Wenn Experten in den Knast müssen — „Einsitzen“ und „Einsitz nehmen“ in der Schweiz

Februar 17th, 2006
  • Die Experten müssen einsitzen
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 30.01.06 (S. 6) über die Aktivitäten des Schweizer Volkswirtschaftsminister Joseph Deiss bei der Gründung eines neuen (Achtung: jetzt tief Luft holen!) „Forums für Zusammenarbeit im Bereich von Investitionen und Handel“ (jetzt wieder ausatmen) mit den Amerikanern.

  • Experten in den Knast
  • Bevor die Experten allerdings mit ihren Aktivitäten beginnen können, müssen Sie erst mal in den Knast, denn wir lasen wörtlich:

    Doch werden im neuen Forum Experten beider Seiten einsitzen (…)

    Einsitzen in der Schweiz
    Natürlich ist das nur wieder eine Deutsch-Schweizer Sprachverwirrung. Während man in Deutschland das Verb „einsitzen“ oder die Formulierung „der sitzt gerade“ als höfliche Umschreibung für einen Gefängnisaufenthalt bezeichnet, ist es in der Schweiz eine typische politische Tätigkeit: „Einsitz nehmen“ oder schlicht „einsitzen“.
    Einsitzen heisst in den Knast gehen
    (Foto: Nelson Mandelas ehemalig Zelle via schreinerweisenheim.de)

  • Auch unser Duden kennt das Wort:
  • 1.ein|sit|zen (unr. V.; hat): 1. (südd., österr., schweiz. auch: ist) (Rechtsspr.)
    inhaftiert sein, im Gefängnis sitzen:
    er sitzt zurzeit [im Landesgefängnis] ein; er hat schon öfter eingesessen;, (…)
    ein|sit|zen (unr . V.; hat):
    2.a) durch häufiges Daraufsitzen eindrücken:
    b) (einsitzen + sich) durch häufiges Daraufsitzen eingedrückt werden:
    so ein billiges Polster sitzt sich leicht ein.
    3. (Reiten) sich in den Sattel setzen; im Sattel sitzen
    (südd., österr., schweiz. auch: ist): sicher, gut einsitzen.;
    4. (veraltet) wohnen (südd., österr., schweiz. auch: ist):
    5. sich hineinsetzen (südd., österr., schweiz. auch: ist):
    Sitzet nur ein (= in die Kutsche; Goethe, Hermann u. Dorothea 6, 303).

  • Beispiele für „einsitzen“ in der Schweiz:
  • Der America’s Cup (AC) wagt den Schritt in die Moderne: Mit Gabrielle Kaufmann-Kohler wird erstmals eine Frau im fünfköpfigen Schiedsgericht einsitzen.
    (Quelle: nzz.ch)

    In dieser Kommission werden Vertreter der Liegenschaftskommission, der Pächter, der Bühnenvereine (…) sowie der Liegenschaftsverwalter einsitzen.
    (Quelle: gstaadonline.ch)

    In Deutschland hat „einsitzen“ immer was mit Knast und Gefängnis zu tun:

    Einsitzen statt eincremen
    Eltern haften für ihre Kinder – manchmal ganz wörtlich: Großbritannien macht jetzt kurzen Prozess mit Eltern, die ihre Kinder die Schule schwänzen lassen, um mit ihnen den Urlaub zu genießen. Die Höchststrafe per Schnellgericht lautet „Ab in den Knast„. Die ersten Prozesse laufen derzeit.
    (Quelle: Spiegel Online)

    Die Variante „Einsitz nehmen“ ist in Deutschland zwar bekannt, jedoch wesentlich häufiger in der Schweiz zu finden. So bei Google-Schweiz 15.400 Mal
    Beispiel:

    Würde der neu gewählte Primarschulpflegepräsident erst im Sommer im Stadtrat Einsitz nehmen, (…)
    (Quelle: Zürcher Unterländer)

    Wir hoffen bloss, dass wenn die sich alle „einen Sitz nehmen“, beim „Einsitz nehmen“, dass es dann auch immer noch genügend Sitzgelegenheiten geben wird, in diesen Gremien. Die müssen dann ja schon tüchtig eingesessen sein, wenn da Eingesessene drin Einsitz nehmen.

