Eine Dronning wird 70 — Herzlichen Glückwunsch zum Fødselsdag

April 16th, 2010
  • Tillygge med fødselsdagen, Grete!
  • Dänemark ist heute ein Königreich und gleichzeit seit 1849 eine Demokratie, genauer gesagt eine „konstitutionelle Monarchie“, früher als die meisten Länder Europas. So ein Königreich braucht einen King, in Dänemark wäre das ein „Kong“, doch da sitzt eine „Drohne“ auf dem Thron, die Dronning Margrethe II, die heute am 16. April ihren siebzigsten Geburtstag feiert. Herzlichen Glückwunsch zum Fødselsdag! Tillygge med fødselsdagen, Grete!

    Königin Margerethe von Dänemark
    Foto Margrethe II. (Quelle: Wikipedia)
    Vollständig heisst sie Margrethe Alexandrine Þórhildur Ingrid, wobei der dritte Vornamen aus Island stammt. Phipu darf den Namen jetzt gern in die Berner Version übertragen. Wir sind gespannt.

    Sie entstammt dem Hause Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg und hat neben ihrer Rolle als dänische Königin auch als Grafikerin und Malerin eine gewisse Bekanntheit erlangt. Sie hat verschiedene Briefmarken gezeichnet und Bücher illustriert, unter anderen 1977 – unter dem Pseudonym Ingahild Grathmer – die dänische Ausgabe des Herrn der Ringe von J. R. R. Tolkien. Weiter ist sie in Dänemark eine anerkannte Designerin von Kirchengewändern, Theaterkostümen und Bühnenbildern. Im Jahr 2009 entwarf sie erstmals Kostüme und Dekor für einen Film, Die wilden Schwäne nach Hans Christian Andersens gleichnamigem Märchen.
    (Quelle: Wikipedia)

    Königliche Oper in Kopenhagen
    (Foto: Königliche Oper in Kopenhagen auf der Insel Holmen)

    Spontan fallen uns bei dem hübschen Wort „Fødelstag“ die „fremden Fötzel“ in der Schweiz ein, doch da besteht keine sprachliche Verwandtschaft. Margrethe II ist beim Volk sehr beliebt. Sie spricht 5 Sprachen und hat drei Universitätsabschlüsse. Ausserdem geht sie gern in die Oper, was seit dem Jahr 2000 sehr einfach ist, weil sie das neue Kopenhagener Opernhaus „Operaen“ quasi in Sichtweite zu ihrer Winterresidenz Schloss Amalienborg hat. Nur kann sie da nicht zu Fuss hingegen, denn es liegt auf einer künstlichen Insel auf der anderen Seite des Hafens. Ob sie mit einem königlichen Ruderboot fährt oder doch die dänische Kriegsmarine aufbietet?

    Ihre Winterresidizenz gegenüber der Oper ist Schloss Amalienborg. Es ist das einzige öffentliche Gebäude in Dänemark, in dem legal geraucht werden darf, denn Dronning Margrethe II ist leidenschaftliche Kettenraucherin und brachte es in guten Jahren auf 80 Zigis am Tag, doch da sie nie auf dem Balkon mit einer Zigarette gesehen geht man davon aus, dass sie im Haus im Laster fröhnt. Immerhin raucht sie seit 2007 nicht mehr in der Öffentlichkeit oder bei Fernsehauftritten.

  • What rhymes with Queen?
  • In England erzählen sich Anti-Royalisten gern den Joke: „What is the great thing about the word ‚Queen‘? It rhymes with ‚guillotine’ “. Könnte in Dänemark nicht passieren. Zwar bekommt die Königin im Jahr ein Gehalt von ca. 8.2 Millionen Euro, was eine Menge Gehalt ist, aber nichts im Vergleich zu den Einnahmen der Tourismusindustrie, die Royalisten- und Monarchie-Fans aus aller Welt nach Kopenhagen strömen lassen, um dort eine zünftige Wachablösung zu sehen oder den dänischen Wimpel zu schwenken, wenn sich das Geburtstagskind heute irgendwo blicken lässt.

