Die Grenze des Erträglichen — Wieviel Deutsche erträgt die Uni Zürich?

Januar 8th, 2008
  • Furcht vor „Germanisierung“
  • Unter diesem Aufmacher brachte die Süddeutsche am 28.12.07 einen Artikel über die Deutschen in der Schweiz:

    Schweizer beklagen die Welle deutscher Einwanderer. Nach Ärzten und Managern stehen jetzt die deutschen Wissenschaftler in der öffentlichen Kritik: Vielen Schweizern sind sie zu dominant.
    (Quelle für dieses und alle folgenen Zitate: Sueddeutsche.de)

    Der Autor Gerd Zitzelsberger reagiert damit auf die Berichterstattung des Tages-Anzeigers kurz vor Weihnachten:

    25 Schweizer, 24 Deutsche
    Auslöser der jüngsten Diskussion sind Entscheidungen der Universität Zürich. Kurz vor Weihnachten hat sie acht neue Professoren berufen. In allen acht Fällen kamen deutsche Bewerber zum Zuge. Im Jahr 2007 hat die Universität 57 Professoren-Stellen neu besetzt. Bei 25 Auswahlverfahren kamen Schweizer zum Zuge, in 24 Fällen Deutsche, und acht Stellen wurden mit Ausländern aus anderen Staaten besetzt. Jeder dritte Hochschullehrer an der Uni Zürich stammt mittlerweile aus „dem großen Kanton im Norden“, wie die Schweizer Deutschland ironisch titulieren.

    Die Ironie muss erklärt werden. Dass Schweizer einfach so Ironie verwenden, wenn sie über Deutschland sprechen, erwartet dort tatsächlich niemand.

    Ausgangspunkt der Diskussion war ein Interview mit Stefan Fischer, dem Präsidenten des Studentenrates der Uni Zürich:
    Wir erreichen – zumindest in einzelnen Fächern und Instituten – die Grenze des Erträglichen„. An manchen Instituten werde praktisch nur noch hochdeutsch gesprochen. Die Studenten fühlten sich arrogant behandelt und es sei frustrierend, wenn die Professoren kein Schwyzerdütsch verstünden oder verstehen wollten.

    Im ursprünglichen Interview konnte Stefan Fischer noch so oft betonen, dass der Studentenrat grundsätzlich migrationsfreundlich und weltoffen eingestellt sei, und dass die meisten Deutschen sich wunderbar anpassen in Zürich. Das Zitat von der „Grenze des Erträglichen“ wurde dennoch mehrfach wiederholt.

    Wurde im Januar noch vom BLICK gefragt „Wieviele Deutsche verträgt die Schweiz“, sind sie nun nicht mehr „erträglich“, obwohl sie fleissig am Ertrag und Bruttosozialprodukt des Landes Anteil haben. Gerd Zitzelsberger bringt noch ein weiteres Beispiel aus Bern:

    Umgekehrt klagen auch die Deutschen in der Schweiz mittlerweile über ein ruppiges Klima und Schwierigkeiten, private Kontakte zu finden. Die Ärztin Bettina Wild etwa beschwerte sich per Leserbrief, dass die Uniklinik Bern ihre Stellenverlängerung abgelehnt habe, weil sie eine „dütsche Frau“ sei. Sie habe bereits auf verschiedenen Kontinenten gearbeitet und sich überall willkommen gefühlt, nur in der Schweiz nicht.

    Kann man nur hoffen, dass die Uniklinik Bern aus dem reichhaltigen Angebot von Schweizer Bewerbungen eine passende neue Ärztin gefunden hat, die keine „dütsche Frau“ sei. Soll zur Zeit immer noch ziemlich schwierig sein.

    Interessant an der ganze Debatte der „Erträglichkeit“ von Deutschen finden wir, dass sie gleich postwendend in Deutschland sprich in einer grossen Deutschen Tageszeitung reflektiert wurde. Aufhalten wird es den Zustrom aus dem Nachbarland kaum. Der Akademikernachwuchs geht dorthin, wo er die besten Konditionen findet. Das ist für Deutsche auf dem Weg in die Schweiz nicht anders wie für Schweizer, die sich an einer Hochschule in Deutschland bewerben. Vielleicht sollten sie zuvor ein Seminar für Verkaufstraining besuchen, um besonders erfolgreiches „self-marketing“ zu betreiben, denn auch dieses Argument wurde erneut zitiert. So stand in einem Leserbrief:

    Die Deutschen könnten sich einfach nur „besser verkaufen“. Schweizer Nachwuchswissenschaftlern werde „aus fadenscheinigen Gründen die Professur verweigert“, behauptete einer.