    Nicht durch die Reihe, sondern durchs Band — Neue Schweizer Redensarten

    Februar 16th, 2006
  • Nicht durch die Reihe, sondern durchs Band
  • Wir lasen in der Sonntagszeitung vom 29.01.06:
    durchs BAnd

    „Seit Ingrid Deltenre den Kurs bei SF bestimmt, sinken die Quoten praktisch durchs Band.“

    Und wir glaubten immer, das Fernsehen arbeitet mit Funkwellen, und nicht mehr mit Tonbändern. Oder werden die Sendungen auf dem „Fliessband“ hergestellt? Die Kult-Sendung „Am laufenden Band“ von und mit Rudi Carrell war unser Lieblingsprogramm in den 70ern. Dort durfte sich der Gewinner soviele Gegenstände wie möglich merken, die auf einem Fliessband an ihm vorbei fuhren. Gar nicht so einfach, wie jeder hier selbst ausprobieren kann: Spiel „Am laufenden Band“.
    Wer geht hier durchs Band?
    (Foto: tv-nostalgie.de)
    Doch was bedeutet die Formulierung „durchs Band“? Sie ist auf jeden Fall etwas Alltägliches, wie die 970 Funde bei Google-Schweiz beweisen.

    Ein paar Beispiele:

    „… Erfolg durchs Band bei konsequenter Anwendung … mit Kunden und privat …
    (Quelle: umberto.ch)

    oder

    Laibach zeigt tolle Weine durchs Band (…)
    (Quelle: Suedafrikainfo.ch)

    oder

    Auf Stock.xchng gibt es in 15 Kategorien rund 184 000 Fotos zu bewundern, und die Qualität ist durchs Band gut.
    (Quelle: Tagesanzeiger)

    Oder hier beim Schriftsteller Roger Graf:

    Schliesslich kann man in jedem Geschichtsbuch nachlesen, dass in den Jahrhunderten vor der Erfindung der Massenmedien friedliche und durchs Band intelligente, phantasievolle Menschen diesen Planeten bevölkert haben.
    (Quelle: rogergraf.ch)

    Wir finden es nicht im Duden, Redensarten-Duden oder bei den Brüdern Grimm. Durch die zahlreichen Belege bei Google-Schweiz vermuten wir, dass es die Schweizer Variante von „durch die Reihe“, „durchweg“ (= durch Weg), als „immer, ständig, die ganze Zeit“ bedeutet. Vielleicht hat es ja auch mit dem „Band auf der Ziellinie“ bei Wettläufen zu tun, das vor der Einführung von anderen Messmethoden vom Sieger durchtrennt werden musste, wodurch das Zielfoto automatisch geschossen wurde?

    Das spricht mal wieder Bände über unseren geringen Wortschatz. Wir geraten ausser Rand und Band über diese neue Entdeckung und knüpfen eine zarte Bande mit allen Helvetismen, doch jetzt ist das Band zu Ende. Ab durch die Mitte? Nein, ab durchs Band!

    Was Städte, die am Rhein liegen, alles gemeinsam habe: „dat dat dat“ und „da da da“

    Februar 15th, 2006

    Eine Freundin aus Neuss, das liegt am Niederrhein, erzählte uns folgende tatsächlich erlebte Geschichte:

    Während einer Strassenbahnfahrt beobachtete ich, wie ein Kind auf einem Fensterplatz seine Nase an der beschlagenen Scheibe platt drückte. Plötzlich fing das Kind zusätzlich an, mit seiner Zunge die kühle Scheibe abzulecken. Daneben sass offensichtlich der kleine Bruder des Mädchens. Er stupste seine Mutter an und fragte sie: „Darf dat dat?“ Du Mutter schaute kurz zum Mädchen und antwortet: „Dat darf dat!“. Worauf der Junge erstaunt und resigniert entgegnete: „Dat dat dat daarf!?“.

