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Seien Sie nicht so direkt mit den Schweizern — Matthias Hartmann hat es schnell gelernt

  • Seien Sie nicht so direkt mit einem Schweizer
  • Wir haben schon in der Vergangenheit ausführlich erläutert, wie man in der Schweiz eine Gesprächssituation, beispielsweise bei der Frage nach dem Weg, eröffnet und beschliessen sollte. (vgl. Blogwiese) . Zu vermeiden gilt es hierbei, sein Schweizer Gegenüber mit allzu platter Direktheit zu überfordern, ihn quasi direkt mit dem Anliegen zu überfallen: „Tagchen, wo geht das hier zum Bahnhof?“ wäre also eine ganz falsche Gesprächseröffnung.

    Diese Erfahrung musste auch der neue Direktor des Schauspielhauses Zürich machen. Er heisst Matthias Hartmann.
    Matthias Hartmann
    (Quelle Foto: Schauspielhaus Zürich)

    Der Mann ist Jahrgang 1963 und kommt ursprünglich aus Osnabrück, was ziemlich weit im Norden von Deutschland liegt.

    Vom Sommer 2000 bis zum Sommer 2005 war Hartmann Intendant des Schauspielhaus Bochum. Er übernahm das Haus von Leander Haußmann. Dem Traditionstheater an der Königsallee verlieh Hartmann seitdem zu alter Größe und unterstrich seine Stellung als eines der führenden Theater Deutschlands.
    (…)
    Für Medienwirbel sorgten auch die zwei Arbeiten mit dem beliebten Entertainer Harald Schmidt. So spielte Schmidt in Samuel Becketts Warten auf Godot die Rolle des Lucky. Das Haus war voll: Hartmann brach am Schauspielhaus den bisherigen Rekord an verkauften Abonnements, der noch von Claus Peymann aufgestellt wurde.
    (Quelle Wiki:)

    Ein paar seiner spektakulären Inszenierungen aus Bochum hat er uns nach Zürich mitgebracht, denn so ist das üblich: Wird ein Intendant in eine andere Stadt an ein anderes Theater berufen, so nimmt er seine gesamte Truppe an Schauspielern, Regisseuren, Dramaturgen etc. gleich mit. Schliesslich ist das ein eingespieltes Team, auf das er nicht verzichten möchte. In der Theaterwelt gibt es bei jedem Intendantenwechsel ein munteres Plätzewechseln der Akteure.

  • Wie man es vermeiden kann, direkt zu fragen
  • Matthias Hartmann hat sich sehr schnell bei den Schweizern eingelebt. Bereits nach kurzer Zeit weist er eine erfolgreiche Zwischenbilanz in Zürich vor und kann an seine Bochumer Erfolge anknüpfen.

    In der Weltwoche Nr.2.06 wurde er von Julian Schütt interviewt. Er antwortet auf die Frage: „Was vermissen Sie am Schweizer an und für sich“ wie folgt:

    Zwar ist der Schweizer nicht so leicht zu durchschauen. Doch wenn Sie mich fragen, dann vermisse ich zuweilen doch das Direkte im Umgang. Ich sage selber nicht mehr: „Bitte, fahr dein Auto weg von meinem Parkplatz“, sondern: „Wie lange möchtest du denn noch hier stehen bleiben?“

    Matthias Hartmann in der Weltwoche
    Artikel Weltwoche Nr. 2.06

    Und dann ging das doch noch schief mit der Kommunikation zwischen Herrn Hartmann und dem technischen Personal. Es kam zum Streik, und vorbei war es mit der indirekte Sprechweise. „Nicht so Hart, Mann“ stand auf den Transparenten. Dazu befragt, ob seine direkte Art vielleicht als arrogant interpretiert werden könnte sagte Hartmann zum Tages-Anzeiger vom 28.01.06:
    Verschiedene Massstäbe
    Womit wir wieder beim uralten Problem wären: Die Deutschen sprechen Hochdeutsch und drücken sich klar aus. Das wird als arrogant aufgefasst, „in diesem Kulturkreis„.

