  • Zum Abschluss noch eine kleine Stilübung. Wie sagt man den folgenden Satz auf Schwiitzerdütsch?
    „Komm kleiner kräftiger Kerl, kannst kluge Kader kennenlernen!“
    (Vorschläge mit weniger als 5 CHs werden nicht akzeptiert)

    Warum nach Paris fahren für die Kunst? — Die Kunstsammlungen in Winterthur

    Februar 8th, 2006
  • Die heimliche Kunsthochburg Winterthur
  • Was tut ein kunstinteressierter Schweizer/Deutscher/Franzose, wenn er mal so richtig in der „Klassischen Moderne“, in Meisterwerken von Van Gogh, Monet oder Picasso schwelgen will? Richtig! Er fährt nach Paris, der absoluten Kunst-Hochburg Europas. Dabei liegt das Gute viel näher, viel versteckter, und selbst an Wochenenden nur wenig besucht:
    Winterthur ist einzigartig durch seine grosse Zahl von hochkarätigen Meisterwerken der Kunst.

  • Im Umkreis von 300 Km nichts Vergleichbares
  • Als wir noch in Stuttgart bzw. Freiburg im Breisgau lebten, nahmen wir bestimmt mindestens zwei Mal im Jahr die 2 ½ Stunden Autofahrt auf uns, um nach Winterthur zur Sammlung Oskar Reinhart am Römerholz zu pilgern:

    Die Sammlung Oskar Reinhart gehört zu den bedeutendsten Privatsammlungen des 20. Jahrhunderts. Sie umfasst etwa 200 Werke der europäischen Kunst vom 14. bis zum frühen 20. Jahrhundert. Das Schwergewicht liegt auf der französischen Malerei des 19. Jahrhunderts, insbesondere auf der Malerei der französischen Impressionisten und den Vorläufern.
    (Quelle:)

    Der Clou an dieser Sammlung ist das besondere Ambiente. Kein nüchterner Museumsbau, sondern die umgebaute Privatvilla des Winterthurer Kaufmanns Oskar Reinhart (1885-1865).

  • Beim Sammler daheim
  • Man ist quasi beim Kunstsammler zu Hause, schlendert durch seinen Salon, sein Kaminzimmer, kann im Vorbeigehen einen waschechten Pieter Bruegel bewundern, bis man zum ausgebauten Wintergarten vorstösst, in dem alles hängt, was die Kunstgeschichte im 19 Jahrhundert an namenhaften Werken hervorgebracht hat.

    Oskar Reinhart hatte testamentarisch verfügt, dass seine Sammlung nie ausgeliehen werden darf, so können Sie sich fest darauf verlassen, dass die Bilder immer am Ort sind.
    Französischer Klassizismus (einer der seltenen Davids hängt hier), Realismus (Gustave Courbet), Impressionismus (Cézanne, Monet, Manet) und Postimpressionismus (zwei Van Goghs!, Toulouse Lautrec),
    Die Clownesse Cha-U-Kao von Toulouse Lautrec (mit freundlicher Genehmigung des Museums):
    Die Clownesse Cha-U-Kao von Toulouse Lautrec
    alles ist vertreten und Sie werden nie wieder das Bedürfnis verspüren, nach Paris zu fahren wegen der Kunst.
    Das Hospital in Arles von Van Gogh:
    Das Hospital in Arles von Van Gogh

  • Dreister Kunstraub morgens um 10.00 Uhr im 13ten Arrondissement
  • Dort in Paris fuhren einst dreiste Räuber morgens um 10.00 Uhr vor das Musée Marmottan im 13e Arrondissement und sperrten das Personal in einen Raum, bevor sie das berühmte Gemälde Claude Monets, „L’impression soleil levant“, nach dem der Impressionismus benannt wurde, einfach kidnappten. Viele Jahre später konnte dieses Bild in Japan sicher gestellt werden und in das Museum zurückgelangen. Seitdem rechne ich bei jedem Besuch in der Oskar Reinhart Villa damit, dass plötzlich ein Hubschrauber im Garten landet und ein Kunst-Überfall-Kommando die Sammlung abräumt, denn die nächste Polizei ist weit, und von grossartig bewaffneten Aufpassern ist nichts zu spüren hier am Stadtrand von Winterthur. Nur zwei äusserst freundliche Damen am Empfang sind dort, die uns diskret mit der Kunst allein lassen.

    Das Museum ist Sonntags bei den Winterthurern sehr beliebt, wegen seines Cafes mit Terrasse und Blick auf die Stadt, zum gemütlichen Brunchen. In der Sammlung sind Sie dann um diese Zeit meistens allein unterwegs.

    Wenn Sie anschliessend noch ein bisschen Power haben, müssen Sie unbedingt noch ein weiteres, völlig verstecktes Highlight der Kunstszene Winterthurs bewundern: Das Museum Oskar Reinhart. Sie finden es unten in der Stadt. Am Sonntag gibt es dort sogar fast immer freie Parkplätze direkt beim Museum. Es hängt dort ein Hauptwerk der Deutschen Romantik, die berühmten „Kreidefelsen von Rügen“ von Caspar David Friedrich:
    Die Kreidefelsen von Rügen hängen in Winterthur

  • Die rote Dame von Rügen
  • Dieses Bild ist als Reproduktion in fast jeder Deutschen Grundschule im Treppenhaus oder im Lesebuch zu finden. Auch unsere Kanzlerin Angela Merkel liess sich während ihres letzten Sommerurlaubs auf Rügen vor diesem symbolträchtigen Sujet fotografieren:
    Angela Merkel vor den Kreidefelsen
    Man achte auf das rote Kleid der Dame oben im Bild von Caspar David Friedrich und auf die Farbe des Pullovers von Frau Merkel. Zufall?

    Sogar die Japaner haben da schon über die Kunstschätze von Winterthur im Japanischen TV berichtet! Und die bringen sonst nicht viel über die Schweiz. Wer glaubt, dass es mit zwei fantastischen Museen in Winterthur genug sei, der irrt gewaltig. Es gibt zusätzlich noch ein gut bestücktes Kunstmuseum, ein international renommiertes Fotomuseum und eine weitere kleine schmucke Privatsammlung, die Sammlung Hahnloser in der Villa Flora. So viel Kunst in so einem kleinen fleissigen Industriestädtchen, wer muss da noch nach Frankreich fahren?

    Wenn Sie nicht so auf Kunst stehen, oder ihre Kinder für ein paar Stunden bequem beschäftigen möchten, parken Sie sie einfach im „Technorama“, aber das wäre schon wieder genug Stoff für einen weiteren Artikel.

    Besuchen Sie mal Winterthur und seine fantastischen Kunstsammlungen! Aber tun Sie uns den Gefallen, und lassen Sie ihre Waffen und den Hubschrauber daheim und die Bilder schön an ihrem Platz, damit die nächsten Besucher sich auch noch an der Pracht erfreuen können. Wäre doch dumm, wenn man dafür demnächst nach Japan fahren müsste.