Enjoy your trip — Über die Zugansagen in Deutschland und in der Schweiz

April 13th, 2011

(reload vom 10.5.07)

  • Enjoy your trip
  • Ich sitze in einem Waggon der SBB und geniesse die Aussicht auf den Walensee. Soeben wurde ich von einer freundlichen weiblichen Lautsprecherstimme in drei Sprachen aufgefordert, die Fahrt zu geniessen. Besonders sexy finde ich die britische Aussprache. Oder ist das doch Amerikanisch? „Enjoy your trip!“ wäre in den 60ern noch als eine Aufforderung zum intensiven LSD-Genuss gewertet worden.

  • Wozu das blaue Lautsprechersignal?
  • Die perfekte Aussprache der SBB Ansagen ist einerseits ein Hörgenuss, andersseits aber auch schrecklich langweilig und nervtötend, weil es immer exakt der gleiche Wortlaut ist, den man als Vielfahrer zu hören bekommt. Vielleicht bedeutet das blaue „Lautsprecher“ Lämpchen in Schweizer Zügen, dass man sich jetzt intensiv die Ohren zuhalten soll, um die Ansage nicht erneut zu hören? Nein, dieses blaue Lämpchen ist für Gehörlose. Sie wissen nun, dass sie soeben eine Ansage verpasst haben. Oder sollten sie sich nun auf die Suche nach einem Gebärdendolmetscher machen, der den angesagten Text für sie übersetzt? Was soll dieses Signal?

    Dann schon lieber die stammelnde Wortakrobatik des Deutschen Schaffners auf der ICE Strecke von Zürich nach Stuttgart. Unglaublich, wie da die Phrasen geübt wurden und das beste Schulenglisch herhalten muss, um garantiert jede Haltstation der schwäbischen Eisenbahn zunächst auf Deutsch und dann auf Englisch vorzulesen. Haben diese Schaffner eigentlich eine Werbevertrag mit einer Sprachschule? So nach der Devise: „Wenn sie nicht auch so enden wollen, dann besuchen Sie jetzt unseren Kurs!“

  • Mit mobiler Sprechstelle im Zug unterwegs
  • Die Deutschen Schaffner müssen jetzt auch nicht mehr zu irgendeiner Sprechstelle im Zug laufen und einen Hörer mit Kabel aus einem abgeschlossenen Fach kramen. Nein, seit einiger Zeit geht das kabellos, Verzeihung, „wireless“ natürlich. Mitten im Abteil, während der Fahrkartentrolle, zückt so ein Bahn-Schaffner ein Handy ähnliches Gerät, sagt kurz den nächsten Bahnhof an und setzt dann die Kontrolle fort, als sei nichts gewesen. Wow! Soviel Mobilität ist im Jahr 2007 also möglich für das Zugpersonal, an ein PWLAN für alle Fahrgäste haben sie allerdings immer noch nicht gedacht.

  • Mit Ironie doch besser nie
  • Es fragte mich im Zug von Chur nach Zürich der Schweizer Schaffner, der sich lieber „Kondukteur“ nennt, beim Betreten des Zugabteils: „Alle Billette vorweisen bitte“, worauf ich ihm sagte: „Alle kann ich ihnen nicht vorweisen, ich habe nur eins“. Gleich wurde ich belehrt: „Ja, das ist weil sie sind nicht allein in diesem Abteil, es gibt noch anderen Fahrgäste.“

    Was war passiert? Ich versuchte eine ironischen-flapsige Bemerkung loszuwerden und geriet an den knallharten Realitätssinn des Zugbegleiters. Er dachte sich wohl: „Dieser Fahrgast hat nicht verstanden, dass er mir nicht alle Billette im Abteil vorzeigen soll, sondern nur sein persönliches, also muss ich ihm meine Aussage doch erklären.“

  • Den Witz besser immer ankündigen
  • Ironie im Alltag, als Deutscher in der Schweiz? Ein äusserst diffiziles und risikoreiches Unterfangen, wie dieses kleine Erlebnis beweist. Vielleicht hätte ich mit einem deutlich artikulierten „ho ho ho“ zum Ausdruck bringen sollen, dass meine Bemerkung als Scherz gemeint war. Lächeln allein genügt nicht.

    Hatte ich schon den Duden-Eintrag zum Kondukteur erwähnt?

    Kondukteur der; -s, -e fr. conducteur zu conduire „lenken, führen“, dies aus lat. conducere>: (schweiz., sonst veraltet) [Straßen-, Eisenbahn]schaffner.
    (Quelle: duden.de)

    Wie so häufig bewertet der Duden ein Wort aus der Schweiz als im übrigen deutschen Sprachraum „veraltet“.