    

    43 Responses to “Seien Sie nicht so direkt mit den Schweizern — Matthias Hartmann hat es schnell gelernt”

    1. Dan Says:

      Wie läuft das eigentlich in der Schweizer Armee? Lautet ein Feuerbefehl dann „Darf man mal fragen, wie lange ihr noch untätig zuwarten wollt?“ oder darf man „Feuer!“ befehlen?

    2. Mänu Says:

      Also wir lernen unseren Kids bevor sie beim Mittagessen nach etwas verlangen ‚bisch so guet‘ verkürzt ‚bissoguet‘ zu sagen. Wie macht ihr das in Deutschland?

      Beispiel:
      ‚Dr Anke bitte‘ wird nicht akzeptiert (sind ja nicht im OP)
      ‚Chani dr Anke ha‘ wird nicht akzeptiert
      ‚Chani bitte dr Anke ha‘ ist schon besser
      ‚Chönnti bissoguet dr Anke ha‘ da gibts nichts auszusetzen
      ‚Chöntsch du mir bitte dr Anke gäh‘ ist auch Ok

      Ist doch nicht so schwer :-), man muss dem Gegenüber einfach immer das Gefühl geben er könne sich auch anders entscheiden, dann kommts meistens gut.

    3. viking Says:

      @Mänu
      Da kommt mir immer der folgende Spruch in den Sinn:
      „Wie heisst das Zauberwort mit zwe ‚t‘?“ – „Aber flott“ 😉

      Gruss
      Bruno

    4. räulfi Says:

      Ganz simpler Tipp, was diese offenbar CH-typische Problematik anbelangt (gratis übrigens, das gibts tatsächlich auch in der CH;-)):
      C’est le ton qui fait la musique

    5. Administrator Says:

      @räulfi
      seit wann ist der Thunfisch in der Schweiz unter die Musiker gegangen?
      Jens

    6. GanzCH Says:

      @räufli: Drück dich klar und hochdeutsch aus… sonst kommen Deine gutgemeinten Gratis Tipps hier wahrscheinlich nicht an… 😉 😉

    7. räulfi Says:

      @jens
      Thunfisch?:-)
      Ton deutsch = ton französisch… also nix mit mampf;-)

    8. viking Says:

      @räulfi
      Aber das ist ja das Problem, dass viele Deutsche in der Schweiz haben.
      Der Ton ist in Deutschland z.T. direkter, verbindlicher. Und wenn das ganze noch in Schriftdeutsch (und etwas schneller gesprochen) daher kommt, fühlen sich Schweizer manchmal „überfahren“.
      Das ist für Deutsche ein Lernprozess, der in der kurzen Zeit, in der z.B. ein Herr Hartmann in der Schweiz arbeitet, eher schwierig ist.
      Frag mal rum, wieviele Deutsche in der Schweiz ihr „Sprachtempo“ reduzieren, weil sie die Erfahrung gemacht haben, ihr schweizerisches Gegenüber mit „zu schnellem sprechen“ zu „überfahren“?

      Gruss
      Bruno

    9. Mikki Studer Says:

      Also, so schwer ist das in der Schweiz doch nicht.
      Als Deutscher muss man einfach wissen, dass die Schweizer eine Mischung von deutschen und französisch „sind“ und gut ist. Also als Deutscher, einfach alles ein bisschen weicher aussprechen und überlegen, wie man etwas auf französisch sagen würde und das dann wieder zurückübersetzen ins Deutsche – dann passt es perfekt.
      Anschauungsunterricht können euch Matthias Mölleney (ehemals Swissair Personalchef) oder Klaus Wellershoff (Chefökonom der UBS) geben. Die haben diesen Dreh voll raus – dafür müssen sie sich nicht mal verbiegen und auch kein Pseudo-Schweizerdeutsch sprechen.

      P.S. Ich gebe mir im Umgang mit Deutschen auch Mühe, möglichst direkt und aggressiv aufzutreten. Dafür schau ich dann immer diese Talkshows auf Pro7 an ;-). Meine Freunde sind dann immer völlig überrascht: Wir wussten gar nicht, dass du so direkt sein kannst!

