Warum wir gern Filterkaffee trinken — Markiert Kaffee eine kulturelle Grenze?
Juli 4th, 2011(reload vom 31.5.07)
Wir trinken gern Filterkaffee. In grossen Mengen aus grossen französischen Bols, allerdings mit Henkeln. Nicht zu stark und am liebsten aus nicht zu stark gebrannten Sorten zubereitet. Am besten gelingt Filterkaffee, wenn die Kaffeebohnen frisch gemahlen sind, und zwar nicht zu fein. „Für den Handfilter“, so lautet die Einstellung an der elektrischen Kaffeemühle und das Wasser muss sprudelnd kochend auf das Pulver im Handfilter gegossen wird. In mehreren Portionen. Die erste Ladung ist die wichtigste, denn sie „öffnet die Poren“. Dann ein bisschen warten bis das Wasser durch den Filter gelaufen ist, bevor nun in Abständen die zweite und dritte Ladung über aufgebrühte Kaffeepulver geschüttet wird. Auf den richtigen „Schwall“ kommt es an, dann wird der Kaffee prima. Nicht lecker, das passt nicht.

(Quelle Foto: ingridgrote.de)
Natürlich mögen wir auch den Kaffee aus einer Expressomaschine, nur sind uns diese Dinge nicht ganz geheuer, sie könnten ja in die Luft gehen, ausserdem welche Maschine produziert schon auf Knopfdruck einen halben bis dreiviertel Liter Kaffee?
Dass die Schweizer weniger auf Filterkaffee stehen als die Deutschen merkt man untrüglich daran, dass in der Migros das dafür benötigte Filterpapier nicht in der Nähe des Kaffeepulvers (oder der ungemahlenen Kaffeebohnen) zu finden ist, wie in Deutschland, sondern bei den Kaffeemaschinen, Abteilung „Hardware für Deutsche“.
Offensichtlich ist das eine typisch deutschen Angewohnheit, „Filterkaffee“ zu trinken. Wir lasen im Magazin des Tages-Anzeigers in einer klassen Reportage mit dem Titel „Wir gegen uns“, geschrieben von Christoph Fellmann, über die Süddeutschen und ihr Verhältnis zur Schweiz:
Das Ehepaar Moser lebt seit 1971 an einer Wohnstrasse in Konstanz am Bodensee. Im Garten blühen die Forsythien. Serviert wird Filterkaffee und «Kaffeeglück», das ist eine Blechdose mit Kondensmilch – Kaffeegewohnheiten markieren kulturelle Grenzen.
(Quelle: dasmagazin.ch vom 26.05.07)
Nun, warum überhaupt Kondensmilch erfunden wurde, war uns auch immer ein Rätsel. Wahrscheinlich stammt die Idee aus der Zeit, als noch nicht jeder Haushalt mit einem Kühlschrank ausgestattet war, und man einen Weg suchte, Milch leicht und ungekühlt aufbewahren zu können. In meiner Kindheit galt es als besonders fiese Bestrafung, jemanden zum Trinken einer kleinen Tasse voll mit Kondensmilch zu zwingen. Ekelhaft. Heutzutage wird überall in Deutschland neben Kondensmilch auch Frischmilch zum Kaffee angeboten, einfach weil es viel besser schmeckt.
Wir lernen bei Wikipedia:
Kondensmilch (evaporierte Milch), auch Dosen- oder Büchsenmilch genannt, wird aus Milch unter teilweisem Wasserentzug hergestellt. Die Milch wird zur Keimabtötung und Albuminabscheidung für 10–25 Minuten auf 85–100 °C erhitzt und anschließend bei Unterdruck und 40–80 °C eingedickt. Danach hat sie einen Fettgehalt von 4–10 % und eine fettfreie Trockenmasse von etwa 23 %. Nach der Homogenisierung wird sie meist in Dosen oder Tuben abgefüllt und noch einmal sterilisiert, danach ist sie für lange Zeit haltbar.
(Quelle: Wikipedia )
Gibt es diese Generation in der Schweiz nicht, die gern Kondensmilch zum Kaffee trinkt?
Für die Generation unserer Eltern bedeutete es Fortschritt, Büchsenmilch stets zur Verfügung zuhaben. Erbsen aus der Dose und Karotten aus dem Glas haben die Arbeitsvorgänge beim Kochen enorm beschleunigten, genauso wie die Erfindung des tiefgefrorenen Blattspinats mit Rahm bzw. der Kartoffelbrei zum Anrühren. Sie wissen nicht, was „Kartoffelbrei“ ist? Kein Wunder, es gehört zu den beliebten Variantenwörtern, die überall anders heissen:
Kartoffelpüree, Kartoffelbrei oder Kartoffelmus (österreichisch: Erdäpfelpüree, schweizerisch: Kartoffelstock, bairisch/fränkisch: Stampf oder Stopfer) ist ein Brei aus gekochten, zerdrückten und cremig gerührten Kartoffeln sowie anderen Zutaten.
(Quelle: Wikipedia)
Ob das auf Bairisch „Stopfer“ heisst, weil man danach nicht aufs Klo kann? Oder weil man damit die hungristen Mäulen gestopft kriegt?
Wir nannten den Kartoffelbrei als Kinder „Astronautencreme“, weil er sich auch als Tubennahrung eignet, ähnlich wie Kondensmilch aus der Tube.
Wenn Deutsche nur Filterkaffee trinken würden, gäbe es nicht den hohen Absatz von Espresso-Maschinen oder Kapsel-Systemen bei Media-Markt und anderen grossen Ketten. Aber in den meisten Büros in Deutschland gibt es nach wie vor Filterkaffeemaschinen, mit Wärmeplatte und der Garantie, dass auch nach 6 Stunden der Kaffee noch heiss und garantiert ohne Aroma bleibt.
Stichwort Espressokaffee: Merkwürdiger Weise ist das einer der wenigen Artikel, der in der Schweiz billiger zu haben ist als in Deutschland. Wahrscheinlich weil er hier zu den Grundnahrungsmitteln gehört und in Deutschland als Luxus gilt, oder weil er anders besteuert wird.
Gern schreiben wir ihn auch mit „x“: „Expressokaffee“, denn dann ist die Herkunft expressis verbi ersichtlich:
Espresso, der; -[s], -s od. …ssi (aber: drei Espresso) [ital. (caffè) espresso, urspr. = auf ausdrücklichen Wunsch eigens (d. h. schnell) zubereiteter Kaffee, zu: espresso = ausgedrückt (lat. expressus, express]: a) (o. pl.) sehr dunkel gerösteter Kaffee; b) in einer Spezialmaschine aus Espresso zubereiteter, sehr starker Kaffee. (o. pl.)
(Quelle: duden.de)
Mann hab ich jetzt Lust auf nen Kaffee…