    Wenn alte Traditionen verschwinden — Teppichklopfer gehören in jede Besenkammer

    April 14th, 2010

    (reload vom 11.01.07)

  • Wehret den Anfängen
  • Die alte Schweizer Tradition, den Teppichklopfer daheim im Besenschrank aufzubewahren, gut geölt und allzeit für den Ernstfall einsatzbereit, ist bedroht. Es mehren sich die Stimmen, die diese Tradition abschaffen wollen. Denn — zugegeben — ein Teppichklopfer kann auch missbräuchlich verwendet werden. Es soll vorgekommen sein, dass damit Kinder geschlagen oder Ehefrauen bedroht wurden. Mittlerweile und in der Öffentlichkeit immer deutlicher wahrnehmbar hat sich eine Liga der Teppichklopfer-Gegner gebildet, die nun versucht, den Teppichklopfer für immer aus der häuslichen Umgebung und der Obhut des Schweizer Mannes zu entfernen.
    Teppichklopfer (aus Wikipedia)
    (Quelle Foto: Wikipedia)

    Die stets in den Medien zitierten und aufgezählten Zahlen über die Missbräuchen mit Teppichklopfer sind in Wahrheit kaum nachprüfbar. Tatsächlich sind es, wenn man genau in die Statistik schaut, die kleinen praktischen Handstaubsager, welche zu Missbrauch verleiten, weil sie viel besser in der Hand liegen, und damit den Ruf einer ganzen Reinigungsgilde in den Schmutz ziehen.

  • Wahr ist was war!
  • Teppichklopfer gehörten schon immer in einen echten eidgenössischen Haushalt. Dies ist für Besucher aus dem Ausland leicht ersichtlich an den überall in der Nähe von Häusern befindlichen Teppichstangen und Gittern für das Ausklopfen von kleinen Läufern.

    Teppichausklopfstelle bei einem Schweizer Wohnhaus
    Foto: Teppichausklopfstelle bei einem Schweizer Wohnnhaus

    Damit diese unmittelbare und sofortige Bereitschaft zur Reinigung von Teppichen funktionieren kann, reicht es nicht, die Teppichklopfer bei Bedarf durch eine zentralen Verteilstelle auszugeben. Auch der Einsatz von hauptberuflichen und nicht mehr freiwilligen Reinigungskräften mit hochmodernen technisierten Geräten wie Staubsaugern wäre keine echte Alternative. Der entscheidende Zeitvorteil bei der Schweizer Teppichreinigung ist der daheim aufbewahrte Teppichklopfer. Darum muss dies auch in Zukunft so bleiben. Gerade jetzt in Zeiten von globaler Schmutzbedrohung ist der direkte und sofortige Einsatz das entscheidende Plus im Kampf gegen Staub und Dreck.

  • Sollten Teppichklopfer getrennt aufbewahrt werden?
  • Vieles spricht dafür, Teppichklopfer getrennt aufzubewahren und sie erst für den unmittelbaren Einsatz parat zu machen. Hier ein schlechtes Beispiel zweier gemeinsam aufbewahrten Teppichklopfer:
    zwei Teppichklopfer
    (Quelle Foto: hytta.de)

    Doch wer weiss heute noch, wie man einen Teppichklopfer sachgemäss zerlegt und dann unter Stress und psychischem Druck wieder zusammensetzt? Darum sind wir entschieden gegen diese Alternative. Ein gut geölter Teppichklopfer braucht kein langwieriges Zusammensetzen und setzt auch keinen Rost an. Lediglich den Schallschutz könnte man optimieren. Aber bei den regelmässigen Einsätzen (Frühjahrsputz, Grossreinemachen im Herbst) wird das laute Knallen der im Einsatz befindlichen Teppichklopfers am Samstagnachmittag kaum wirklich wahrgenommen. Es gilt vielmehr als Erinnerung und Bestätigung für das gepflegte Brauchtum des Teppichklopfens.

