Das Aufgebot ganz ohne Braut und Bräutigam

März 14th, 2006
  • Das Aufgebot ganz ohne Braut und Bräutigam
  • Wir erwähnten im Zusammenhang mit dem Zahnarztbericht (vgl. Blogwiese), dass die freundliche Sprechstundenhilfe uns am Ende der Behandlung fragte:

    „Sollen wir sie wieder aufbieten?“

    Uns fiel dabei sofort auf, dass das hübsche Verb „jemanden aufbieten“ im Hochdeutschen nicht gebräuchlich ist. Man würde sagen. „Sollen wir Sie wieder anrufen?“ oder „benachrichtigen“, vielleicht, wenn es ganz förmlich zugeht, würde man noch sagen: „Sollen wir Sie einbestellen?“.

  • Das Aufgebot ist nur für die Hochzeit und für die letzte Schlacht
  • Das Wort „Aufgebot“ und das „Aufgebot bestellen“ gibt es in Deutschland nur im Zusammenhang mit einer Hochzeit. Die Verlobten gehen zum Standesamt (nachdem sie sich vorher dafür telefonisch einen Termin haben geben lassen), bringen alle erforderlichen Unterlagen mit (Geburtsurkunden, Personalausweis etc.) und besprechen die geplante standesamtliche Trauung, den Termin etc. Anschliessend wurde in früheren Zeiten die persönlichen Daten in einem Schaukasten am Rathaus ausgehängt:

    „Peter Meier und Gabi Müller wollen am x.x.xx heiraten.“

    Das war gedacht als eine Gelegenheit für eventuell noch vorhandene Rest-Ehepartner der beiden Brautleute öffentlich Einspruch gegen die geplante Eheschliessung zu erheben.

    Leider wurden diese öffentlichen Daten gern von Werbefirmen missbraucht, um am Tag der Hochzeit oder kurz davor mit massig Werbung bei den Brautleuten aufzutauchen. Werbung für Möbel, für Babynahrung, für Hochzeitsreisen etc. Auch jede Menge Gratispackungen gab es dabei abzustauben, und manchmal sogar ein kostenloses, durch Werbepartner gesponsertes Kochbuch für die „junge Ehe“.

  • Das Aufgebot im Militär
  • Feldherren zogen mit dem „letzten Aufgebot“ in die Schlacht, wenn alle anderen Soldaten schon tot waren.

    Schauen wir mal, ob der Duden die Schweizer Bedeutung von „aufbieten“ für „jemanden einbestellen“ kennt:

    auf|bie|ten (st. V.; hat) [mhd. ūfbieten = (zeigend) in die Höhe heben]:
    1. einsetzen, zusammenraffen, aufwenden:
    alle Kräfte, seinen Einfluss, seine ganze Überredungskunst aufbieten.,
    um jmdn. zu überzeugen.
    2. zur Erledigung einer Aufgabe aufrufen, für die Erledigung einer Aufgabe einsetzen:
    Militär, Polizei aufbieten.; alle verfügbaren Kräfte waren zum Einsatz aufgeboten; Soldaten a. (veraltet; einberufen); hätte er den Jungen als Zeugen der Anklage aufgeboten (Ziegler, Labyrinth 310); die aufgebotenen Streitkräfte.
    3. (früher) die beabsichtigte Eheschließung eines Paares öffentlich bekannt geben, verkünden (um mögliche Ehehindernisse zu ermitteln): es wurden gleichzeitig fünf Paare aufgeboten.

    Haben Sie „mhd ūfbieten“ verstanden? Das steht für „Mittelhochdeutsch“, also die Sprache von 1170 im Süden Deutschlands. Schon damals sagte man „ūfbieten“, wie im Alemannischen Sprachraum heute noch. Sprache kann hier im Süden ziemlich konservativ sein, im Sinne von den Lautstand „bewahrend“.

    Vielleicht passt Bedeutung 2. am besten: „zu Erledigung einer Aufgabe aufrufen“.

