Der erste Schultag in Deutschland und in der Schweiz
In Deutschland und in der Schweiz beginnt in diesen Tagen für viele Erstklässler die Schule. Während Schweizer Kinder in der Regel 7 Jahre und älter bei der Einschulung sind, wird in Deutschland ein Jahr früher eingeschult. Das ist bei weitem nicht der einzige Unterschied. In Deutschland ist der „Schulanfang“ in den letzten Jahren mehr und mehr zu einem richtigen Festtag geworden, der an einem Samstag regelrecht „zelebriert“ wird. Am Samstag, weil dann Verwandten, Grosseltern und Paten des Kindes (die nur im Süden Götti u. a. genannt werden, vgl. Blogwiese ) von nah und fern anreisen können.
Es beginnt mit einer Begrüssungsrede des Schulleiters in der Aula der Grundschule, dann gibt es ein paar Vorführungen der Schüler, schliesslich werden die Kinder zum ersten Mal aufgerufen und gehen, zusammen mit ihrer neuen Klassenlehrerin, in ihr neues Klassenzimmer. Schuhe werden keine ausgezogen, auf die Idee mit den Hausschuhen für alle, in der Schweiz nach dem Singvogel „Finken“ benannt, ist man in Deutschland noch nicht gekommen. Dann lernen die Kinder ein Lied, vielleicht im Stil von „Ja ja ja, ich bin da, in der Schule im ersten Jahr“, bekommen eine Geschichte erzählt und dürfen wieder nach draussen zu den auf dem Schulhof wartenden Verwandten.
Die Gaststätten der Umgebung sind an diesem Tag zum Mittagessen ausgebucht, ohne Reservierung läuft da nichts, denn dieser Tag wird im Familienkreis bei einem Essen auswärts gefeiert. Dieser Einschulungssamstag ist für viele Familien zu einem Festtag geworden, der sich zwischen Taufe und Konfirmation bzw. Firmung in Reihe der Familienfeste einfügt.
Der erste Schultag in der Schweiz ist da noch etwas nüchterner, auch hier werden die Kinder in die Klassen geführt, lernen ihren Klassenlehrer kennen, malen ein Bild oder lernen ein Lied und sind nach 1-2 Stunden wieder daheim.
Deutsche Grundschulklassen haben bis 32 Schüler, erst dann werden sie geteilt. Die Schweizer Primarschulklassen, die wir kennenlernten, waren wesentlich kleiner und wurden zudem noch in zwei Lerngruppen aufgeteilt, die jeweils einen anderen Stundenplan bekamen. Während in Deutschland das Kind morgens um 8:00 Uhr bei der Schule abgegeben wird und dann bis 13:00 Uhr betreut wird, ist die Kernzeitbetreuung in der Schweiz zwar auch Programm, wird aber nicht an allen Orten und in allen Kantonen garantiert. Falls Sie neu mit Grundschulkindern in die Schweiz ziehen, stellen sie sich darauf ein, dass ihre Kinder schneller morgens wieder auf der Matte stehen, als sie sich vorstellen können.
In Deutschland werden die Lehrer vom Bundesland bezahlt, vom jeweiligen Kultusministerium, das in Form eines Oberschulamts die personellen Dinge einer Schule vor Ort regelt. Es gibt einen Schulleiter, der nur ein beschränktes Pensum unterrichtet, und mindestens eine hauptamtliche Schulsekretärin, die die Verwaltung vor Ort betreut. In der Schweiz ist man erst in den letzten Jahren dazu übergangen, Primarschullehrer als Schulleiter für organisatorische Belange in einer Grundschule teilweise freizustellen. Den Verwaltungskram erledigt eine gewählte Schulpflegschaft, die zum Grossteil aus Ehrenamtlichen besteht. Markantester Unterschied dieser Organisationsform: Wenn sich in einer deutschen Grundschule ein Lehrer morgens krank meldet im Sekretariat, gibt es einen Vertretungsplan und er wird sofort von einer dafür bereitgestellten Fachkraft vertreten. Die Beaufsichtigung der Kinder in der Zeit von 8:00 bis 13:00 Uhr ist vorgeschrieben. In der Schweiz können die Kinder bei Erkrankung des Lehrers die ersten 2-3 Tage wieder heimgeschickt werden, bis die Schulpflege eine Vertretung gefunden hat.