    10. Administrator Says:

      @räulfi
      Wenn ich Thunfisch-Brötchen kaufe, werde ich immer gefragt,
      ob ich „Ton“ haben will.
      Du sagst: „c’est le ton qui fait la musique“
      => also macht er der Ton(=Thunfisch) doch die Musik, oder?
      Gruss, Jens

    11. Mikki Studer Says:

      @Jens
      Tja, wenn man natürlich kein französisch versteht, dann geht mein Trick mit dem Übersetzen ins Französische und wieder zurück ins Deutsche natürlich nicht.:-)

    12. viking Says:

      @Jens
      C’est le thon qui fait le repas,
      mais c’est le ton qui fait la musiqe.

      Du wirst also gefragt, ob du Thon haben möchtest. Dies aber hoffentlich in einem freundlichen Ton 😉

      Gruss
      Bruno

    13. Phipu Says:

      Wem das mit dem „le thon qui fait le musicien“ (Achtung, Jens‘ Aussage, nicht richtiges Sprichwort) zu kompliziert ist, kann sich auch „wie man in den Wald ruft, ruft’s zurück“ merken.

      an Jens
      das heisst nicht ein „Ton-Sandwich“ sondern ein „THON-Sandwich“, eben wie auf französisch.

      An Dan:
      Befehle gibt es sehr wohl. Nur muss man z.B. den Rekruten oder neuen Mitarbeitern, die sicherheitsrelevante Aufgaben ausüben, die richtige, juristisch klare, Formulierung beibringen. „Chasch dänn jetz schiesse, Muschti, gäll“ wäre wohl der erste Satz, der einem herausrutschen würde. Damit aber der Auftrag klar ist, heisst es natürlich: „Soldat Muster, schiesse!“

    14. räulfi Says:

      @Jens
      Ach so, Du meintest den Thon:-)
      Nein, meinte wirklich den musikalischen Ton. Aus dem Sprichwort wird also ‚Es ist der Ton, der die Musik (aus)macht‘ und kein Thonbrötchen:-))

      @viking
      Hab im studentischen Alltag täglich intensivst mit Deutschen zu tun, daher hab ich mit schnell reden und trotzdem verstehen eigentlich wenig Probleme, man gewöhnt sich ja daran. Was mir vielmehr oft auffällt, ist dass das, was inhaltlich unter dem Strich übrigbleibt von der Unmenge die in rasendem Tempo gesagt wurde, meist ein seehr bescheidenes Häufchen ist…

    15. räulfi Says:

      Mir wär oft lieber mehr Qualität statt Quantität… Aber viele Leute sind vom Redeschwall und dem gekonnten Sprachgebrauch so überfahren, dass ihnen gar nicht mehr auffällt, dass inhaltlich so gut wie nichts gesagt wurde:-)

    16. Administrator Says:

      @räulfi @phipu
      Das Problem ist: In der Schweiz tönt der Thun wie Ton,
      da fehlen mir dann die Töne.

    17. räulfi Says:

      @Jens
      Schon klar!:-) War mir nur nicht sicher, ob ich veräppelt werde…
      Als Schweizer versteht man ja keine Ironie, und hätte ja was für CH-er nicht erkennbar ironisches gewesen sein können;-)

    18. doofi Says:

      @ Mänu
      du musst wirklich brave und geduldige Kinder haben! Wenn „bitte“ alleine schon fast unverschämt direkt ist, dann weiss ich echt nicht weiter.
      Ich bin auch froh, wenn die Menschen freundlich miteinander umgehen und auch wenn die Phrasen ab und zu recht hohl sind, sind sie doch angenehmer als gar kein nettes Wort. Aber ein „Kann ich, bist du so gut, mal die Butter haben? Aber entscheide dich frei! Nur wenn du nichts anderes vor hast“ ist mir dann doch zu viel! Man kann wirklich alles komplizieren. Für mich bedeutet diese Pseudo-Höflichkeit einfach nur Stress und Verkrampftheit, weil man nicht dem normalen Sprachempfinden folgen kann, sondern jeden Satz auf die Goldwaage legen muss, um nicht jemanden aus Versehen zu überfahren oder gar zu beleidigen…
      Da bleib ich lieber beim „Bitte fahr doch dein Auto von meinem Parkplatz“ und setze mich der Möglichkeit aus, als unangenehm direkt zu gelten. Damit kann ich leben.