    Klar, die eidgenössischen Hochschullehrer, die in der Auswahlkommission sitzen, sind eben leicht zu blenden und mit ein bisschen hochdeutscher Rhetorik sofort über den Tisch gezogen:

    Offizielle Stellen betonen zwar, dass es geradezu ein Qualitätsmerkmal sei, wenn eine Universität ausländische Akademiker anziehe, und dass man keinesfalls Ausländerquoten einführen wolle. „Für uns steht die Qualität der Lehre und Forschung im Vordergrund, nicht die Nationalität der Professoren“, betonte etwa Kurt Reimann, der Generalsekretär der Universität Zürich.

    Vielleicht ist „Qualität“ gar nicht mehr so gewünscht, wenn sie nicht „Swiss Quality“ ist, und vielleicht ist heute „Swissness“ viel angesagter? Wo hatte ich noch gleich den Bauplan für die Zugbrücken hingelegt?

    Blocher plays the guitar — Neue Töne in der Opposition

    Januar 7th, 2008
  • Huckabee war Vorbild
  • Der Republikaner Mike Huckabee gewann letzte Woche die Vorwahlen in Iowa. Er überzeugte seine Wähler unter anderem durch Live-Auftritte an der Bassgitarre. Musik eröffnet einfach ein ganz anderes Publikum, muss sich der Schweizer Politiker Christoph Blocher gesagt haben und begann Western-Gitarre zu spielen, wie dieses Foto belegt:

    Blocher spielt Gitarre
    (Quelle Foto: Doris Fanconi im Tages-Anzeiger vom 5.01.08, S. 11)

    Auf das erste Album sind wir gespannt! Um nicht gleich mit seinem bekannten Namen erkannt zu werden und nur über die Musik seine Botschaft zu verbreiten, legte sich Blocher den Künstlernamen „Toni Vescoli“ zu, wie im Tages-Anzeiger vom 5.1.08 zu lesen war.

    Was die Schweizer gerne essen — Ohne Zweifel Kartoffelchips

    Januar 4th, 2008

    (reload vom 30.11.05)

  • Kein zweifelloses Einkaufen möglich
  • Sie wollen sich mit leckeren Partysnacks eindecken? Sie gehen in die Migros, zu Coop oder Volg und kaufen Chips ein. Chips der Firma Zweifel. Kein Zweifel, es gibt keinen anderen Hersteller für Kartoffelchips in der Schweiz. Zweifel hat das Quasi-Monopol. Dank gnadenlos hoher Importzölle für die Grundstoffe Kartoffeln und Pflanzenöle scheint es für jeden anderen Mitbewerber unmöglich, ein eigenes preisgünstiges Produkt herzustellen.
    Kartoffelchips von Zweifel

  • Budget-Chips von Migros eine Alternative?
  • Die Migros versucht es mit „Budget-Chips“, doch bei denen wird gemunkelt, dass die in Wirklichkeit auch von Zweifel stammen.
    Budget Chips von der Migros
    Das ist aber nur ein Gerücht, denn zumindest die Pommes-Chips werden von der Migros-Tochter BINA in Bischofszell hergestellt:

    Im Segment Kartoffeln ist die BINA als einzige Schweizer Herstellerin in der Lage, alle gängigen Produkte wie Rösti, Pommes frites, Pommes Chips und Flocken sowie Spezialitäten herzustellen. Gastronomiekunden bietet die BINA ausgewählte Produkte in Grossverbraucher-Portionen an. (Quelle)

    Pommes Chips sind aber keine Kartoffelchips, die kommen dann doch von Zweifel? Ich habe keine Zweifel, denn es gibt sonst nur Zweifel in der Schweiz.

