Leben ohne Genitiv — Jahresende ohne „des“

Dezember 28th, 2012

(reload vom 31.12.05)

Bald ist das Ende des Jahres 2012 gekommen. Die Deutschen feiern diesen Tag bzw. Abend als „Silvester“, in dem sie sich am Abend in einem der vielen Dritten Programme zum x-ten Mal die Wiederholung von „Dinner for one“ anschauen, bis um Mitternacht Siedler oder Rommé spielen oder Stefan Raab glotzen, dann mit einem Glässchen Mumm-Sekt auf die Strasse gehen, um sich die Ohren durch Nachbars Feuerwerk abbrennen zu lassen.

  • Strassenkampf um Mitternacht
  • Um Mitternacht herrscht Krieg auf Deutschlands Strassen, es werden Gefechte zwischen Strassenseiten und regelrechte Schlachten mit den Knallern und Raketen veranstaltet. Türen und Fenster sollten gut geschlossen sein in der ersten Stunde des neuen Jahres, sonst finden Sie plötzlich einen China-Böller, Knallfrosch, „Zisselmann“ (so heissen die „Frauenfürze“ in Norddeutschland) oder eine Rakete in Ihrem Schlafzimmer wieder. Die Zürcher lassen sich da mehr Zeit. Sie sind um Schlag 12.00 Uhr mit Anstossen beschäftigt, was bekanntlich eine Weile dauert (siehe Blogwiese) und brauchen erst um 00.20 Uhr auf die Strasse zu gehen, denn vorher gibt es kein Feuerwerk und Knallerei, sondern nur Kirchenglocken zu hören.

  • Kein „Ende des Jahres“ in der Schweiz.
  • Die Schweizer haben das „Ende des Jahres“ abgeschafft. Hier heisst es wesentlich häufiger kurz und bündig „Ende Jahr“ (Google 167.000), wie „Ende des Jahres“ (67.000 Belege)

    Beispiel aus dem Newsportal www.news.ch:

    Operativer Chef von Unaxis geht auf Ende Jahr (Quelle: news.ch)

  • Leben ohne „des“
  • Der Genitiv ist für die Schweizer eine viel zu komplizierte Angelegenheit bei zeitlichen Angaben, ausserdem gilt es wieder, Platz zu sparen in diesem kleinen Land, warum also dann das Wörtchen „des“ verwenden wenn es auch ohne geht? So heisst es in der Schweiz folgerichtig häufiger „Anfang Monat“ (897 Mal ) als „Anfang des Monats“ (690 Mal)

  • „Anfang Jahr“ statt „Anfang des Jahres“
  • Besonders krass ist der Unterschied beim Jahr: „Anfang Jahr“ (140.000 Mal) und nicht „Anfang des Jahres“ 23.000 Mal.

    Beispiel aus dem Zürcher Unterländer vom 9.12.05:

    Rafz: Schulsozialhelferin beginnt Anfang Jahr ihre Arbeit

    Sogar „Anfang Woche“ findet sich 103’000 Mal

    Bleibt uns nur noch, den Lesern der Blogwiese einen „Guten Rutsch“ zu wünschen, also einen „Guten Jahresanfang“ (mit Genitiv-S!), denn daher kommt dieser Wunsch:

    Einen guten Rutsch! — das wünscht man einander zum Jahreswechsel. Doch obgleich dieser im deutschsprachigen Raum oft von Schneematsch und Glatteis begleitet ist, hat der Wunsch damit nichts zu tun, und auch die Assoziation mit dem Hineingleiten ins nächste Jahr (Einen guten Rutsch ins neue Jahr!) ist nur eine Volksetymologie. Rutsch geht hier vielmehr mit Umweg über das jiddische/rotwelsche rosch auf das hebräische rosh zurück, was Kopf oder auch Anfang heißt. Man wünscht einander also schlicht einen guten (Jahres-)Anfang (Quelle:)