    19. viking Says:

      @Jens
      […da fehlen mir dann die Töne…]
      Und das einem Deutschen. Du erschüterst mein ganzes Weltbild 😉

    20. viking Says:

      @räulfi
      Mein Beitrag war natürlich nur auf die Quantität bezogen.
      Über die Qualität vieler „Vielsprecher“ (egal welcher Nationalität) schweigt des Schreibers Höflichkeit 😉

    21. viking Says:

      @doofi
      Bei „Bitte“ und „Bissoguet“ sehe ich den Unterschied im Dialekt.
      Ich würde zwar bei meinen Kindern keinen Freundlichkeits-Unterschied machen, ob sie „bitte“ oder „bissoguet“ sagen. Aber ich persönlich sage im Dialekt eigentlich nur „bissoguet“ (bzw. natürlich „sindsiesoguet“).
      Sowohl die Franzosen (s.v.p.) wie auch die Skandinavier (versegod) nutzen ja die „Freundlichkeitsform“.

      Gruss
      Bruno

    22. Dan Says:

      Unter dem Strich gefallen mir als Preussen die Umgangsformen besser als daheim. Es hat zwar den Nachteil, dass man morgens auf der Arbeit nicht sagen kann „Welches Arschgesicht wärmt gerade meinen Stuhl?“, aber dafür wird man hier von der Polizei mit einer ausgesuchten Höflichkeit behandelt, selbst wenn man im Verdacht steht gegen die Ordnung zu verstossen. Ich denke nach meiner ersten Begnung mit der Stadtpolizei Zürich waren die Beamten selber ganz erbaut über so einen gehorsamen, beflissenen Bürger wie mich.

    23. Branitar Says:

      Ich glaube, die Schweizer sind nicht die einzigen, die ein Problem mit der deutschen Direktheit haben. Auch andere Nationalitäten (z.B. die Briten, mit denen man tunlichst erst 10 Minuten über das Wetter redet, bevor man nach der Uhrzeit fragt, wenn man nicht als unhöflich gelten will) haben so ihre Probleme, die (ansonsten viel gelobte und geschätzte) deutsche Effizienz nicht als Unhöflichkeit zu betrachten. Ich schätze, wir wollen einfach nur schnell und ohne Umwege zum Ziel kommen, und gehen deshalb lieber etwas direkter vor. 😉

    24. Phipu Says:

      An Räulfi
      Geht das mit der Quantität bzw. Qualität nicht auch in dieses Thema: http://www.blogwiese.ch/archives/165 ? Wenn man eine Sprachvielfalt von „herzig, fein, gut“ verwendet, klingt dies zwar nicht gerade hochgestochen und beeindruckt nicht so sehr, sagt aber trotzdem aus, was man denkt. Kein Wunder sind wir beeindruckt, von allen, die viel schönere, treffendere Ausdrücke brauchen.

    25. Phipu Says:

      Diese Bemerkung möchte ich doch noch loswerden, auch wenn man Direkt nicht mit Unhöflich gleichsetzen sollte: Ich hörte mal eine junge Amerikanerin an einem Informationsschalter jeden Satz mit „I want…“ beginnen (und es war ein längeres Gespräch). Alle Kinder, Jugendliche, Erwachsene, welche wenigstens ansatzweise eine „Bitte/Bissoguet“-Erziehung genossen haben, müssen sich da beim Zuhören einfach geschockt oder brüskiert fühlen. Kein Wunder hängt die/der Angesprochene in einem solchen Fall dann gut sichtbare Eiszapfen an die Sprechblase. Im geschilderten Fall wird wohl die Amerikanerin den Eindruck erhalten haben, die Schweizer seien kühl und wortkarg oder gar unfreundlich, weil die angesprochene Person einfach alle Lust am höflichen Bedienen gründlich verloren hatte. Weitere Kommentare in dieser Richtung findet man auch unter http://www.blogwiese.ch/archives/1 .