  • Wissen Sie, was ein KiNS und ein KiNC ist?
  • Die Deutsche Bahn ist da kreativer und entwickelt, laut Wikipedia, ständig neue Abkürzungen und Bezeichnungen für die Herren und Damen Zugführer:

    Im Regionalverkehr der DB AG wird der Zugführer intern auch als Kundenbetreuer im Nahverkehr/Bahnbetrieb (KiN B) bezeichnet. Er trägt das rote Zugführer-Armband auch hier, wenn ihm Zugschaffner (KiN) zugeteilt sind. Die Kundenbetreuer im Nahverkehr sind in kleinen Gruppen zusammengefasst; deren Leiter ist der Gruppenchef (KiN C). Der KiN S ist sein Stellvertreter
    (Quelle: Wikipedia)

    Den nächsten KiN B oder KiN C oder KiN S werde ich gleich befragen, ob ihm all diese Abkürzungen wirklich bekannt sind. Wahrscheinlich demonstriert mir der Gefragte dann gleich die hohe Kunst des „SABVA“. Das kennen Sie nicht? Das ist die oberste Direktive für Mitarbeiter im Support, wenn sie Angesichts eines schwierigen Problems vor dem Kunden keine Lösung wissen. Es steht für „Sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit“.

    Matur, Matura, Abitur und eine Reifeprüfung

    April 7th, 2011

    (reload vom 9.5.07)

  • The Graduate ist kein Abitur sondern ein Film
  • Der wunderbare amerikanische Filmklassiker „The Graduate“ kam in Deutschland 1967 als „Die Reifeprüfung“ in die Kinos. Das ist jetzt 40 Jahre her, und der Hauptdarsteller Dustin Hoffmann ist immer noch auf der Leinwand zu sehen, zuletzt 2006 in der opulenten Verfilmung von „Das Parfum“. Nebenbei bemerkt ist das wahrscheinlich für so manchen Deutschen Jugendlichen der einzige Roman bzw. die einzige „Ganzschrift“, die er komplett gelesen hat, denn das Werk steht in vielen Bundesländern auf der Leseliste für die 10. Klasse. Nach dem Motto: Wenn die Jugendlichen sowieso nie wieder etwas lesen werden in ihrem Leben, dann sollen sie zumindest einmal ein gutes und spannendes Buch geniessen dürfen. Doch leider geht das nicht ohne die übliche Analyse, das ausgiebige Zerpflücken des Stoffes und der Handlung. Heerscharen von arbeitslosen Germanisten haben bereits ganze Arbeit geleistet bei der Erstellung von „Sekundärliteratur“, die sich kurz vor der Prüfung verkauft wie warme Semmel.

  • Früher Homo faber, heute das Parfum
  • Vor 16 Jahren galt noch Max Frisch Roman „Homo faber“ als das übliche und meist gelesenste Werk für die 11. Klasse am Gymnasium. Wer selbst dieses dünne Buch nicht schaffte, der konnte immerhin noch auf die Verfilmung von Volker Schlöndorff zurückgreifen und sich dabei wie der Romanheld in Julie Delpy vergucken. Von Helvetismen ist in dem Roman wenig zu spüren. Er ist auch 10 Jahre älter als „The Graduate“ und wurde wahrscheinlich von den Deutschen Lektoren gründlich auf Standard-Hochdeutsch getrimmt worden. Als Folge dieser 11. Klasse-Lektüre werden Jahr für Jahr etliche Hausarbeiten zum Thema „Die Frauenfiguren in Homo Faber“ in Proseminare zur Neuen Deutschen Literaturwissenschaft erstellt. Die vergammeln dann im Schrank des Literaturprofessors, gleich neben den Arbeiten zu Camus „La Peste“, dem zweiten Klassiker der Schullektüre.

  • Schweizer machen kein Abitur sondern Matur
  • Das Deutsche Abitur heisst in Wirklichkeit und auf Beamtendeutsch „Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife“. Die Schweizer haben es da kürzer mit der „Matura“ oder besser noch, „die Matur“. Das Wort findet sich bei Google-CH 75.000 Mal in dieser Kurzfassung und 188.000 Mal in der Langfassung mit dem „a“ am Ende. Was es bedeutet? „Reifeprüfung“, was sonst.

  • Maturaarbeit über die Deutschen in der Schweiz
  • Während in Deutschland die Abiturienten bis zu den letzten Prüfungen viel Zeit zum Lernen haben, müssen sie in der Schweiz noch eine Arbeit abliefern, die „Maturaarbeit“ mit zwei hübschen Vokalen in der Mitte, weswegen sie oft auch „Matura-Arbeit“ geschrieben wird.

    Warum Schweizer historisch gesehen Deutsche sind

    April 3rd, 2011

    (reload vom 08.5.07)
    (Letzter Teil des Beitrags von Ingomar König)

  • Woher stammt das Vorbild für das Schweizer Kreuz?
  • Und jetzt, liebe Nachbarn, müsst Ihr ganz tapfer sein. Den echten Schweizern/Schwyzern, den waldstättischen, ihnen wurde einst vom Kaiser das Recht verliehen, sowohl die blutrote Fahne zu führen als auch in ihr die Kreuzigung Christi in Form eines weissen Kreuzes darzustellen. Dieses Symbol wurde gar „heilig Rych“ genannt, es war das offizielle Symbol des alten Deutschen Reiches bis etwa 1400, und auch die Stadt Wien erhielt das Recht, es (bis heute) zu führen. Einerseits kaum zu glauben: das weisse Kreuz auf rotem Grund, ein deutsches Symbol und viel älter als die schwarz-rot-goldene Trikolore; andererseits völlig logisch, dass der „Grosse Bund Oberdeutscher Lande“ ein deutsches Symbol führt. Auch das heutige Österreich, die Krondomäne der römisch-deutschen Kaiser, und das heutige Deutschland könnten dieses Staatssymbol für sich beanspruchen. Aber keine Angst, euer Gewohnheitsrecht auf das „Heilige Reich“, von Euch zum „Schweizerkreuz“ erklärt, wird Euch niemand streitig machen.