    Deutsche wollen Klarheit , Schweizer brauchen Zuhörer

    Oktober 31st, 2012

    Ende letzten Jahres (in der Schweiz „Ende Jahr“) berichtete der Tages-Anzeiger über eine Masterarbeit der Psychologin Gabriela Suter, welche die Probleme bei der Zusammenarbeit von Deutschen und Schweizern zum Thema hatte. Die Ergebnisse finden wir höchst spannend:

    Die Deutschen wollen Klarheit, die Schweizer brauchen Zuhörer
    „Der Der ewige Kampf mit den Deutschen. Arrogant seien sie, heisst es. Und besserwisserisch. Und vorlaut. Die Schweizer dagegen: langsam, unklar und des Hochdeutschen nicht mächtig.”

    (Tages-Anzeiger vom 31.12.2011, alle Zitate von hier)

    Es stimmt, dieses Vorurteil hält sich hartnäckig, wenn auch bei der Frage, was denn nun eigentlich „arrogant“ sei, die Meinungen stark auseinander gehen. Hochdeutsch an sich sei schon arrogant, heisst es, weil es die Sprache des Lehrers für die Schweizer symbolisiert, der einen stets gemassregelt hat, wenn man sich in dieser Sprache ausdrücken musste. Was die Frage angeht, ob Schweizer des Hochdeutschen nicht mächtig sind, so sind wir ganz anderer Meinung: Es leben über 72 000 Schweizer in Deutschland, die sprachlich hervorragend assimiliert sind. Bruno Ganz wurde von uns nie als „Schweizer“ Schauspieler wahrgenommen, und zahlreiche seiner Schweizer Schauspielerkollegen haben Engagements an deutschsprachigen Theatern.

  • Es gibt mehr Verbindendes als Trennendes zwischen Deutschen und Schweizern
  • In ihrer Arbeit fragte sich Gabriela Suter:

    „Worin besteht er aber denn genau, der oft genannte «kleine Unterschied» zwischen uns und den Deutschen? Und wie wirken sich die unterschiedlichen kulturellen Backgrounds auf die Teamarbeit in einer Unternehmung aus?“

    Beobachtet hat es jeder schon einmal, aber mit wissenschaftlichen Methoden untersucht wurde es bislang noch nicht.

    «Natürlich gibt es zwischen Deutschen und Schweizern mehr Verbindendes als Trennendes», sagt Suter. Dennoch beinhalte derselbe Sprachraum keineswegs dieselbe Kultur.

    Hinzu kommt, das es auch innerhalb Deutschlands einen stark variierenden Sprachraum gibt, mit sehr unterschiedlicher Kulturen. Ost-Kultur gegen West-Kultur, kühle Hanseaten gegen bierselige Baiern (damit auch „Protestantismus vs. Katholizismus“), fröhliche Rheinländer versus sture Westfalen, diese und viele weitere Unterschiede machen jede Verallgemeinerungen sehr schwer. Deutschland ist eine Industrienation, Urlaubsland und Agrarland in einem, je nachdem wohin man schaut.

    Die Eigenschaften, die uns trennen, führt Suter auf die Spezialisierung der Wirtschaft zurück, was vorhergehende Studien bereits belegt haben. Während in der Schweiz der Dienstleistungssektor stärker ist und so der direkte Kontakt mit Menschen dominiert, ist Deutschland ein traditionelles Industrieland.

    Diese Untersuchungen würde ich gern einmal lesen, denn ich kann nicht nachvollziehen, dass sich in dieser Hinsicht Deutschland und die Schweiz stark unterscheiden. Natürlich gibt es prozentuel weniger Schwerindustrie in der Schweiz, aber hochspezialisiert produziert wird im Grossraum Zürich, Basel und Lausann-Genf genau wie im Musterländle Badenwürttemberg oder in Bayern nebendran.

