Reden Sie nicht immer darüber, wie es in Frankreich gemacht wird — weitere Tipps für Franzosen in der Schweiz

November 11th, 2009
  • Nicht ständig vergleichen
  • Als Fremder in der Schweiz hat man oft das Bedürfnis, zwischen den Sitten und Gewohnheiten im Heimatland und dem „Schweizer Weg“ zu vergleichen. Das kann nerven, jedenfalls die Einheimischen. David Tellerman gibt darum den Tipp:

    6 – Ne comparez pas sans arrêt les différences culturelles entre les deux pays : tant que vous le ferez, non seulement vous agacerez tout le monde, mais en plus vous ne pourrez pas vous intégrer. L’exemple type de ce qui peut exaspérer un Suisse : „Tiens, nous en France on fait comme ça, c’est quand même bien mieux je trouve…“
    [6 – Vergleichen sie nicht ständig die unterschiedlichen Kulturen der beiden Länder. Wenn sie dies ständig tun, regen sie nicht nur jeden damit auf sondern verhindern damit auch ihre eigene Integration. Typische Aussage die einen Schweizer total aufregte: „Wir in Frankreich machen das so und so, das ist doch viel besser, finde ich“.]

    Hier scheint es wenig Parallelen mit den Deutschen in der Schweiz zu geben. Wer in die Schweiz zieht, fängt dort nicht an, über die wunderbaren Vorteile des Lebens in Deutschland zu philosophieren, sonst wäre er ja nicht gekommen.

    7 – Vivez en harmonie dans le pays: finalement, bien malin qui pourra dire qu’un pays est mieux que l’autre. En fait, ce qui est important, c’est comment vous réussirez à vivre dans le pays étranger, en acceptant les aspects qui vous gênent.
    [7 – Leben Sie in Harmonie in diesem Land. Wer kann schon sagen welches Land „besser“ ist als das andere. Was zählt ist wie erfolgreich sie das Leben im Ausland meistern, in dem sie die Dinge hinnehmen und aktzeptieren, die sie stören.]

    Den Hang zum ständigen Vergleichen mit der Heimat hat man als Deutscher am Anfang in der Schweiz nur beim Einkaufen, wenn einfach alles doppelt so viel kosten wie „auch schon“.

    8 – Intéressez-vous aux Suisses et à leur culture qui est très intéressante : la France, vous la connaissez bien, non ? Alors pourquoi chercher à rester entre Français, alors qu’une autre culture vous attend à bras ouverts ? Posez des questions sur la vie politique, sur ce qui est intéressant de voir dans le pays, lisez la presse locale, des livres sur la Suisse…
    [8 – Zeigen Sie Interesse an der Schweizer Kultur, die sehr interessant ist. Frankreich kennen sie gut? Warum also versuchen sie, unter Franzosen zu bleiben, während sie hier eine ganz andere Kultur mit offenen Armen empfängt? Stellen sie Fragen über das politische Leben, über die Sehenswürdigkeiten, lesen sie die lokale Presse und Bücher über die Schweiz.]

    Nun ja, ob diese fremde Schweizer Kultur wirklich jeden Franzosen mit offenen Armen empfängt? Schonmal versucht Mitglied in einem Schützenverein zu werden? Oder Jassen zu lernen? Die Fragen über das politische Leben muten auch seltsam an, wenn man selbst kein Wahlrecht hat und mehr als die Hälfte der Schweizer kaum an Abstimmungen teilnimmt.

    9 – Parlez la langue : oui, je sais, ce n’est pas facile de parler le Suisse allemand, mais il me semble impossible de s’intégrer si vous ne parlez pas la langue. L’Allemand, en Suisse alémanique, me paraît un minimum.
    [9 – Lernen Sie die Sprache. Ja, ich weiss, es ist nicht leicht, Schweizerdeutsch zu lernen, aber es scheint mir unmöglich sich zu integrieren wenn man nicht die Sprache spricht. Deutsch, in der Deutschschweiz, zu können ist das Minimum.]

    Die Franzosen in der Westschweiz haben weniger Probleme mit der lokalen Sprachvariante als die Deutschen in den deutschsprachigen Landesteilen. Aber auch für einen Franzosen ist „Schweizerdeutsch verstehen“, und noch besser sprechen, Pflicht falls er mal nach Zürich oder Bern versetzt wird und sonst voran kommen möchte.

    10 – Si vous avez deux oreilles et une bouche, c’est bien pour écouter deux fois plus que de parler. Écoutez ce que les autres ont à vous dire.
    10 – Wenn sie zwei Ohren und einen Mund haben, dann ist es besser zweimal zuzuhören als zu sprechen. Hören sie auf das was die anderen ihnen zu sagen haben.

