Was Städte, die am Rhein liegen, alles gemeinsam habe: „dat dat dat“ und „da da da“
Eine Freundin aus Neuss, das liegt am Niederrhein, erzählte uns folgende tatsächlich erlebte Geschichte:
Während einer Strassenbahnfahrt beobachtete ich, wie ein Kind auf einem Fensterplatz seine Nase an der beschlagenen Scheibe platt drückte. Plötzlich fing das Kind zusätzlich an, mit seiner Zunge die kühle Scheibe abzulecken. Daneben sass offensichtlich der kleine Bruder des Mädchens. Er stupste seine Mutter an und fragte sie: „Darf dat dat?“ Du Mutter schaute kurz zum Mädchen und antwortet: „Dat darf dat!“. Worauf der Junge erstaunt und resigniert entgegnete: „Dat dat dat daarf!?“.
Kürzlich erzählte mir eine gebürtige Schweizerin aus Schaffhausen, dass sie einmal eine ganz ähnliche Geschichte im „Aldi-Express“ von Bülach nach Schaffhausen am Rheinfall, kurz vor Neuhausen erlebt habe: Diesmal war es allerdings ein Schweizer Kind aus der Gegend, und das Gespräch zwischen dem Kind und der Mutter lief so ab:
„Daar da da?“ „Da daar da!“ „Da da da daar?!“
Was lernen wir daraus? Nun, die Menschen am Rhein sprechen alle irgendwie ähnlich, und vom Niederrhein bis zum Hochrhein können leicht ein paar Ts verloren gehen. Sagen Sie jetzt bloss, Sie haben diese Geschichte auch irgendwo erlebt? Oder Sie kennen eine Variante der Geschichte? Solche Geschichten nennt man übrigens „Urbane Legenden“, Grosstadtlegenden oder –mythen.
Als kleiner Junge erlebte ich verregnete Sonntage als ziemlich langweilige Angelegenheit. Zum Glück gab es das Fernsehen, damals nur in Schwarzweiss, aber mit immerhin drei Programmen, zwischen denen man natürlich ohne Fernsteuerung umschalten musste. Für so einen langweiligen Sonntag machte ich mir mit Hilfe der Programmzeitschrift einen genauen Plan, wann es taktisch gesehen am günstigsten wäre, von der ARD zum ZDF zum 3. Programm und wieder zurück zu wechseln. Für 14:30 Uhr war dann auf der ARD eine wunderbare Geschichte angesagt, ein lustiges Filmchen, bei dem sicherlich ähnlich wie bei den Schildbürgern ein paar Menschen reingelegt werden sollten. In der Programmzeitschrift stand nämlich: „Der Rheinfall von Schaffhausen“. Ich hatte „der Reinfall“ verstanden, und war mächtig enttäuscht, dass es in dem Film nur um einen langweiligen Wasserfall, und nicht um eine lustige Begebenheit über reingelegte Bürger von Schaffhausen ging.
Zur Zeit hat der Rheinfall von Schaffhausen übrigens sensationell wenig Wasser, so dass die Felsen in der Mitte fast zu Fuss erreicht werden können.
Foto Tages-Anzeiger 8.2.06
Rheinfall fast ausgetrocknet
Der Rheinfall ist beinahe ausgetrocknet.
Der Wasserstand zahlreicher Schweizer Seen und Flüsse ist wegen der anhaltenden Trockenheit sehr tief. Insbesondere der Rheinfall bietet ein desolates Bild. In nächster Zeit ist laut MeteoSchweiz kaum mit grösseren Regenfällen zu rechnen.
(Quelle: Tages-Anzeiger 8.2.06)
Februar 15th, 2006 at 1:45
ziemlich böser der artikel, finde ich . deutsches kind artikuliert mit „a“ „f“ und „t“. schweizer kind mit nur mit „a“ „aa“ und „aaa“ ?
tschuldigung, das war wohl ein ganz kleines kleinkind, das da a,aa,aaa
gemacht hat .
a dududu adadada, its all i want to sai to you.(oder so ähnlich)
Februar 15th, 2006 at 6:08
@daniela
Ich habe die Variante aus Neuhausen am Rheinfall so wiedergegeben, wie sie mir von einer Schweizerin erzählt wurde. Die Verdopplung der „As“ sollte nur phonetisch wiedergeben, dass dort eine längere Verweildauer auf dem Vokal besteht, also betont wird. Im Schaffhauser Dialekt scheint es diese Kurzform von „Da da da“ = Darf das das etc. wirklich zu geben. Nur die Geschichte mit der Strassenbahnfahrt (sorry, Tram-Fahrt) ist eine Urbane Legende. Warten wir ab, bis jemand aus der Gegend dort diese Besonderheit bestätigt.
Ausserdem hat das Schweizer Kind nicht a, aaa, aaa gemacht, sondern „da da daa“, wie am Niederrhein nur ohne End-Konsonant.
Gruss, Jens
Februar 15th, 2006 at 7:16
zur entschärfung die variante aus der ostschweiz:
dör de da?
de dör da.
da da de dör!
gruss jmk
Februar 15th, 2006 at 8:05
Hätte mich also sehr gewundert, wenn sich die Ostschweiz nicht zu Wort gemeldet hätte. „Dör de da“ ist ja schon fast sprichwörtlich 🙂 Hübsch, dass andere Dialekte auch so wunderbar „effizient“ sind.
Februar 15th, 2006 at 8:09
Grossstadtlegenden? Naja. Vielleicht ist die Geschichte im Tram nicht unbedingt wahr, aber eine Grossstadtlegende ist es damit noch nicht. Da müssen schon hundegrosse Ratten, versteckte Vogelspinnen oder rätselhafte Krankheiten auftauchen.
die bairische Variante übrigens:
deafs des?
sei staad, bua!
Februar 15th, 2006 at 8:57
@doofi
Wenn mir 2 Leute erzählen, dass sie genau das erlebt haben,
oder einen kennen, der das erlebt hat, dann ist das für mich eine Legende.
Auch „Schliessen Sie bitte alle Fenster“ (Supporter-Bitte an einen Windows User). „Ja, die Fenster sind jetzt zu“ (im Hintergrund hörte man das Geräusch von einem Fenster, das geschlossen wird) … ist eine Grossstadtlegende, ganz ohne Vogelspinne oder Ratte.
Und ich wette, jeder kennt einen Supporter der genau das schon mal erlebt hat.
„Was steht auf ihrem Bildschirm?“ => „Eine Topfblume“ etc. etc.
Gruss, Jens
Februar 16th, 2006 at 14:38
Sali zäme, oder Tach auch
Ich komme aus dem Rheinland und zwar genau aus Neuss-Gnadental – ist das nicht ein netter Name ? 🙂
Wie auch immer. Legende hin oder her. Dat is doch wat schönet mit dene ville dat’s im Plattdeutsch. Nur dat dat mal jesacht is.
Falls jemand im Raum Zürich wohnt und auch aus dem Rheinland entsprungen ist. Vielleicht mal Lust auf ein Käffchen od.Tee in town ? 🙂
Wär doch cool…
Gruss
Silvi
Februar 19th, 2006 at 2:34
Also als gebürtiger Schaffhauser, darf ich wohl mit Recht darauf hinweisen, dass diese „Legende“ -von wem auch immer- falsch zitiert wurde.
In korrektem Schaffhauserdialekt würde das wie gefolgt lauten:
„Daar da da?“
„Ja, da daar da!“
„da da da daar?!“
—> dürfen ist „daar“, oder „taar“ 🙂
wo owîr schon beim Schaffhauser Dialekt sind, versuch dich mal an diesem Satz:
„Z’Schlaate e Zaane voll Saapfe d’Laatere durapp schlaapfe.“ >:-)
Februar 19th, 2006 at 9:34
@Schnörregige
Vielen Dank für die Richtigstellung! Ich bekam nur eine mündliche Version zu hören, und bei der war das „r“ am Ende absolut nicht mehr wahrnehmbar, oder ich hatte es überhört. Zur Entschuldigung: Ich komme aus einer Dialektgegend ohne „R“, wo man „Wuast“ und nicht „Wurst“ sagt.
Werde den Text aber gleich korrigieren, damit die Schaffhauser auch richtig wiedergegeben werden.
Nochmals Danke!
Gruss, Jens
Februar 19th, 2006 at 19:02
an Schnörregige
Dieser Satz ist gut! Darf ich mich als gebürtiger Solothurner an die Übersetzung wagen? Ohne Garantie auf Richtigkeit: „in Schleitheim eine Zeine* voller Seifen die Leiter herunter schleppen“ ?
* = „Zeine“ ist nicht im ganzen deutschen Sprachraum bekannt. Erklärung: http://72.14.207.104/search?q=cache:eAIUgFk5BzsJ:www.scheer-nahor.de/korb.htm+die+Zeine&hl=de&gl=ch&ct=clnk&cd=1&lr=lang_de
Mai 26th, 2006 at 10:01
Denke auch, Jens dürfte sich mal für paar Tage in „Schlaate“ (Schleitheim) niederlassen. Da würde er vielleicht den Schaffhauser Dialekt noch in seiner Urform erleben.
Februar 15th, 2007 at 15:41
ich hab mal ne Zeit südlich von Bonn im Westerwald gelebt und hab nie ganz verinnerlichen können das Frauen dort mit das oder ausgesprochen dat tituliert werden. Daaf dat dat ist dort also gebräuchlich…
Dezember 17th, 2007 at 22:20
Etwas ähnliches im Schaffhauser Dialekt:
Traat da Rad da?
Da Rad traat da!
Da da Rad da traat …?!