    26. räulfi Says:

      @Phipu
      Ich kenns halt eigentlich vorwiegend aus dem Unibereich (Vorträge etc.). Oft wird man dann 45min. lang gnadenlos und (fast) ohne Atem zu holen bombardiert. Das ganze ist kompliziert formuliert und mit schicken Fremdwörtern gespickt. Tönt im ersten Moment sehr gut und man ist beeindruckt von der Eloquenz und dem souveränen Auftreten. Wenn man dann aber das ganze sozusagen auf dem geistigen Tonbandgerät revue passieren lässt und mal das Gehörte filtert auf die Kernaussagen, ists leider oft so, dass eigentlich wenig konkretes (und teils auch wenig brauchbares) gesagt wurde (ähnlich wie man das ja von Politikern auch kennt). Am Schluss steht man einfach da und hat den Eindruck, man hat gerade 45min. ausserordentlich attraktiv verpackte heisse Luft genossen:-)

    27. doofi Says:

      und dann die Sau-Preussen im Restaurant: „ich bekomme das Huftsteak!“. Gehts eigentlich noch?

    28. Dan Says:

      @räulfi
      Das ist ein akademisches Problem, kein sprachliches. Es dauert in dem Fall vermutlich nur länger, deutsche Studis wären schon weggenickt.

      @Phipu
      Ist mir auch schon aufgegangen, Briten sind immer hübsch höflich, aber Amerikaner… die habe das irgendwie den deutschen Einwanderern abgeschaut, bin auch immer ganz geschockt wie schroff viele auch drüben in den USA sind. Und was dort Uniform trägt toppt deutsche Uniformträger bei weiten in Ruppigkeit.

    29. Cora Says:

      Mit der Direktheit ist das so eine Sache in der Schweiz. Ich habe es im Schulaltag leider oft erlebt, dass Eltern mit einer Situation unzufrieden sind, aber dann wenn die Gelegenheit da ist um Kritik zu äussern z.B in einem Elternabend dann sind sie plötzlich ganz „lieslig“.
      Hintenherum wird sich mächtig geärgert, doch die Courage, mal mit seiner Meinung nicht hinterm Berg zu halten, sondern zu seiner Meinung zu stehen und diese auch vertreten zu wollen, dass habe ich immer wieder sehr vermisst.

      Ein sehr einprägsames Ereignis war für mich ein Elternabend bei dem ich dachte, dass es nun eine rege Diskussion geben würde, ob es sinnvoll ist Kinder mit der dicken fetten roten Stopuhr Matheaufgaben zu stellen oder nicht. Viele Eltern hatten sich aufgeregt, denn gerade die schwächeren Schüler bekamen zum Teil richtige Angst zu versagen. Eine Mutter erzählte mir fast den Tränen nahe, dass ihr Sohn schon nicht mehr gut schlafe, da er Angst habe bei diesen Stopaufgaben zu versagen.
      Dann kommt der Elternabend und man meint, jetzt kommen mal die Einwände und Bedenken auf den Tisch, aber Pustekuchen, weit gefehlt. Damals war ich die einzige, die gesagt hatte, dass ich es nicht gut finde, Kinder so unter Druck zu setzten, da es sie schwachen Schüler nur noch mehr verunsichert. Keiner der Eltern hat etwas gesagt, da war tiefstes Schweigen im Wald und ich war ganz alleine auf weiter Flur.

      Solche komischen Situationen habe ich öfter erlebt. Oft scheint es schon verwerflich, wenn man Klartext reden will und das hat doch auch Vorteile, denn der andere weiss, wass meint und will und es passiert nicht hinten herum. Das heuchlerische Hintenherum, dass finde ich grässlich, damit habe ich hier echt ein Problem. Direktheit hat doch noch lange nichts mit Ignoranz zu tun, da hat Herr Hartmann doch recht!