    Noch einige i-Tüpfelchen: Der Begriff „Reichsdeutsche“ (bis 1945) stammt von Euch. Und was hätte er für einen Sinn, wenn es nicht außerhalb des „Reiches“ weitere Deutsche gäbe? Noch Gottfried Keller nannte sich einen „deutschen Schriftsteller“ und seit 1948 sorgt sich der Rottenbund („Rhône-Bund“) um das „Deutschtum“ in Sitten und im Oberwallis, das er durch welsche Dominanz auf gesamtkantonaler Ebene bedrängt zu sehen glaubt. Und Adolf Muschg hat darauf hingewiesen, dass bis zum Ersten Weltkrieg kein Deutschweizer den deutschen Staat als wirkliches Ausland empfunden hat.

    Liebe nicht-lateinischen Eidgenossen, Ihr ahnt, worauf hinaus ich will. Auf die eiskalte, logische Konsequenz Eurer (und unserer) Geschichte, die Natur der Sache, die auszusprechen ich kaum wage:

  • IHR SEID SELBST DEUTSCHE !!!
  • Ich hoffe, mit dieser historischen Banalität keinen Sturm der Entrüstung auszulösen; wenn doch, so bitte ich um Gnade, denn es ist die Wahrheit und nichts als dieselbe. Ich werde den Verdacht nicht los, dass hier die wahre Ursache des „Reizthemas“ liegt. Ihr huldigt ganz offensichtlich dem Motto: Die grössten Kritiker der Elche war’n früher selber welche. La Suisse – un pays vraiment germanique.

    Natürlich denkt Ihr an die Angehörigen des heutigen Staates Deutschland, wenn Ihr die Deutschen sagt, an die Bewohner des Staates, dessen Vor-Vor-Vor-Vorgänger Ihr verlassen habt und von dem abzugrenzen nicht nur Euer gutes Recht, sondern die pure Selbstverständlichkeit ist. Aber warum soviel Aufhebens um eine Selbstverständlichkeit? Befürchtet Ihr, dass irgend jemand in Deutschland Eure Eigenstaatlichkeit nicht respektiert, Euch gar annektieren will? (Die Nazi-Barbaren hatten dies vielleicht vor, aber sie hätten sich die Zähne an Euch ausgebissen, und die Mehrheit der Deutschen hätte sich darüber empört.) Glaubt Ihr, die Wirtschafts- und Technologiemacht Schweiz würde von den Deutschen nicht ernst genommen? Warum also, so frage ich Euch, wedelt Ihr mit dem roten Tuch, wenn weit und breit kein Stier zu sehen ist? Dass Italiener sich von Norwegern unterscheiden, ist so selbstverständlich, dass niemand auch nur ein Wort darüber verliert. Wenn man sich aber erst unterscheiden und mental abgrenzen will, können die Unterschiede so gross nicht sein.

  • Deutsche und ethnische Deutsche
  • Obwohl neun Nachfolgestaaten sich das Erbe des alten „Heiligen“ Römischen Reiches Deutscher Nation teilen, wird seine „Rechtsnachfolgerschaft“ und Kontinuität „landläufig“ dem heutigen Deutschland zugeschrieben. Steht ihm deswegen ein Exklusivrecht auf das Attribut „deutsch“ zu, nur weil es „Titular“-Nachfolgestaat und zudem der grösste ist? (Ich sehe hier vom romanischen Teil Belgiens und den slawischen Ländern Böhmen-Mähren und Slowenien ab.) „Deutsche“ im Sinne der Staatsbürgerschaft Deutschlands und „Deutsche“ im ethnischen Sinne setzt Ihr wohl absichtlich gleich, um zu kaschieren, dass Ihr selbst ethnische Deutsche seid. Aber warum???

    Weil Ihr selbst nicht so richtig wisst, was „die Schweiz“ eigentlich ist. Am Anfang stand ein Bündnisgeflecht oberdeutscher Stadtrepubliken, das mit den bäuerlichen Eidgenossen der Waldstätte und weiteren ländlichen Verbündeten sowie den Zugewandten Orten minderen Rechts eher widerwillig zu einem geschlossen Territorium zusammengewachsen ist. Ergebnis von Eroberungen und Einkaufstouren der oberdeutschen Orte sind die welschen und ennetbirgischen Gebiete; allein der Stadtstaat Genf hat sich freiwillig angeschlossen, um den Savoyarden zu widerstehen. Die Romanen in den drei rätischen Bünden sind Opfer hemmungsloser Germanisierung, was ihre heute so geringe Zahl erklärt.