In Deutschland hat jeder Grundschullehrer ein Studium an einer Pädagogischen Hochschule absolviert, d. h. in der Regel 4-5 Jahre Studienzeit mit anschliessendem Referendariat. In der Schweiz sind die Pädagogischen Hochschulen erst vor wenigen Jahren gegründet worden, bis dahin war es üblich und möglich, in einer Seminarausbildung auch ohne Hochschulreife (=Abitur oder Matura) Grundschullehrer zu werden.
Was wir hier beschreiben erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Allgemeingültigkeit, sicher ist es auch in der Schweiz von Kanton zu Kanton unterschiedlich geregelt. Wir können lediglich unsere Erfahrungen aus dem Zürcher Unterland erzählen.
August 26th, 2006 at 0:24
Für einmal liegst Du nicht ganz richtig, Jens …
Bei uns im Dorf (und bestimmt auch in anderen) ist der erste Schultag ein ganz besonderer: Zu Beginn begrüssen alle „alten“ Schüler die neuen mit einem fröhlichen Lied (dessen Text eben vom ersten Schultag handelt). Die „Erstklässler“ werden vom Schulratspräsidenten und dem Schulleiter in einer (gar nicht mal so „amtlichen“) Ansprache herzliche begrüsst. Danach singen wieder alle Kinder eins, zwei Lieder. Dann gehen die Erstklässler unter einem von den älteren Schülern geschreinerten Bogen durch und werden von ihren Lehrern mit einer Blume (bei unserer Kleinen war’s damals eine Sonnenblume) begrüsst. Wenn alle neuen Kinder begrüsst sind und auf der grossen Treppe sitzen, singen noch einmal alle Kinder. Dann geht’s auf in die Klassenzimmer. Ein wirklich eindrücklicher, weil auch fröhlicher Schulanfang.
Aber Du weisst ja: bei uns ist’s von Kanton zu Kanton und von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich 😉
August 26th, 2006 at 11:38
Es klingt villeicht unrealistisch, aber bei meinem ersten Schultag(erst ein bisschen mehr als 10jahre her) hatten wir am Nachmittag scho Mathe,dass ist doch mal feierlich…
August 26th, 2006 at 19:02
Meine Güte, was sind das für Zustände. Feierlichkeiten etc.
Das war bei mir völlig anders vor 32 jahren. Meine Mutter begleitete mich zum Schulhaus, wir wurden ins Klassenzimmer geführt und nach einer Abschiedszeremonie begann der normale Unterricht. Also Mathe, schreiben lernen, lesen lernen. Und ich wohne ja auch in Bülach, genau wie Jens auch. Also ganz nüchtern und gar nichts festliches…
August 26th, 2006 at 19:18
„Einschulungssamstag ist für viele Familien zu einem Festtag geworden, der sich zwischen Taufe und Konfirmation bzw. Firmung in Reihe der Familienfeste einfügt.“
Das könnte daran liegen, dass vor allem im Osten die Mehrheit der Leute mittlerweile nicht mehr einer Kirche angehören. Damit fallen Taufe und Konfirmation als Feste weg. Also nimmt man sich die Einschulung als Ausgleich 😉
August 26th, 2006 at 20:16
ich dachte nun würde Jens schreiben, dass er die deutsche Schultüte. Jenes kitschige Monster, das in Deutschland zur Zeit des Schulanfangs in jedem Laden zu haben ist, in fürchterlichen farben, drei mal so gross wie ein Erstklässler und ein Graus für jeden Zahnarzt… Die Kinder taten mir jeweilen fast leid.
August 27th, 2006 at 4:26
„In Deutschland hat jeder Grundschullehrer ein Studium an einer Pädagogischen Hochschule absolviert“
Wer verbreitet den solchen Unsinn? Soweit ich weiß, gehört Bayern immer noch zu Deutschland. Meine Cousine ist auch Grundschullehrerin und hat wie alle anderen Lehrer auch an der ganz normalen Uni studiert. Die „PH“ gibt es hier seit vielen Jahren nicht mehr und ich habe bisher nichts Gutes darüber gehört…
[Anmerkung Admin: Dann streichen wir einfach das „P“ und lassen den Satz „an einer Hochschule absolviert“ stehen. Mir war nicht bekannt, dass PHs wieder abgeschafft worden sind, jedenfalls was das Nachbarland Baden-Württemberg angeht]
August 27th, 2006 at 20:27
>In der Schweiz sind die Pädagogischen Hochschulen erst vor wenigen Jahren >gegründet worden, bis dahin war es üblich und möglich, in einer >Seminarausbildung auch ohne Hochschulreife (=Abitur oder Matura) >Grundschullehrer zu werden.