    30. räulfi Says:

      @Dan
      Verstehe jetzt nicht ganz, was Du sagen willst… denke nicht, dass das ein akademisches Problem ist. Es sei denn, Du meinst deutschen Studenten kommts nicht auf Inhalt, sondern Verpackung an und die muss passen, sonst pennen sie ein… kann wohl nicht ganz so gemeint sein? Rhetorik ist schon wichtig (und das haben in der Regel auch CH-er an der Uni ziemlich gut drauf), aber halt nicht alles… Das Ganze ist eh vom eigentlichen Thema abgeschweift und hat mehr mit dem generellen Minderwertigkeitskomplex der CH-er im Kontakt mit Deutschen zu tun, da sie i.d.R. was die Gewandtheit in der Hochsprache anbelangt unterlegen sind… Das äussert sich dann eben dadurch, dass man ganz beeindruckt ist und klein wird, wenn Deutsche mal loslegen obwohls vielleicht absolut quatsch ist, was sie erzählen. Klar, was ich meine?:-) Wie gesagt, hat eigentlich nichts mehr mit dem ursprünglichen Thema zu tun…

    31. Phipu Says:

      an Cora
      Dein Kommentar bringt mich zum schriftlichen Pendant dieser indirekten Beschwerden. Ich kann es zwar nicht mit Auslanderfahrungen belegen; habe auch keine Statistiken zu meinen Aussagen zur Hand. Dennoch glaube ich, dass die Schweiz eine weltweite Spitzenposition im Leserbrief-Schreiben belegt. In diesen Texten wird oft über etwas gemeckert, was man eigentlich direkt an die betreffende Organisation, Firma, Person („ergebnisorientiert“ in Wirtschaftsdeutsch) erledigen könnte. Manchmal glaubt man, auch Privatpersonen (nicht nur Boulevard-Journalisten) sei der Skandal wichtiger, als die Lösung des Problems. Vielleicht haben wir – bzw. die Leserbriefschreiber – einfach zu wenig Probleme und sind froh, die wenigen Sorgen, die wir haben, breit auslegen zu können.

    32. eggestei Says:

      @cora
      Das kenne ich, aber ich glaub, das ist nicht nur eine schweizerische Angewohnheit. Ich hab das schon des Öfteren erlebt, so lange man im intimeren Kreis ist, kann man lästern was das Zeug hält, wenns dann drauf ankommt sind alle ganz leise.

      Beste Situation im Schulunterricht, der ganzen Klasse stinkt eine unfaire Aufgabe und alle wollen sich dagegen wehren, weil es so nicht gehen kann. Die Diskussionen bzw. Äusserungen in der Pause waren recht laut. Naja der Lehrer kommt zurück, Stunde geht weiter, wer macht noch was? Niemand 🙂

      Und zum Thon / Thunfisch, schön wie klein die Welt ist, da hatten wir heute am Mittagstisch obs Thon oder Thun heisst… Einigung kam bei Thon für das Fleisch und Thunfisch für das Tier zu stande.

    33. Frank Says:

      Die fehlende Direktheit ist doch nur ein Symptom der ausgeprägten Konfliktunfähigkeit, die hier oft zu beobachten ist.

    34. Administrator Says:

      @Frank
      Man sagt nicht „Konfliktunfähigkeit“ in der Schwez, sondern entweder „Harmoniesucht“ (wenn man Deutscher ist) oder
      Konkordanzdemokratie“ (wenn man Schweizer Politiker ist).
      Ich finde beides hübsch.
      Gruss, Jens

    35. räulfi Says:

      Also was das duckmäuslerische angeht kann man den obigen Voten durchaus zustimmen. Ein bisschen mehr Courage würde vielen CH-ern nicht schaden, wohl aber auch den meisten anderen Menschen in anderen Ländern nicht. Dass man aber immer gleich alles so negativ sehen muss wie Frank z.B. macht mich schon etwas nachdenklich (für mich bedeutet ‚ausgeprägte Konfliktunfähigkeit‘ eine Charakterschwäche). Meiner Meinung nach liegt es halt dem CH-er näher, Konflikte gemeinsam zu lösen statt einfach ohne Rücksicht auf Verluste auf Konfrontation zu gehen und zu sehen, wer der Stärkere ist. Also wenn ich jetzt extrem polemisch werden würde, würde ich sagen, dass D-land in der Hinsicht ja das Negativbeispiel schlechthin ist… schliesslich ging (nicht das ‚moderne’¨) D-land in der Vergangenheit immer wieder mal auf Konfrontationskurs, und wollte einige ‚Probleme‘ im Alleingang lösen… was Millionen Menschen mit dem Leben bezahlt haben……..
      Dann lieber etwas konfliktunfähig:-)

    36. Frank Says:

      @Räulfi:
      > Meiner Meinung nach liegt es halt dem CH-er näher, Konflikte gemeinsam zu lösen

      Das scheint mir nicht der Fall zu sein. Hier werden Probleme nicht untereinander angesprochen, sondern man wird vom Nachbarn anonym beim Vermieter angeschwärzt, oder gleich bei der Polizei.

