Kann man über Kant auf Schweizerdeutsch diskutieren?

August 24th, 2006
  • Vom Dialekt zur Standardsprache
  • Es erzählte uns ein Deutscher vom Niederrhein, dass er erst in der 5. Klasse des Gymnasiums mit Hochdeutsch konfrontiert wurde. Die Familie, die Freunde, selbst die Lehrer in der Grundschule sprachen in der Regel Dialekt, also auf Plattdeutsch. Es wurde ab der Grundschule auf Hochdeutsch geschrieben, jedoch nicht gesprochen. Diktate gehörten mit zum Schwersten für ihn. Erst im Gymnasium lernte er wie es ist, sich nur noch auf Hochdeutsch zu verständigen. Er lernte die „Hochsprache“ kennen als ein geregeltes System, mit dem sich zwei Hauptfunktionen von Sprache erfüllen lässt:

    1. Kommunikation mit anderen, die auch diese Standardsprache sprechen

    2. Speicherung von Information in schriftlicher Form

  • Jede Sprache kann Wissenschaftssprache sein
  • Um in einer Sprache einen Gedankengang entwickeln zu können, muss die Möglichkeit bestehen, in ihr Begriffe zu definieren und Bedeutungen festzulegen. Jeder Philosoph wird nicht umhin kommen, zunächst festzulegen, welche Fachwörter er verwenden möchte und wie sie für ihn umgrenzt sind.

    Das liegt an der „Beliebigkeit“, der „Arbitrarität“ von sprachlichen Zeichen. Ein und dasselbe Gemüse wird von den Schweizern „Peperoni“ und von den Deutschen „Paprika“ bezeichnet. Die Festlegung ist nur innerhalb einer Sprachgruppe oder einer Fachsprache gültig. Wären die sprachlichen Zeichen innerhalb einer Sprechergruppe beliebig, könnte Kommunikation nicht funktionieren. Erst wenn die Begriffe definiert sind, kann in jeder Wissenschaft damit gearbeitet werden. Bei manchen Wissenschaften funktioniert das besser als in anderen. So wurde in der Mathematik genau festgelegt, was ein Produkt oder eine Summe ist. Doch schon das Wort „Produkt“ hat in anderen Wissenschaften eine ganz andere Bedeutung. Die Linguisten streiten darüber, was „Sprache“ ist und allein der Begriff „Wort“ hat es auf etliche Definitionen gebracht.

  • Bestimmt die Sprache die Art des Denkens?
  • Können wir klarer formulieren, klarer denken, anders denken wenn wir uns einer genormten Standardsprache bedienen, als wenn wir dies in einem nicht standardisierten Dialekt tun? Ist die Philosophie von Kant oder Descartes eine andere, wenn Sie nicht mehr in der ursprünglichen Sprache, sondern in einer Übersetzung gelesen wird? Zu mindestens Kant baut ein höchst komplexes Geflecht von Begriffen wie „Sein“ und „Wesen“ und „Gewesensein“ etc. auf, dass sich nur schwer adäquat auf Englisch übersetzen lässt.

    Das es einen Zusammenhang zwischen „Sprache und Denken“ gibt, wurde vor allem durch die Saphir-Whorf-Hypothese behauptet:

    Die Sprache ist nicht als eine Leistung zu verstehen, die das Denken unterstützt, postuliert Benjamin Lee Whorf in seinem Werk „Denken, Sprache, Wirklichkeit“ (1963). Sie schreibt uns vielmehr vor, was wir zu denken haben und auch, was wir tatsächlich denken. Nach Whorf ist ein Denken ohne Sprache gar nicht vorstellbar. Es gibt kein Denken, das sich nicht in den syntaktischen Strukturen unserer Sprache vollzieht.
    Die Hypothese, die sich mit der Abhängigkeit von Sprache und Denken befaßt, wurde maßgeblich von drei Persönlichkeiten geprägt: Franz Boas, Edward Saphir und Benjamin Lee Whorf. Sie ist noch heute umstritten und bietet Ansätze für zahlreiche Untersuchungen.
    (…)
    Edward Saphir (…) war der Ansicht, daß die Denkprozesse des Menschen durch die Eigenheiten seiner Sprache strukturiert und gesteuert werden. Er glaubte also an eine direkte Beeinflussung des Denkens durch die Sprache. Die Eigenheiten und Einstellungen, so meint er, sind Resultat spezifischer Sprechweisen. Sprache wird in dieser Theorie zum Spiegel sozialer Wirklichkeit. Dies leitet er aus der Beobachtung ab, daß es keine Sprachen gibt, die einander so ähneln, daß sie annähernd gleiche soziale Realitäten wiederspiegeln können.