    Was für ein weiser Tipp: Lieber einmal besser zuhören als selbst reden. Was David zu erklären vergass: Das Wichtigste wird in der Schweiz in den Gesprächspausen gesagt, siehe Blogwiese.

    Die Schweiz ist kein französisches Departement — Lebenshilfe für Franzosen in der Schweiz

    November 10th, 2009
  • Wie vermeidet man Fettnäpfchen?
  • Der Franzose David Talerman lebte 6 Jahre in der Westschweiz und erfuhr am eigenen Leibe, wie fremd der Schweizer Alltag, die Kommunikation und der Umgang mit den Westschweizern für einen Franzosen sein kann. Fettnäpfchen reiht sich an Fettnäpfchen. Aus seinen Erfahrungen machte er ein ziemlich erfolgreiches Buch:
    Travailler et vivre en Suisse

    Travailler et vivre en Suisse

    Ausserdem führt er einen Blog zu diesem Thema blog.travailer-en-suisse.ch.
    Blog de David Talermann

    Sehr eindrücklich auf diesem Blog finden wir die 10 Grundregeln für ein Leben inHarmonie in der Schweiz, am Arbeitbeitsplatz und im Alltag:
    „10 règles de base pour bien vivre en harmonie avec votre entourage en Suisse, au travail ou dans la vie de tous les jours“

    1 – La Suisse est un pays à part entière, et pas un département Français.
    [1 – Die Schweiz ist ein eigenständiges Land, und kein französisches Departement.]

    Wie oft bekamen wir als Deutsche von Schweizern direkt oder indirekt vorgeworfen, wir würden die Schweiz als ein weiteres Bundesland betrachten und nicht als eigenständiges Land. Ist doch beruhigend zu hören, dass die Deutschen mit diesem Vorwurf nicht allein darstehen. Ob die Italiener im Tessin diesen Spruch auch zu hören bekommen?

    2 – En Suisse, l’étranger, c’est vous.
    [2 – In der Schweiz sind SIE der Ausländer. ]

    Stimmt, denn merkwürdiger Weise ist jeder Mensch überall Ausländer, sobald er oder sie sein Heimatland verlässt. Wie sagte uns ein ostdeutscher Bekannter vor nicht langer Zeit: „Die Schweiz ist ein wunderbares Land, wenn da nicht die vielen Ausländer wären“. Einfach mal an die eigenen Nase fassen mag helfen in diesem Fall.

    3 – Votre culture française est „bruyante“ pour un Suisse : faites profile bas, apprenez la modestie, ne faites pas en sorte que les projecteurs soient continuellement braqués sur vous.
    [3 – Ihre französische Kultur ist „laut“ für einen Schweizer. Halten sie sich bedeckt, lernen sie die Zurückhaltung. Sorgen sie dafür, dass sie nicht ständig im Rampenlicht der Aufmerksamkeit stehen.]

    Die berühmten „lauten Deutschen“ im Tram zu Zürich. Es gibt also auch „laute Franzosen“. Selbstüberschätzung, lautes Auftreten, stets im Mittelpunkt sein wollen, alles Vorwürfe, die auch Deutsche in der Schweiz zu hören bekommen. Eine weitere interessante Parallele also.

    4 – Vous êtes l’ambassadeur de la France en Suisse : vous avez la lourde responsabilité de colporter l’image de la France à l’étranger. Donnez une image positive de notre pays, et fixez-vous pour objectif de faire changer d’avis les Suisses qui pourraient avoir des a priori.
    [4 – Sie sind Botschafter Frankreichs in der Schweiz. Sie haben die schwere Verantwortung das Bild Frankreichs ins Ausland zu tragen. Geben sie ein postives Bild ihres Landes, und nehmen sie sich vor die Meinung der Schweizer ins Postive zu ändern, die diese von Franzosen als Vorurteil haben. ]

    Botschafter seines Landes ist man als Deutscher gleichfalls überall auf der Welt. Ob wirklich jeder den Kampf gegen Vorurteile und Klischees aufnehmen mag, sei dahingestellt. Es ist verdammt anstrengend auf die Dauer. Man kann sich ja auch vornehmen zurücknehmen und, „einfach mal die Schnauze halten“.

    5 – Partez sans a priori sur les Suisses et la Suisse.
    [5 – Verlassen sie Frankreich ohne Vorurteile über die Schweizer und die Schweiz im Handgepäck.]

    Welche Vorurteile? Alle Schweizer sprechen langsam, essen ständig Schokolade und Käse, und werden mit einem Gewicht an den Füssen in den Genfersee geworfen, wenn sie beim Fondue ihr Brotstück zum dritten Mal verloren haben?