      >statt einfach ohne Rücksicht auf Verluste auf Konfrontation zu gehen und zu sehen, wer der Stärkere ist.

      Das passiert in D auch nicht. Aber es werden Dinge offen angesprochen und dann ausdiskutiert.

      >was Millionen Menschen mit dem Leben bezahlt haben……

      wobei sich die Schweizer dabei auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben.

    37. räulfi Says:

      @Frank
      > Das scheint mir nicht der Fall zu sein. Hier werden Probleme nicht untereinander angesprochen, sondern man wird vom Nachbarn anonym beim Vermieter angeschwärzt, oder gleich bei der Polizei.

      Ist mir persönlich so nie passiert, weder angezeigt worden, noch habe ich selbst angezeigt. Ist offenbar eine persönliche Erfahrung von Dir, die wohl etwa gleichviel Leute bestätigen würden oder eben nicht, so wie ich z.B. (In der letzten Folge Pastewka auf Sat1 kam übrigens genau so eine Szene, gibts offenbar also auch in D-land wenns schon parodiert wird)

      > Das passiert in D auch nicht. Aber es werden Dinge offen angesprochen und dann ausdiskutiert.

      Wird das hier wirklich nicht? Also in meinem Umfeld kann ich (aus)diskutieren. Die Art und Weise, wie so etwas geschieht ist vielleicht eine andere. In der CH wo der ganze Lebensraum kleiner ist, und sich halt nunmal auch in grösseren Orten viele Leute noch kennen, muss man halt im Umgang miteinander etwas diplomatischer sein. Die Wahrscheinlichkeit jmd. wiederzutreffen, den man z.B. grundlos/mit Grund angepöbelt/wasauchimmer hat (auch wenns ein Unbekannter ist), ist einfach auch in Zürich grösser, als z.B. in Berlin… Deshalb (im allgemeinen und gerade bei persönlichen Bekannten) ist man hier vielleicht etwas zurückhaltender mit offen der Meinung sagen (die ‚Ausweichsmöglichkeiten‘ sind einfach kleiner). Das ist sehr gut möglich.

      > wobei sich die Schweizer dabei auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben.

      Weiss nicht, ob man in dem Zusammenhang das Wort Ruhm überhaupt in den Mund nehmen soll/will. Aber wenn wirs hier schon tun: zu dieser Zeit hat sich wohl beinahe niemand mit Ruhm bekleckert und, wie so oft, werden das wenn schon Menschen gewesen sein, von denen heute niemand mehr spricht… Die CH als Land hat sich ja sehr kontrovers mit ihrer eigenen Vergangenheit diesbezüglich auseinandergesetzt und auch versucht, zumindest etwas wieder gutzumachen.
      Trotzdem darf man hier wohl aufgrund der historischen Tatsachen, und ohne es vorwurfsvoll zu meinen, festhalten, dass das ganze (gemeint sind 1.+2. WK) von anderen angezettelt wurde… über die dabei zu berücksichtigenden Hintergründe (Stichwort Versaille z.B.) soll sich bitte jeder selber kümmern, bevor mir das jetzt hier in Endlosdiskussionen vorgehalten wird…thx und gruss:-)