    Benjamin Lee Whorf, (…), vertrat die radikalste Position. Seiner Meinung nach sind sogar die grundlegendsten menschlichen Begriffe wie Raum, Zeit oder Materie ein Resultat der Sprache. Diese Begriffe sind relativ und haben für Menschen unterschiedlicher Sprachräume ganz unterschiedliche Bedeutung. Whorf macht diese Annahmen mehrfach am Vergleich der Sprache durchschnittlicher Europäer (SAE – Standard Average European) und der von Hopi-Indianern deutlich.
    (Quelle: hausarbeiten.de)

  • Denkt man auf Schweizerdeutsch anders als auf Hochdeutsch?
  • Sprecher von Sprachen mit anderen Begriffen von Vorzeitigkeit, von Zukunft, von Konditionalis etc. nehmen die aussersprachliche Wirklichkeit nicht in gleicher Weise auf wie Sprecher von SAE, dem „Standard Average European“. Denken Sie dadurch auch anders? Kunstwissenschaftler sagen gern: „Der Mensch sieht (in der Kunst) nur das, was er kennt“. Eskimos haben mehr Wörter für die Arten des Schnees als Europäer, für Wüstenbewohner gibt es etliche Wörter für Sand, Weinkenner gebrauchen etliche Adjektive für ihren Wein, der für Norddeutsche nur süss oder trocken, rot oder weiss ist, und Schweizer haben zwanzig Wörter für die Tätigkeit „arbeiten“.

    Der Wortschatz von Dialekten kommt in der Regel mit der permanenten Entwicklung des Wortschatzes in der Standardsprache nicht nach. Zwar füllt das Idiotikon der Schweizer Dialekte bald 16 Bände, darin werden sie aber kaum neue Schweizer Formen für „Leasing“, „googlen“ oder „MP3-Player“ finden. Die Wortfelder, in denen Dialektwörter noch stark differenziert sind, stammen zumeist aus dem häuslichen Umfeld oder der Landwirtschaft und gehen, mit der abnehmenden Bedeutung dieser Lebensbereiche, immer mehr in Vergessenheit.

  • Wie lösen Gehörlose Menschen mathematische Probleme?
  • Von Gehörlosen weiss man, dass ihre Gebärdensprache nicht identisch ist mit der Normalsprache, sondern hinsichtlich Grammatik und Syntax stark vereinfacht wird. Das kann jeder beobachten, der bei einem Fernsehfilm die Untertitel für Gehörlose einblendet. Die gesprochenen Dialoge werden vereinfacht wiedergegeben, Zeiten und Nebensatzkonstuktionen sind weniger komplex. Dennoch können diese Menschen viele Berufe erlernen, Autofahren, mathematische Probleme lösen und sind auch sonst zu Abstraktionen fähig, auf Basis ihrer Sprache.

  • Kant auf Schweizerdeutsch diskutieren?
  • Für eine homogene Sprechergruppe von Schweizern, die sich auf einen gemeinsam verwendeten Dialekt verständigen kann, sollte das möglich sein. Knifflig wird es nur, wenn dann in der Standardsprache definierte Fachwörter in die Diskussion einfliessen. Wir erleben im Gespräch mit Schweizern regelmässig, wie dann überlegt wird, ob ein Fachwort nun auf Hochdeutsch oder in Mundart ausgesprochen werden soll. Es entsteht dann eine kleine Verzögerung im Sprachfluss. Die Folge ist eine Mischform, wie man sie in der Schweiz sehr häufig zu hören bekommt. Dialekt durchsetzt mit hochdeutschen Wörtern.
    Wenn es ans Verschriften der Beiträge geht, ist die Verwendung der Standardsprache wieder einfacher. Kleine Fingerübung zum Schluss: Versuchen Sie doch mal Kants Definition von „schön“ und „erhaben“ in ihren Dialekt zu übertragen und niederzuschreiben:

    „Schön ist das, was in bloßer Beurteilung (also nicht vermittelst der Empfindung des Sinnes nach einem Begriffe des Verstandes) gefällt. Hieraus folgt von selbst, dass es ohne alles Interesse gefallen müsse. Erhaben ist das, was durch seinen Widerstand gegen das Interesse der Sinne unmittelbar gefällt.“
    (Quelle: Wikipedia)

    Anschliessend lesen Sie einem Sprecher ihrer Sprachgruppe diesen Satz vor. Erst auf Dialekt, dann auch Hochdeutsch. Messen Sie dabei die Zeit, die er andere benötigt, um den Satz aufzufassen und zu verstehen. Wenn sich das überhaupt messen lässt, aber Sie merken sicherlich schon, worauf das hinausläuft. Es denkt sich doch rascher auf Hochdeutsch, oder?

    Beten auch zum Schweizerkreuz — Was bedeutet die Rote Farbe?

    August 23rd, 2006
  • 365 Tage beten
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 26.07.06:

    Jugendliche beten 365 Tage ohne Unterlass
    (…) «Die Zeit ist reif, dass dieser göttliche Schrei den hintersten Winkel der Schweiz und das wildeste Herz erreicht. Betet. Junge Schweizer, betet!»
    Letzte Woche fand das Gebet in Effretikon statt. Im Keller der reformierten Kirche wurde eigens ein Raum eingerichtet – und mit einem Holzkreuz, einem Thron Gottes, frommen Posters und dem Schweizer Kreuz ausstaffiert. Stündlich wechseln sich die Beter ab, manchmal beteten auch ganze Gruppen.
    Tages-Anzeiger vom 26.07.06 Seite 4

    Betet, junge Schweizer, betet!

    Wir finden es enorm praktisch, dass die Schweizerflagge mit ihrem Kreuz in einem Betraum auch für religiöse Bedürfnisse eine praktikable Lösung bietet. Pilger auf dem Jakobsweg bräuchten künftig eigentlich keine Holzkreuze mehr mitschleppen. Ein zünftiger Schweizerflaggenwimpel erfüllt den gleichen Zweck. An und für sich könnte man doch in allen Schweizer Kirchen die unschönen Holzkreuze vorn über dem Altar durch eine Schweizerflagge ersetzten. Weiss als Farbe der Unschuld wie im Bild von „Christi als Lamm Gottes“,und Rot, zugleich Symbol für das verflossene Blut an Karfreitag während des Martyriums, aber auch Macht und Herrschaft über Leben und Tod:

    Die Farbe Rot gilt als Farbe des Feuers oder des Blutes. Im Hebräischen haben die Worte Blut und Rot den gleichen Ursprung: Rot heißt „dm“ und Blut heißt „dom“. Blut und Feuer besitzen sowohl eine positive als auch eine negative Besetzung. Dem Hass, dem Krieg, der Aggression und dem Blutvergießen stehen die Kraft, die Liebe, die Wärme und die Leidenschaft gegenüber. Das helle, leuchtende Rot war bei den Griechen und später auch im Christentum mit dem männlichen Prinzip verbunden, es war die Farbe der griechischen Kriegsgötter Phoebus und Ares.
    Der biblische Adam wurde aus roter Erde geschaffen. In den frühen Kulturen wurde das dunkle Rot des Blutes jedoch dem Weiblichen zugeordnet. Die „Mutter Erde“ spendete den Völkern der Steinzeit den roten Ocker, dem man lebenserhaltende Kräfte zuschrieb. In Japan wird das Rot noch heute eher dem Weiblichen zugeordnet.

    Christus am Kreuz
    (Quelle Foto: seilnacht.com)
    Matthias Grünewald: Auferstehung Christi, Teil des Isenheimer Altars, um 1515
    (Das Origininal ist in Colmar zu bewundern, nicht weit von Basel oder Freiburg i. Brsg.)

