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Ein 24-Stunden-Ticket reicht in der Nacht nicht — Der Nachtzuschlag des ZVVs

(reload vom 28.5.07)

  • Mit den Zug in den Ausgang
  • Eine Schweizer Freundin von uns schaffte es nach vielen Jahren, in denen sie Abend für Abend ihre kleinen Kinder hüten musste, einen guten Babysitter zu finden und beschloss das zu tun, was sonst alle jungen Agglobewohner am Samstagabend zu tun pflegen: In „den Ausgang zu gehen“, wie man auch Jahrzehnte nach der Abschaffung des Dienstbotenwesens in der Schweiz zu sagen pflegt, wenn man sich ins Nightlife der „Little Big City“ stürzen möchte.

  • Hin- und Rückfahrt mit dem 24-Stunden-Ticket
  • Ökologisch vorbildlich, und um auch ein bisschen was trinken zu dürfen, fuhr sie mit ihrem Mann am Abend um 19:00 Uhr mit dem Zug vom Zürcher Unterland in die Limmat-Metropole. Gekauft hatten Sie sich ein praktisches 24-Stunden-Ticket für die benötigten Zonen, das bis zum Sonntagabend 19:00 Uhr günstiges Zugfahren versprach. Auf den Heimweg machten sie sich, nach gelungenem Abend und durchtanzter Nacht, gegen 2:00 Uhr in der Frühe, nichts ahnend dass sie gerade dabei waren, etwas ziemlich Illegales zu begehen. Es kam ein Kontrolleur, sie zeigten naiv ihr Billet, welches in der Schweiz zwar „Fahrschein“ am Automat heisst, so aber nie ausgesprochen wird, und wurden aufgefordert, den „Nachtzugschlag“ ebenfalls vorzuzeigen. Von einem solchen hatten sie, als selten mit dem Zug fahrende Autofahrer, bisher nie etwas gehört. Und ein „24-Stunden-Ticket“ hielten sie für ein Ticket, mit dem man 24 Stunden lang fahren kann, egal ob am Tag oder in der Nacht. Als sie den fehlenden „Nachtzuschlag“ nachlösen wollten, wurden sie plötzlich mit 2 x 80 Franken wegen Schwarzfahrens „gebüsst“. Nach langen Verhandlungen liess sich der Kontrolleur dann auf einmal 80 Franken runterhandeln. Besonders beschämend und erniedrigend fanden sie, dass sie vom Kontrolleur durch den ganzen Zug geleitet wurden wie zwei Schwerverbrecher, die beim Schwarzfahren ertappt wurden, obwohl sie doch in Besitz von vermeintlich gültigen Tickets waren.

  • Das Kleingedruckte am Automaten
  • Unsere Schweizer Freundin war natürlich entsetzt und fühlte sich ohne Schuld. Sie hatte schlicht den Versprechungen der SBB geglaubt, dass ein 24-Stunden-Ticket auch 24 Stunden lang gilt. Später las sie an einem Automaten den Aufdruck, dass man sich in der Agglo von Zürich speziell für die Nachtzüge diesen Zuschlag kaufen muss.

    Für das System von Nachtbussen, die im Stundentakt die Innenstadt in Richtung Vorortsgemeinden bedient, um müde Diskogänger heil nach Hause zu bringen, scheinen uns diese Zuschläge gerechtfertigt, denn schliesslich ist normaler Weise eine Nachtruhe auf dem Streckennetz von 00:30 Uhr bis 5:00 Uhr. Aber die Benutzung von Zügen in der Nacht mit einem 24-Stunden-Ticket als Schwarzfahren geahndet wird, dass können wir nicht verstehen.

  • 90 Franken sind „eine Gebühr“
  • Auf der Website des Züricher Verkehrsverbunds ZVV lesen wir:

    Für die Benützung des ZVV-Nachtnetzes sind zwei Tickets erforderlich.
    • Ein im ZVV gültiger Fahrausweis für die Fahrt vom Start zum Zielort (ZVV-Ticket, GA, usw.)
    • Ein Nachtzuschlag.
    Einzelzuschlag Fr. 5.– (Automat: *162) oder als Zuschlags-Multikarte zu Fr. 27.– (6 Zuschläge, erhältlich an den Verkaufsstellen oder beim Ticket-Shop). Halbtaxabos und andere Ermässigungskarten können für den Zuschlag nicht geltend gemacht werden.
    • Achtung: Fahrgäste ohne die beiden Tickets gelten als „Fahrgast ohne gültigen Fahrausweis“ und bezahlen eine Gebühr.
    (Quelle: www.zvv.ch)

    Unsere Freundin hatte war nicht „ohne die beiden Tickets“, sondern nur ohne Zuschlag, und musste denn 90 Franken bezahlen. Für das Geld hätte sie auch mit dem Taxi heim fahren können.

  • Ein „kostendeckendes“ System
  • Nachtzüge fahren nur Fr/Sa und Sa/So, und vor bestimmten Feiertagen. Auf der ZVV Seite lesen wir:

    Letztes Jahr (2006) nutzten rund 870’000 Fahrgäste das ZVV-Nachtangebot. Das sind 85 % mehr als im ersten Betriebsjahr (2003). Dank dieser grossen Nachfrage konnte das Nachtnetz zum dritten Mal hintereinander kostendeckend betrieben werden. Spitzenreiter unter den Nacht-S-Bahnen ist weiterhin die SN5 ins Zürcher Oberland.
    Seit vier Jahren bringen die Nacht-S-Bahnen und -Busse im Kanton Zürich Fahrgäste an den Wochenenden und vor den meisten Feiertagen rund um die Uhr in den Ausgang und wieder nach Hause. Das ZVV-Nachtangebot erfreut sich grosser Beliebtheit, 2006 nutzten knapp 8300 Fahrgäste pro Nacht den öffentlichen Verkehr. Dies sind 17 % mehr als im Vorjahr.
    (Quelle: zvv.ch)

    Jetzt haben wir auch verstanden, mit welchen Mitteln diese „Kostendeckung“ erreicht wird. Ob das mit der „grossen Beliebtheit“ in Zukunft noch auf unsere Freundin zutrifft, wagen wir zu bezweifeln.

    

    4 Responses to “Ein 24-Stunden-Ticket reicht in der Nacht nicht — Der Nachtzuschlag des ZVVs”

    1. Oliver Says:

      Der Nachtzuschlag bezahlt das zusätzliche Angebot. An vielen Orten wird auch direkt darauf hingewiesen, dass ein solcher Zuschlag nötig ist.
      Deine Freundin hätte natürlich auch etwas länger warten können und mit einem der regulären Morgenzüge heimfahren können 🙂

    2. Yogi-TheBear Says:

      „PROBLEMS“ mit Fahrkarten-AUTOMATEN – Gut! Ich habe mich 3 Jahre (sic!) mit einer INKASSO-AGENTUR der DEUTSCHEN BUNDESBAHN in Baden-Baden herumgestritten, weil der Fahrkarten-Automat an einem kleinen, einsamen Bahnhof ( kein Beamter weit&breit!) keinen € 50.– Schein angenommen hat – auch nicht wechseln konnte oder wollte… sich einfach geweigert hatte – und mir auch keinen FAHRSCHEIN ausgestellt hat!!

      Ich fahre fast NIE mit dem ZUG – und das war der einzige Zug, der mich pünktlich zu einem GERICHTS-TERMIN gut 50 km weiter bringen sollte!

      Der Zugschaffner wollte mir auch k e i n BILLET ausstellen – sonderrn lieber gleich „€ 50“ per Anzeige plus Zahlschein kassieren!
      Ich habe einfach auf STUR gestellt und NIE bezahlt – trotz regelmässigen schriftlichen Aufforderungen – Meine BEGRÜNDUNG: Dass ich ja NICHT für die SOFTWARE-Pannen der BAHN hafte!!

      DIE LÖSUNG: Letztendlich habe ich dann der Agentur geraten – nach 3 Jahren (!) – den ganzen Vorgang docheinfach lieber in das Flüsschen Oos zu werfen, das hinter ihren Büros in Baden-Baden vorbeifliesst!

      …und TOPP – seit dieser Zeit ist endlich RUHE!!!

    3. Andreas Müller Says:

      Ich finds lustig, wenn mal wieder die Sorte Ich-nehm-nur-in-Ausnahmefällen-den-öV etwas zur Kostendeckung beiträgt. Seien wir ehrlich, den Nachtzuschlag kennt jedes Kind. Ich persönlich kann das auch nicht verstehen, diverse Versuche zur Abschaffung des Nachtzuschlages (vor allem von linker Seite) blieben aber erfolglos, weil die FDP immer sparen muss und die SVP hier gerne den moralischen Nachtwächter spielt und eine Zugfahrt um 3 Uhr morgens für besonders verwerflich hält. Dabei sollte die Uhrzeit eigentlich keine Rolle spielen; tagsüber sind die Züge auch nicht kostendeckend unterwegs.

    4. Simon Says:

      Auf der Webseite des „Züricher Verkehrsverbunds“?

      Siehe http://www.blogwiese.ch/archives/824