    Die private Teppich-Ausklopfstelle
    (Foto: Private Teppich-Ausklopfstelle, daneben vermutlich der versteckte Nebenausgang zum Atomschutzbunker)

  • Sind Teppichklopfer gefährlich?
  • Nicht gefährlicher als andere Gegenstände des Alltags, wenn sie in falsche Hände geraten, sei es nun ein scharfes Küchenmesser, ein Hammer, eine Stichsäge oder der vielfach unterschätzte Korkenzieher. Es kommt eben wie immer auf den richtigen Gebrauch des Teppichklopfers an. Gut verwahrt im Schrank, am besten sogar in einem abschliessbarer Metallschrank (Vorschrift in Deutschland!), vermag er keinen Schaden anzurichten und soll auch auf Einbrecher eine gewisse abschreckende Wirkung entfalten.

  • Das Recht auf den persönlichen Teppichklopfer für alle männlichen Eidgenossen

  • Ein Staat, der seinen Bürgern das Recht auf den Besitz eines Teppichklopfers zugesteht, beweist damit, dass er Vertrauen in seine Bürger hat und für einen souveränen Umgang mit diesem Reinigungsgerät einsteht. Diktaturen und undemokratische Staaten beschneiden bei ihren Bürgern als aller erstes das Recht auf private Teppichreinigung und möchten am liebsten, wie in allen sozialistischen Systemen, diesen Dienst gleich verstaatlichen und kontrollieren. Schauen sie sich um, in keinem Nachbarstaat der Schweiz gibt es noch freie Teppichstangen und Ausklopfstellen! Es gehört zum eidgenössischen Selbstverständnis einfach dazu, den eigenen anvertrauten Teppichklopfer für den Ernstfall im heimischen Schrank verwahrt zu wissen. An dieser Tradition sollte niemand zu rütteln wagen.

  • Hilft eine staatlich Registrierung von Teppichklopfern wirklich gegen Missbrauch?
  • Nein, wir sprechen uns gegen eine solche Massnahme aus. Sie würden nur einen hohen bürokratischen Aufwand mit entsprechend hohen Kosten bedeuten ohne wirklich das damit verbundene Ziel, nämlich die missbräuchliche Verwendung von Teppichklopfern zu verhindern, garantieren zu können. Über die genau Zahl der in allen Schweizer Haushalten existierenden Teppichklopfer gibt es daher nur wage Vermutungen, und das ist gut so, denn so bleiben der ärgsten Gegner der eidgenössischen Reinigungstradition im Ungewissen.

  • Nachsatz
  • Der obige Artikel ist reine Fiktion. In der Wirklichkeit hat sich das Prinzip des Teppichklopfens schon längst überlebt. Heute werden Teppichklopfer nur noch von Sammlern aus nostalgischen Gründen erworben und dienen als Wandschmuck und als Erinnerungsstück an eine längst vergangene Zeit. In Österreich ist der Teppichklopfer oder Ausklopfer übrigens auch als „Pracker“ bekannt. Wikipedia meint:

    In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geriet der Teppichklopfer zunehmend aus der Mode, da das Reinigen des Teppichs mittels Staubsauger einfacher vonstatten geht. Teppichklopfer sind somit nur noch in Fachgeschäften erhältlich, und auch die Teppichstangen sind in neueren Wohnvierteln nicht mehr installiert
    (Quelle Wikipedia)

    So kann es gehen mit alten Traditionen. Manchmal verschwinden sie einfach von selbst. Manchmal.

    Wo der Eindruck durchzogen und das Wetter nie durchwachsen ist

    April 12th, 2010

    (reload vom 10.1.07)

  • Was alles durchgezogen wird
  • Das kleine Wörtchen „durchziehen“ oder „durchgezogen“ lässt sich vielseitig verwenden. Für die Truppen Napoleons auf dem Weg von Frankreich in Richtung Österreich durch die Schweiz ebenso wie für eine grobe Handlung, die einfach „durchgezogen“ wird, ohne Rücksicht auf Verluste. Etwas so durchzuziehen lässt auf Tatkraft und Entschlussfähigkeit schliessen. Das Ergebnis ist in jedem Fall positiv zu werten.

    Lässt man nun das Binnen-„ge“ wegfallen, wird aus „durchgezogen“ das Adjektiv „durchzogen“. Ein Wort, dass in der Schweiz besonders beliebt ist in Zusammenhang mit Leistungen oder Eindrücken, aber auch sonst einer ganzen Reihe von Dingen. So lasen wir in 20Minuten:

    Doch während Andrea Jansen – im Vergleich zu ihrer Vorgängerin Nina Havel war sie ein einziger Lichtblick – die Eröffnungsshow von «MusicStar» solide moderierte, hinterliess ihr Kollege Max Loong am Sonntag einen durchzogenen Eindruck.
    (Quelle: 20Min)

    Falls Sie jetzt nicht wissen, wer Andrea Jansen, Nina Havel oder Max Loong sind, so ist das kein Problem. Die Schweizer lernen diese Namen auch ständig neu. Man spricht hierzulande zärtlich von der „Cervelatprominez„, lecker und beliebt wie Salami-Aufschnitt. (Siehe auch: Die Schweiz und ihre Promis).

    Leider haben wir dieses sensationelle Medienereignis nicht live am Fernsehen verfolgen können. Zur Hebung der Einschaltquote wurde erneut der manierliche und für seine höflich-frische Art bekannte Vorzeigedeutsche Detlef D. eingeladen. Nun warten alle darauf, dass er wieder ausrastet und Blick titeln kann: „So nicht, Herr D. wie Deutschland“.
    Detlef D mit Knopf im Ohr
    (Quelle Foto: Detlef D. auf SF)

    Sie wissen nicht genau, wer das ist? Das ist der Typ mit dem Knopf im Ohr, auf dem Foto zu erkennen, für den extra eine Simultanübersetzung Schwiitzerdütsch-Neuhochdeutsch geschaltet wird bei der Sendung. Jedenfalls war dies so bei der letzten Ausgabe von MusicStar, einer Schweizer Casting-Show. Vielleicht hat er ja inzwischen sein Hörverständnis fürs Höchstalemannische genauso trainiert wie die Teilnehmer ihre Choreographie mit ihm.

  • Der durchzogene Eindruck
  • Was uns an dem 20Minuten Zitat sofort ins Auge stach, war der „durchzogene Eindruck“. Was kann alles „durchzogen“ sein? Vor allem Fleisch mit Speck oder feinen Adern. In Deutschland ist es in diesem Fall eher „durchwachsen“:

    durchwạchsen; [mit Fleisch] durchwachsener Speck; [mit Speck, Fett] durchwachsenes Fleisch; durchwachsenes (ugs. für abwechselnd besseres u. schlechteres) Wetter; die Stimmung ist durchwachsen (ugs. für nicht besonders gut)
    (Quelle: Duden.de)

    Tatsächlich gelten die Wörter „durchwachsen“ und „durchzogen“ als Teilsynonyme. Das Variantenwörterbuch sagt deutlich:

    „durchwachsen, durchzogen, durchsetzt (z. B. Fleisch von Fett) sind gemeindeutsch“ (S. 195)

    Aber ganz so einfach ist das nicht mit diesen Wörtern, denn die Kombination von „durchzogen“ mit dem Wort „Eindruck“ findet sich eindeutig nur in Schweizer Quellen:
    Beispiele:

    „Leider nicht, der Film hinterlässt einen durchzogenen Eindruck.“
    (Quelle: outnow.ch)

    Nach Trybuet, das mit einigen guten Songs und viel Mittelmässigem einen durchzogenen Eindruck hinterliess, schaffen die Jungs mit ihrem neuen Album wieder die Wende zum besseren.
    (Quelle: hitparade.ch )

    Insgesamt fanden 34 Belege bei Google-CH. Aber auch andere Dinge können in der Schweiz „durchzogen“ sein, nicht nur die Täler von Bächen:
    Wir fanden:

    Sarah Meier mit durchzogener Darbietung an EM
    (Quelle: SarahMeier.ch)

    Genauso wie den

    Durchzogener Nachmittag in Porrentruy
    (Quelle: tvmuttenz.ch)

    Auch den „durchzogenen Saisonstart“ konnten wir entdecken.