Die Ausbildung ist im Prinzip die gleiche geblieben: nach der Seminarschule, folgt das Unterseminar und dann das Oberseminar und dann ist man Lehrer. Das ganze wurde nun so umbenamst, dass dies nun eine pädagogische Hochschule darstellt und dementsprechend auch ein hochschuliger Lohn verlangt werden kann.
Die Hochschulreife war schon früher nach dem Unterseminar erreicht worden, galt aber meist nur für die Hochschule im Kanton, wo das Seminar absolviert wurde.
August 27th, 2006 at 23:38
Oh, ich erinnere mich als mir mein Freund sagte seine Neffen kriegen keine Schultüten. Ich war geradezu entsetzt. *lach*
Hm… nicht jede Schultüte ist bis zum Rand mit Süßigkeiten gefüllt. In meiner waren z. B. Stifte, Pinsel, Blöckchen, Plüschtier und noch mehr so Zeugs. xD
August 28th, 2006 at 10:29
@Rettet das ß:
Und so viel ich weiss, ist Bayern das einzige Bundesland, in dem auch Grundschullehrer an der „normalen“ Uni studieren – vielleicht bürgt ja ein durchschnittlich 13 Semester dauerndes Germanistikstudium plus 2 Jahre Referendariat dafür, dass den Kindern besser das ABC beigebracht wird…
August 28th, 2006 at 10:55
Mein Schulanfang liegt zwar ein paar Jahrzehnte zurück, aber ich erinnere mich gerne daran. Vorallem an den Einkauf vor dem Schulanfang, das war ein Erlebnis – endlich durfte ich den Einkauf bestimmen. Zum Geburtstag gab es die Schulthek (dt. Schulranzen, glaube ich) vom Götti, das Etui von der Gotte etc.
Am ersten Tag brachten mich meine Mutter in die Schule und gaben uns dort ab. Dann gab es normalen Unterricht bis Schulschluss am Mittag, dann Mittagessen zu Hause, danach normal Schulbetrieb bis 15.45 Uhr. Die erste Hausaufgabe war das Hefte einfassen (schon wieder so ein ch-deutscher Ausdruck) mit Hilfe der Mutter. Das Einfasspapier durfte ich auch bestimmen 🙂
Übrigens, ich finde auch, dass die Kinder zu spät eingeschult werden.
August 28th, 2006 at 13:34
Ich kann mich leider gar nicht mehr an meine Einschulung erinnern. Im schlimmsten Fall habe ich mich gelangweilt. Aber ich bekam Unterschnallrollschuhe. Sowas merkt man sich dann doch…
Leider gibt es übrigens nicht in jedem Bundesland die sogenannte „verläßliche Halbtagsschule“, in welcher die Kinder um acht abgegeben und um eins wieder abgeholt werden“. Weil es jemanden geben muß, der die Betreuung der Kinder außerhalb der Schulstunden übernimmt. Und das ist nicht an allen Schulen gewährleistet, weil sich die Lehrer nicht wirklich dafür zuständig fühlen.
Eine Freundin wohnt in Niedersachsen auf dem Dorf und hat vier Kinder von 11, 8, 6 und 3. Diese Freundin ist im Prinzip den ganzen Vormittag unterwegs, um die Blagen irgendwo abzugeben oder einzusammeln. Immer zu unterschiedlichen Zeiten und immer mit einem Zeitabstand, der zu lang ist zum warten aber eigentlich zu kurz um wieder nach Hause zu fahren. Aber auch da heißen die Schulen „verläßlich“. Dies meint aber nur, daß die Kinder „mindestens“ 20 Schulstunden die Woche haben. Egal in welcher Verteilung..