  • Partizipativer Führungsstil vs. Kasernenhofton
  • «Deutsche orientieren sich eher an einem direktiven, Schweizer mehrheitlich an einem partizipativen Führungsstil», kommt Suter zum Schluss. Der Schweizer strebe demnach auch nach mehr Autonomie am Arbeitsplatz. «Der Deutsche ist eher gewohnt, von oben organisiert zu werden beziehungsweise zu organisieren.» Dies schlage sich auch im Handeln nieder. «Deutsche wollen bei einer Problemlösung schnell Klarheit und auf den Punkt kommen – Schweizer suchen erst ein gemeinsames ‚mentales Modell‘, also eine gedankliche Übereinkunft, wie die Frage zu verstehen sei, bevor es zur eigentlichen Problemlösung kommt.»

    Konsenskultur mit partizipativen Elementen in der Schweiz, und zentralistischer Kasernenhof Führungsstil in Deutschland. Haben wir das nicht schon immer gewusst?

    Deshalb, so Suter, agieren Schweizer und Deutsche extrem gegensätzlich: Die Deutschen warfen in ihrer Studie gleich zu Beginn der Debatte eine Lösung in die Runde; bei den Schweizern kam der erste Lösungsansatz erst in den letzten 20 Prozent der Diskussion. «Schweizer schauen zuerst, dass alle auf einer Ebene sind, um dann einen Kompromiss zu finden», erklärt Suter. Die Deutschen würden zuerst die Lösung präsentieren und diese dann verteidigen. Habe sich eine Lösungsvariante durchgesetzt, würden sie die Zeit nutzen, um die Idee auszuformulieren, während Schweizer zum Schluss eine eher vage formulierte Lösung vorlegten.

  • Nicht auf den Punkt zu kommen macht einen Deutschen ganz wahnsinning
  • Es ist genau diese „vage formulierte Lösung“, die die Deutschen dann in die Verzweiflung treibt, weil sie gern genau wissen, wo so dran sind und was Sache für sie ist.

    «Da aber bei den Schweizern gedanklich alle auf einem Level sind, kann der Einzelne daraus das weitere Vorgehen für sich ableiten.» Dem Deutschen jedoch, der vor allem seine Meinung äussern und diese vertreten will (und weniger dem anderen zuhören möchte), entgeht dabei, wie die gemeinsame Lösung und das weitere Vorgehen aussehen. Suters Fazit: «Deutsche haben ein Hör-, Schweizer ein Sprechhandicap.»

    Oder anders formuliert: Deutsche sind nicht auf Konsens gepolt, sondern haben eher gelernt, mit allen Mittel ihre eigene Überzeugung gegen alle Widerstände durchzusetzen.

  • Wer kann besser zuhören? Der Deutsche oder der Schweizer?
  • Eine weitere Ursache für Konflikte am Arbeitsplatz liege darin, sagt Suter, dass Schweizer beleidigt seien, weil die Deutschen ihnen nicht zuhörten. Deutsche hingegen fühlten sich gemobbt, weil sie meinten, nicht genug informiert worden zu sein. Der Grundstein für dieses Verhalten wird meist schon in der Erziehung gelegt. So zählt in Deutschland Durchsetzungsvermögen zu den wichtigsten Erziehungszielen. In der Schweiz strebt man laut Suter dagegen in erster Linie nach gutem Benehmen und korrektem Auftreten. Dies lasse sich auf das Arbeitsverhalten übertragen.

    Ich bin fest davon überzeugt, dass auch in Deutschland „gutes Benehmen“ und „korrektes Auftreten“ zu den klassischen Erziehungszielen gehört. Wer die nicht beherrscht, wird in der Wirtschaft und in der Gesellschaft unweigerlich scheitern. Es wird z. B. wesentlich länger gesiezt als in der Schweiz, und weil der Umgang miteinander direkter und knapper ist, bleibt er dennoch immer korrekt. Es bleibt alles eine Frage der Wahrnehmung, wie ein Schweizer den Deutschen im Alltag erlebt: „Freundlich und offen“ und „aufdringlich direkt“ kann ein und dieselbe Person sein, von einem Schweizer oder einem Deutschen wahrgenommen.