    Doch dann kam Aldi. Und jetzt gibt es auch Chips aus Deutschland:

  • Mit Aldi kam der Wettbewerb, und aus Franken wurden Fränkli
  • Am 28.10.05 schreibt der Tages-Anzeiger:

    Im nächsten bei Zürich gelegenen Aldi-Laden trifft sich die Branche bei aktiver Aufklärung an der Verkaufsfront. Mathias Adank kommt mit zwei Säcken Pommes Chips aus dem Laden. «Die sind preislich plus minus auf dem Niveau der Migros-Budget-Linie», sagt er. Adank muss es wissen: Er ist Chef von Zweifel Pomy-Chips. Für Aldi produziert Zweifel nicht. Wie viele Produkte kommen auch die Chips aus Deutschland. Beim Gesalzenen wurde auf der Verpackung wenigstens die Bezeichnung eingeschweizert. Für gute Schweizer Fränkli gibts bei Aldi «Salzstängeli» aus Deutschland. (Quelle)

    Oups, war das etwa ein Deutscher Journalist, der das schrieb? Er hat das verbotene Wort verwendet: „Fränkli“! Dabei hatten wir doch gelernt, dass man den Franken nie verniedlichen darf. Siehe „Bitte keine Törlis oder Fränklis“ . Bricht denn jetzt mit der Ankunft von Aldi im Schweizer Markt alles zusammen? Selbst der knallharte Franken mutiert zum putzigen Fränkli?

    Doch zurück zu unserem Fast-Monopolisten, der Firma Zweifel. Zweifelsohne eine Schweizer Erfolgsgeschichte:

    1950 in Katzenrüti bei Rümlang begann Hans Meier, ein Cousin von Heinrich Zweifel, mit der Handproduktion von Kartoffel-Chips. Sieben Jahre später übernahm die Firma Zweifel & Co., damals eine Mosterei in Höngg, den kleinen Betrieb. (…) Im Jahre 1960 wurde eine Produktionsanlage aus den USA in Betrieb genommen, die Kapazitäten wurden laufend erweitert, (…) Heute arbeiten rund 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Zweifel. (…) Das Unternehmen ist immer noch im Besitz der Familie Zweifel und erzielt einen Jahresumsatz von rund 150 Mio. Franken. (Quelle)

    Wie lange noch, wenn jetzt alle anfangen deutsche Chips von Aldi zu futtern?

    Zu Aldi fuhr auch einst unser alter Freund aus Gelsenkirchen, der Mantafahrer Manni. An der letzten Kreuzung vor Aldi hielt er an, und fragte einen türkischen Gastarbeiter nach dem Weg: „Wo geht dat hier nach Aldi?“ Sagt der Türke: „Nach Aldi? Zu Aldi!“ Worauf Manni entgegnet: „Wat denn, isses schon halb sieben?
    Ja so sind sie drauf, die stets korrektes Hochdeutsch sprechenden Deutschen im Umgang mit ihren türkischen Nachbarn.

  • Nachtrag vom 13.12.05
  • Unsere Lieblingszeitung, der „Tages-Anzeiger“ brachte am 13.12.05 diesen Artikel:
    Auch der Tages-Anzeiger schreibt über Zweifel
    Darin wird sehr genau dargelegt, dass die Firma Zweifel der einzige Erzeuger in der Schweiz ist, welcher ohne hohe Zusatzzölle produzieren kann, und dadurch 170 g Chips für 3.95 Fr anbietet.
    Burts aus England (im Bild rechts) kosten pro 200g 4.80 Fr, darin 1.57 Fr. Zoll (bei Globus erhältlich), Kettle, USA (unten links) kosten für 150 g 5.90 Fr, davon 1.18 Fr Zoll (bei Jelmoli) und Chio Chips aus Deutschland: 225 g, 4.20 Fr, davon Zoll rund 50 Rp, bei Coop.

    Da waren wir mit unserer Monopol-These doch nicht so weit weg von der Markt-Realität. Es freut uns, wenn ein kleiner Blog-Artikel eine grosse Zeitung zum Artikel schreiben angeregt haben sollte!

    Sind das Weihnachtseier oder EU-Eier? — Angriff auf das Schweizer Unterbewusstsein

    Januar 3rd, 2008
  • Die 1. August-Eier sind gegessen
  • Erinnern Sie sich noch an unserem Bericht zu den typische Schweizerischen Tätigkeiten am 1. August, dem Nationalfeiertag? Die obligatorische Eiersuche mit den typischen „1-August-Eiern“ gehörte auch dazu.

    1. August Eier

    Doch kurz vor Weihnachten machten wir in der Migros erneut eine geheimnisvolle Entdeckung. Wir fanden diese „Weihnachtseier“, mit Nikolaus, Rentier und selbstverständlich aus Bodenhaltung / Élevage au sol / Allevamento al suolo (ähm, wie sagt man das noch gleich auf Rätoromanisch?).
    Weihnachtseier

    Die armen Hühner haben die Eier wahrscheinlich im Schnee gelegt, so blau gefroren wie die Dinger aussehen, könnte man das glatt annehmen. Doch halt, wenn wir uns diese Eier genauer anschauen, entdecken wir zwei bekannte Symbole darauf, neuartig kombiniert:
    1.) Die Sterne der Europäischen Union, leuchtend Gelb auf Blau
    2.) Den wegweisenden Stern zur Krippe, vielleicht nun umfunktioniert als Wegweiser in Richtung EU?
    Oder doch EU-Eier?