    Im Isenheimer Altar erscheint Christus mit einem zinnoberroten Mantel. Die Farbe Rot in Christus‘ Gewand verkörpert eine ganze Reihe von Symbolgehalten: Es ist die Farbe der Märtyrer und deren Blut, es demonstriert Macht und Herrschaft über Leben und Tod, aber auch Glaube, Erfüllung und Liebe. Das Gewand erinnert an eine lodernde Flamme und symbolisiert im Streben gegen den Himmel das Sinnbild des Göttlichen. Der Kopf von Christus ist von einem gelben Strahlenkranz umgeben: Christus ist der Erlöser der Finsternis und führt uns zum Licht. Noch heute werden an Pfingsten die Altäre in katholischen Kirchen rot geschmückt, als Farbe des heiligen Geistes.
    (Quelle: seilnacht.com)

    Für Schweizer oder Zugezogene, die irgendwann einmal die Nase voll haben von dem andauernden Rot-Weiss Kreuzen überall, und die mal richtig aufstampfen möchten, und den Dreck abkratzen von den langen Fussmärschen durch die Schweizer Agglos. Unser Tipp zum Selberkaufen: Die Schweizer Flagge gibt es auch in (falscher) Rechteckform als Fussmatte.
    Fussmatte mit Schweizerkreuz

    P.S.: Wir haben immer noch kein rot-weisses Toilettenpapier entdeckt. Gibt es das auch irgendwo zu kaufen?

    Ein Sechstel länger als breit — Quadratisch, praktisch, gut

    August 22nd, 2006
  • Die Schweizer Flagge ist quadratisch
  • In den Wochen der FIFA-WM gewöhnten wir uns an die allgegenwärtigen Schweizerkreuzflaggen, die quadratisch zu sein haben, und niemals rechteckig, es sei denn Sie sind Besitzer eines Hochseedampfers, dann wird ihnen das falsche, wahrscheinlich in einer menschenunwürdigen Nähstube in China hergestellte rechteckige Tuch verziehen. Denn nur für die Hochseeflagge, da gilt diese Sonderbewilligung. Das hat sich die Schweizer Handelsmarine nach langem und zähem Verhandeln so ausbedungen:

    Nur das Schweizerkreuz ist festgelegt – die Arme des Kreuzes sind 1/6 länger als breit, gemäss Beschluss der Bundesversammlung aus dem Jahr 1889. Im Gegensatz zu anderen Nationalflaggen bildet die Flagge der Schweiz ein Quadrat, nur auf Hochseeschiffen schweizerischer Reedereien weht eine rechteckige Flagge im Verhältnis 2 : 3.
    (Quelle: Wikipedia)

    Die hier ist falsch:
    Rechteckige Flaggen gibt es in der Schweiz nicht
    (Quelle: langweilige-postkarten.ch)
    Aber die ist ja auch nur Postkarte, noch dazu eine langweilige.

    Die richtige Flagge sieht so aus:
    Quadratische Schweizerflagge
    (Quelle: sunft.ch) http://www.sunft.ch/images/swisswap.jpg

    Hätten Sie den Unterschied bemerkt? Nein? Sie müsse Sie schon etwas genauer betrachten, ist gar nicht so einfach zu unterscheiden. Vielleicht sollten wir wirklich mal nachmessen, ob die Arme des Kreuzes tatsächlich 1/6 länger als breit sind und so der Beschluss der Bundesversammlung aus dem Jahr 1889 tatsächlich respektiert wird. Uns dünkt die Breite ein wenig zu schmal.

    Heisst es doch im Bundesbeschluss:

    Art. 1
    Das Wappen der Eidgenossenschaft ist im roten Felde ein aufrechtes, freistehendes weisses Kreuz, dessen unter sich gleiche Arme je einen Sechstel länger als breit sind.
    (Quelle: admin.ch)

  • Verblassende Flaggen, für Fussballfans und Dauerbeter
  • Nun ist die WM vorbei, die Schweizer haben es weit gebracht, alle hatten ihren Spass, und die Flaggen hängen noch. Von einem Lieferwagen mit flatternder Italienflagge wurde ich neulich beim Fahradfahren fast vom Velo gefegt. Geht das überhaupt in der Schweiz? Beim Fahrradfahren vom Velo fahren? Oder kann man nur beim Velofahren vom Velo vallen fallen? Sie merken, das Leben in der Schweiz bleibt nicht ganz ohne Nebenwirkungen, im Fall.

    Zugegeben, die Flaggen verblassen langsam unter der permanenten Sonneneinstrahlung. Der Regen (das ist diese seltene Feuchtigkeit, die im Juni manchmal vom Himmel fiel) wusch die Farben aus, aber bis zum 1. August hielt das allemal. Bis zur EM 2008 werden sie wohl nicht durchhalten. Ausser in geschlossenen Räumen, vor dem Unbill der Witterung geschützt. Zum Beispiel in einer Kirche. Dazu morgen mehr.

    (2. Teil Morgen: Betet Schweizer, betet! Die Schweizerflagge auch als Kruzifix-Ersatz)

    Was die Schweizer gerne essen — Fresspäckli

    August 21st, 2006
  • Drei Wochen mal raus an die frische Luft
  • Ein Mitarbeiter muss zum „WK“, der typisch schweizerischen Freizeitveranstaltung für Männer, die ein paar Wochen raus wollen aus dem Alltagsmief und Berufsalltag, um unter sich zu sein, die Natur hautnah zu erleben, eigentümliche Riten wie den Handel mit „Beinelastiks“ zu pflegen, und vieles mehr.

    Der Kollege ist im „Wiederholungskurs“, der sich immer wieder wiederholt, und bekommt von uns ein Geschenk zugeschickt. Ein Fresspaket, in der Schweiz mit Diminutiv-L versehen, auch wenn es fünf Kilo wiegt. Fünf Kilo in Schokolade, dass sind übrigens 50 Tafeln à 100 Gramm. Auf drei Wochen verteilt macht das 2.3 Tafeln Schokolade am Tag. Aber wir schicken ihm ja nicht nur Schokolade.

  • Fresspaeckli.ch
  • Findige Jungunternehmer gründeten 2002 eine Firma, die das Paketepacken übernimmt:

    Die angebotene Dienstleistung beinhaltet die Zusammenstellung und Auslieferung von Soldatenpaketen, im Volksmunde Fresspaeckli genannt, im Rahmen eines Abonnements. Die Form des Abonnements im Sinne einer wiederkehrenden Freude und Aufmerksamkeit entspricht unserem Gedanken, dem Militärdienenden im Namen des Schenkenden während seines Einsatzes zu versorgen und zu motivieren.
    (Quelle: fresspäck.li)

    Heute ist eine solche Firma unter neuer Adresse in Lichtenstein zu finden: www.fresspäck.li Sogar mit schickem Umlaut im Namen, wow!
    Angeboten wird ein Standardpaket:
    Fresspäckli "Swiss Soldier"
    für 36.50 CHF. Sie sehen, da steckt fast nur Schweiz drin: Ricola, Ragusa, Rivella.. ja fängt denn hier alles mit „R“ wie „Rekrut“ an?

    Ausserdem gibt es eine Budget Ausgabe, ausschlieslich bestehend aus Migros Budget Artikel. Auf Grund der höheren Qualität dieser Schweizer Produkte leider 3.50 CHF teurer, aber dafür „Budget“. Diese Logik soll verstehen wer mag.
    M-Budget Fresspäckli
    M-Budget Fresspäckli für 40.00 CHF

    Das Ganze geschieht laut Website „aus Tradition, dem Schweiz Soldat verpflichtet„:
    Fresspaeckli.ch
    Eine uralte Tradition, diese Päckchen von anderen packen und verschicken zu lassen, immerhin jetzt schon im vierten Jahr!

  • Soldatenpakete verschicken ist gratis!
  • Der Clou an den Schweizer Fresspäckli ist die Tatsache, dass diese Pakete bis fünf Kilogramm von der schweizerischen Post gratis verschickt werden! Das gehört unbedingt mit auf unsere Top-Ten-Liste von Dingen, die in der Schweiz richtig günstig zu haben sind (jetzt mal abgesehen von klasse Fernsicht auf die Berge und gutem Leitungswasser). Darf eigentlich der Nachschub an Munition oder Handgranaten auch kostenlos beigepackt werden?

  • Auch Tages-Anzeiger ist für Rekruten umsonst
  • Wer in der Schweiz seine „RS“ = Rekrutenschule absolviert, kann in dieser Zeit ein Abonnement des Tages-Anzeigers umsonst bekommen. So lasen wir auf der Homepage des Tages-Anzeigers:

    Während des RS-Aufenthalts, senden wir Ihnen den Tages-Anzeiger kostenlos zu.
    (Quelle: Tagesanzeiger.ch)

    Gerade während der Rekrutenschule haben Sie als junger Schweizer dermassen wenig zu tun, dass der Tag schonmal langweilig wird und das Kreuzworträtsel im Tagi als willkommene Abwechslung gilt. Bei Regen kann man immer noch die Schuhe damit ausstopfen am Abend. Und das erst noch für umsonst! Da macht es doch richtig Spass, Soldat zu sein! Fresspäckli geniessen, kostenlos Zeitung lesen, 3 Wochen nicht auf dem normal Job arbeiten müssen.

    Wie lautete noch das alte amerikanische Sprichwort: „Join the army, travel to foreign countries, meet interesting people, and kill them“ . In der Schweiz müsste es abgewandelt werden: “Join the army and get your first original Swiss Army Pack”.

  • Das Fresspäckli der Konkurrenz heisst „Swiss Army Pack“
  • Kaum war die Idee mit dem Fresspäckli-Versand auf dem Markt, da gab es schon einen Nachahmer:

    Fresspäck.li funktioniert. Diese Dienstleistung ist in der Tat eine besondere Innovation und konnte sich ohne Mühe die letzten vier Jahre behaupten. Nachahmer und Trittbrettfahrer gaben nach kurzer Zeit auf. Der direkte „Konkurrent“ ist die Schweizer Post welche in Zusammenarbeit mit Nestle, Schweiz beinahe zeitgleich das „Swiss Army Pack“ ins Leben gerufen hat.
    (Quelle: fresspäck.li)

    Denn wie immer wird dieses Ding sogar ganz offiziell multi-kulti alike auf Englisch bezeichnet:
    Swiss Army Pack
    (Quelle: post.ch)

    Ja ja, ist sicher wieder wegen der Ticinos und Welschen, damit die nicht traurig sind beim unverständlichen „Fresspäckli“, und sich wenigstens auf Englisch ein bisschen über die guten Gaben aus Kreuzlingen (Sitz von fresspaeckli.ch) freuen können. Oder hat man den Namen so gewählt, um für einen möglichen Export in andere Länder vorbereitet zu sein? Passend zum „Swiss Army Knife“ nun das „Swiss Army Pack“? Ist denn da wenigstens ein Korkenzieher dabei, der beim Swiss Army Knife bekanntlich weggelassen wurde? (Für Schweizer Leser: Die Rede ist vom Zapfenzieher).

    Bitte nicht streicheln — Die PET-Flasche in Deutschland und in der Schweiz

    August 20th, 2006
  • What’s your favourite pet?
  • Ein „pet“ ist ein Schmusetier, ein Haustier, das gestreichelt werden will, denn „to pet“ bedeutet „streicheln“, auch wenn das die meisten nur vom Petting kennen.

    Als Anfang der 90er die Deutsche Getränkeindustrie immer mehr Mineralwassersorten und Softdrinks in leichten, und pfandfreien Plastikflaschen auf den Markt brachte, beschloss das damals noch nicht so lange existierende Bundesumweltministerium , welches 1986 wenige Wochen nach der Tschernobyl Katastrophe gegründet worden war, unter Klaus Töpfer (CDU) per Gesetz die Notbremse zu ziehen. PET-Flaschen wurden in Deutschland mit Stichtag 1.8.1988 verboten, oder besser gesagt: Sie durften nur noch mit einem Pfand-Rückgabesystem ausgestattet auf den Markt gebracht werden. Ich hatte damals einen Ferienjob bei einem Getränkegrosshändler und fand es faszinierend zu beobachten, wie von einem Tag auf den anderen sämtliche EVIAN und VITEL Plastikflaschen aus den Hochregallagern verschwanden und der dadurch freiwerdende Platz mit Anbietern gefüllt wurde, die ihre Abfüllung auf Glasflaschen oder TETRA-Pack umgestellt hatten.

  • Recycling in der Schweiz seit 1990
  • In der Schweiz ging man 1990 einen anderen Weg. Es wurde eine Recycling-Gesellschaft gegründet, und fortan standen an allen Abgabestellen von PET-Flaschen spezielle Sammelbehälter, mit denen eine Rücklaufquote von knapp unter den gesetzlich angestrebten 75% erreicht werden konnte. Seit kurzen ist auch der Discounter DENNER dabei, nicht ganz freiwillig, denn eigentlich ist Denner „sonst nicht Mitglied irgend eines Vereins“ :