  • Gerne mal was durchziehen
  • Was lernen wir daraus: Die Schweizer ziehen gern mal was durch, und das ist dann sicher immer etwas Positives. In Deutschland durchziehen Fäden den Stoff, oder Bäche die Landschaft, immer im ursprünglichen Sinne und nie so hübsch übertragen wie in der Schweiz. Dafür ist in Deutschland dann alles zum Ausgleich „durchwachsenen“. Insbesondere der Eindruck:

    Wir fanden 134 Mal den „durchwachsene Eindruck“ bei Google-DE

    Das Adjektiv „durchwachsen“ wird überhaupt nur in Deutschland mit einer besonderes negativen Bedeutung verwendet. Unser Variantenwörterbuch beschreibt:

    durchwachsen D adj.: mittelmässig; abwechselnd besser und schlechter: Trotz durchwachsenem Wetter konnten die Trainer … über zwanzig Jugendliche mit ihren Eltern und Geschwister begrüβen (Landshuter Ztg 14.10.1998, 22)

    In der Schweiz kennt man „durchwachsen“ nur beim Speck (131 Stellen Google-CH). Die Formulierung „durchwachsenes Wetter“ findet sich in der Schweiz 10 Mal weniger als in Deutschland (70 Fundstellen bei Google-CH gegenüber 848 Stellen bei Google-DE.)

    Ob sich der Schweizer Schnellsprecher und Wetterman Jörg Kachelmann (zur Zeit in Untersuchungshaft in DE) diese Top-Formulierung auch schon eingeprägt hat?

    Bis zum Gymnasium nur Alemannisch gesprochen — Jugend im Dreiländereck

    April 9th, 2010

    (reload vom 9.1.2007)

  • Sylvie aus Fischingen
  • Fischingen ist ein kleiner südbadischer Ort, unweit von Basel am Oberrhein gelegen. In Fischingen wird Alemannisch gesprochen. Sylvie stammt aus Fischingen, sie wuchs dort auf und besuchte dort die Grundschule. Sie erzählte uns, dass in der Grundschule in den Siebzigerjahren ausschliesslich Mundart, also Oberalemannisch gesprochen wurde. Auch von den Lehrern. Geschrieben wurde nicht in dieser Sprache, nur gesprochen. Geschrieben wurde auf Hochdeutsch, aber schon beim Vorlesen der geschriebenen Texte kam die alemannische Aussprach der stimmlosen Konsonanten zum Zuge: „Wir gehen in den Tssooo“ statt „in den Zoo“ mit einem brummenden stimmhaften „Z“ am Anfang.

  • Der Deutschlehrer aus Norddeutschland
  • Der Wechsel auf das nächste humanistische Gymnasium war ein sprachlicher Schock für Sylvie. Plötzlich verlangte der aus Norddeutschland zugezogene Deutschlehrer von ihr, dass sie nur noch Hochdeutsch sprechen sollte. Sie wehrte sich dagegen. Schliesslich war der doch in ihre Heimat gekommen, also sollte er auch ihre Spreche verstehen lernen. Es kam zum Konflikt, Sylvie wollte nicht mehr diese Schule besuchen. Die Eltern wurden angeschrieben und zu einem Gespräch gebeten. Ihre Eltern hatte Sylvie bis zu diesem Zeitpunkt noch nie einen Satz auf Hochdeutsch sprechen hören. Sie bezweifelt bis heute, ob die überhaupt dazu in der Lage wären, etwas nicht auf Alemannisch zu äussern. Aussage des Vaters zum Sprachkonflikt der Tochter mit dem Norddeutschen Lehrer: „Der will dass du nur noch Hochdeutsch redest? Da brauchst Du nicht mehr hin“.