    Die patrizische graue Eminenz widmete sich dem Handel, dem Geldzählen und der Ausplünderung der Bauern in ihren Landschaften, Untertanenlanden, Vogteien und Gemeinen Herrschaften. Dafür überliess sie den Waldstättern gönnerhaft das Kriegshandwerk, die Symbolik des Schweizerkreuzes, den Namen „Eidgenossenschaft“ und die Territorialbezeichnung „Schwyz/Schwiiz/Schweiz“. In ihrer bieder-patriarchalischen Gentilordnung, christkatholischen Demut und altdeutschen Einfalt merkten die Waldstätter nicht, dass sie von den listigen Luzernern, Zürchern, Bernern und Baslern jahrhundertelang vorgeführt und benutzt worden waren. Als sie im Sonderbund aufmuckten und ihre selbstgenügsame Idylle durch die städtischen Orte zerstört wurde, dämmerte den Waldstättern, was die Glocke geschlagen hatte und worin das Wesen des „Oberdeutschen Bundes“ wirklich bestanden hatte. Den Weg zum „richtigen“, modernen Bundesstaat konnten sie nicht mehr versperren. Der eidgenössische Mohr hatte seine Schuldigkeit getan, er konnte gehen. Die Insignien „Eidgenossenschaft“ und „Schweiz“ musste er jedoch zurücklassen.

    „Die Schweiz“, das ist nicht Bern, nicht Zürich, nicht Basel, noch St. Gallen, schon gar nicht Genf oder Bellinzona, das ist nur der waldstättische Ort Schwyz. „Eidgenossen“: das sind nur Schwyz, Uri und Nidwalden. „Helvetien“: das war das Land vor dem Einfall der Alemannen. Was bleibt? Ein Gemeinwesen in einem Teil Alemanniens, in einem Teil der „Oberdeutschen Lande“, angereichert um ein paar „lateinische“ Gebiete. Und der Mythos des Rütli-Schwurs, gäbe es ihn ohne des Deutschen Friedrich Schillers „Wilhelm Tell“, diese Hommage an Euren Staat und Pflichtlektüre am deutschen Gymnasium? Ein über alle Kritik erhabenes Œuvre der Weltliteratur für wahr; nach Massstäben der „historischen Korrektheit“ liegt es jedoch gründlich daneben. Jetzt macht Ihr selbst den Mythos zu einer anachronistischen und lästigen Pflichtübung. Nach Patrizierart Aufwand und Nutzen kühl abwägend, will der Bund keine Kosten für die Rütli-Feier 2007 am zum Bade lächelnden See übernehmen. Werner Stauffacher, Walter Fürst (oder Wilhelm Tell?) und Arnold von Melchtal würden sich im Grabe umdrehen. Für diesen Anschlag auf Euer Selbstverständnis nimmt der Chef Eures Justiz- und Polizeidepartements kaltherzig den Föderalismus in Anspruch, was nur am württembergischen Anteil seiner Gene liegen kann. Der „Oberdeutsche Bund“, ist er noch immer ein seelenloses Zweckbündnis, beherrscht vom „Kantönli-Geist“?

  • Und was ist das Schweizervolk?
  • Alles, nur keine Nation; von den Rändern abgebröckelte Fragmente der deutschen, französischen und italienischen Nation. Zusammengeführt durch historischen Zufall, hat es aus der Not die Tugend der „Willensnation“ gemacht. Aber Ihr müsst doch keine Nation sein. Als wäre es eine Schande leidet der staatstragende deutsche Teil des Schweizervolkes darunter, eine Ausnahme unter den Gesellschaften Europas zu sein, eine durchaus rühmliche, wie ich finde. Ihr braucht wegen der Abspaltung vom Reich kein schlechtes Gewissen zu haben und Euch gegenüber dem heutigen Deutschland einem permanenten psychologischen Rechtfertigungsdruck auszusetzen. Die Welt wäre ärmer ohne die Schweiz, wie sie heute ist. Aber nein, wie sagte doch Karl Barth, der Berner Theologe, der mit seiner antifaschistischen Gesinnung den Bürgern des deutschen Staates solidarisch beistand? „Wir können gar nicht Schweizer sein, ohne uns schlecht oder recht gerade mit den Deutschen auseinanderzusetzen.“

    Man lasse sich diese Worte auf der Zunge zergehen, und man versteht, warum Ihr innerlich über den Deutschen frohlockt, der in einer Schweizer „Beiz“ sein Bier im Kasernenhofton herbeibefiehlt. Gäbe es diesen Deutschen nicht, müsstet Ihr ihn Euch backen. Denn der Deutschschweizer an sich braucht den tumben, schnarrend Kommandos bellenden preussischen Feldwe(i)bel, weil nur von dieser deutschen Peinlichkeit er sich vorzüglich abgrenzen kann. Szenen aus dem Alltag erscheinen so in anderem Licht. Serbische, albanische oder italienische Kellner im Café, deren redliches Bemühen, alemannisch („schweizerdeutsch“) zu sprechen, von den Gästen kaum verstanden wird: kein Problem. Kellner aus Deutschland, die standardhochdeutsch mit den Gästen sprechen: ein Skandal. (Dass diese Sprache in der deutschen Schweiz die amtliche ist, zählt nicht, denn sie wurde von „reichsdeutschen“ Spionen in Euren Verfassungstext hineingeschmuggelt. Stichwort: „Import“!). Bauarbeiter aus Deutschland, den Schweizer Kollegen in der Mentalität praktisch gleich: eine Unverschämtheit, dass sie so gleich sind. Die grauenhafteste Vorstellung: der höflich-sympathische Deutsche oder der aus der alemannischen Nachbarschaft, der dem Germano-Eidgenossen wie ein Ei dem anderen gleicht.

    Ob sie sich in der Schweiz aufhalten oder nicht, ob sie arrogant oder sympathisch sind: Die Deutschen stören einfach qua Existenz die deutsche Schweiz in ihrer Identität und sind gleichzeitig für eben diese Identität die lebensnotwendige conditio sine qua non. Das erklärt die Sonderstellung der „Reichsdeutschen“ unter den Nicht-Schweizern, das ist Eure psychologische Crux, Ihr Bedauernswerten. Der eidgenössischen Kohäsion dagegen droht Gefahr: keineswegs durch Euren Dialektgebrauch, sondern durch Eure pathologische Weigerung, auch Standardhochdeutsch zu sprechen, die Sprachform, die Ihr immer als preussisch-zackig „empfindet“, selbst dann, wenn zärtliche Worte der Liebe in ihr gesäuselt werden; und durch Eure Gepflogenheit, Dialekt und Standardsprache schärfstens von einander zu trennen; und schliesslich durch das Englische als lingua franca, weil Englisch bei Euch Deutsch-Schweizern „beliebt“, Französisch dagegen „unbeliebt“ geworden ist. Das einzig Volk von Brüdern, es verschmäht seine „Brudersprachen“ und kürt zur innerschweizer Kommunikation die englische Sprache – wie Brasilianer und Inder, die sich verständigen wollen. Ich fasse es nicht. Lebt Ihr nur noch nebeneinander anstatt miteinander? Zerfällt das Schweizervolk in seine ethnischen Bestandteile?

  • Fazit
  • Heute wird sich über zu viele Deutsche échauffiert. Sollten morgen die Deutschen in Scharen Euer Land verlassen, so wird man sich entrüsten: „Diese treulosen Deutschen lassen uns im Stich.“ Wie sie es auch machen, es ist immer falsch. Die Deutschen sind und bleiben der negative Massstab. Unfreiwillig „outet“ Ihr Euch als Volk, das „deutscher“ ist als die Deutschen. Mein Gott, wie unheimlich, aber auch, was für ein Verhältnis zu den Deutschen, so intim, wie zu keinem anderen Staatsvolk.

    Liebe Nachbarn, ich habe Eure alemannische Zurückhaltung und Bescheidenheit einer starken Zumutung ausgesetzt. Deshalb nun genug der garstigen Worte, die ich mir von der Seele schreiben musste. Überzeichnet, gewiss, allein dem Ziele dienend, dass Ihr mit Eurer Deutschen-Hass-Liebe die Kirche im Dorf lasst; in der Hoffnung, nicht wie ein besserwisserischer Schulmeister Euch Dinge gesagt zu haben, die Ihr selbst wisst, sondern in der Vermutung, Tiefenströmungen der deutschschweizer Seele an die Oberfläche geholt zu haben, die der Deutschschweizer genau kennt, über die er aber nicht spricht. Meine Achtung vor dem Schweizervolk ist nicht erschüttert, Eure Hilfsbereitschaft den Deutschen gegenüber nach dem 2. Weltkrieg ist mir wohl bewusst. Und natürlich seid Ihr eine autonome Gesellschaft mit z.T. gleichen, aber eben auch anderen gesellschaftlichen Gepflogenheiten und Umgangsformen, die jeder Auswärtige zu respektieren hat, der sich bei Euch niederlässt. Ich bin mir sicher, dass die allermeisten der bei Euch lebenden „Deutschland-Deutschen“ dies auch tun – manche vielleicht erst nach einer gewissen Eingewöhnungszeit. Aber sie tun es. Ohne ihre Sprache würdet Ihr sie gar nicht wahrnehmen.

    Oder ist die ganze Aufregung am Ende ein Sturm im Wasserglas? Steckt hinter dem „Reizthema“ womöglich nur die alte Erfahrung: „Was sich liebt, das neckt sich“?

    In der Hoffnung, dass letzteres zutrifft, verbleibt mit freundlichen Grüssen,
    ein Nachbar des Schweizervolkes, der diesem zuliebe bewusst auf die sz-/ss-Ligatur „ß“ verzichtet hat.
    Ingomar König

    Eltern in der Schulpflege oder staatlicher Wasserkopf — Schulsysteme im Vergleich

    Januar 11th, 2011

    (reload vom 16.4.07)

  • Die gewählte Schulpflegschaft in der Schweiz
  • Wer mit schulpflichtigen Kindern von Deutschland aus in die Schweiz zieht, bekommt sehr schnell Kontakt zur „Schulpflegschaft“. So heisst in der Schweiz die Institution, die sich um alles rund um den Schulbesuch kümmert. Verwaltungsarbeit, die in Deutschland von einer einer fast unsichtbaren Behörde und in Frankreich von etlichen sichbaren und fleissigen Beamten und Angestellten erledigt wird. (Vgl. Blogwiese)

    Es gibt einen gewählten Schulpflegepräsidenten (oder eine Präsidentin, aber ohne „-schaft“), der/die diesen Job gegen eine geringe Aufwandsentschädigung in der Freizeit erledigt. Ihm oder ihr zur Seite steht ein Sekretariat für den Schreibkram. Das Sekretariat liegt oft nicht in der Schule, sondern kümmert sich gleich zentral um mehrere Schulhäuser. Wir waren erstaunt, mit welch geringem bürokratischen Aufwand in der Schweiz Schule dezentral organisiert wird. Eine „Schulleitung“, d. h. jemand, der sich zusätzlich zur Unterrichtstätigkeit oder sogar hauptsächlich nur um administrative Dinge kümmert, gab es bis vor wenigen Jahren im Kanton Zürich in den Primarschulen nicht, wurde dann aber eingeführt.

  • Was das ED festlegt, das gilt
  • Im Hintergrund wirken dann freilich noch diverse „Erziehungsdirektionen“ in den Kantonen und ED, die „Eidgenössischen Erziehungsdepartements“. Die legen z. B. fest, dass in allen Primarschulen ab der ersten Klasse von den Lehrern nur Hochdeutsch im Unterricht gesprochen werden soll. Nur Hochdeutsch oder genauer gesagt nur „Schweizer Hochdeutsch“, oder doch eher „Schriftdeutsch“, bzw. „Schweizer Schriftdeutsch“, so genau haben wir das nicht verstanden, denn die Lehrer, die es uns erklären wollten, sprachen dabei Züridütsch. Das mit der gewünschten Sprache wurde also festgelegt. Auch im Sport- oder Handarbeitsunterricht. Und dann funktioniert das. Ähem, was hiess noch gleich „Lismen“ auf Schrifthochdeutsch?

    Die „Schulaufsicht“ durch die Schulpflege vor Ort ist somit in den Händen von gewählten Elternvertretern, die sich für diese Tätigkeit dadurch qualifizierten, dass sie selbst schulpflichtige Kindern auf der Schule haben. Basisdemokratie in Reinform. In Sachen Schule ist jeder Spezialist und vom Fach, denn jeder war ja mal selbst auf einer solchen.

  • Der bürokratische Wasserkopf in Frankreich
  • Ganz anders erlebten wir jetzt den „bürokratischen Wasserkopf“ von Schul-Organisation in einem französischen „Collège“, als wir in den Osterferien versuchten, dort einen privaten Schüleraustausch zu organisieren. Da führte kein Weg vorbei an „Monsieur le Proviseur“, der keinen Namen braucht, weil er einen Titel hat, der selbstverständlich eine eigene Sekretärin hat und hauptamtlich der Schule vorsteht, dabei das ganze Jahre über damit voll ausgelastet ist, sich um den Stundenplan zu kümmern bzw. die Fortbildungen der Lehrer zu organisieren und sich um die Gesuche von Deutschen zu kümmern, die gern einen Austausch durchführen möchten, wenn dann das Gesuch in schriftlicher Form vorliegt.

    Dem Proviseur vorgesetzt ist auf einem Collège mit Lycée-Anschluss nur noch der „Censeur“, der nicht zensiert sondern Direktor der Schule ist, speziell zuständig für deren Repräsentation nach aussen. Für den Fall, dass mal eine Delegation von Wirtschaftsfachleuten oder ein Staatspräsident auf Besuch vorbeikommt, man weiss ja nie.

  • Das System der Surveillance
  • Sowohl Proviseur als auch Censeur sind ehemalige Lehrer, werden für ihre aufreibende Tätigkeit und Verantwortung am besten von allen bezahlt und müssen nicht mehr unterrichten. Neben den „Profs“, den eigentlichen Lehrern, die grundsätzlich nur in einem Fach unterrichten in Frankreich, gibt es noch ein System von „surveillantes“, d. h. Aufpassern, die in Vollzeit für die Pausenaufsicht und die Beaufsichtigung der Schüler in Freistunden zuständig sind. Es gibt einen „Ober-Aufpasser“, der nicht selbst aufpasst sondern nur diesen Dienst organisiert. Diese Surveillantes überwachen, ob alle Schüler anwesend sind und organisieren die Strafen wie Nachsitzen oder schreiben den Brief an die Eltern, falls ein Kind länger fehlt. Um solche „Erziehungsaufgaben“ müssen sich die Profs nicht kümmern, die sind für die Wissensvermittlung zuständig.

  • Wer arbeitet sonst noch an einer französischen Schule?
  • Eine französische Schule beschäftigt ausserdem in Vollzeit eine Krankenschwester für die kleinen Unfälle der Schüler, zwei Hausmeister, einen Heizer für die Heizung (die auch im Sommer betreut werden muss), ein paar „MTAs“ = Medizinisch- Technische-Assistenten , um die Versuche für die Chemie- und Physiklehrer vorzubereiten bzw. wieder fortzuräumen. Desweiteren eine Art Sozialarbeiter = „agent social“ für ausserschulische Probleme, ein Schulsekretariat mit mehreren Mitarbeitern und ein komplettes Küchenteam mit Köchin und mehreren Gehilfen für die Mittagsmahlzeit in der Schulkantine, denn die französische Schule ist wie in der Schweiz ein Ganztagseinrichtung mit Regelunterricht von 8.00 – 12.00 Uhr und von 14.00 – 17:00 Uhr, ausser Mittwochs.