    (2. Teil morgen: Wenn das VBS aufbietet, sollte Ihr Tenü stimmen)

    Wenn zwei Schweizer Polizisten sich nicht verstehen — Neues vom Aubonne-Prozess

    März 13th, 2006
  • Wenn Schweizer Polizisten die andere Landessprache nicht sprechen
  • Wir berichteten bereits über die unheilvollen Vorgänge auf der Aubonne Brücke bei Genf vom 1. Juni 2003, als zwei G-8-Aktivisten sich an einem Kletterseil von der Brücke abseilten, welches quer über die Fahrbahnbrücke gespannt war, um so den Verkehr aufzuhalten. (vgl. Blogwiese). Ein hinzukommender Polizist schnitt das Seil durch, wodurch einer der Aktivisten 20 Meter in die Tiefe in einen Bach stürzte und nur mit schweren Verletzungen überlebte.

    Wie sich in dem kürzlich stattgefundenen Prozess gegen die beiden verantwortlichen Schweizer Polizisten herausstellte, wurde als Grund für diesen Zwischenfall angegeben, dass der daran beteiligte Schaffhauser Polizist Deiss kein Wort Französisch sprach, und sein Vorgesetzter, der Einsatzleiter Poget, kein Wort Deutsch.

  • Die Polizisten wurden freigesprochen
  • Die Staatsanwaltschaft hat die Anklage auf fahrlässige Körperverletzung im Prozess vor dem Bezirksgericht Nyon fallen gelassen. Sie hielt den beiden angeklagten Polizisten die sehr schwierigen Umstände auf der Autobahnbrücke bei Aubonne zu Gute, die zu Fehlern geführt habe. Hauptursache des Unfalls sei die Aktion der Aktivisten gewesen, die mit der Blockierung der Autobahn eine sehr gefährliche Situation geschaffen hätten. Das Gericht folgte der Einschätzung des Staatsanwalts. Es sei den angeklagten Polizisten, einem 26-jährigen Schaffhauser und dem 54-jährigen damaligen Einsatzleiter aus dem Kanton Waadt keine schuldhafte Fahrlässigkeit vorzuwerfen, auch wenn ihr Verhalten diskutabel erscheinen könne.
    (Quelle: tagesanzeiger.ch)

    Wir finden das sehr treffend festgehalten: „Hauptursache des Unfalls sei der Aktion der Aktivisten gewesen“, und nicht der Polizist mit dem Messer in der Hand. Der wurde durch die Kausalität der Situation zum Handeln gezwungen, nehmen wir an. Doch was verbirgt sich hinter den „schwierigen Umständen auf der Autobahnbrücke“ sonst noch? Ganz einfach: Der Waadtländer Einsatzleiter konnte kein Wort Deutsch, und der Schaffhauser Polizist kein Wort Französisch.

  • Wenn zwei sich recht verstehen
  • Man muss ich das einmal vorstellen: Da sind am grossen G-8-Tag in Genf zwei Schweizer Polizisten in einem Polizeiwagen unterwegs und verständigen sich nur über Zeichensprache, wenn überhaupt. Englisch schienen sie offensichtlich auch nicht ausreichend zu können, um auf darauf auszuweichen. Unser Lieblings-Kolumnenschreiber Patrick Frey (der Mann hat tatsächlich keine eigene Homepage?) hat im Tages-Anzeiger vom 17.02.06 auf Seite 3 diesen „dialogue de sourds“ der beiden Polizisten während der dramatischen Brückensperrung heimlich belauscht:

    Ein kleines, tragisches Röstigrabendrama
    Poget: „Attention! Quel-qu’un à la corde!“
    Deiss: „D’accorde, Chef, töör i da Säil verschniide?“
    Poget: „Ton secteuer!“
    Deiss: „Ja seg!? I töör?! Würkli? Töör i da? Dan i da töör!!“
    Poget: „Il y a un homme!!“
    Deiss: „Ja, i chomm graad! Nomol Frage: Töör i Säil schneiden? Antworten.
    Poge: „Ah, fais chier, Deiss!“
    Deiss: „Ja! Verschniide, i weiss!!“
    (Quelle: Tages-Anzeiger 17.02.06)

    Patrick Frey schlussfolgert in seinem Artikel: „Frühfranzösisch kann Leben retten“. Es hätte jedenfalls diese brenzlige Situation verhindert, wenn der Polizist Deiss schon bei Zeiten Frühfranzösisch genossen hätte.