    Während der Schweizer gerne zu langen Epilogen ausholt und sein Fachwissen ausbreitet, damit auch jeder alles versteht und niemand übergangen wird, sitzt der Deutsche da und wartet darauf, dass sein Gegenüber endlich auf den Punkt kommt. Sehr konkret sei das in einer eigentlichen Schweizer Gruppe zu beobachten gewesen, in der ein Deutscher sass, der schon länger in der Schweiz lebt. «Während die Schweizer sich des Langen und Breiten über eine Thematik ausliessen, sass der Deutsche gelangweilt daneben und schaute sich im Raum um.»

  • Wer sich nicht anpasst, kommt nicht zum Ziel in der Schweiz
  • Ich möchte daraus nicht ableiten, dass „Gutes Zuhören“ etwas spezifisch Schweizerisches sei, das den Deutschen abgeht. Wer jedoch eigene Durchsetzung und „schnelles auf den Punkt kommen“ schätzt, muss als Deutscher in der Schweiz erheblich dazu lernen. Es braucht eine Weile, bis man zum Thema kommt, und wenn wir uns nicht an die lokal üblichen Kommunikationsformen anpassen, ist sehr schnell Ende mit der Kommunikation. Jedes Gespräch mit einer Versicherung am Telefon oder mit einer Behördenvertreter auf dem Amt ist zum Scheitern verurteilt, wenn man als Deutscher auf seine sachlich richtigen Argumente besteht und sie auf Teufel komm raus durchdrücken will.

    Ob es deswegen wirklich „Welcome“ Kurse braucht, oder man nicht mit ein wenig Offenheit und Sensibilität das selbst erkennt, möchte ich anzweifeln. Gutes Zuhören können kommt jedenfalls immer gut, nicht nur in der Schweiz.

    Stoppt die Flut der Deutschen!

    April 26th, 2012

    Aus aktuellem Anlass sehen wir uns genötigt, ein Reload eines Postings vom 09.11.2009 einzufügen. Damals forderte Blocher in einem Interview mit dem SONNTAG, die Flut der Deutschen zu stoppen. Wir meinen: Der Mann hat recht! Wer braucht schon die Freizügigkeit?
    (reload vom 9.11.09)
    Ein Interview im SONNTAG
    Die Pendlerzeitung 20Min.ch www.20min.ch, die am Wochenende (November 2009) eigentlich Pause hat, liest fleissig bei der Konkurrenz und berichtet:

    Blocher will Personenfreizügigkeit kündigen
    Alt Bundesrat Christoph Blocher fordert die Kündigung des Abkommens über die Personenfreizügigkeit mit der Europäischen Union. Er hat vor allem die Flut an Deutschen im Visier.
    «Es kann doch nicht sein, dass jetzt – mitten in der Rezession – immer noch jeden Monat 1000 Deutsche in die Schweiz kommen», sagte der SVP-Vizepräsident in einem Interview der Zeitung «Sonntag». Die Personenfreizügigkeit sollte neu ausgehandelt werden, zu anderen Bedingungen. Absolut nötig wäre eine Minimal-Wohnsitzdauer für Einwanderer.
    (Quelle: 20min.ch)

    Blocher zur Personenfreizügigkeit
    (Quelle: 20min.ch)

    Was bitte schön ist eine Minimal-Wohnsitzdauer für Einwanderer? Erst eine Weile hier wohnen und dann arbeiten dürfen? Wer soll sich das denn leisen können, bei den in der Schweiz üblichen Mieten?

  • Steigende Mitgliederzahlen bei den Kirchen
  • Die katholische und die reformierte Kirche in der Schweiz litt viele viele Jahre unter permanentem Mitgliederschwund, doch seit die Deutschen kommen, steigt die Zahl der Kirchenmitglieder wieder, damit auch die Einnahmen der Kirchensteuer.

  • Wir warten gern länger auf den Bus
  • Damit muss jetzt Schluss sein. Wer braucht Deutsche Busfahrer in Zürich? Echte Schweizer gehen lieber zu Fuss oder warten eine Stunde länger auf den nächsten Bus mit einem Landsmann am Steuer, der die Haltstationen richtig ansagen kann.

  • Ein paar Monate Wartezeit bis zur OP?
  • Und im Spital? Schicken wir die 2’600 Ärzte aus Deutschland wieder heim und geben den Schweizer Heilern endlich ihre wohlverdiente Chance. Ein bisschen Warten auf eine OP oder Behandlung hat noch niemanden geschadet. Tausende von Krankenpflegerinnen und –pfleger aus dem Ausland halten in der Schweiz das Gesundheitssystem am Laufen. Jetzt in der Rezession werden wahrscheinlich einfach weniger Menschen krank, dann braucht es keine Personenfreizügigkeit mehr. Etwas erhöhter bürokratischer Aufwand für jede Neuanstellung einer Pflegekraft gibt auch den Ämtern wieder etwas zu tun.

  • Weniger Deutsche am Flughafen
  • Am Flughafen in Zürich sorgen 2‘000 Deutsche für Gastronomie, Einkaufserlebnis am Abend und Wochenende und zügige Gepäckkontrollen. Nun, dann sollen sie einfach die Geschäfte früher schliessen und ein paar Kontrollpunkte dicht machen. Für das echte Schweizgefühl warten wir gern etwas länger auf unsere Koffer.

  • Endlich wieder griechische Kellner
  • Die Heimwerker-Fachberatung beim OBI ist, würde man die Deutschen nicht mehr ins Land lassen, dann leider ebenfalls betroffen. Muss der praktische Heimwerker sein Holz am Samstagnachmittag eben selbst zuschneiden und sich die Beschläge selbst zusammensuchen. Im Gaststättengewerbe können wir endlich wieder unsere Serbo-Kroatisch, Griechisch oder Italienisch-Kenntnisse im Gespräch mit dem Fachpersonal trainieren und hätten keine Hochdeutsches „Sie wünschen?“ mehr zu befürchten. Deutschen Köchen ist sowieso zu misstrauen, wenn die noch nicht einmal Peperoni und Paprika zu unterscheiden wissen. Denn im deutschen Kulturkreis, da essen sie noch Hunde, zur winterlichen Stunde.

  • Keine Verträge mehr für Deutsche
  • Immer noch kommen 1‘000 Deutsche im Monat in die Schweiz und mieten leerstehende Wohnungen. Es sind die Schweizer Vermieter und Liegenschaftsverwaltungen, die mit diesen Deutschen gern Verträge abschliessen und sich Kautionen im Voraus bezahlen lassen. Nach einer Betreibungsauskunft wird nicht gefragt, denn sowas haben Deutsche nicht, aber nach dem Arbeitsvertrag in der Tasche.

    Kein Deutscher zieht in die Schweiz, wenn er nicht zuvor von einem Schweizer einen Arbeitsvertrag unterschrieben hätte. Die Schweiz ist viel zu teuer, was die Mieten und Lebenshaltungskosten angeht, um hier einfach so sein Glück ohne feste Arbeitsstelle zu versuchen. Das riskiert niemand. Ausserdem kostet auch ein Umzug eine Stange Geld, die nicht vom Himmel fällt.

  • Gebt euer Geld doch in Deutschland aus
  • Danach zahlen die Deutschen in die AHV ein; mehr als sie in ihrem Arbeitsleben je wieder ausgezahlt bekommen. Auch Steuern zahlen sie, und zwar jeden Monat in Form von Quellsteuer. Sie tanken an Schweizer Tankstellen und gehen im Glattzentrum und bei Ikea-Schweiz einkaufen, sorgen damit stetig für eine gesteigerte Binnennachfrage in der Schweiz. Braucht das die Schweizer Volkswirtschaft oder der gemeine Schweizer?

  • Der mit dem Hund wackelt
  • Die Deutschen gehen gern ins Kino oder und manchmal auch ins Theater. Mehr noch: Sie spielen sogar Theater, in Zürich und anderswo. Möchten wir alles nicht drauf verzichten. Wenn Blocher nun überlegt, die bilateralen Verträge einseitig zu kündigen, so hofft er darauf, dass die Gegenseite keineswegs das Gleiche tun wird. Denn für die, so Blocher, seien z. B. die Verkehrsabkommen viel zu wichtig, um sie ebenfalls zu kündigen. Diese einseitigen Überlegungen, Verträge der Schweiz mit der EU zu kündigen, erinnern uns irgendwie an die Geschichte von dem Schwanz, der versucht mit dem Hund zu wackeln. Ob das klappt?

    Warum wir gern Filterkaffee trinken — Markiert Kaffee eine kulturelle Grenze?

    Juli 4th, 2011

    (reload vom 31.5.07)

  • Es lebe der Handfilter
  • Wir trinken gern Filterkaffee. In grossen Mengen aus grossen französischen Bols, allerdings mit Henkeln. Nicht zu stark und am liebsten aus nicht zu stark gebrannten Sorten zubereitet. Am besten gelingt Filterkaffee, wenn die Kaffeebohnen frisch gemahlen sind, und zwar nicht zu fein. „Für den Handfilter“, so lautet die Einstellung an der elektrischen Kaffeemühle und das Wasser muss sprudelnd kochend auf das Pulver im Handfilter gegossen wird. In mehreren Portionen. Die erste Ladung ist die wichtigste, denn sie „öffnet die Poren“. Dann ein bisschen warten bis das Wasser durch den Filter gelaufen ist, bevor nun in Abständen die zweite und dritte Ladung über aufgebrühte Kaffeepulver geschüttet wird. Auf den richtigen „Schwall“ kommt es an, dann wird der Kaffee prima. Nicht lecker, das passt nicht.

    Handfilter
    (Quelle Foto: ingridgrote.de)

    Natürlich mögen wir auch den Kaffee aus einer Expressomaschine, nur sind uns diese Dinge nicht ganz geheuer, sie könnten ja in die Luft gehen, ausserdem welche Maschine produziert schon auf Knopfdruck einen halben bis dreiviertel Liter Kaffee?

  • Filterpapier für Handfilter nicht beim Kaffeepulver
  • Dass die Schweizer weniger auf Filterkaffee stehen als die Deutschen merkt man untrüglich daran, dass in der Migros das dafür benötigte Filterpapier nicht in der Nähe des Kaffeepulvers (oder der ungemahlenen Kaffeebohnen) zu finden ist, wie in Deutschland, sondern bei den Kaffeemaschinen, Abteilung „Hardware für Deutsche“.

  • Ist Filterkaffee typisch für Deutsche?
  • Offensichtlich ist das eine typisch deutschen Angewohnheit, „Filterkaffee“ zu trinken. Wir lasen im Magazin des Tages-Anzeigers in einer klassen Reportage mit dem Titel „Wir gegen uns“, geschrieben von Christoph Fellmann, über die Süddeutschen und ihr Verhältnis zur Schweiz:

    Das Ehepaar Moser lebt seit 1971 an einer Wohnstrasse in Konstanz am Bodensee. Im Garten blühen die Forsythien. Serviert wird Filterkaffee und «Kaffeeglück», das ist eine Blechdose mit Kondensmilch – Kaffeegewohnheiten markieren kulturelle Grenzen.
    (Quelle: dasmagazin.ch vom 26.05.07)

  • Wer mag überhaupt Kondensmilch?
  • Nun, warum überhaupt Kondensmilch erfunden wurde, war uns auch immer ein Rätsel. Wahrscheinlich stammt die Idee aus der Zeit, als noch nicht jeder Haushalt mit einem Kühlschrank ausgestattet war, und man einen Weg suchte, Milch leicht und ungekühlt aufbewahren zu können. In meiner Kindheit galt es als besonders fiese Bestrafung, jemanden zum Trinken einer kleinen Tasse voll mit Kondensmilch zu zwingen. Ekelhaft. Heutzutage wird überall in Deutschland neben Kondensmilch auch Frischmilch zum Kaffee angeboten, einfach weil es viel besser schmeckt.

  • Trinken ältere Schweizer denn keine Kondensmilch?
  • Wir lernen bei Wikipedia:

    Kondensmilch (evaporierte Milch), auch Dosen- oder Büchsenmilch genannt, wird aus Milch unter teilweisem Wasserentzug hergestellt. Die Milch wird zur Keimabtötung und Albuminabscheidung für 10–25 Minuten auf 85–100 °C erhitzt und anschließend bei Unterdruck und 40–80 °C eingedickt. Danach hat sie einen Fettgehalt von 4–10 % und eine fettfreie Trockenmasse von etwa 23 %. Nach der Homogenisierung wird sie meist in Dosen oder Tuben abgefüllt und noch einmal sterilisiert, danach ist sie für lange Zeit haltbar.
    (Quelle: Wikipedia )

    Gibt es diese Generation in der Schweiz nicht, die gern Kondensmilch zum Kaffee trinkt?

  • Milch aus der Dose und Möhren aus dem Glas
  • Für die Generation unserer Eltern bedeutete es Fortschritt, Büchsenmilch stets zur Verfügung zuhaben. Erbsen aus der Dose und Karotten aus dem Glas haben die Arbeitsvorgänge beim Kochen enorm beschleunigten, genauso wie die Erfindung des tiefgefrorenen Blattspinats mit Rahm bzw. der Kartoffelbrei zum Anrühren. Sie wissen nicht, was „Kartoffelbrei“ ist? Kein Wunder, es gehört zu den beliebten Variantenwörtern, die überall anders heissen:

    Kartoffelpüree, Kartoffelbrei oder Kartoffelmus (österreichisch: Erdäpfelpüree, schweizerisch: Kartoffelstock, bairisch/fränkisch: Stampf oder Stopfer) ist ein Brei aus gekochten, zerdrückten und cremig gerührten Kartoffeln sowie anderen Zutaten.
    (Quelle: Wikipedia)

    Ob das auf Bairisch „Stopfer“ heisst, weil man danach nicht aufs Klo kann? Oder weil man damit die hungristen Mäulen gestopft kriegt?

    Wir nannten den Kartoffelbrei als Kinder „Astronautencreme“, weil er sich auch als Tubennahrung eignet, ähnlich wie Kondensmilch aus der Tube.

    Wenn Deutsche nur Filterkaffee trinken würden, gäbe es nicht den hohen Absatz von Espresso-Maschinen oder Kapsel-Systemen bei Media-Markt und anderen grossen Ketten. Aber in den meisten Büros in Deutschland gibt es nach wie vor Filterkaffeemaschinen, mit Wärmeplatte und der Garantie, dass auch nach 6 Stunden der Kaffee noch heiss und garantiert ohne Aroma bleibt.

  • Espresso ist billig
  • Stichwort Espressokaffee: Merkwürdiger Weise ist das einer der wenigen Artikel, der in der Schweiz billiger zu haben ist als in Deutschland. Wahrscheinlich weil er hier zu den Grundnahrungsmitteln gehört und in Deutschland als Luxus gilt, oder weil er anders besteuert wird.

    Gern schreiben wir ihn auch mit „x“: „Expressokaffee“, denn dann ist die Herkunft expressis verbi ersichtlich:

    Espresso, der; -[s], -s od. …ssi (aber: drei Espresso) [ital. (caffè) espresso, urspr. = auf ausdrücklichen Wunsch eigens (d. h. schnell) zubereiteter Kaffee, zu: espresso = ausgedrückt (lat. expressus, express]: a) (o. pl.) sehr dunkel gerösteter Kaffee; b) in einer Spezialmaschine aus Espresso zubereiteter, sehr starker Kaffee. (o. pl.)
    (Quelle: duden.de)

