Blogwiese im Deutschlandradio

Januar 13th, 2007

Am Wochenende macht die Blogwiese Pause. Den nächsten neuen Artikel gibt es am Montag. Damit es bis dahin nicht zu langweilig wird, gibt es ein bisschen was auf die Ohren:

  • Minireportage von Franziska Walt im D-Radio
  • Am 30.12.06 um 8:21 Uhr wurde im Deutschlandradio, kurz „dRadio“ eine Minireportage über die Blogwiese gesendet. Deutschlandradio ist seit 1994 der Nachfolger von Deutschlandfunk, Rias Berlin und DS-Kultur.

    Deutschlandradio über Blogwiese
    (Quelle: Deutschlandradio)
    Die Reportage ist als 5 Minuten Podcast-MP3 Datei hier zum Runterladen oder online Anhören.

  • Nicht blond, nicht 45 und nicht 190
  • Die Minireportage ist von Franziska Walt bei uns in Bülach schon vor Monaten aufgezeichnet worden und wurde jetzt erst gesendet. Sie enthält ein paar interessante Originaltöne und hübsche Fehleinschätzungen. So bin ich jetzt 43 und nicht 45 Jahre alt, und würde mir 182 cm Grösse und nicht 190 cm geben. Auch lässt sich über „blond“ als Haarfarbe vortrefflich streiten. Für spanische Verhältnisse bin ich vielleicht wirklich strohblond, ich sehe mich aber sonst eher als dunkelblond.

  • Woher kommen die komischen Geräusche?
  • In der Minireportage hört man diverse „Computergeräusche“, die ich mir absolut nicht erklären kann. Meine PCs machen keine Geräusche, ausser dem gelegentlichen Schnarren einer Festplatte oder dem Seufzer des Lüfters beim Runterfahren. Dank Urs Müller weiss ich jetzt, dass Franziska offensichtlich die O-Töne eines Macs untergemischt hat. Aha! So klingt das also im Hause Apple.

    Egal, es war ein netter Nachmittag mit Franziska, die in der Blogwiese als „Schweizerin in Berlin“ bereits einen bekannten Namen hat. Sie war meine Quelle für dieses Posting. Was dazu führte, dass sich prompt jemand einfach als Franzi ausgegeben hat, was wiederum für einige Verwirrung sorgte. Die echte Franziska hat sich dann hier persönlich dazu geäussert.

    Wir wünschen Franziska noch weiterhin eine gute Zeit in Berlin , viel Erfolg bei der Arbeit und weiterhin viele gute Reportagen!Deutschlandradio über Blogwiese

    Terroristische Luftangriffe bitte nur zu den üblichen Bürozeiten — Neues von der Schweizer Landesverteidigung.

    Januar 12th, 2007
  • Tower mit eigener Postleitzahl
  • In den ersten Jahren nach unserem Umzug in die Schweiz arbeitete ich in Wallisellen bei Zürich im Glatt-Tower. Ein imposantes Gebäude, mitten im gleichnamigen Einkaufszentrum stehend, mit einer eigenen Postleitzahl.
    Glatt-Tower
    (Quelle Foto: Wikipedia)

    Ich gebe es zu, dass ich den Job dort letztendlich auch wegen der wunderbaren Fernsicht auf die Alpen ausgewählt hatte. Andere Arbeitgeber boten nur Stellen mit Blick auf hässliche Industriegebiete oder Eisenbahngeleise. Anfang 2000 konnte man sich die Stellen in der IT-Branche noch aussuchen, kurz darauf platzte die Dotcom-Blase.

  • Der gar nicht so einzigartige Flughafen
  • Der Glatt-Tower liegt in der Nähe des Flughafen Klotens, der einfach „einzig“ ist in der Schweiz und anders als „Munich“ ohne M auskommt. Das „M“ gehört der Migros in der Schweiz, also heisst er nicht „unich“ sondern „Unique“. Doch so einzig wie sein Name ist er eigentlich gar nicht, denn es gibt nicht weit entfernt noch den Militärflughafen in Dübendorf. 1910 war er der erste Schweizer Flughafen überhaupt und er bekam erst 1948 durch Kloten Konkurrenz. Jeweils Dienstags und Donnerstags übten in Dübendorf die Schweizer Luftwaffe ihre lautstarken Starts.

  • Anflug auf den Tower
  • Der tolle Blick auf die Alpen hatte einen Nachteil. Alle 2 Minuten startet dort im Glatttal bei Südwind ein Düsenjet in Richtung Glatt-Tower, fliegt einige Sekunden direkt auf das Gebäude zu, gewinnt dann an Höhe und dreht eine lautstarke Kurve über Wallisellen, um die Ohren der Zürcher Goldküstenbewohner zu schonen und den Flug in Richtung Norden über Deutschland fortzusetzen. Vor dem 11. September 2001 fand ich diese Flugmanöver schwer beeindruckend, danach machte das Zuschauen irgendwie keinen rechten Spass mehr.

  • Die Nasslöschstelle und Evakuationskommando
  • Über die strikten Sicherheitsvorkehrungen im Glatt-Zentrum hatte ich bereits hier berichtet: Codename “Zurigo” — Die geheimen militärischen Rituale der Schweizer beim Brandschutz.

  • Abschuss erlaubt, aber womit?
  • Was allerdings geschehen sollte, wenn eine von Terroristen entführte Langstreckenmaschine auf das Glattzentrum zufliegt, darüber machte sich damals niemand Gedanken. Erst jetzt konnten wir endlich zu diesem Thema eine positive Nachricht dem Tages-Anzeiger entnehmen:

    Schweiz erlaubt Abschuss in Not
    Was Deutschland echauffiert, hat die Schweiz bereits geregelt. Die Luftwaffe dürfte in der Not ein von Terroristen entführtes Flugzeug abschiessen.
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 10.01.06)

    Das wäre also geregelt. Während man in Deutschland lange diskutiert und zaudert ist das Thema in der Schweiz vom Tisch und entschieden. Nur hat die Sache einen kleinen Haken. Die Terroristen sollten möglichst zu den normalen Bürozeiten angreifen:

    Schweizer Kampfflugzeuge sind normalerweise nur zu Bürozeiten in der Luft, also nicht am Wochenende, über Mittag oder nachts. Während der Bürozeiten üben die Berufsmilitärpiloten in ihren F/A-18- und F5-Tiger-Kampffliegern. Dann wären sie sofort einsetzbar, wie Luftwaffensprecher Jürg Nussbaum sagt. Allerdings nur zur Kontaktaufnahme und zur Rekognoszierung, denn zu Friedenszeiten sind die Piloten meist ohne Waffen an Bord unterwegs. Die Chance, ein von Terroristen gekapertes Flugzeug zu Friedenszeiten am Schweizer Himmel zu entdecken und auch noch abzuschiessen, sei «fast gleich null», so Nussbaum.
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 10.01.06)

    Mist. Dann müssen die doch tatsächlich erst landen, Waffen nachladen, wieder starten und erst dann wird es ernst. Nur ist die Schweiz nicht gerade gross, ein Düsenjet hält sich demzufolge hier nicht lange im Luftraum auf:

    An einem normalen Tag mit uneingeschränktem Flugverkehr müsste laut VBS letztlich der Pilot des Kampfflugzeugs, der den Eindringling jagt, den folgenschweren Entscheid treffen. Er täte dies nach Absprache mit dem Luftkommando am Boden. Ob es überhaupt zu einer Jagd käme, ist fraglich. Denn der Schweizer Luftraum ist klein. Und längst nicht zu jedem Zeitpunkt sind Kampfjets am Himmel oder sofort startbereit.
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 10.01.06)

    Ob da die Schweizer Milizsoldaten mit ihrem frisch geladenen Sturmgewehr, wenn sie sich aufs Hausdach stellen und gut zielen, alle gemeinsam, mehr ausrichten könnten? Bestimmt! Beim Widerstand gegen die Südanflüge haben die selbsternannten „Schneiser“ schon bewiesen, dass bereits ein paar gut platzierte Luftballons oder Taschenlampen für erhebliche Aufregung sorgen. Wieviel mehr liesse sich da mit Sturmgewehren ausrichten!

  • Abschussbefehl durch Bundesrat Samuel Schmid
  • Falls wirklich mit einer terroristischen Bedrohung zu rechnen ist, wird allerdings anders vorgegangen in der Schweiz:

    Anders ist die Situation rund ums Weltwirtschaftsforum (WEF) vom 24. bis 28. Januar. Dann sind Kampfflugzeuge ständig in der Luft und bewaffnet. Der Himmel über Davos ist gesperrt. Bundesrat Samuel Schmid wird in dieser Zeit von einem Offizier mit Telefon rund um die Uhr begleitet. «Käme es zu einem unzweifelhaften Zwischenfall, müsste Bundesrat Schmid als Ultima Ratio den Abschussbefehl geben», sagt VBS-Informationschef Martin Bühler.
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 10.01.06)

    Wir wollen uns lieber nicht ausmalen, wie so ein Gespräch dann nach den Regeln der Schweizer Telefonkommunikation mit Gesprächseröffnung, Höhepunkt und Gesprächsabschluss ablaufen könnte. Stellen wir uns dafür vor, dass ein vollgetanktes Flugzeug in Zürich gestartet ist und nun mit 800 Km/h in Richtung Davos fliegt. Das sind laut unserem Routenplaner 146 KM auf der Strasse. Flugzeuge fliegen direkt. Selbst wenn der Jet der Autobahn folgen würde, bräuchte er ca. 11 Minuten. Rechnen wir 5-6 Minuten ab, die Skyguide braucht, um das Flugzeug als entführt zu klassifizieren (sofern sich da niemand gerade einen Kaffee holt oder das System gewartet wird oder der Lotse überlastet ist), bleiben also noch 4-5 Minuten für das Telefonat mit Samuel Schmid. Für Höflichkeitsfloskeln und langes Rückfragen ist da nicht mehr viel Luft, wenn die Kampflugzeuge noch Zeit zum Handeln haben sollen.

  • Waffen haben nur eine begrenzte Haltbarkeit
  • Der Zürcher Unterländer berichtet am 11.01.07. über das gleiche Thema:

    Wenn akute Gefahr drohte, so würden F/A-18 und F5-Tiger-Kampfflieger in Alarmbereitschaft versetzt und bewaffnet. Dies dauere „wenige Stunden“ Eine durchgehende Bewaffnung sei jedoch nicht sinnvoll, weil die Waffen „ausserordentlich teuer“ seien und nach einer gewissen Zahl von Flugstunden dann ungebraucht ausgewechselt werden werden müssten.

    Hatten wir nicht eben vorgerechnet, dass nur 11 Minuten Zeit ist bei einem Angriff, und nicht „mehrere Stunden“? Wir haben jetzt gelernt, dass auch teure Waffensystem nur eine begrenzte Haltbarkeitsdauer haben, so wie Joghurt oder Bier, was auch nicht ewig gelagert werden kann. Die Waffen bleiben also am besten gut gefettet und stosssicher verpackt am Boden im Schrank, statt sie in der Luft spazierenzufliegen. Sonst geht wohlmöglich noch irgendwann eine Rakete verloren.

  • Beim Flug 93 dauerte es zu lange
  • Der amerikanische Dokumentarfilm „Flug 93“ erzählt, wie lange es am 11. September 2001 dauerte, bis wirklich die Abschussgenehmigung um 10:18 Uhr erteilt wurde. Da waren bereits alle vier entführten Maschinen nicht mehr in der Luft. Präsident Bush hörte sich lieber weiter Kindergeschichten an, als Entscheidungen zu treffen. Auch ohne Waffensysteme an Bord der Kampfflieger wurde in der USA zumindest ein Rammen der Passagierjets durch die Kampfflieger erwogen, kombiniert mit einem Notausstieg der Piloten via Schleidersitz. Das verbraucht wenigstens keine teuren Waffensystem.

    Hoffen wir also, dass so ein Terrorakt in der Schweiz nie verübt wird. Und wenn, dann doch bitte ausschliesslich von Montags bis Freitags zwischen 8:00 – 12.00 Uhr und 13:30 – 17:00 Uhr. Müsste doch zu machen sein, oder?

    Wenn alte Traditionen verschwinden — Teppichklopfer gehören in jede Besenkammer

    Januar 11th, 2007
  • Wehret den Anfängen
  • Die alte Schweizer Tradition, den Teppichklopfer daheim im Besenschrank aufzubewahren, gut geölt und allzeit für den Ernstfall einsatzbereit, ist bedroht. Es mehren sich die Stimmen, die diese Tradition abschaffen wollen. Denn — zugegeben — ein Teppichklopfer kann auch missbräuchlich verwendet werden. Es soll vorgekommen sein, dass damit Kinder geschlagen oder Ehefrauen bedroht wurden. Mittlerweile und in der Öffentlichkeit immer deutlicher wahrnehmbar hat sich eine Liga der Teppichklopfer-Gegner gebildet, die nun versucht, den Teppichklopfer für immer aus der häuslichen Umgebung und der Obhut des Schweizer Mannes zu entfernen.
    Teppichklopfer (aus Wikipedia)
    (Quelle Foto: Wikipedia)

    Die stets in den Medien zitierten und aufgezählten Zahlen über die Missbräuchen mit Teppichklopfer sind in Wahrheit kaum nachprüfbar. Tatsächlich sind es, wenn man genau in die Statistik schaut, die kleinen praktischen Handstaubsager, welche zu Missbrauch verleiten, weil sie viel besser in der Hand liegen, und damit den Ruf einer ganzen Reinigungsgilde in den Schmutz ziehen.

  • Wahr ist was war!
  • Teppichklopfer gehörten schon immer in einen echten eidgenössischen Haushalt. Dies ist für Besucher aus dem Ausland leicht ersichtlich an den überall in der Nähe von Häusern befindlichen Teppichstangen und Gittern für das Ausklopfen von kleinen Läufern.

    Teppichausklopfstelle bei einem Schweizer Wohnhaus
    Foto: Teppichausklopfstelle bei einem Schweizer Wohnnhaus

    Damit diese unmittelbare und sofortige Bereitschaft zur Reinigung von Teppichen funktionieren kann, reicht es nicht, die Teppichklopfer bei Bedarf durch eine zentralen Verteilstelle auszugeben. Auch der Einsatz von hauptberuflichen und nicht mehr freiwilligen Reinigungskräften mit hochmodernen technisierten Geräten wie Staubsaugern wäre keine echte Alternative. Der entscheidende Zeitvorteil bei der Schweizer Teppichreinigung ist der daheim aufbewahrte Teppichklopfer. Darum muss dies auch in Zukunft so bleiben. Gerade jetzt in Zeiten von globaler Schmutzbedrohung ist der direkte und sofortige Einsatz das entscheidende Plus im Kampf gegen Staub und Dreck.

  • Sollten Teppichklopfer getrennt aufbewahrt werden?
  • Vieles spricht dafür, Teppichklopfer getrennt aufzubewahren und sie erst für den unmittelbaren Einsatz parat zu machen. Hier ein schlechtes Beispiel zweier gemeinsam aufbewahrten Teppichklopfer:
    zwei Teppichklopfer
    (Quelle Foto: hytta.de)

    Doch wer weiss heute noch, wie man einen Teppichklopfer sachgemäss zerlegt und dann unter Stress und psychischem Druck wieder zusammensetzt? Darum sind wir entschieden gegen diese Alternative. Ein gut geölter Teppichklopfer braucht kein langwieriges Zusammensetzen und setzt auch keinen Rost an. Lediglich den Schallschutz könnte man optimieren. Aber bei den regelmässigen Einsätzen (Frühjahrsputz, Grossreinemachen im Herbst) wird das laute Knallen der im Einsatz befindlichen Teppichklopfers am Samstagnachmittag kaum wirklich wahrgenommen. Es gilt vielmehr als Erinnerung und Bestätigung für das gepflegte Brauchtum des Teppichklopfens.

    Die private Teppich-Ausklopfstelle
    (Foto: Private Teppich-Ausklopfstelle, daneben vermutlich der versteckte Nebenausgang zum Atomschutzbunker)

  • Sind Teppichklopfer gefährlich?
  • Nicht gefährlicher als andere Gegenstände des Alltags, wenn sie in falsche Hände geraten, sei es nun ein scharfes Küchenmesser, ein Hammer, eine Stichsäge oder der vielfach unterschätzte Korkenzieher. Es kommt eben wie immer auf den richtigen Gebrauch des Teppichklopfers an. Gut verwahrt im Schrank, am besten sogar in einem abschliessbarer Metallschrank (Vorschrift in Deutschland!), vermag er keinen Schaden anzurichten und soll auch auf Einbrecher eine gewisse abschreckende Wirkung entfalten.

  • Das Recht auf den persönlichen Teppichklopfer für alle männlichen Eidgenossen

  • Ein Staat, der seinen Bürgern das Recht auf den Besitz eines Teppichklopfers zugesteht, beweist damit, dass er Vertrauen in seine Bürger hat und für einen souveränen Umgang mit diesem Reinigungsgerät einsteht. Diktaturen und undemokratische Staaten beschneiden bei ihren Bürgern als aller erstes das Recht auf private Teppichreinigung und möchten am liebsten, wie in allen sozialistischen Systemen, diesen Dienst gleich verstaatlichen und kontrollieren. Schauen sie sich um, in keinem Nachbarstaat der Schweiz gibt es noch freie Teppichstangen und Ausklopfstellen! Es gehört zum eidgenössischen Selbstverständnis einfach dazu, den eigenen anvertrauten Teppichklopfer für den Ernstfall im heimischen Schrank verwahrt zu wissen. An dieser Tradition sollte niemand zu rütteln wagen.

  • Hilft eine staatlich Registrierung von Teppichklopfern wirklich gegen Missbrauch?
  • Nein, wir sprechen uns gegen eine solche Massnahme aus. Sie würden nur einen hohen bürokratischen Aufwand mit entsprechend hohen Kosten bedeuten ohne wirklich das damit verbundene Ziel, nämlich die missbräuchliche Verwendung von Teppichklopfern zu verhindern, garantieren zu können. Über die genau Zahl der in allen Schweizer Haushalten existierenden Teppichklopfer gibt es daher nur wage Vermutungen, und das ist gut so, denn so bleiben der ärgsten Gegner der eidgenössischen Reinigungstradition im Ungewissen.

  • Nachsatz
  • Der obige Artikel ist reine Fiktion. In der Wirklichkeit hat sich das Prinzip des Teppichklopfens schon längst überlebt. Heute werden Teppichklopfer nur noch von Sammlern aus nostalgischen Gründen erworben und dienen als Wandschmuck und als Erinnerungsstück an eine längst vergangene Zeit. In Österreich ist der Teppichklopfer oder Ausklopfer übrigens auch als „Pracker“ bekannt. Wikipedia meint:

    In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geriet der Teppichklopfer zunehmend aus der Mode, da das Reinigen des Teppichs mittels Staubsauger einfacher vonstatten geht. Teppichklopfer sind somit nur noch in Fachgeschäften erhältlich, und auch die Teppichstangen sind in neueren Wohnvierteln nicht mehr installiert
    (Quelle Wikipedia)

    So kann es gehen mit alten Traditionen. Manchmal verschwinden sie einfach von selbst. Manchmal.

    Wo der Eindruck durchzogen und das Wetter nie durchwachsen ist

    Januar 10th, 2007
  • Was alles durchgezogen wird
  • Das kleine Wörtchen „durchziehen“ oder „durchgezogen“ lässt sich vielseitig verwenden. Für die Truppen Napoleons auf dem Weg von Frankreich in Richtung Österreich durch die Schweiz ebenso wie für eine grobe Handlung, die einfach „durchgezogen“ wird, ohne Rücksicht auf Verluste. Etwas so durchzuziehen lässt auf Tatkraft und Entschlussfähigkeit schliessen. Das Ergebnis ist in jedem Fall positiv zu werten.

    Lässt man nun das Binnen-„ge“ wegfallen, wird aus „durchgezogen“ das Adjektiv „durchzogen“. Ein Wort, dass in der Schweiz besonders beliebt ist in Zusammenhang mit Leistungen oder Eindrücken, aber auch sonst einer ganzen Reihe von Dingen. So lasen wir in 20Minuten:

    Doch während Andrea Jansen – im Vergleich zu ihrer Vorgängerin Nina Havel war sie ein einziger Lichtblick – die Eröffnungsshow von «MusicStar» solide moderierte, hinterliess ihr Kollege Max Loong am Sonntag einen durchzogenen Eindruck.
    (Quelle: 20Min)

    Falls Sie jetzt nicht wissen, wer Andrea Jansen, Nina Havel oder Max Loong sind, so ist das kein Problem. Die Schweizer lernen diese Namen auch ständig neu. Man spricht hierzulande zärtlich von der „Cervelatprominez„, lecker und beliebt wie Salami-Aufschnitt. (Siehe auch: Die Schweiz und ihre Promis).

    Leider haben wir dieses sensationelle Medienereignis nicht live am Fernsehen verfolgen können. Zur Hebung der Einschaltquote wurde erneut der manierliche und für seine höflich-frische Art bekannte Vorzeigedeutsche Detlef D. eingeladen. Nun warten alle darauf, dass er wieder ausrastet und Blick titeln kann: „So nicht, Herr D. wie Deutschland“.
    Detlef D mit Knopf im Ohr
    (Quelle Foto: Detlef D. auf SF)

    Sie wissen nicht genau, wer das ist? Das ist der Typ mit dem Knopf im Ohr, auf dem Foto zu erkennen, für den extra eine Simultanübersetzung Schwiitzerdütsch-Neuhochdeutsch geschaltet wird bei der Sendung. Jedenfalls war dies so bei der letzten Ausgabe von MusicStar, einer Schweizer Casting-Show. Vielleicht hat er ja inzwischen sein Hörverständnis fürs Höchstalemannische genauso trainiert wie die Teilnehmer ihre Choreographie mit ihm.

  • Der durchzogene Eindruck
  • Was uns an dem 20Minuten Zitat sofort ins Auge stach, war der „durchzogene Eindruck“. Was kann alles „durchzogen“ sein? Vor allem Fleisch mit Speck oder feinen Adern. In Deutschland ist es in diesem Fall eher „durchwachsen“:

    durchwạchsen; [mit Fleisch] durchwachsener Speck; [mit Speck, Fett] durchwachsenes Fleisch; durchwachsenes (ugs. für abwechselnd besseres u. schlechteres) Wetter; die Stimmung ist durchwachsen (ugs. für nicht besonders gut)
    (Quelle: Duden.de)

    Tatsächlich gelten die Wörter „durchwachsen“ und „durchzogen“ als Teilsynonyme. Das Variantenwörterbuch sagt deutlich:

    „durchwachsen, durchzogen, durchsetzt (z. B. Fleisch von Fett) sind gemeindeutsch“ (S. 195)

    Aber ganz so einfach ist das nicht mit diesen Wörtern, denn die Kombination von „durchzogen“ mit dem Wort „Eindruck“ findet sich eindeutig nur in Schweizer Quellen:
    Beispiele:

    „Leider nicht, der Film hinterlässt einen durchzogenen Eindruck.“
    (Quelle: outnow.ch)

    Nach Trybuet, das mit einigen guten Songs und viel Mittelmässigem einen durchzogenen Eindruck hinterliess, schaffen die Jungs mit ihrem neuen Album wieder die Wende zum besseren.
    (Quelle: hitparade.ch )

    Insgesamt fanden 34 Belege bei Google-CH. Aber auch andere Dinge können in der Schweiz „durchzogen“ sein, nicht nur die Täler von Bächen:
    Wir fanden:

    Sarah Meier mit durchzogener Darbietung an EM
    (Quelle: SarahMeier.ch)

    Genauso wie den

    Durchzogener Nachmittag in Porrentruy
    (Quelle: tvmuttenz.ch)

    Auch den „durchzogenen Saisonstart“ konnten wir entdecken.

  • Gerne mal was durchziehen
  • Was lernen wir daraus: Die Schweizer ziehen gern mal was durch, und das ist dann sicher immer etwas Positives. In Deutschland durchziehen Fäden den Stoff, oder Bäche die Landschaft, immer im ursprünglichen Sinne und nie so hübsch übertragen wie in der Schweiz. Dafür ist in Deutschland dann alles zum Ausgleich „durchwachsenen“. Insbesondere der Eindruck:

    Wir fanden 134 Mal den „durchwachsene Eindruck“ bei Google-DE

    Das Adjektiv „durchwachsen“ wird überhaupt nur in Deutschland mit einer besonderes negativen Bedeutung verwendet. Unser Variantenwörterbuch beschreibt:

    durchwachsen D adj.: mittelmässig; abwechselnd besser und schlechter: Trotz durchwachsenem Wetter konnten die Trainer … über zwanzig Jugendliche mit ihren Eltern und Geschwister begrüβen (Landshuter Ztg 14.10.1998, 22)

    In der Schweiz kennt man „durchwachsen“ nur beim Speck (131 Stellen Google-CH). Die Formulierung „durchwachsenes Wetter“ findet sich in der Schweiz 10 Mal weniger als in Deutschland (70 Fundstellen bei Google-CH gegenüber 848 Stellen bei Google-DE.)

    Ob sich der Schweizer Schnellsprecher und Wetterman Jörg Kachelmann diese Top-Formulierung auch schon eingeprägt hat?

    Bis zum Gymnasium nur Alemannisch gesprochen — Jugend im Dreiländereck

    Januar 9th, 2007
  • Sylvie aus Fischingen
  • Fischingen ist ein kleiner südbadischer Ort, unweit von Basel am Oberrhein gelegen. In Fischingen wird Alemannisch gesprochen. Sylvie stammt aus Fischingen, sie wuchs dort auf und besuchte dort die Grundschule. Sie erzählte uns, dass in der Grundschule in den Siebzigerjahren ausschliesslich Mundart, also Oberalemannisch gesprochen wurde. Auch von den Lehrern. Geschrieben wurde nicht in dieser Sprache, nur gesprochen. Geschrieben wurde auf Hochdeutsch, aber schon beim Vorlesen der geschriebenen Texte kam die alemannische Aussprach der stimmlosen Konsonanten zum Zuge: „Wir gehen in den Tssooo“ statt „in den Zoo“ mit einem brummenden stimmhaften „Z“ am Anfang.

  • Der Deutschlehrer aus Norddeutschland
  • Der Wechsel auf das nächste humanistische Gymnasium war ein sprachlicher Schock für Sylvie. Plötzlich verlangte der aus Norddeutschland zugezogene Deutschlehrer von ihr, dass sie nur noch Hochdeutsch sprechen sollte. Sie wehrte sich dagegen. Schliesslich war der doch in ihre Heimat gekommen, also sollte er auch ihre Spreche verstehen lernen. Es kam zum Konflikt, Sylvie wollte nicht mehr diese Schule besuchen. Die Eltern wurden angeschrieben und zu einem Gespräch gebeten. Ihre Eltern hatte Sylvie bis zu diesem Zeitpunkt noch nie einen Satz auf Hochdeutsch sprechen hören. Sie bezweifelt bis heute, ob die überhaupt dazu in der Lage wären, etwas nicht auf Alemannisch zu äussern. Aussage des Vaters zum Sprachkonflikt der Tochter mit dem Norddeutschen Lehrer: „Der will dass du nur noch Hochdeutsch redest? Da brauchst Du nicht mehr hin“.

  • Standhaft bleiben an der Uni
  • Sie hat es dann doch gelernt in der Schule, wie eine Fremdsprache, aber stets in der Freizeit und in der Familie weiter Alemannisch gesprochen. Bis zum ersten Tag an der Uni, sie kam zu spät zu ihrer ersten Vorlesung in Freiburg (Breisgau) und fragte ihren Banknachbar leise „Han i scho viel verpasst, i bin zu spoot“, worauf der sich zu ihr rüberbeugt und zurückfragt: „Excuse me, could you repeat your last sentence?“ Es war ein Kommilitone aus Kiel, der kein Wort verstanden hatte.

    Sylvie blieb eisern bei ihrer Sprache. Schliesslich war sie hier zu Hause und die anderen waren ein „Zugezogener“, warum sollte sie sich also anpassen. Konsequent blieb sie beim Oberalemannischen im Gespräch mit allen Kommilitonen des Deutschen Seminars. Die lernten mit ihr aus dem Mittelhochdeutschen ins Neuhocheutsche zu übersetzen, und plötzlich war Sylvie im Vorteil, denn sie wusste sofort was „hôchgezît“ und „büechelîn“ bedeutet, ganz ohne in Lexers Mittelhochdeutsches Wörterbuch nachschlagen zu müssen.

  • Sprechen Sie auch Dialekt?
  • Später lernte sie Gottfried aus Oberfranken kennen. Das liegt im Freistaat Bayern. Auch er hatte sich dafür entschieden, konsequent in allen Gesprächssituationen beim Fränkischen zu bleiben. Es war äusserst interessant, die beiden bei angeregten Fachdiskussionen zu belauschen.

    Den ersten längeren Satz auf Hochdeutsch hörte ich Sylvie in einem Auswahlgespräch für eine Stelle als „assistante de langue“ in Frankreich sagen. Die Interviewer (Studienräte des örtlichen Gymnasiums) überprüften bei uns Germanisten, wie fest wir die „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ der Bundesrepublik verinnerlicht hatten und ob wir auch ein korrektes Deutschlandbild im Nachbarland Frankreich verbreiten würden, selbstverständlich auf Hochdeutsch. Sylvie schlug sich tapfer, ausschliesslich in akzentfreiem Hochdeutsch. Erst bei der Frage: „Ach, Sie sind ja hier aus der Gegend. Könnten Sie denn auch für die französischen Schüler einmal ein Gedicht auf Mundart rezitieren“ konnten wir uns das Lachen fast nicht mehr verkneifen („verheben“ hätte Sylvie jetzt gesagt). Die arme Sylvie hatte sehr konzentriert zwei Stunden Hochdeutsch geredet und wird nun gefragt, ob sie auch was auf Mundart sagen kann! Am liebsten hätte sie ja das ganze Gespräch so geführt, aber soviel Sprachverständnis war von den süddeutschen Studienräten nicht zu erwarten. Dialekt ist Privatsache und gehört nicht in einen offiziellen Rahmen, schon gar nicht an eine Schule. Nur in der Unterrichtseinheit „Mittelhochdeutsch“ ist das laut Lehrplan in der 11. Klasse erlaubt. Ausser man lebt in der Landeshauptstadt Stuttgart und gehört zu den „Honorationsschwaben“.

  • Muettersproch in der Familie, Hochdeutsch im Alltag
  • Heute sprich Sylvie im Alltag bei der Arbeit fast nur noch Hochdeutsch. Sie lebt in München (nein, nicht mit Gottfried) und erzieht ihre Kinder selbstverständlich in ihrer alemannischen „Muettersproch“. Von Sylvie erfuhren wir, dass eine ganze Reihe der typisch Schweizerischen Redewendungen auch im Südalemannischen gebraucht werden. „Das Heu auf der gleichen Bühne haben“ kannte sie genauso wie „eine gute Falle machen“.