    Im letzten Absatz des Tagi-Artikels heisst es:

    Mit der Aktion auf der Autobahnbrücke der Autobahn A1 bei Aubonne im Kanton Waadt Anfang Juni 2003 hatten die Aktivisten die Zufahrt zum G-8-Gipfel im französischen Evian blockieren wollen. Die Deutsche und der Engländer waren dafür zusammen mit einem Waadtländer Mitstreiter von einem Polizeigericht in Nyon im Juni 2004 bereits abgeurteilt worden. Der Waadtländer und die Deutsche erhielten wegen schwerer Störung des öffentlichen Verkehrs zwanzig beziehungsweise zehn Tage Gefängnis auf Bewährung. Dem Engländer wurde die Strafe erlassen.
    (Quelle: tagesanzeiger.ch)

    Wir lernen daraus: Krankenhaus-Aufenthaltstage können bei solchen Vergehen wie eine Art Untersuchungshaft mit der Strafe verrechnet werden. Ist doch praktisch.

    Was ist ein Marschhalt — Beim RS und WK gelernt

    März 12th, 2006
  • Immer diese Abkürzungen beim Militär
  • Die Schweiz hat eine Milizarmee und folglich ist in der Schweiz fast jeder Schweizer Milizionär. Militärische Vokabeln lernt man nicht nur in der RS, was hier nicht für die „Reitschule“ sondern für „Rekrutenschule“ steht, oder später in einem „WK“, was hier keine „Wanderklasse“ sondern ein „Wiederholungskurs“ ist. Warum diese Dinger nur ständig alle abgekürzt werden? Aus Geheimhaltungsgründen höchst wahrscheinlich. Darf ja auch niemand wissen, dass beim VBS niemand Microsoft VisualBasicScript fliessend programmiert.

    So lasen wir im Tages-Anzeiger vom 25.02.06 auf Seite 3

    Blocher will bei seiner Analyse vom Marschhalt profitieren, mit dem das Parlament 2003 den geplanten Ausbau der Strafverfolgung vorläufig gestoppt hat.

    Was bedeutet Marschalt
    Diesmal ist das Wort zum Glück selbsterklärend. „Marschhalt“ muss ein Befehl sein, der bedeutet, dass die marschierende Truppe anhalten soll.

    Aber wie das so ist mit dem militärischen Vokabular: Da alle mal beim Militär waren, kennen alle dieses Vokabular:
    Zum Beispiel beim „EJPD“, dm Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement, was Sie hoffentlich noch wussten, sonst empfehlen wir es hier nachzulesen.

    «Ein Marschhalt ist nicht schlecht»
    (Quelle: ejpd.admin.ch)

    Oder in der NZZ:

    Nachbessern bedeutet nicht Marschhalt
    (Quelle: ssn.ethz.ch)

    Wir fanden 4’870 Belege bei Google-Schweiz.

  • Wer hat den Marschhalt erfunden?
  • Und jetzt kommts: Niemand wagt es, diese äusserst wichtige militärische Vokabel richtig zu erklären! Sie ist offenbar so geheim, dass sie weder im Duden, noch im Wahrig oder Grimm, und schon gar nicht im Langenscheidt vorkommt. Alle kennen nur den „Marschall“, aber nicht den „Marschhalt“. Womöglich ist das ein Kunstwort? In der Schweizer Armee erfunden, damit es von Ticinos und Welschen ebenfalls verstanden wird? „Kompanie stillgestanden“ ist für welsche Ohren vielleicht nicht so leicht zu verstehen wie „Marschhalt“ (was dann wohl eher wie „Marsch-alt“ klingt.