    Mann hab ich jetzt Lust auf nen Kaffee…

    Telefonieren Sie ihm oder mit ihm? — Ich ruf dir an

    Mai 1st, 2011

    (Reload vom 14.5.07)

  • Er telefonierte seinen Kollegen
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger den Satz:

    (…) telefonierte der Beamte seinen Kollegen auf den Nachbarstationen und liess alle Züge Richtung Bhopal stoppen.
    (Tages-Anzeiger 12.05.07 S. 36)

    Moment mal, fehlt da nicht das Wörtchen „mit“? Er „telefonierte seinen Kollegen“ steht dort geschrieben, ganz direkt und frank und frei, ohne jegliche Präposition. Es steht nicht: „Er rief ihn an“ oder er „kontaktierte ihn“, sondern er „telefonierte ihnen“, als Mehrzahl von „ihm“. Sie sind halt doch etwas direkter, die Schweizer, und brauchen für die Kommunikation über das Telefonnetz keine Präposition wie wir Deutsche.

    Wir kennen diese direkte Art zu telefonieren aus Frankreich, dort heisst es auch „téléphoner à qn“, also mit der Präposition „à“ zwischen dem Verb und der Person, aber gemeint ist damit der Akkusativ wie in „jemanden anrufen“, aber nicht wie in „jemanden telefonieren“. Oder haben dies die Deutsch-Schweizer tatsächlich erneut von ihren Welschen Landsleuten übernommen? Es ist, zugegeben, eine sehr elegante und platzsparende Variante, die neben „jemanden anrufen“ oder „jemanden benachrichtigen“ sehr logisch und konsequent auftritt. Doch seit wann ist Sprache logisch? Wenn Deutsche „er telefoniert ihm“ lesen, dann kommen da Assoziationen wie „er glaubte ihm“ oder „er verzieh ihm“ auf. Oder nicht? Es ist einfach ungewohnt, so direkt ohne „mit„.

  • Rufst Du mir an? Ja, ich ruf dir an
  • Wenn Sie diesen kleinen Satz ohne mit der Wimper zu zucken äussern, dann leben Sie eindeutig in der Schweiz, oder im Schwabenland.

    Im Forum der Wörterbuchseite LEO.org lasen wir zu der Frage, ob anrufen ein „dir“ oder „dich“

    Denke auch, dass „ruf mir an“ ein Fehler ist, der typischerweise von Schweizern begangen wird, die nicht gut Deutsch können.
    (Quelle: Leo.org)

    Na na, wer wird denn da so voreingenommen den Schweizern gegenüber sein. Was heisst hier eigentlich „gut Deutsch können“? Einen Sprachstandard sollten wir doch völlig wertfrei betrachten. Er wird einfach von der grössten Sprechergruppe als „richtig“ empfunden, was jedoch nicht heissen soll, dass keine Varianten zulässig sind, oder? Wir finden diese ewige Beurteilung „das ist gut“ und „das ist nicht gut“ ziemlich egozentrisch und borniert. Sie findet sich mehrheitlich bei Menschen, die Sprache für regelbar und eindeutig festgelegt halten.

    Die Erklärung zum „dir anrufen“ und „dich anrufen“ Problem findet sich im Duden. Auch diesmal sitzen alemannischen Deutschschweizer und Südwestdeutsche im gleichen Boot:

    anrufen: In der Standardsprache wird anrufen nur mit dem Akkusativ verbunden. Die Verbindung mit dem Dativ gehört zur regionalen Umgangssprache, besonders in Südwestdeutschland und der Schweiz. Es heißt also: Ich rufe dich morgen an (nicht: Ich rufe dir morgen an).
    (Quelle: duden.de)

    Die Verwechslung von Akkusativ und Dativ ist nicht nur in Südwestdeutschland bekannt, wie dieser bekannte Berliner Spruch verdeutlicht:
    „Ick liebe Dir, ick liebe Dich – wie’t richtich heeßt, dat weeß ick nich.“