Grossmehrheitlich im Lande ohne Meer über Meer

Oktober 24th, 2006
  • Grossmehrheitlich ist nicht kleinminderheitlich
  • Dass die Schweiz nicht am Meer liegt, ausser am südlichen Rand des „Schwäbischen Meers“, hatten wir schon erläutert (vgl. Blogwiese). Der Zufall will es, dass es dennoch manchmal hierzulande ein „Mehr“ gibt. Niemals ein Wattenmeer (auch wenn uns Vermicelles immer noch an Wattwürmer erinnern), nicht selten ein Nebelmeer, aber ab und zu ein „Zufallsmehr“. Ist dieses „Mehr“ besonders gross, dann haben die Schweizer dafür auch ein passendes Adjektiv erfunden, welches ab sofort zu unserem neuen Schweizer Lieblingsausdruck aufgestiegen ist (nach „für einmal“ und „erst noch“). Die Rede ist von „grossmehrheitlich“.

    Dieses fantastische Wörtchen ist von grosser Bedeutung in der Schweiz, und „für einmal“ nur in der Schweiz, denn die Beweislage ist eindeutig: Grossmehrheitlich fand sich bei Google-Schweiz sage und schreibe 60.500 Mal und bei Google-DE nur läppische 480 Mal , und dann auch fast nur in Artikeln aus oder über die Schweiz.

  • Wer verwendet es grossmehrheitlich?
  • Bei der Verwendung von „grossmehrheitlich“ findet sich leicht alles was Rang und Namen hat im Schweizer Blätterwald. Die alte Tante NZZ ist dabei:

    Vier Fünftel der unter 25-Jährigen haben auch eine separate Kamera, die – wen erstaunt’s – grossmehrheitlich ein digitales System ist.
    (Quelle: nzz.ch)

    Der Tages-Anzeiger selbstverständlich auch:

    Die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit am 25. September wurde laut der Vox-Analyse grossmehrheitlich von den Anhängerschaften der SP, der CVP und der FDP gutgeheissen.
    (Quelle: tagesanzeiger.ch)

    Und unsere Lieblingsquelle, die Homepage der Schweizer IT-Fachleute und Systemadministratoren, „admin.ch“, deren Nachrichtendienst im viersprachigen Helvetien selbstverständlich „news-service“ heisst, wie sonst:

    In seiner heutigen Sitzung hat er von den grossmehrheitlich positiven Reaktionen Kenntnis genommen.
    (Quelle: news-service.admin.ch)

  • Sind grosse Minderheiten immer kleine Mehrheiten
  • Nach soviel „Grossmehrheitlichem“ wollen wir natürlich wissen: Gibt es eigentlich auch kleinmehrheitlich?
    Jawohl, auch das kommt vor. Zwar nicht so häufig, aber wir fanden es doch hoch offiziell in einem Protokoll des Kantonsrats Zürich:

    wenn eine 6-prozentige Steuerfusssenkung und 60 Millionen Franken Einlage in den Strassenfonds beschlossen werden, dann könnten wir uns kleinmehrheitlich diesem Budget anschliessen.
    (Quelle: kantonsrat.zh)

    Eigentlich sollte man das „kleinminderheitlich“ ersatzlos streichen und durch „grossminderheitlich“ ersetzten. Klingt irgendwie viel grösser.

    Die „Kleinminderheit“ haben wir grossmehrheitlich nicht in der Schweiz, es reichte nur für ein „Kleinbasel“

  • Was klein ist muss man grösser machen
  • Klein ist auch das „Klein Matterhorn“. Obwohl wir 3883 Meter über Meer eigentlich für gar nicht so schrecklich klein finden. Es soll endlich ein 4000 Meter hoher Berg werden:

    Über 120 Viertausender gibt es in den Alpen, doch das ist den Schweizern nicht genug. Das 3883 Meter hohe Klein Matterhorn soll ab 2007 durch eine Pyramide mit Restaurant und Übernachtungsmöglichkeiten um 120 Meter „aufgestockt“ werden.
    „Dadurch wird der Berg zum Viertausender“, sagte Eva Flatau von Zermatt Tourismus bei einer Präsentation in Hamburg. Auf der Spitze des Berges seien zwei Aussichtsplattformen geplant, die über Lifte erreichbar sind. Schon jetzt befindet sich auf dem Klein Matterhorn die höchste Aussichtsplattform der Alpen. Sie wird jährlich von rund 500.000 Menschen besucht.
    (Quelle: Spiegel.de)

    Klein Mattern (Foto aus Wikipedia)
    (Quelle Foto Klein Matterhorn: Wikipedia)

    Wir lernen vom Klein Matterhorn, welches irgendwann gross sein wird, dass „gross“ und „klein“ immer nur relative Begriffe sind. Ob „grossmehrheitlich“ besser klingt als „mit grosser Mehrheit“? Auf jeden Fall ist letzte Umschreibung umständlicher, und auf gar keinen Fall extremmundartlich genug in unseren Ohren.

    Heu, Häiw, oder Heuw — Bei Ortsnamen bitte kein Schweizerdeutsch

    Oktober 23rd, 2006
  • Meteo auf Schweizerdeutsch ist in Ordnung
  • Vor einiger Zeit wurde hier auf der Blogwiese die Diskussion geführt, ob die Sendung METEO im Schweizer Fernsehen auf Schweizerdeutsch oder auf Hochdeutsch gesendet werden sollte. Eine grosse Gruppe sprach sich dafür aus, diese Sendung nicht auf Hochdeutsch sondern im heimischen Idiom hören zu wollen. Die wenigen Tessiner oder Westschweizer Zuschauer könnten ja entweder ihre eigenen Landessender über Kabel sehen, oder wie die ausländischen Touristen einfach nur die grafischen Symbole betrachten.

  • Landeskarten in welcher Sprache?
  • Die anregende Diskussion zum Thema „Hochdeutsch im Kindergarten“ zeigte weiterhin, wie emotionsgeladen jeder Bereich verteidigt wird, in dem das Schweizerdeutsche vom Hochdeutschen ersetzt werden soll. Es gibt jedoch einen Bereich in der Schweiz, da empfinden alle einhellig Hochdeutsch als eine ganz prima Sprache, und jede Bestrebung hier Dialekt im grossen Stil einzuführen, stösst auf erbitterten Widerstand. Die Rede ist von der Landeskarten, die Frage der Schreibweise von Flurnamen. So lasen wir in einem Artikel der NZZ vom 24.01.06, S. 13:

    [So] legt das Bundesamt für Landeskarten (Swisstopo) einen Entwurf zu neuen Richtlinien für die Schreibweise der Lokalnamen (Flurnamen) vor. Auf 57 Seiten werden wissenschaftliche Grundsätze und Regeln für die Schreibweise von Lokalnamen in der Schweiz, sogenannte «Toponymische Richtlinien», aufgestellt – und das in einer Rigidität, die an die Mundarttümelei der geistigen Landesverteidigung erinnert. So sollen in Zukunft folgende exotische Namen auf den Landeskarten stehen: Wannili, Bidumji, Glettiritza, Ghöcht, Chäästaal, Frooi Uusicht, Höje Laas, Düüheltor, Sundloue ne, Grüobini, Bir Heejen Schirr, Besch Hieti, Totuflieji.
    (Quelle: lokalnamen.ch)

    Bravo! Wenn schon die Schriftsprache aus dem Alltag verbannen, dann aber auch richtig. Wer braucht denn überhaupt noch Hochdeutsch? Wer „Wulche“ und „Ragge“ versteht, der kommt auch mit diesem Lieblingszitat unserer Schwester im Geiste, Frau Eichenberger-Reichmuth zu Rande:

    Deet, wotzunä tuät fürägüxlä, ischäs mäischtsunnig. Ond übrau viumiudr, wenns mitem näbu de nit chewtr wiird. Metem hööätüüf öberde naupä.
    (vgl. Blogwiese)

    Bei Meteo muss man das ja nicht lesen, sondern nur hören. Und beim Verstehen helfen uns die kleinen hübschen Piktogramme auf der Wetterkarte. Gegen die Schweizerdeutsche Schreibung von Flurnamen hingegen regt sich Widerstand:

    Was soll nun der einfache Kartenbenützer, was soll der Tessiner und Westschweizer mit diesen unlesbaren Namen auf den Landeskarten und Plänen anfangen?
    Die Geschichte scheint sich zu wiederholen. 1947 entfachte sich ein Streit zwischen dem Linguisten der Landestopografie und Sprachwissenschaftlern und Kartographen. Die Landestopografie entwarf 1947 – ähnlich wie nun 2005 wieder – Richtlinien, wonach auf Landeskarten und Grundbuchplänen die lokalen Namen (Flurnamen) in extremmundartlicher Schreibung erscheinen sollten, das heisst, die Namen sollten so geschrieben werden, wie sie am entsprechenden Ort gesprochen werden.

  • Sprechen Sie auch extremmundartlich?
  • Den Ausdruck „extremmundartliche Schreibung“ müssen wir uns merken. Ob es auch eine „extremmundartliche Sprechweise“ gibt? Wir werden demnächst unser Schweizer Gegenüber bitten, weniger „extremmundartlich“ zu sprechen, und drauf aufpassen, wie die extreme Reaktion ausfällt.

    Diese starke dialektale Ausprägung des Regionalen hätte aus den Landeskarten sozusagen einen Dialektatlas mit mundartlichen Varianten gemacht. Allein im kleinen Kanton Obwalden wären so oft drei bis vier Schreibweisen (Heu, Häiw, Heuw) auf Karten zu schreiben.

    Na und? Endlich wird mal die Vielfalt der Schweizer Dialekte gehörig gewürdigt? Begeben Sie sich am nächsten Herbstsonntag auf eine Wanderung durch den Kanton Obwalden und lernen Sie Dialektologie hautnah und lebensecht kennen! Sie brauchen nur eine dieser aktualisierten Karten.

    Gegen ein solch dialektales Experimentierfeld erhoben schon 1947 bedeutende Linguisten und Kartographen Einspruch. So schrieb der bedeutende Kartograph und ETH-Professor Eduard Imhof an den Direktor der Eidgenössischen «Die Meinungsverschiedenheiten beziehen sich auf die Grenzzone zwischen mundartlicher Schreibung und schriftlichem Sprachgebrauch. Man darf sich über gewisse feste, allgemein vertraute Schreibgebräuche und über den Hauptzweck der Pläne und Karten nicht hinwegsetzen. Dieser Hauptzweck ist die Orientierung. Das Haupterfordernis ist möglichst leichte, allgemeine Lesbarkeit, und zwar nicht nur durch Ortsansässige, sondern in erster Linie auch durch Ortsfremde. Die allgemeine Schreibgewohnheit, die leichtere und allgemeine Verständlichkeit muss höher bewertet werden als sprachliche Einheitlichkeit, sprachliche Ästhetik und wissenschaftliche Einsicht.»

    Warum diese Erkenntnis sich lediglich auf die Flurnamen und Karten erstreckt, bleibt uns ein Rätsel. Rücksicht auf Ortsfremde, Lesbarkeit, Verständlichkeit — Beim Thema „Förderung der Hochdeutsch-Fähigkeit“ wurden diese Argumente nie angeführt. Da gilt es sich zu integrieren, einen Kurs zu besuchen, und so schnell wie möglich Schwiizertüütsch verstehen zu lernen, alles ganz ausser Frage.
    Der Beobachter schreibt:

    «Flurnamen leben in und aus dem Dialekt, darum müssen wir sie in der Mundart schreiben», beharrt Sprachwissenschaftler Erich Blatter. Sprichts und schickt sich an, mit neuen Richtlinien und einer Vernehmlassung der 60-jährigen Laissez-faire-Praxis Paroli zu bieten. Harmonisierung heisst das Zauberwort, und «Schreib, wie du hörst und sprichst» lautet das Motto.

    So wie wir es von den E-Mails der Schweizer Jugendlichen kennen, aus der SMS-Kommunikation und auch aus immer mehr Blogs.

    (…) Hochdeutsch? Spricht keiner. Also weg mit der Teufelsküche, her mit der Tüüfels-Chuchi. Dialektnah, wie es sich gehört. Kein Problem, was die Landeskarten betrifft: Sie werden alle sechs Jahre nachgeführt. «Und die Wanderwegweiser, Bergkarten, Tourismusführer und Interneteinträge», hakt Martin Schlatter abermals ein. «Bis die angepasst sind, dauert es Jahrzehnte und kostet Unsummen.»