  • Standhaft bleiben an der Uni
  • Sie hat es dann doch gelernt in der Schule, wie eine Fremdsprache, aber stets in der Freizeit und in der Familie weiter Alemannisch gesprochen. Bis zum ersten Tag an der Uni, sie kam zu spät zu ihrer ersten Vorlesung in Freiburg (Breisgau) und fragte ihren Banknachbar leise „Han i scho viel verpasst, i bin zu spoot“, worauf der sich zu ihr rüberbeugt und zurückfragt: „Excuse me, could you repeat your last sentence?“ Es war ein Kommilitone aus Kiel, der kein Wort verstanden hatte.

    Sylvie blieb eisern bei ihrer Sprache. Schliesslich war sie hier zu Hause und die anderen waren ein „Zugezogener“, warum sollte sie sich also anpassen. Konsequent blieb sie beim Oberalemannischen im Gespräch mit allen Kommilitonen des Deutschen Seminars. Die lernten mit ihr aus dem Mittelhochdeutschen ins Neuhocheutsche zu übersetzen, und plötzlich war Sylvie im Vorteil, denn sie wusste sofort was „hôchgezît“ und „büechelîn“ bedeutet, ganz ohne in Lexers Mittelhochdeutsches Wörterbuch nachschlagen zu müssen.

  • Sprechen Sie auch Dialekt?
  • Später lernte sie Gottfried aus Oberfranken kennen. Das liegt im Freistaat Bayern. Auch er hatte sich dafür entschieden, konsequent in allen Gesprächssituationen beim Fränkischen zu bleiben. Es war äusserst interessant, die beiden bei angeregten Fachdiskussionen zu belauschen.

    Den ersten längeren Satz auf Hochdeutsch hörte ich Sylvie in einem Auswahlgespräch für eine Stelle als „assistante de langue“ in Frankreich sagen. Die Interviewer (Studienräte des örtlichen Gymnasiums) überprüften bei uns Germanisten, wie fest wir die „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ der Bundesrepublik verinnerlicht hatten und ob wir auch ein korrektes Deutschlandbild im Nachbarland Frankreich verbreiten würden, selbstverständlich auf Hochdeutsch. Sylvie schlug sich tapfer, ausschliesslich in akzentfreiem Hochdeutsch. Erst bei der Frage: „Ach, Sie sind ja hier aus der Gegend. Könnten Sie denn auch für die französischen Schüler einmal ein Gedicht auf Mundart rezitieren“ konnten wir uns das Lachen fast nicht mehr verkneifen („verheben“ hätte Sylvie jetzt gesagt). Die arme Sylvie hatte sehr konzentriert zwei Stunden Hochdeutsch geredet und wird nun gefragt, ob sie auch was auf Mundart sagen kann! Am liebsten hätte sie ja das ganze Gespräch so geführt, aber soviel Sprachverständnis war von den süddeutschen Studienräten nicht zu erwarten. Dialekt ist Privatsache und gehört nicht in einen offiziellen Rahmen, schon gar nicht an eine Schule. Nur in der Unterrichtseinheit „Mittelhochdeutsch“ ist das laut Lehrplan in der 11. Klasse erlaubt. Ausser man lebt in der Landeshauptstadt Stuttgart und gehört zu den „Honorationsschwaben“.

  • Muettersproch in der Familie, Hochdeutsch im Alltag
  • Heute sprich Sylvie im Alltag bei der Arbeit fast nur noch Hochdeutsch. Sie lebt in München (nein, nicht mit Gottfried) und erzieht ihre Kinder selbstverständlich in ihrer alemannischen „Muettersproch“. Von Sylvie erfuhren wir, dass eine ganze Reihe der typisch Schweizerischen Redewendungen auch im Südalemannischen gebraucht werden. „Das Heu auf der gleichen Bühne haben“ kannte sie genauso wie „eine gute Falle machen“.