    Auch heute hilft uns das Variantenwörterbuch. Mein Gott, das hätten wir schon früher haben müssen. Es ist besser als jedes Fremdwörterlexikon, es wird zu unseren zweiten Bibel bzw. zum „Handbuch für das Überleben im Schweizerdeutschen“:

    Marschhalt CH der: -(e), -e:
    1. Rast auf langen Märschen
    : Bei einem kurzen Marschhalt auf einer Bergwanderung setzte sich doch ein Bergdohle auf meinem Fuss (Blick 20.5.1996,11).
    2. [Denk]pause: Die Arbeitgeber stehen zu den heutigen Sozial-Zusagen. Wir müssen aber einen Marschhalt beim weiteren Ausbau unseres Sozialstaates einlegen (Blick 28.6.1996, 4)
    (Quelle: Variantenwörterbuch S. 491)

    Wer das Wort erfunden hat? Wir wissen es nicht, und wir werden es auch nie erfahren, da die Kunst der Landesverteidigung in der Schweiz eine höchst geheime Kunst ist, die nur von Eingeweihten verstanden und unter Eid genossen werden darf.

    Nicht zur Minna sondern Minne machen — Schweizerdeutsch der Gegenwart

    März 11th, 2006

    Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 24.02.06 auf Seite 2 einen Artikel zur anstehenden Abstimmung vom 21.05.06. Thema: Bundesrat, Parlament und die Kantone werben gemeinsam für den „Bildungsraum Schweiz“. Der Artikel ist überschrieben mit

    In Minne für Schul-Harmonisierung

    In Minne für Schul-Harmonisierung
    Die Minne ist bekannt aus der „Minne-Lyrik“, den Liebesgedichten zur Zeit des Mittelhochdeutschen, zur Zeit der Dichter „Walther von der Vogelweide“, „Hartmann von Aue“ und „Gottfried von Strassburg“:

    Minne ist eine spezifisch mittelalterliche Vorstellung von gegenseitiger gesellschaftlicher Verpflichtung, ehrendem Angedenken und Liebe, die die adlige Feudalkultur des Hochmittelalters prägte.
    (Quelle: Wiki)

    Der Sprachstand dieser Literatur ist dem modernen „Höchst-Alemanisch“, dem Schweizerdeutschen also, erhalten geblieben:

    Hôchzit statt Hochzeit,
    muot statt Mut,
    Lîb statt Leib,
    frouwe statt Frau

    sind nur einige Beispiele dafür.

    Die Minne, die hier der Tages-Anzeigers zitiert, wird sogar im Duden erwähnt:

    Mi.n|ne, die; – [mhd. minne, ahd. minna, eigtl. = (liebevolles) Gedenken]:
    1. (im MA.) verehrende, dienende Liebe eines höfischen Ritters zu einer meist verheirateten, höher gestellten Frau:
    die hohe M. (höfischer Dienst als Ausdruck sublimierter, vergeistigter Liebe für die verehrte Frau als Leitideal der höfischen Erziehung); die niedere M. (Befriedigung des Geschlechtstriebs; sinnlicher Genuss).
    2. (altertümelnd) Liebe (1 b):
    man verzeiht sich, alles in Minne, man lächelt, man scherzt (Frisch, Cruz 84).
    (Quelle: Duden.de)

    Das Zitat unter 2. ist von Max Frisch, neben Dürrenmatt und Gottfried Keller der bekannteste Schweizer Schriftsteller. Folglich ist diese Variante von „Minne“ für das Wort „Liebe“ in der Schweiz noch üblich. Von wegen „altertümelnd“, wie kommt die Duden-Redaktion nur wieder zu dieser Einschätzung? Der Tages-Anzeiger ist eine moderne überregionale Tageszeitung, die würde doch nicht auf „altertümelndes“ Vokabular zurückgreifen!

    Vergessen wir kurz den Duden und greifen wir zum „Variantenwörterbuch des Deutschen“, dort wird uns das Wort ohne Wertung erklärt:

    Minne: in Minne
    CH „In gegenseitigem Einvernehmen, ohne Streit, in Frieden“
    : Der Abend endete in Minne und mir brachte er sogar eine Riesenüberraschung. Das Substantiv Minne in der Bedeutung „höfische Liebe im Mittelalter“ ist gemeindt.
    (Quelle: Variantenwörterbuch S. 504)

    Schon gemein, dieses Deutsch, dieses „gemeindeutsch“, Minne aufs Mittelalter zu beschränken. Unser neues Wörterbuch hat Recht. Die Kombination „in Minne“ findet sich bei Google-Schweiz 310 Mal, darunter auch die Weltwoche:

    Schwerer dürfte es der Schweizer Delegation fallen, die innenpolitisch umstrittenen Probleme in Minne zu lösen, vor allem bei der unumgänglichen Meldepflicht für Waffen.
    (Quelle: Weltwoche.ch)

    Zurück zur Minne und zum Mittelhochdeutschen. Das folgende Kurzgedicht ist einer Tegernseer Handschrift vom Ende des 12. Jahrhunderts entnommen. Es beschließt den lateinischen Brief einer Frau an einen Kleriker:

    Dû bist mîn, ich bin dîn.
    des solt dû gewis sîn.
    dû bist beslozzen
    in mînem herzen;
    verlorn ist das sluzzelîn:
    dû muost ouch immer darinne sîn.
    (Quelle: literaturnische.de)

    Schweizer Leser haben beim Verständnis sicher keine Probleme. Deutschen Lesern empfehle ich den Studiengang „Mittelhochdeutsch“ an jeder gut sortierten Deutschen Philologischen Fakultät (=Universität) zu besuchen, auf Magister oder Diplom möglich, auch für ein Lehramtsstudium wird er angerechnet. Wem das zu anstrengend ist, der lese einfach fleissig den Tages-Anzeiger oder ziehe direkt in die Schweiz. Das erspart manches Mittelhochdeutsch-Seminar. Na denn, verbleiben wir in Minne?

    Hat da jemand beim „Streicheln“ das „S“ vergessen? — Was sind Treicheln

    März 10th, 2006
  • Hat da jemand beim „Streicheln“ das „S“ vergessen?
  • Nun leben wir mehr als 5 Jahre in der Schweiz und waren viel unterwegs, haben dabei Kühe mit wunderbaren Kuhglocken gesehen:
    Kuhglocke bei Bülach
    Und nun das: Wir erfahren durch eine Bildunterschrift im Tages-Anzeiger, dass diese Dinger in der Schweiz gar nicht „Kuhglocken“ heissen, sondern „Treicheln“.
    Treicheln klingen
    Bildunterschrift „Süsser die Treicheln nie klingen
    (Quelle: Tages-Anzeiger 23.02.06 S. 13)
    Nur warum ist das so? Hat es was mit „treiben“ oder „treideln“ zu tun? Klingt so ähnlich, oh pardon, „tönt genauso“ meinte ich natürlich. Tun Kuhglocken eigentlich klingen oder tönen?

    Wir haben schon Nord- und Süddeutsche darüber debattieren hören, ob man an einer Haustüre die „Schelle“ oder die „Glocke“ betätigen muss und ob das nun „klingeln“ , „schellen“ oder wohlmöglich gar „läuten“ heisst, was man da tut.

    Solche typischen Nord-Süd Sprachdubletten gibt es einige in Deutschland, ganz selten sind sie wirklich Synonym, so z. B.

    Samstag und Sonnabend
    Tischler und Schreiner
    Fleischer, Metzger oder Schlachter
    Klempner, Flaschner, Spengler oder Blechner
    Dachboden, Bühne, Speicher und Estrich (und „Stir“ in der Süd-West. Schweiz)

    Doch zurück zu den Kuhglocken oder –schellen, die in der Schweiz „Treicheln“ heissen.
    Unser Duden weiss warum:

    Treichel:
    1. Berufsübername für einen Jäger, Fallensteller (zu mhd. dru-ch ) Falle, um wilde Tiere zu fangen< + -l-Suffix: ) *Dräuchel/*Träuchel, entrundet > Treichel).
    2. Berufsübername zu schwzdt. Treichle „große Kuhschelle“ für den Hersteller.

    Heisst der Hersteller wirklich „Treichle“, mit dem „l“ vor dem „e“ am Ende? Oder gibt es da einen Druckfehler in unserem Duden? Egal, was würden wir anfangen ohne den Duden!

    Zu Google flüchten, was sonst: Für „Treicheln“ finden wir 598 Belege bei Google-Schweiz und nur 265 Belege bei Google-Deutschland.

    Der „Treichel“ ist also ein Fallensteller, und „Träuchel“ erinnert auch entfernt an die Englische „trap“, die wir alle aus der „Mousetrap“, einem Theaterstück von Agatha Christie, kennen, zu Deutsch: „Die Mausefalle“:

    Das Kriminalstück „The Mousetrap“ (dt.: „Die Mausefalle“), 1947 entstanden, wird seit seiner Uraufführung am 25. November 1952 ununterbrochen jeden Abend in London gespielt und hält damit einen einsamen Rekord in der Theatergeschichte und steht damit auch im Guinness-Buch der Rekorde. Ursprünglich im „Ambassadors Theatre“ aufgeführt, zog es 1974 in das benachbarte, größere „St. Martin’s Theatre“ um. Am 25. November 2002 wurde das 50-jährige Jubiläum im Beisein von Queen Elizabeth II. gefeiert. Im Laufe der Jahre wurde das Stück alleine in London ca. 22.000 mal gespielt. Weiterhin wurde es bisher in 24 Sprachen übersetzt und in 40 Ländern aufgeführt. Damit hat es über 10 Millionen Zuschauer erreicht. Die Einnahmen aus den Autorenrechten erhält Agatha Christies Enkel.
    (Quelle: Wiki)

    Über dieses Stück erzählt man sich zahlreiche Anekdoten. So z. B., dass eines Abends eine Schauspielerin krank war und dann kurzer Hand eine Garderobenfrau für sie einsprang, die die Rolle vom vielen Zuhören schon lange auswendig kannte. Oder dass einmal ein neuer Schauspieler den Text vergass, worauf die Souffleuse aus dem Tiefschlaf geweckt werden musste, den Staub vom Textbuch abklopfte und aushalf.

    Und dann gibt es noch den deutschen Schriftsteller Hans-Ulrich Treichel, dessen Romane wie
    Der Verlorene (1998) und
    Tristanakkord (2000) wir sehr schätzen.

    Doch zurück zu den Schweizer Treicheln. Warum haben die Kühe diese Dinger eigentlich um den Hals? Wiki meint dazu:

    Kuhglocken oder auch Kuhschellen dienen in der alpenländischen landwirtschaftlichen Erwerbswirtschaft dazu, Herden von Rindern zusammenzuhalten. Sie werden vom Leittier um den Hals getragen und es ist der Brauch, dass ältere Tiere größere Schellen umgehängt bekommen.
    Durch die Bewegung der Kuh, vor allem beim Äsen, bimmelt die Glocke, was allen anderen Tiere der Herde eine Orientierung ist. In losen Tierverbänden erhalten alle eine Kuhglocke, damit man Verirrte leichter wieder finden kann.
    (Quelle: Wiki)

    Womit wir auch verstehen, warum Hans-Ulrich Treichel einen Roman „Der Verlorene“ nannte, denn ohne Treichel können sich die Kühe verirren und gehen verloren.