  • Stern über B.
  • Ist das die richtungsweisende Produktpolitik des grössten Schweizer Detaillisten? Soll so unbewusst politisch mobil gemacht werden, vielleicht noch leise mit dem Lied „Das ist der Stern zu Brüh-hüs-sel“ untermalt? Wir wissen es nicht. Jedenfalls werden wir diese Eier nicht bis Ostern aufbewahren sondern bald verspeisen, dann ist auch dieser Angriff auf das Schweizer EUnterbewusstsein gegessen.
    EU-Flagge

    Die Schlummermutter ist Sexy Sadie

    Januar 2nd, 2008
  • Jeder Name ein Beatles-Song
  • Wir sahen den neuen Musikfilm „Across the universe“, in den 33 Cover-Versionen von Beatles-Songs eingearbeitet wurden. Dieser Film ist eine wahrer Augen- und Ohrenschmaus, und ausserdem ein grosser Spass für alle wahren Beatles Fans, die man stets an den spontanen Lachern erkennt, wenn im Film der junge „Jude“ (Hey Jude) auf „Max“ (Maxwell Silver Hammer) trifft, dessen Schwester „Lucy“ (in the Sky with diamonds) heisst. Auch „Dr. Roberts“ tritt auf, und for the „Benefits of Mr. Kite“ wird gesungen. In einer Szene soll der junge Jude ein Logo für ein Plattenlabel zeichnen. Erst zerschneidet er einen Apfel in zwei Hälften, was ganz nach „Apple-Records“ aussieht, dann entscheidet er sich doch für die Strawberry aus den „Strawberryfields forever“:
    Kein blutendes Herz sondern eine Erdbeere
    (Quelle Foto: Across the Universe)

    Das ist also kein blutendes Herz, das ist eine Erdbeere!

    Wir sahen den Film im Arthouse in Zürich in Originalfassung mit Deutsch/Französischen Untertiteln, auf die zum Glück bei vielen Songs verzichtet wurde. So erfuhren wir, dass die „landlady“ oder Zimmerwirtin „Sexy Sadie“ in der Schweiz eine „Schlummermutter“ genannt wird.

  • Von der Schlummerpuppe zur Schlummermutter
  • Wir kannten bisher nur die „Schlummerpuppe“ oder den „Schlummertrunk“, beides Zusammensetzungen zum:

    Schlummer, der; -s [spätmhd. (md.) slummer, wohl rückgeb. aus schlummern] (geh.): leichterer, oft kürzerer Schlaf, bes. als Zustand wohltuender Entspannung: in S. sinken; jmdn. aus dem S. reißen.
    (Quelle: Duden.de)

    Die Schlummermutter ist in der Schweiz eine wichtige Institution. Sie wird gesucht, im echten Leben und auf virtuellen Pinwänden:

    „Wo ist meine Schlummermutter“
    (Quelle: pinwand.ch)

    Zimmer werden so angeboten:

    Bin interessiert an Nichtraucher (-in) ohne Haustiere (Ausnahme: Chihuaua oder Kleinkätzchen) Student oder Arbeiter, der oder die einen ruhigen Ort sucht zum Wohnen, Ausruhen und Schlafen und froh ist wenn alles für ihn gemacht wird, also sowas wie eine Schlummermutter. Mit oder ohne Möbel ist möglich.
    (Quelle: Gratis-Inserate.ch)

    Welcher Service sich dahinter verbirgt? Ein Schlummertrunk für die Nacht inklusive?

  • Joe Cocker als Penner
  • Im Film tritt auch Joe Cocker auf, als Penner, Zuhälter und Hippie im Song „Come together“. Ausserdem ist Salma Hayek als fünffach vervielfältigte Krankenschwester zu sehen. Eine ziemlich ausführliche Liste der im Film erwähnten Anspielungen auf Beatles Songs findet sich im englischen Wikipedia-Artikel „Across the universe“.

    Die Schauspieler sangen alle Songs während der Dreharbeiten selbst, wie Jim Sturgess in diesem MTV-Interview erzählt: