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Hier dürfen Sie einen Haufen machen — „äufnen“ in der Schweiz

  • Hier dürfen Sie einen Haufen machen — „äufnen“ in der Schweiz
  • Wir bekamen Post von einem aufmerksamen Deutschen Leser der Blogwiese, der über einen Begriff der Schweizerdeutschen Schriftsprache stolperte:

    Ich habe es im Radio gehört, es ging um die Welt-Klimakonferenz und man werde für einen bestimmten Zweck einen Fonds „äufnen„.

  • Mit „H“ oder ohne „H“ vor dem Vokal
  • Rein phonetisch erinnert das Wort an „häufen“, mit ein paar Umstellungen und einem vorangestellten „h“. Dies beobachten wir im Alemannischen auch bei den Kartoffeln, die mal mit „h“ als „H-erdäpfel“, und mal ohne „h“ als „Erdäpfel“ benannt werden. Oder hat hier ein Welsch-Schweizer versucht, Hochdeutsch zu sprechen. „Isch ‚abe ‚ier heinen ‚aufen Geld ange-`äuft“? In Lausanne hörte ich mal im Radio, wie ein Sprecher den alten Song „Our house“ von Crosby, Stills, Nash & Young“ mit „Hour ‚ouse“ ansagte. Und aus „Wieviel Uhr ist es?“ wurde bei unseren französischen Freunden mitunter „Wieviel Huhr(e) ist es“. Dafür kriegen wir Deutschen die Wortverkettung im französischen Satz nicht hin machen abgehackte hässliche Pausen im Sprachfluss.

  • Wo braucht man das Wort „äufnen“?
  • Mal schauen, ob das nur gesprochene Sprache ist, oder ob man das auch schreiben kann in der Schweiz. Man kann, sogar in einem Gesetzestext findet sich das Wort:

    Die Schweizerische Eidgenossenschaft ist verpflichtet, diese Sammlungen auf eigene Kosten zweckentsprechend aufzustellen, zu unterhalten, zu verwalten und zu äufnen.
    (Quelle:)

    Nur aus dem Zusammenhang ist das Wort für uns nicht verständlich. Google-Schweiz bietet 815 Fundstellen, das muss was Wichtiges sein!

    Auch im Tages-Anzeiger wird es erwähnt, dann hat es also alle Weihen der Schweizer Schriftkultur:

    (…) frei verfügbares Kapital in Form von Wertschriften sowie zusätzliches Vorsorgekapital in der zweiten Säule über Einkäufe fehlender Beitragsjahre zu äufnen.
    (Tages-Anzeiger vom 26.03.04)

    Als letzte Zuflucht greifen wir zum Duden. Der alte Schlauberger weiss es wieder, das hätten wir ihm echt nicht zugetraut:

    äuf|nen (sw. V.; hat) [mhd. ūfenen = erhöhen, zu: ūf, 1 auf] (schweiz.):
    [ver]mehren; (Kapital, Geld) bilden, ansammeln:
    eine Sammlung, ein Kapital ä.; Wie ist sicherzustellen, dass der durch staatlich verordnetes Zwangssparen geäufnete Sozialfonds von bald 25 Milliarden Dollar nicht missbraucht wird? (NZZ 13. 10. 84, 5).
    (Quelle: Duden)

    Also kein „Haufen“ sondern „auf-tun“ , „auf-nehmen“ steckt da drin, und es geht ums Fachvokabular für die Vermehrung von Geld. Jetzt wissen wir auch, warum wir das Wort nicht kannten. Wir kennen uns besser aus mit dem Fachvokabular für die Vernichtung von Geld, nicht für seine Vermehrung.
    P.S.:
    Wir fragten ein paar Schweizer Muttersprachler in unser Umgebung, ob sie uns erklären können, was „äufnen“ bedeutet. Konnten sie nicht. Wir sind beruhigt, denn es scheint, es gibt doch mehr Fachleute für die Geldvernichtung als für die Geldvermehrung.

    

    4 Responses to “Hier dürfen Sie einen Haufen machen — „äufnen“ in der Schweiz”

    1. geissenpeter Says:

      Seit Bundesrat Koller nach den politischen Angriffen auf das Verhalten der Schweiz im Zweiten Weltkrieg einen mit sieben Milliarden Franken dotierten Solidaritätsfonds „äufnen“ wollte, sollte eigentlich jeder Schweizer das schöne Wort kennen.

    2. Heinrich W. S. Says:

      Manche Backwaren werden direkt aus Polen gekauft, für weniger als 1 Euro kriegt man als Kunde 10 Backwaren – und die hiesigen Betriebe mussten Konkurs anmelden.

      Zahnärzte aus Osteuropa kommen zu tausenden nach Deutschland und bieten Ihre Dienstleistungen zum Dumpingpreis an – der Lohn muss sinken, und das Geld für neue Gerätschaften fehlen.

      Auch Sie, lieber Jens, werden Ihren Lohn kürzen müssen, denn die Schweiz wird früher oder später Mitglied der Europäischen Union.

      http://www.tagesspiegel.de/politik/nachrichten/60950.asp

      Heinrich W. S.

    3. Administrator Says:

      @Heinrich W.S.
      unsere Computer, DVD-Player etc. kommen jetzt schon aus Asien, und wir finden es klasse, dass sie so billig sind, auch wenn dafür ein Arbeiter in Hongkong oder China nur einen Dollar am Tag verdient. Hightech ist genau deswegen so billig, weil sie in Ländern produziert wird, die weniger Lohn zahlen. Wer beklagt sich darüber? Will ich wieder meinen orginal AEG-Empfänger oder meinen Grundig-Rekorder für den 10fachen Preis haben?

      Unsere Ärzte machen sich auf und davon nach England, in die Schweiz etc., wo es halt noch was zu verdienen gilt. Wer will das aufhalten? Protektionismus und „Grenzen dicht machen“ hat noch nie lange funktioniert.

      Wenn ich meinen Lohn kürzen dürfte, müsste ich mich ja selbst anstellen. Sehen wir der EU gefasst ins Auge: Österreich, die baltischen Staaten und Irland haben sich bisher noch wenig über die Folgen ihrer EU Mitgliedschaften beschwert.

      Und falls es hier mal echt eng wird mit den Jobs, nun, dann gehen wir halt alle nach China, denn dort werden die gut ausgebildeten Fachkräfte dann fehlen, so wie jetzt schon Kohle und Stahl dort fehlen.

      Gruss, Jens

    4. räulfi Says:

      Vor allem grosse Geldhaufen darf man in der CH natürlich immer hinterlassen:-)
      Frei nach dem mir jetzt nicht mehr ganz präsenten Motto, dass da so in etwa lautete: ‚Geld allein macht nicht glücklich – es braucht auch Gold, Immobilien und Aktienfonds… Spare in der Schweiz, so hast du in der Not‘
      🙂