    38. Mikki Studer Says:

      Zur Konfliktunfähigkeit der Schweizer (natürlich verallgemeinert).
      Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass diese Konfliktunfähigkeit bei Schweizern kaum besteht – das Problem ist nur, dass viele Deutsche in ihrer direkten und ein bisschen forschen Art die Lösungsansätze von Schweizern schlichtweg nicht erkennen.
      Schweizer zeigen meist sehr wohl, wenn ihnen etwas nicht passt. Die Kritik wird aber meist sehr höflich und indirekt (man könnte…) vorgebracht – und soll den Beteiligten die Möglichkeit geben, das Gesicht und den Frieden zu wahren.
      Für Schweizer kommen Diskussionen mit Deutschen im Allgemeinen einer Machtdemonstration gleich – ich oder du hat Recht und setzt sich durch. Während der Deutsche dann wieder völlig problemlos zur Tagesordnung übergehen kann, so bleibt der Schweizer mit schlechtem Gewissen zurück (ob als Verlierer oder als Sieger(!)).
      Meine Schweizer Freunde sind meist völlig überrascht wie hart und direkt ich mit deutschen Arbeitskollegen umspringe – ich sage dann einfach, sonst kapieren sie’s nicht.
      Satz zu einem Deutschen: „Was du hier erzählst ist völliger Quatsch, denn wir haben schon gestern gesagt, dass es aus diesen Gründen nicht geht.“
      Satz zu einem Schweizer: „Gute Idee, aber wenn ich mich richtig erinnere, haben wir doch gestern gesagt, dass es aus diesen Gründen nicht geht. Was meinst du?“

    39. Marischi Says:

      Mikki, mir gehts genauso wie dir.Ich arbeite oft mit Deutschen und kann gut mit ihnen. Aber da bin ich auch sehr konfrontierend und direkt und streite offen. Die sind mir dann immer ganz dankbar – ein bisschen Heimatgefühl wohl ;-)))

      Viele deutsche Kollegen, die schon lange hier wohnen, haben aber auch umgestellt und verstehen Tonfall und Sprachgebrauch. Die regen sich dann über die Neuzuzüger auf und schämen sich für sie – hab ich oft von ihnen gehört.
      Gruss, Marischi

    40. Ute Says:

      ! Ich habe im Kulturkreis in Österreich gearbeitet (Festspielhaus) und da wurde man schief angesehen, wenn nicht hochdeutsch gesprochen wurde – Nebenbei bemerkt: Wir waren fast nur Österreicher – Der Dialekt wurde fast „verpöhnt“ u durch die Nase sprechen u dialektfrei (österr. Hochdeutsch) war angesagt – Also ob es nicht andere Wichtigkeiten im Leben gibt —

    41. Cora Says:

      Wie überall auf der Welt gibt es höfliche Zeitgenossen und eben solche die es nicht sind, das hat meiner Meinung nach nichts mit der Nationalität zu tun. Was mich jedoch stört, ist vielleicht etwas ähnliches, was Herr Hatmann in der Weltwoche kurz anspricht:
      Wenn sich jemand klar und deutlich auf Hochdeutsch ausdrückt, reicht es leider oft schon aus, um als „ignorant“ und „arrogant“ abgestempelt zu werden.Doch nur weil man anders spricht, kommt man doch nicht zwangsläufig von dort, wo man „mit dem Hammer das Licht ausmacht“.

      Der Ton macht die Musik, doch Zwischentöne gibt es doch auch im Hochdeutschen. Manchmal lohnt es sich, genau hinzuhören und die Vorurteile mal hinten anzustellen.

      @ Marischi
      Dann braucht es auch keine Patentrezepte wie man z. B. mit den Deutschen umgehen sollte, denn glaub mir, die sind auch nicht alle gleich.

    42. Gizmo Says:

      aber dafür wird man hier von der Polizei mit einer ausgesuchten Höflichkeit behandelt, selbst wenn man im Verdacht steht gegen die Ordnung zu verstossen.

      Das war jetzt aber sicher ganz ironisch gemeint richtig? Ich habe (leider) auch schon mal (bin angeblich falsch abgebogen) mit den überaus extrem freundlichen Polizisten in Kontakt gekommen.. naja was soll ich sagen sowas von miesepetrig und arrogant hab ich noch nie erlebt…

    43. Christian (der Andere) Says:

      @Schweizer: Direktheit und Schwafelei sind ein Widerspruch. Wo liegt die Qualität in formaler Höflichkeit, wenn dem Gesagten die Prägnanz fehlt?