    Bisher gab es für den Discounter keinen Grund, beim Recyclingverein mitzumachen. Denn die Mitgliedschaft beim Recyclingverein ist teuer. Seine Mitglieder bezahlen vier Rappen pro verkaufte Pet-Flasche –unabhängig von ihrem Fassungsvermögen. (…)
    Die Gebühr gilt als Rettungsanker des Staates, wenn die Rücklaufquote der Pet-Flaschen schweizweit nicht konstant über 75 Prozent liegt. Bisher vertrat der Recyclingvereint 85 Prozent des Getränkemarktes und erreichte nur knapp die kritische 75-Prozent-Marke.
    (Quelle Tages-Anzeiger vom 26-07-06)

    Wir fragen uns natürlich, wie man pro Pet-Flasche 4 Rappen abdrücken kann, wenn die kleinste Münze ein Fünfrappenstück ist. Gar nicht wahr, noch gibt es das „Einrappenstück“.
    Einrappenstück
    (Quelle Foto: swissmint.ch)

  • Einrappenstück im Portemonnaie
  • Falls Sie das noch nie gesehen haben, bitten Sie einfach mal ein paar Schweizer darum, in ihre Geldbörse schauen zu dürfen. Die meisten haben garantiert ein Einrappenstück darin, als Glücksbringer. In der aufgeklärten Schweiz, der Heimat von Zwinglis und Calvin, ist man nämlich garantiert absolut nicht abergläubisch.

  • Pfandsystem für PET-Flaschen
  • Erst die Regierungskoalition von Rot-Grün etablierte per Gesetz das PET-Flaschen Pfandsystem. Der grüne Umweltminister Jürgen Trettin „exekutierte“ die vom CDU Mann Klaus Töpfer erfundene und in die Wege geleitete „Dosenpfand-Verordnung“. Neben der Legalisierung der Homoehe war das einer der Meilensteine der Rot-Grünen Koalition, während der Reformstau im Land von Tag zu Tag länger wurde.

    Petflasche aus Petflaschen
    Petflasche aus lauter Petflaschen — Foto von Roland Zumbühl, Arlesheim
    (Quelle: picswiss.ch)

  • Warum PET in Deutschland nicht recycelt wird
  • Wird es schon, allerdings nur zu 30%. Der Rest geht nach China.

    Christoph Goldbeck beschreibt auf quarks.de , wie die PET Flaschen aus Deutschland Rohstoff für Fleece-Jacken aus China werden:

    Ungefähr 800 Millionen PET-Flaschen (1,5 l, 1 l und 0,5 l) sind pro Jahr in Deutschland im Umlauf. Eine gigantische Zahl. Seit der Einführung des Pflichtpfandes auf bestimmte Einweg-Getränkeverpackungen am 01.01.2003 sind die Umlaufmengen sprungartig gestiegen. Seit diesem Stichtag recycelte das „duale System“ rund 99 % der gesammelten PET-Flaschen. Das waren vor der Einführung des Pflichtpfandes knapp die Hälfte aller PET-Flaschen. Seit Anfang 2003 nehmen etwa 70 % der deutschen PET-Flaschen allerdings einen ganz anderen Weg.
    (…)
    Der größte Anteil der hier zurückgegebenen PET-Flaschen tritt eine lange Reise an. Etwa 500 Mio. PETs gehen jährlich nach China. Die chinesische Industrie wächst schnell und die Nachfrage nach Kunststoffen ist immens hoch. Deshalb importiert China diese aus dem Ausland. Für die Discounter, wie Plus, Aldi, Lidl & Co., in Deutschland eine wahre Goldgrube. Während sie von einem deutschen „Recycler“ bis zu 250 Euro pro Tonne bekommen können, zahlen die Chinesen bis zu 400 Euro pro Tonne PET.
    (…)
    Kommen die PETs, schon zerkleinert und schadstofffrei, in China an, werden sie auch hier gereinigt und nach Farben aussortiert. Die weißen Flakes werden chemisch bearbeitet, geschmolzen und zu Textilfasern verarbeitet. Bunte Flakes dienen eher als Füllstoff für Teddybären oder werden zu Folien. Die aus den weißen Flakes gewonnenen Textilfasern finden sich hier in Deutschland in fast jedem „Kleidergeschäft“ wieder, als Innenfutter von Sakkos, T-Shirts oder als teure „Fleece-Pullis“.
    (Quelle: quarks.de)