    (2. Teil morgen)

    Le bon allemand — Touche pas à mon suisse-allemand

    Januar 19th, 2009
  • C’est quoi, le „bon allemand“?
  • Der westschweizer Radiosender „Radio Suisse Romande“ brachte am letzten Samstag einen interessanten Beitrag über das Verhältnis zwischen „Hochdeutsch“ und „Suisse allemand“ in der Schweiz. Vom Hochdeutsch wird in dieser Sendung stets als vom „Le bon allemand“ gesprochen. Das gute Deutsch! Da geht uns doch das Herz auf. Oder meinen die vielleicht den Dialekt von Bonn, am Rhein? Le Bonn-Allemand? Wir lesen auf der Webseite von „info.rsr.ch“:

    Touche pas à mon suisse-allemand (I ha di gärn … Moi non plus)
    L’ouverture des frontières suisses aux travailleurs de l’Union européenne a entraîné l’arrivée de milliers d’Allemands à Zurich. Le phénomène est devenu si important qu’il exacerbe la relation très ambiguë que les Suisses allemands entretiennent avec le „hochdeutsch“ – le bon allemand.
    (Quelle: info.rsr.ch)

    Auch Christa Dürscheid, die als Deutsche an der Uni Zürich als Professorin arbeitet, wird auf Französisch interviewt.
    Radio Susse Romande über Hochdeutsch in der Schweizer

    Es wird erklärt, warum der Satz „Ich liebe dich“ einem Schweizer nie über die Lieben geht, und warum Schweizer Theaterschüler, die ihre Ausbildung in der „Bühnenhochsprache“ absolvierten, erst wieder lernen müssen, auf Züridütsch zu spielen.

    Die ganze Sendung zum Nachhören gibt es hier.

    Hochdeutsch contre dialecte — Le Temps berichtet über die Deutschen in Zürich

    Dezember 4th, 2008

    Die Westschweiz bekommt gewöhnlich wenig mit von den Dingen, die auf der anderen Seite des Röschtigrabens passieren. Wenn sich Deutschschweizer mit Deutschen über Dialektfragen streiten, dann ist diese Diskussion den „Welschen“ ziemlich egal. Mit ihnen spricht im deutschsprachigen Teil der Schweiz jeder mehr oder weniger gern Hochdeutsch, oder, was ja selbstverständlich ist für einen Schweizer, gleich auf Französisch, sagt man. Tatsächlich konnte ich beobachten, dass beide Seiten gern auch aufs Englische ausweichen, wenn es um Geschäfte geht.

  • Le Temps über das Sprachenproblem
  • Am 3.12.08 brachte die Westschweizer Tageszeitung „LeTemps“ einen interessanten Beitrag zum Thema:
    LeTemps über Hochdeutsch in Zürich
    (Quelle: LeTemps)
    Aus Westschweizer Sicht liest sich die Analyse von Anne Fournier über den „Sprachenstreit“ bzw. die Probleme der Deutschschweizer mit den Deutschen sehr amüsant. Die haben gut lachen. Vergleichbar grosse Unterschiede zwischen einer „Standardsprache“ und einem nur gesprochenen „Patois“ existiert in der französischen Schweiz nicht. In dem Artikel heisst es weiter:

    Sur Bellevue, dans le légendaire restaurant zurichois de la Kronenhalle, haut lieu de la bourgeoisie locale, la serveuse, au terme de son service, a pris congé dans un allemand parfait. «Tiens, une Allemande!» La remarque échappe. Au quotidien, c’est sans doute à l’heure de la pause – et dans le tram via les haut-parleurs – que les décalages linguistiques pointent. Quand on préfère au «Endstation» (arrêt terminus) au plus académique «Endhaltestelle». Dans les autres secteurs riches en travailleurs allemands, les habitudes paraissent peu chamboulées. «Nous sommes une entreprise internationale», répètent les responsables consultés. Grandes banques, compagnie d’aviation, assurance, le plurilinguisme est vanté. Et la langue fonctionnelle est souvent… l’anglais. Swiss, désormais en mains allemandes, observe toujours une culture d’entreprise «à la suisse», selon le porte-parole Jean-Claude Donzel. «Lors des séances nous nous adaptons aux personnes présentes. Mais il est vrai que je parle plus allemand qu’il y a un certain temps».
    (Quelle: LeTemps)

    Sogar ein gewisser Jens-Rainer Wiese wird weiter unten im Artikel zitiert. Wer Französisch lesen kann, findet noch ein paar Tage den ganzen Artikel hier kostenlos online: LeTemps 3.12.08. Die freundliche Online-Verlinkung brachte mehr als 170 Besucher zusätzlich aus der Westschweiz auf die Blogwiese.

    Hatten Sie auch schon einen Exploit?

    November 27th, 2008

    (reload vom 19.2.06)

  • Was ist ein Exploit?
  • Wie so häufig stolpern wir bei der Morgenlektüre unseres Tages-Anzeigers über einen Ausdruck, der uns scheinbar bekannt vorkommt, dennoch unverständlich ist:

    „Das Nationalteam verpasste an der Heim-EM durch ein 30:37 gegen die Ukraine die Hauptrunde und schied trotz des vorangegangenen 31:31-Exploits gegen Polen als Gruppenletzter aus.“
    (Quelle: Tages-Anzeiger 30.01.06)

    Was ist ein Exploit?
    Wir versuchen auch diesmal, ganz von allein auf die Bedeutung dieses Wortes zu kommen.
    Englisch „to exploit“ heisst laut Leo ausbeuten, ausnutzen, ausschöpfen, auswerten“.
    Wie kann das nun für ein Handballspiel gelten, wenn 31:31 Gleichstand herrscht? Heisst „Exploit“ vielleicht „Gleichstand“?

    Wir googlen das Wort ein bisschen und finden weitere Belege aus dem Bereich Sport:

    Bei den Bobfahrerinnen in Altenberg am 27.01.06

    Kein Exploit der Schweizerinnen
    (Quelle: www.news.ch)

    Beim Ski:

    Medaillenchancen: Intakt, aber es braucht einen Exploit.
    (Quelle: Blick.ch)

    Kein Exploit am Lauberhorn
    (Quelle: blick.ch 14.01.06)

    Mit Wiki kommen wir da nicht weiter, denn dort hat der Exploit nix mit Sport zu tun, sehr wohl aber etwas mit Lücken in Computerprogrammen:

    Ein Exploit (englisch to exploit – ausnutzen) ist ein Computerprogramm oder Script, welches spezifische Schwächen beziehungsweise Fehlfunktionen eines anderen Computerprogramms, zur Erlangung von Privilegien oder in Absicht einer DoS-Attacke, ausnutzt.
    Ein Exploit wird oft auch einfach nur zur Demonstration einer Sicherheitslücke geschrieben und veröffentlicht. Dieser Beweis der Machbarkeit wird in der Fachsprache auch Proof of Concept genannt. Dadurch soll erreicht werden, dass Hersteller von Software möglichst schnell auf bekannt gewordene Sicherheitslücken reagieren. Oft bezeichnet man auch nur die theoretische Beschreibung eines Exploits als Exploit.
    (Quelle: Wiki)

    Sind wir jetzt schlauer dadurch? Haben die Schweizer bisher versäumt, eine Lücke in einem Softwareprogramm auszunutzen, oder warum sprechen sie sonst ständig von „Exploits“ im Sport?

    Die Wahrheit findet sich wie so oft im Duden:

    Ex|ploit, der; -s, -s [frz. exploit afrz. esploit, über das Vlat. zu lat. explicitus, explizit]
    (schweiz., bes. Sport): hervorragende Leistung, Glanzleistung:
    Exploit der Spätaufsteherin Whitbread am frühen Morgen: Weltrekord-verbesserung um über 2 m (NZZ 30. 8. 86, 33); Auch Erfolge wie die Halbfinalqualifikation der Grasshoppers 1978 kommen in der Regel dank Exploits auf eigenem Platz nach einer knappen Auswärtsniederlage zustande (NZZ 25. 10. 86, 39).

  • Hochdeutsch ist eine Fremdsprache
  • Wir fragen uns bei diesen Wortentdeckungen immer: Wieso lamentieren die Schweizer eigentlich ständig darüber, dass Hochdeutsch für sie eine Fremdsprache sei und schwierig zu lernen. Gleichzeitig verwenden sie permanent selbst die kniffligsten Fremdwörter. Wissen Schweizer Jugendliche tatsächliche alle auf Anhieb, was ein „Exploit“ im Sport ist?

    Jedenfalls haben wir wieder was gelernt, unser Schweizerdeutsches Fachwortschatz ist durch diesen Exploit erheblich touchiert worden diesmal, wir können die ständige Wortschatzerweiterung nicht sistieren, irgendwann muss unsere Auffassungsgabe doch mal plafoniert werden, aber das foutiert uns dann wohl nicht mehr, auch wenn es doch irgendwie goutiert.
    Noch Fragen? Noch Pendenzen? Was war gleich das nächste Traktandum? Ich brauche jetzt dringend einen Zapfenzieher