    Kürzlich erzählte mir eine gebürtige Schweizerin aus Schaffhausen, dass sie einmal eine ganz ähnliche Geschichte im „Aldi-Express“ von Bülach nach Schaffhausen am Rheinfall, kurz vor Neuhausen erlebt habe: Diesmal war es allerdings ein Schweizer Kind aus der Gegend, und das Gespräch zwischen dem Kind und der Mutter lief so ab:

    „Daar da da?“ „Da daar da!“ „Da da da daar?!“

    Was lernen wir daraus? Nun, die Menschen am Rhein sprechen alle irgendwie ähnlich, und vom Niederrhein bis zum Hochrhein können leicht ein paar Ts verloren gehen. Sagen Sie jetzt bloss, Sie haben diese Geschichte auch irgendwo erlebt? Oder Sie kennen eine Variante der Geschichte? Solche Geschichten nennt man übrigens „Urbane Legenden“, Grosstadtlegenden oder –mythen.

  • Der Rheinfall war nicht witzig
  • Als kleiner Junge erlebte ich verregnete Sonntage als ziemlich langweilige Angelegenheit. Zum Glück gab es das Fernsehen, damals nur in Schwarzweiss, aber mit immerhin drei Programmen, zwischen denen man natürlich ohne Fernsteuerung umschalten musste. Für so einen langweiligen Sonntag machte ich mir mit Hilfe der Programmzeitschrift einen genauen Plan, wann es taktisch gesehen am günstigsten wäre, von der ARD zum ZDF zum 3. Programm und wieder zurück zu wechseln. Für 14:30 Uhr war dann auf der ARD eine wunderbare Geschichte angesagt, ein lustiges Filmchen, bei dem sicherlich ähnlich wie bei den Schildbürgern ein paar Menschen reingelegt werden sollten. In der Programmzeitschrift stand nämlich: „Der Rheinfall von Schaffhausen“. Ich hatte „der Reinfall“ verstanden, und war mächtig enttäuscht, dass es in dem Film nur um einen langweiligen Wasserfall, und nicht um eine lustige Begebenheit über reingelegte Bürger von Schaffhausen ging.

    Zur Zeit hat der Rheinfall von Schaffhausen übrigens sensationell wenig Wasser, so dass die Felsen in der Mitte fast zu Fuss erreicht werden können.
    Rheinfall mit Niedrigwasser
    Foto Tages-Anzeiger 8.2.06
    Rheinfall fast ausgetrocknet

    Der Rheinfall ist beinahe ausgetrocknet.
    Der Wasserstand zahlreicher Schweizer Seen und Flüsse ist wegen der anhaltenden Trockenheit sehr tief. Insbesondere der Rheinfall bietet ein desolates Bild. In nächster Zeit ist laut MeteoSchweiz kaum mit grösseren Regenfällen zu rechnen.
    (Quelle: Tages-Anzeiger 8.2.06)

    Komm lass Dich aufrichten — Wenn Schweizer Bauarbeiter feiern

    Februar 14th, 2006
  • Wenn Aufsteller nicht mehr helfen
  • Geht es Ihnen auch so schlecht in dieser düsteren Jahreszeit? Alles drückt auf das Gemüt, Sie sind ewig müde und abgespannt? Womit könnte Ihnen geholfen werden? Vielleicht durch einen original Schweizer „Aufsteller“ oder einer Schar „aufgestellter Leute“ (vlg. Blogwiese).

    Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 28.01.06 (S. 17) von einer Schweizer Veranstaltung, die kann Sie vielleicht wieder aufrichten:
    Aufrichte beim Zoo

  • Die Aufrichte
  • Wird da ganz aufrichtig ein moralisch niedergeschlagener Mensch aufgerichtet? Vielleicht jemand, der mit seiner „An-richte“ nicht mehr zufrieden war? So ganz richtig ist das nicht, was wir da anrichten. Denn auch in Deutschland wird bei dieser Veranstaltung alles richtig gemacht, es heisst darum auch „Richt(ig)fest„. In unserem Tagi-Artikel ging es um die Baustelle des Fifa-Neubaus beim Zürcher Zoo (der sehr weit weg von der Zoll-Grenze liegt und darum nicht „Zolli“ heisst wie der in Basel):

    Wir finden das hübsche Wort sogar im Duden erklärt:

    Auf|rich|te, die; -, -n (schweiz.):
    Richtfest:
    „Ein bräunliches Foto aus Fees Album zeigt den stolzen Hausgründer am Tag der Aufrichte.“ (Muschg, Gegenzauber 25).

    Mit „Muschg“ ist hier übrigens nicht das „Mutterschutz-Gesetz“ gemeint, das schreibt sich „MuSchG“ in Deutschland, sondern der Schweizer Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Adolf Muschg, dem wir eine grossartige Biographie Gottfried Kellers verdanken. „Gegenzauber“ ist kein Schweizer Harry-Potter-Verschnitt, sondern sein zweiter Roman von 1967.

    Google-Schweiz findet die Schweizer Form für das deutsche „Richtfest“ übrigens 11.700 Mal erwähnt, Google-Deutschland nur 828 Mal, wobei diese Fundstellen mit allem Möglichen zu tun haben, was aufgerichtet wird, aber nicht mit Hausbau.

    Feiern die hier ein Richtfest oder eine Aufrichte?
    Aufrichte oder Richtfest?
    (Quelle Foto haldemann-holzbau.ch)

    Die Brüder Jakob und Wilhelm Grimm kannten in ihrem 16 Bd. langem Deutschen Wörterbuch zwar „aufrichten“, „aufrichtig“ und „aufrecht“, nicht jedoch die „Aufrichte“. Also bleibt dieses Wort wie so viele andere auf ewig auf der „Insel der aufgestellten Leute“ als Aufsteller allein. Schade eigentlich. Denn „Richtfest“, wer denkt da nicht eher an einen Scharfrichter mit Guillotine als an freudiges Häuslebauen?

    Warum ist die Schweiz eine Hochpreisinsel?

    Februar 13th, 2006
  • Geiz ist uncool
  • Die Schweiz ist eine Hochpreisinsel. Das wissen alle, die hier leben. Die alteingesessenen Schweizer genauso wie die neu zugezogenen Deutschen. Alles ist unglaublich teuer, doch das hat seinen Grund. Unter Schweizer ist es verpönt, den genauen Grund für die hohen Preise zu hinterfragen. Denn Geiz ist nicht geil, Geiz ist uncool. Geld hat man und darüber spricht man nicht. So schrieb unser Freund Räulfi in einem Kommentar über manche Deutsche:

    Die Geiz-ist-geil-Mentalität geht da auf’n Wecker, wo immer gesagt wird: ‘’Waaaas? Ist das alles teuer hier… Das gleiche gibts bei Aldidl für 1 Euro…!’’ Und wenn’s dann was gratis gibt rennen alle, respektive nehmen das Angebot/Einladung/wasauchimmer gern an und nutzen’s auch ausgiebigst

  • Warum alles teuer ist, und wie die Schweizer beruhigt werden
  • Argument: Mit den hohen Preisen werden die hohen Löhne bezahlt.
    Nun, in Deutschland sind die Preise niedriger, die Löhne natürlich auch, aber das stimmt nicht ganz, denn mit den wesentlich höheren Lohn-Nebenkosten kommt es für einen Arbeitgeber gleich teuer, ob er sein Personal in der Schweiz oder in Deutschland beschäftigt. Die Lohn-Nebenkosten sind Deutschland höher als in der Schweiz:

    Lohnnebenkosten (…) fassen die Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zusammen. Sie werden je zur Hälfte vom Arbeitnehmer und vom Arbeitgeber gezahlt. Die Lohnnebenkosten lagen 2003 bei rund 42 Prozent des Bruttolohnes (Rentenversicherung 19,5 Prozent, Krankenversicherung durchschnittlich 14,3 Prozent, Pflegeversicherung 1,7 Prozent, Arbeitslosenversicherung 6,5 Prozent) bis zur Beitragsbemessungsgrenze.
    (Quelle: Bundesregierung.de)

    Aus Arbeitgeber Sicht sind die Löhne in der Schweiz nicht höher als in Deutschland, der Arbeitnehmer bekommt nur selbst mehr ausgezahlt (um damit die hohen Lebenskosten bezahlen zu können). In der Schweiz liegen Sie wesentlich tiefer:

    Die vom Arbeitgeber aufzubringenden Lohnnebenkosten liegen somit je nach Branche und Alter des Angestellten zwischen ca. 7.5 und 16%.
    (Quelle: Wiki)

    Argument: Die Qualität der Lebensmittel ist höher in der Schweiz und hat damit ihren Preis
    Das mag stimmen für Eier, die in der Schweiz nicht aus Legehennen-Batterien stammen:

    1981 wurde die Batteriehaltung von Legehennen in der Schweiz faktisch verboten. Während einer zehnjährigen Übergangszeit wurden verschiedene neue Haltungssysteme entwickelt.
    (Quelle: aramis-research.ch)

    Auch gilt es für die Fleischproduktion, die weniger intensiv und dafür artgerechter in der Schweiz betrieben wird, vor allem bei der Geflügelproduktion. Das stimmt aber schon lange nicht mehr für Gemüse und Salate. Als Greenpeace im November 2005 das Gemüse aus Lebensmittelketten auf Pestizide untersuchte, schnitten Aldi und andere Supermärkte in Deutschland überraschend gut ab, die Migros hingegen erstaunlich schlecht:
    Gemüse bei der Migros
    (Quelle: www.ignoranz.ch)

    Warum dann die hohen Preise? Es liegt am Zwischenhandel, der bei allen in die Schweiz importierten Artikel tüchtig mitverdient. Das wird deutlich bei zwei Produkten: Der Kinder-Milchschnitte von Ferrero und dem Philadelphia-Frischkäse von Kraft Foods.

    Tages-Anzeiger vom 28.01.06 (S. 27):

    „Hier sind unsere Einstandspreise sogar deutlich höher als die deutschen Verkaufspreise“, so die Migros damals. Um den Zwischenhandel zu umgehen und Geld zu sparen, wollte sie per sofort aus Deutschland importieren.

  • Wenn die Migros plötzlich selbst importiert
  • Noch mal ganz langsam zum Mitschreiben: Über den offiziellen Importeur und Zwischenhändler werden der Migros diese Artikel zu einem Einkaufspreis angeboten, der höher liegt als der End-Verkaufspreis für Kunden in einem Deutschen Supermarkt! Also wird versucht, direkt zu importieren: Heh, das ist ja eine sensationelle Idee! Genau das machen doch die zigtausend Schweizer, die jedes Wochenende über die Grenze fahren und „direkt importieren“. Nur dass sie sich damit für ihre Schweizer Nachbarn zu „Vaterlandsverräter“ und „Heimatschädlingen“ werden. Der Versuch der Migros, die Artikel auch einfach direkt zu importieren, ging jedoch schief:

    Nach zwei Wochen war mit günstigen Milchschnitten aber bereits wieder Schluss. Offiziell unternahm Ferrero zwar nichts gegen die halb legalen Parallelimporte. Stattdessen ging der Bezugsquelle der Migros der Nachschub aus. Vom Lieferengpass betroffen war damals aber nur der Schweizer Grossverteiler.

    Warum sollte man es auch zulassen, dass solche günstigen „Parallelimporte“ möglich sind, so lange immer noch ein Grossteil von Konsumenten in der Schweiz bereit ist, höhere Preise zu zahlen für das „hohe Lohnniveau“ und die „hohe Qualität“.

    Mit Kraft Foods Schweiz ging die Geschichte anders aus:

    Der Importeur von Philadelphia reagierte sofort, als er Ende November von den geplanten Parallelimporten erfuhr. „Noch am gleichen Tag rief Kraft an und bot uns neue Konditionen an“, so [Migros-Sprecher Urs-Peter] Naef. In der Zwischenzeit habe man eine Lösung gefunden, mit der beide zufrieden seien. Naef: „Bereits im Februar werden die Preise sinken.“

    Es bewegt sich also doch was. Der Druck durch die Käuferschichten, die nicht mehr bereit sind, automatisch die hohen Importpreise zu zahlen, scheint langsam etwas zu bewirken in der Schweiz.

  • Wie subventioniert die Schweiz ihre Landwirte?
  • Natürlich gibt es auch viele Bereich, in denen der Import durch hohe Importzölle künstlich verteuert wird, um die Schweizer Landwirtschaft zu schützen:

    Die Preise vieler landwirtschaftlicher Produkte liegen in der Schweiz wesentlich über dem Weltmarktpreis. Das liegt unter anderem daran, dass nach wie vor ein starker Importschutz besteht. Bei vielen landwirtschaftlichen Erzeugnissen wird der Importzoll auf prohibitive [=verhindernd, abhaltende] Höhen angesetzt, sobald eine durch das GATT vorgegebene minimale Menge zu einem tiefen Zollsatz eingeführt worden ist. Dadurch werden zusätzliche billige Importe verhindert und die schweizerischen Konsumenten können nur noch die teuren schweizerischen Erzeugnisse erstehen. Der prohibitiv hohe Importzoll führt also im Vergleich zu einer Situation ohne staatlichen Eingriff zu einer Umverteilung von den Konsumenten zu den Landwirten.
    (Quelle: Forschungsinstitut für Empirische Ökonomie und Wirtschaftpolitik der Uni-St. Gallen)

    Da hilft es dem Konsumenten nur, so vorzugehen wie die Migros es vormachte, und selbst nach billigeren Importmöglichkeiten Ausschau zu halten.

  • Fust, Interdiscount und Media-Markt haben keine Importprobleme
  • Übrigens gibt es Branchen, die nicht durch Zölle geschützt werden, und trotzdem gute Geschäfte machen in der Schweiz. So zum Beispiel die Computer- und Unterhaltungsindustrie: Media-Markt Schweiz oder Deutschland bieten fast identische Preise; die Computer und Fernseher von FUST oder Interdiscount Schweiz sind „ennet“ (=jenseits) der Grenze nicht billiger, auch nach Abzug der 16% deutscher Mehrwertsteuer.

    Hier lohnt es kaum, diese Dinge in Deutschland zu kaufen. Ausser natürlich, Sie kaufen sich in Deutschland einen Computer und verpacken ihn ordentlich in viel frischer Petersilie (Schweizerdeutsch „Peterli“). Dann müssen Sie nach dem Heimtransport das „Verpackungsmaterial“ nur noch auf dem nächsten Schweizer Wochenmarkt gewinnbringend zum ortsüblichen Preis verkaufen, und schon ist ihr neuer Rechner finanziert, denn auf Peterli beträgt der Importzoll satte 1.000 Prozent. Na, haben wir Sie da gerade auf eine klasse Idee gebracht?

    Zum „Peterli“ müssen wir noch unseren Deutsch-Schweizer Lieblingswitz loswerden:

    Sitzen ein Schweizer und ein Deutscher in der Schweiz in einem Restaurant und essen Spargelcremesuppe. Findet der Deutsche plötzlich ein Gummiband in der Suppe. Der Schweizer ruft den Kellern und fragt ihn: „S’isch s’Gümmeli vom Peterli?“ Worauf der Deutsche (der meint, Schweizerdeutsch zu verstehen) einwendet: „Ach, Du kennst den Koch hier?“