Hochdeutsch contre dialecte — Le Temps berichtet über die Deutschen in Zürich
Die Westschweiz bekommt gewöhnlich wenig mit von den Dingen, die auf der anderen Seite des Röschtigrabens passieren. Wenn sich Deutschschweizer mit Deutschen über Dialektfragen streiten, dann ist diese Diskussion den „Welschen“ ziemlich egal. Mit ihnen spricht im deutschsprachigen Teil der Schweiz jeder mehr oder weniger gern Hochdeutsch, oder, was ja selbstverständlich ist für einen Schweizer, gleich auf Französisch, sagt man. Tatsächlich konnte ich beobachten, dass beide Seiten gern auch aufs Englische ausweichen, wenn es um Geschäfte geht.
Am 3.12.08 brachte die Westschweizer Tageszeitung „LeTemps“ einen interessanten Beitrag zum Thema:
(Quelle: LeTemps)
Aus Westschweizer Sicht liest sich die Analyse von Anne Fournier über den „Sprachenstreit“ bzw. die Probleme der Deutschschweizer mit den Deutschen sehr amüsant. Die haben gut lachen. Vergleichbar grosse Unterschiede zwischen einer „Standardsprache“ und einem nur gesprochenen „Patois“ existiert in der französischen Schweiz nicht. In dem Artikel heisst es weiter:
Sur Bellevue, dans le légendaire restaurant zurichois de la Kronenhalle, haut lieu de la bourgeoisie locale, la serveuse, au terme de son service, a pris congé dans un allemand parfait. «Tiens, une Allemande!» La remarque échappe. Au quotidien, c’est sans doute à l’heure de la pause – et dans le tram via les haut-parleurs – que les décalages linguistiques pointent. Quand on préfère au «Endstation» (arrêt terminus) au plus académique «Endhaltestelle». Dans les autres secteurs riches en travailleurs allemands, les habitudes paraissent peu chamboulées. «Nous sommes une entreprise internationale», répètent les responsables consultés. Grandes banques, compagnie d’aviation, assurance, le plurilinguisme est vanté. Et la langue fonctionnelle est souvent… l’anglais. Swiss, désormais en mains allemandes, observe toujours une culture d’entreprise «à la suisse», selon le porte-parole Jean-Claude Donzel. «Lors des séances nous nous adaptons aux personnes présentes. Mais il est vrai que je parle plus allemand qu’il y a un certain temps».
(Quelle: LeTemps)
Sogar ein gewisser Jens-Rainer Wiese wird weiter unten im Artikel zitiert. Wer Französisch lesen kann, findet noch ein paar Tage den ganzen Artikel hier kostenlos online: LeTemps 3.12.08. Die freundliche Online-Verlinkung brachte mehr als 170 Besucher zusätzlich aus der Westschweiz auf die Blogwiese.
Dezember 4th, 2008 at 7:52
Ähem, Jens, bist du sicher, dass man „nördlich“ des Röstigrabens Deutsch und „südlich“ davon Französisch spricht? Für den Polentagraben trifft das ja zu. Ich hätte eher von „östlich“ gesprochen. Nicht umsonst leben die Welschen ja in der WEST-Schweiz.
Ich habe übrigens die Zeitung Le Temps gestern (3.12.08) in Papierform gekauft. Ich schicke sie dir, Jens, noch zu. Wer dann etwas länger als nur die aufgeschaltete Online-Zeit diesen Artikel lesen will, kann bei Jens eine Kopie davon verlangen, indem man ein bereits an sich selbst adressiertes und frankiertes Rückantwortkuvert in einem Brief an ihn schickt und CHF -.20 in Briefmarken für die Kopierkosten beilegt. Wer schon heute einen Computer mit Online-Anschluss hat, kann das ganze natürlich auch mit gescannten E-Mail-Anhängen dealen.
Interessant ist auch der in der Papierform erschienene Artikel gleich darunter: http://www.letemps.ch/template/tempsFort.asp?page=3&article=245294
Darin steht u.a. dass sich die Romands nur nicht zu früh freuen sollen. Die Deutschschweizer werden nun wegen dieser vielen* Deutschen im Kanton Zürich nicht etwa mehr Hochdeutsch sprechen. Der Dialekt gelte immer noch als natürlichste Sprache, wenn man Unbekannte anspricht. Hochdeutsch werde mit immigrierten Deutschen nur den ersten Monaten Angewöhungszeit gesprochen.
Zugegeben, mehr Hochdeutsch würde die Romands tatsächlich ermutigen, ihr „nutzlos“ in der Schule gelerntes Deutsch aktiv zu brauchen. Nutzlos deshalb, weil (wie im obigen Eintrag schon „angetönt“), viele Deutschschweizer …
a) nach den ersten Sätzen auf Hochdeutsch wieder in den Dialekt zurückfallen,
b) sich sicher nicht in der „ersten Fremdsprache“ (= Hochdeutsch) abmühen, wenn die zweite Fremdsprache (= Französisch) etwa gleich viel „Biiss chehre“ (Gebiss wenden) erfordert,
c) gleich Englisch sprechen, damit beide Seiten eine Anstrengung machen müssen und kein Gesprächspartner im Vorteil ist.
Dann stand auf der gleichen Seite der Papierausgabe noch der Artikel einer deutschen Journalistin des NZZ-Folio, die viele Punkte (natürlich nochmals auf Französisch) zusammenfasst, die hier in der Blogwiese schon mindestens einmal diskutiert wurden:
http://www.letemps.ch/template/tempsFort.asp?page=3&article=245288
* heute 66112, nur leicht mehr als 1910 (62000), als sie in der Stadt Zürich mit 21% den grössten Ausländeranteil ausmachten; 2007 „nur“ 7%. Zitat Le Temps: „Aujourd’hui, quelque 66112 Allemands vivent et travaillent dans le canton de Zurich … . Peu avant la Première Guerre, les Allemands étaient déjà le plus grand groupe parmi les étrangers. En 1910, 62000 Allemands vivaient dans le canton de Zurich, dont deux tiers dans la ville même, où ils représentaient 21% de la population (7% en 2007).
[Anmerkung Admin: Ach Phipu, wenn ich deine Kommentare nicht hätte… schon geändert, die Ausrichtung des Röstigrabens. Wir überqueren ihn immer auf dem Weg in den Süden, also ist er für mich eine Nord-Süd Grenze, was natürlich nicht den Tatsachen entspricht. Merci für den Hinweis! Wenn der Artikel offline geht, werde ich ihn durch ein PDF ersetzen.]
Dezember 4th, 2008 at 18:41
Das mit dem Englisch ist schon wahr. Ich kann mich daran erinnern, dass wir in der RS viel Englisch mit den Romands (den Franzosen!) gesprochen haben. Wir haben sogar auf Englisch gejasst… So sind – wie gesagt – alle im Nachteil und müssen eine Fremdsprache sprechen. „Take that gun, lay down and shoot, as you were told, stupid. Or do you want to stay at home this evening while we are in the pub?!“
Dezember 7th, 2008 at 16:54
@Kein Züricher: Dann hopp hopp weiter in Richtung Westen. Den halben Weg haben Sie vom Balkan aus ja schon geschafft!