  • Hochsicherheitstrakt Schule
  • Übrigens ist das ganze Schulgelände in Frankreich streng mit Zäunen und Toren gesichert, niemand kann es unbefugt betreten oder verlassen. Besucher müssen sich ausweisen und den Grund des Besuches darlegen. Diese Sicherheitsmassnahmen wurde als Massnahme gegen Anschläge und Überfälle eingeführt und sollen nebenbei verhindern, dass ehemalige Schüler auf dem Schulgelände mit Drogen handeln oder Kindern von ihren Eltern entführt werden können. Die Portiersloge ist durch Panzerglas geschützt und die Tore öffnen sich elektrisch. Ach ja, ein Portiersteam mit mit mehreren Sicherheitsleuten arbeitet auch an einer französischen Schule.

  • Und in Deutschland?
  • Zum Vergleich: Eine gewöhnliche Realschule oder ein Gymnasium in Deutschland hat einen Schulleiter nebst Stellvertreter, die beide noch mindestens 8-12 Stunden pro Woche unterrichten, und eine Schulsekretärin, die bei kleineren Unfällen für die Erste Hilfe zuständig ist. Ein bis zwei Hausmeister können es nicht abwarten, sich um die Haustechnik zu kümmern. Jeder Besucher kann, wie in der Schweiz, unbehelligt die Schule während der Unterrichtszeit betreten oder verlassen.

  • Das verborgene Schulamt
  • Der restliche administrative Kram wird in Deutschland im Verborgenen durch ein „Schulamt“ erledigt, welches z. B. darüber entscheidet, welche Lehrer auf welcher Schule arbeiten, oder wer den Job des Schulleiters bekommt. Verwaltungsentscheidungen, über die Eltern oder Lehrer einer Schule nichts zu befinden haben. Ein bisschen fühlt man sich bei diesen schulpolitischen Entscheidungen in Deutschland im Vergleich zum transparenten Schweizer System an Kafkas fragmentarisches Meisterwerk „Das Schloss“ erinnert, in dem der Landvermesser K. zu einem Schloss berufen wird und völlig darüber im Unklaren bleibt, von wem hier in welcher Weise Entscheidungen und Beschlüsse gefasst werden. Deutsche Beamten-Schulpolitik funktioniert nicht anders.

    (obiger Artikel spiegelte unsere ganz persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen aus den ersten sechs Jahren in der Schweiz wieder und erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder Vollständigkeit. )

    Beschweren tun sich nur die Deutschen — Beobachtungen in einem Café am Zürichsee

    September 12th, 2010

    (reload vom 12.3.07)

  • Eine Ovo für sechs Franken
  • Der Tages-Anzeiger brachte einen Artikel über den schlechten Service den Restaurants am Zürcher Mythenquai:

    „Der in Wetterberichten angekündigte Sonnentag hatte, wie zu erwarten war, Tausende an den See gelockt. Bloss: Das Acqua war geschlossen, ebenso die Yuppie-Insel auf dem Dach. Serviert wurde lediglich an die Tische in der Gartenwirtschaft. Hunderte lauerten, um sich auf frei werdende Plätze zu stürzen. Ihre Mütter sollten endlich zu Kaffee und Kuchen kommen. Einmal einen Platz ergattert, folgt die nächste Enttäuschung: Beim Versuch eine Bestellung aufzugeben, stellt der Kellner klar, dass er zuerst acht andere Tisch zu bedienen habe. Eine weitere halbe Stunde vergeht, dann gibt es wieder Kuchen noch Irish Coffee – und auch nicht „etwas Ähnliche“. In der Verlegenheit wird eine heisse Ovo bestellt, obwohl eigentlich niemand eine heisse Ovo will. Die kostet dann sechs Franken. Die Milch ist handgemolken, bestimmt.“
    (Quelle: Tages-Anzeiger 08.03.07)

    Mythenquai in Zürich
    (Am Mythenquai in Zürich. Quelle Foto: Zueri.ch)

    So weit, so gut bzw. schlecht. Typisches Beispiel für eine Servicewüste und Abzocke, wie sie in touristischen Gegenden weltweit passieren könnte, egal ob am Titisee im Hochschwarzwald, auf den Pariser Champs-Elysees oder hier in Zürich. Ob der Kellner nun Deutscher, Jugoslawe oder Schweizer war, wird nicht geschildert. Aber dann wird es spannend:

  • Schweizer Gäste schweigen etwas lauter
  • „Die meisten Gäste schweigen. Nur zwei deutsche Damen empören sich lautstark. In Bern, wo die eine wohnt, sei sowas undenkbar. Und die Berner seien ja wirklich nicht die Schnellsten. Die Schweizer Gäste schweigen weiter – aber etwas lauter: Recht hat sie – obwohl sie Deutsche ist, ist in ihren Gesichtern zu lesen.“

  • Die Deutschen, die sich beschweren
  • Es ist nicht die erste Geschichte dieser Art, von der wir hören, oder die wir so ähnlich miterlebt haben. Wenn es um miesen Service geht, wird in der Schweiz eher geschwiegen. Wenn sich dann jemand laut äussert, können sie darauf wetten, dass es sich um einen Deutschen handelt. Und die Schweizer? Sie sagen lautlos, wie im Tagi zu lesen, „Recht hat sie“. Obwohl sie Deutsche ist. Die haben sonst nämlich nie Recht. Als Gäste haben sie auch zu schweigen und stumm mitzuleiden.

  • Die Deutsche Dame auf dem Berner Perron
  • Von einer Situation am Bahnhof Bern schrieb uns ein Schweizer Freund:

    In Bern dauerte es schon eine Ewigkeit bis alle gemächlich ausgestiegen waren. Dann stiegen „erst noch“ viele Rekruten nur aus, um auf dem Perron in Türnähe in den fahrplanmässigen 4 Minuten Aufenthalt Zigaretten zu rauchen. So wurde das Einsteigen immer schwieriger. So eine mühsame Einsteigerei habe ich tatsächlich auch noch nicht oft erlebt. Die Einsteigenden hatten aber „für einmal“ eine ungefähre Einerkolonne gebildet.
    Eine etwa 50jährige Dame stand hingegen neben mir und war sichtbar um einiges nervöser als die anderen Reisenden. Vor lauter Nervosität begann sie ihren Radkoffer unkontrolliert hin- und her zu wippen.

    Irgendwann konnte sie sich nicht mehr zurückhalten, und, sich als Deutsche outend, ein „das gib’s doch nich!“ ausstossen. Sie suchte, wie mir schien, unter den Umstehenden nach ins gleiche Horn stossenden Meckereien. Aber es kam einfach nichts. Alle anderen warteten einfach wie eine Schafherde. Das hat sicher u.a. auch mit der teilweisen welschen Kundschaft zu tun, die ihren Kommentar sowieso nicht verstanden hatte, bzw. die nichts Deutsches antworten wollten/konnten. Ich zuckte dann auch nur demonstrativ schweigsam mit den Achseln. Mit motzen wäre auch ich ja nicht schneller im Zug gewesen.
    (Quelle: private E-Mail)

  • Wer organisiert den Nachschub am Frühstückbuffet?
  • Andere Geschichten erzählen von Hotelanlagen, bei denen das Frühstücksbüffet so rasch leergefuttert war, dass die Spätankömmlinge schon um 9.30 Uhr nichts mehr vorfanden. Wer beschwerte sich und bat um Nachschub? Die Deutschen Gäste.

    Sind das alles urbane Legenden? Sind das alles Mythen um die vorhandenen Klischees, die in der Schweiz lieber französisch als „Clichés“ geschrieben werden, zu belegen und zu untermauern? Ist es Ablehnung, der aus den Schweizer Berichten über diese „sich beschwerenden Deutschen“ spricht, oder ist es es Frust und Resignation über die eigene Unfähigkeit, in solchen Situationen seinen Unwillen auszudrücken?

    ICE in Deutschland
    (Quelle Foto: o-keating.com)

  • Auch in Deutschland wird stumm gelitten und eine Verspätungsbescheinigung ausgestellt
  • Um das Klischee nicht unnötig zu strapazieren, zum Schluss eine Geschichte aus Deutschland, die uns eine Schweizerin erzählte. Sie war erstaunt darüber, mit wieviel stoischer Gelassenheit und Duldungsvermögen die Fahrgäste eines völlig überfüllten ICEs auf dem Weg von Frankfurt nach Köln akzeptierten, dass ihr Zug bereits 40 Minuten Verspätung hatten. Wohlgemerkt, das ist die besonders schnelle und darum teure Neubaustrecke. Die Fahrgäste waren diese Verspätungen gewohnt, und auch die Überfüllung. Alte Bahnfahrer lassen sich in Deutschland vom Schaffner eine „Verspätungsbescheinigung“ ausstellen, vom „beteiligten Beförderer“. Die folgende Passage aus dem Passagierrecht der DB sollten Sie sich passend dazu einmal schön langsam vorlesen lassen und für die nächste Fahrt mit der DB am besten gleich auswendig lernen:

    26.6 Der Reisende macht seinen Anspruch innerhalb von zwei Monaten nach Abschluss der Reise mit dem Original des gültigen und entwerteten Fahrausweises und der Verspätungsbescheinigung bei einem beteiligten Beförderer geltend. Wenn vom Beförderer vorgesehen, kann an Stelle der Verspätungsbescheinigung eine Reservierung treten 2. Ist die DB ausführender Beförderer, dann erhält der Reisende zur Geltendmachung des Anspruchs auf Entschädigung nach den Nummern 26.2 bzw. 26.3 eine Gutscheinkarte entweder (i) je nach Verfügbarkeit im verspäteten Zug der Produktklassen ICE, IC/EC oder im IR oder (ii) am Tag der verspäteten Reise einschließlich der 2 Folgetage am DB ServicePoint im Bahnhof. Die mit Zangen- oder Stempelabdruck versehene Gutscheinkarte der DB steht einer entsprechend markierten Verspätungsbescheinigung gleich.
    (Quelle: bahn.de)

    Alles klar? Liesse sich „ServicePoint“ nicht auch als „Dienstleistungspunkt“ vermarkten? Wenn der Zangenabdruck (klingt wie eine „Zangengeburt“) bei der Bahn überlebt hat, warum dann nicht die „Dienstleistung nach Punkten„?