Hier in Hamburg, wo die Wege sowieso kürzer sind und die Busse nicht nur zwei Mal am Tag fahren, hat sich die Halbtagsschule allerdings schon eingebürgert. Bin ich froh, daß ich in Hamburg wohne. Kinder hab ich zwar keine, aber nur mal so theoretisch :).
August 28th, 2006 at 23:51
Mein Sohn ist in diesem Jahr auch eingeschult worden in NRW, mit fast 6 Jahren ( das heisst, er hat zwar nach dem Einschulungsstichtag 30.Juni, aber nur ein Woche nach Schuljahresbeginn den 6. Geburtstag).
Abgesehen von dem beschriebenen Programm wie bereits beschrieben ( Schultüten, die Grossen hießen die Kleinen willkommen) ist seine Schule wie viele in NRW inzwischen eine offene Ganztagsgrundschule. Nein, keine Gesamtschule, eine Schule, bei der Kinder auf Wunsch bis 17.00 Uhr betreut werden können. Und betreut heisst, nicht nur abgegeben und verwahrt werden, es werden in Pflicht und Wahlstunden Angebote gemacht mit Musikschule, Kreativkursen, Sport und nochmals Sport ohne Ende. Am Anfang hatte ich Bedenken, dass es für ihn zu viel sein könnte, darum habe ich ihn auch direkt nach meinem Feierabend (meist 15.00Uhr) abgeholt. Schon jetzt nach 5 Wochen will er hier noch zum Fussball, da noch zum freien Spielen. Er hat neue Freunde gefunden und nervt auch zu Hause weniger. Was ich sagen will: Es gibt genug Gründe, Kinder auch 1.Klässler schon länger als nur 2-3 Stunden in der Schule zu lassen.
Sie bekommen ein gesundes Mittagessen, habe eine Ruhezeit, machen Hausaufgaben und danach teils Programm, teils freies Spiel.
Ausländische Kinder haben Pflichtsprachkurse um den Anschluss zu bekommen. Ganz abgesehen, dass diese Kinder auch schon recht selbstständig und gegenseitig lernen Verantwortung zu tragen. Wenn es einem schlecht geht, passen die anderen auf und kümmern sich. Ist mein Sohn zu Hause, haben wir Zeit für andere Dinge. Ich habe Vergleichsmöglichkeiten bei meinen älteren Söhnen,. Die haben dafür wesentlich länger gebraucht, da sie noch die üblichen 2-4 Stunden Regelung kannten in der Grundschule.
Sicherlich gibt es wieder Argumente, Mamas sollen zu Hause bleiben, die Realität lässt vielen Müttern aber keine Wahl. Und wenn es so ist, weiss ich wenigstens der Lütte ist gut betreut, anstatt inder Gegend rumzuhängen und Blödsinn zu machen oder schlechte Freunde kennenzulernen.
September 14th, 2006 at 15:53
Hi
Die Kommentare hier sind mir oft etwas zu griesgraemig. Ich bin in England. Hier bleiben die Kinder ueber Mittag in der Schule. Und die Kinder lernen schon frueh, kreativ zu sein. Der neuste Hit hier sind die oddies. Das ist eine lustige Kinderbuchserie, die die Kinder animiert selbst Geschichten zu schreiben. Schauen Sie mal auf http://www.oddieworld.com. Bin gespannt, was Schweizer und Deutsche dazu sagen.;-)
Dezember 2nd, 2006 at 12:38
# Daniel Says:
August 28th, 2006 at 10:29 am
@Rettet das ß:
Und so viel ich weiss, ist Bayern das einzige Bundesland, in dem auch Grundschullehrer an der “normalen” Uni studieren – vielleicht bürgt ja ein durchschnittlich 13 Semester dauerndes Germanistikstudium plus 2 Jahre Referendariat dafür, dass den Kindern besser das ABC beigebracht wird…
Bayern ist eindeutig nicht das einzige Bundesland, in dem man als Grundschullehrer an einer normalen Uni studiert. In fast allen Bundesländern ist dies der Fall… und 13 Jahre Germanistik wird genauso wenig studiert. Es gibt einen ganz normalen Studiengang namens Primarstufe oder mittlerweile GHR (Grund-Haupt-Realschule mit SChwerpunktfestlegung). Unterrichtet werden fachliche Grundlagen der einzelnen Schulfächern sowie die dazugehörige Didaktik!