    Kennen Sie Küsu, Schänggu und Hampä nicht? — Berndeutsches Vornamenraten

    April 7th, 2010
  • Ein S-Bike mit Vornamen
  • Von unserem Freund Phipu bekamen wir dieses tolle Foto aus Bern zugeschickt. Man kann sich dort ein S-Bahn-Velo, genannt „S-Bike“ mit eigenem Vornamen erstellen lassen, um es zu kaufen oder zu mieten.

    Berndeutsche Vornamen
    (Quelle Foto: Sattelüberzug mit Berndeutschen Vornamen, fotografiert von Phipu)
    Was heisst also:
    Chrigu,
    Steffä,
    Thömu,
    Melä,
    Päscu,
    Corä,
    Röschu,
    Käthlä,
    Simu,
    Housi,
    Sönä,
    Mischu,
    Lisä,
    Jänu,
    Mirä,
    Henä,
    Fridu,
    Fabä,
    Tinu,
    Suslä,
    Märcu,
    Thesä,
    Jüre,
    Sändlä,
    Küsä,
    Phippu,
    Chrigä,
    Aschi,
    Tanä oder Pesche?

    Phipu schreibt dazu:

    Hier eine kleines Ratespiel. Wie könnten die Taufnamen der Personen lauten, von denen suggeriert wird, dass sie auf dem personalisierten S-Bahn-Velo (oder Neudeutsch S-Bike) stehen könnten?
    Noch ein paar Tipps: Die Endung –ä ist nicht zwingend weiblich und –i ist in den vorliegenden Fällen männlich. Die Abkürzung entstammt nicht in jedem Fall der ersten Silbe des Namens und der Schlussvokal verlängert manchmal sogar den Ursprungsnamen.
    Den abgebildeten Sattelüberzug fand ich auf meinem Velo, das in einem Veloständer (nein, das ist nichts Erotisches) an einem Bahnhof im Einzugsgebiet der S-Bahn Bern abgestellt war.

    Was schreiben die wohl auf den Rahmen, wenn jemand „Friedrich-Wilhelm“ heisst? Oder „Gotthilf-Fürchtegott“?

    Von Phipu lernten wir aus einem seiner früheren Blogwiese-Kommentare:

    Auf Bärndütsch wird nicht nur der Artikel vor die Namen gesetzt, sondern (fast) jeder Vorname wird verändert. Als Neuling erkennt man nicht einmal den (oftmals geläufigen) Vornamen, der dahinter steckt. Die Umbenennung beginnt schon auf dem Schulhof. Die Ideen (besonders für Namen ausländischer Herkunft) stammen also manchmal von Kindern, weshalb eine Regel aufzustellen kaum möglich ist. Häufiges Muster ist allerdings: Jungennamen enden mit -u, Mädchennamen mit -e. Thömu (Thomas), Rege (Regina oder Regula), Tinu (Martin), Küsu (Markus), Vrene (Verena), Chrigu (Christian oder Christof), Chrige (Christine), Nattle (Nathalie), Schänggu (Jean-Claude), Närdu (Leonardo).
    Leute, die sich kennen, nennen sich ein Leben lang bei diesen Vornamen. Viele Künstler z.B. in der Dialektmusikszene machen sich solche Vornamen zum Künstlernamen bzw. Markenzeichen. (Tinu Heiniger, Büne Hueber)

  • Hurti eis ga zieh
  • Auf Berndeutsch lassen sich somit phonetisch sehr reizvolle Sätze erstellen, wie uns Phipu mit einem Beispiel beweist:

    Der Köbu isch mit der Miche no hurti eis ga zieh näb der Chiuche; si hei ja no viu z’viu Ziit gha.” heisst also: “Jakob ging mit Michaela noch rasch einen heben neben der Kirche; die hatten ja noch viel zuviel Zeit”. Dieser Satz ist nicht sehr sinnvoll, beinhaltet aber Wörter, die zeigen, dass L oft durch U ersetzt wird, was die Verständlichkeit für Fremde (also auch für Zürcher) beeinträchtigt.