  • Probleme gibt es bei der Verschriftung kaum. Oder doch?
  • Nicht nur dem Hochdeutschen geht es an den Kragen. Selbst an der regionalen Mundart wird gefeilt. In den Kantonen, in denen Volkes Mund Bärg sagt statt Berg, soll künftig der Bärg auch auf der Karte stehen. Bloss: Wie Volk selber hört, dass es spricht, die Experten ihrerseits aber meinen zu wissen, wie es korrekt sprechen und damit auch schreiben soll – das sind nicht selten zwei Paar Schuhe. (…)
    Mehr Harmonie sollen die neuen Richtlinien doch schaffen. Wie bloss, wenn selbst aus dem gewohnten «Hochbüel» ein «Hoochbüül», das «Rifeld» zum «Riifäld» und die «Lehmgrueb» zur «Laagrueb» werden muss? Dann ist es mit der Einsicht der Ortsansässigen in Sachen Erhalt des Kulturguts schnell vorbei.
    (Quelle: Beobachter 23/05, zitiert nach lokalnamen.ch)

    Das Umstellen der Karten kostet Geld. Die Lesbarkeit und Verwendbarkeit für Ortsfremde sollte das geringere Problem sein. Die könnten ja
    1.) endlich mal den lokalen Dialekt anständig lernen, wenn Sie hier schon Urlaub machen wollen und
    2.) alle paar Jahre eine neue Karte oder einen neuen Reiseführer kaufen, um die Binnennachfrage zu beleben.

  • Wer gefunden werden will, soll gefälligst einen Kurs machen
  • Aber es gibt noch ein drittes Argument, welches gegen die Veränderung der Flurnamen spricht:

    Robert Frey ist bei all dem gar nicht zum Lachen. Der Projektkoordinator bei Schutz & Rettung Zürich sieht das neue Regelwerk skeptisch. Der Rettungsdienst stützt sich auf die Namensdatenbank von Swisstopo, die – regelmässig aktualisiert – den neuen Richtlinien folgen soll. «Für uns ist jede Minute kostbar», sagt Frey. «Müssen wir lange nach korrekten Ortsangaben recherchieren, kann das gefährlich sein.» Was aber, wenn sich der Verunfallte erinnert, dass auf dem Wegweiser «Beim Babental» stand, die Datenbank aber nur noch die Form «Boobedel» kennt?

    Sollte das wirklich ein so grosse Rolle spielen? Wer mit dem Handy unterwegs den Rettungsdienst alarmiert, der soll gefälligst zuvor den ortstypischen Dialekt gelernt haben, sonst ist es nix mit Rettung. Deswegen nun Hochdeutsch bei Ortsnamen beibehalten? Nein, das braucht es wirklich nicht. Ausserdem sind Handys heutzutage sowieso leicht zu orten.

  • Wird das wirklich kommen? Aber sicher doch…
  • Die Sachlage hat sich seit dem Erscheinen der Artikel im Beobachter und in der NZU leicht geändert. Die swisstopo hat die „Toponymischen Richtlinien“ von 2005 im Mai 2006 ersetzt durch den „Leitfaden Toponymie 2006“, welcher zwar etwas weniger schlimm ist wie die „Toponymischen Richtlinien“, „Bärg“ (wo so gesprochen wird) wird immer noch propagiert anstelle immer „Berg“ zu schreiben. Den weiterern Verlauf der spannenden Diskussion kann jeder bei lokalnamen.ch verfolgen. Paul Märki fasst dort am 06.08.06 die momentane Situation so zusammen:

    Das Bundesamt stützt sich in diesen Richtlinien (2005 und 2006) ausschliesslich auf sprachwissenschaftliche Überlegungen und blendet nach meiner Meinung die zahlreichen praktischen Probleme aus. Die bisherige Schreibweise hat sich mehr oder weniger bewährt. Es geht nun nach meiner Überzeugung nicht darum abzuwägen, ob die revidierte Schreibweise besser ist als die bisherige. Es geht vielmehr darum zu realisieren, dass die fraglichen Vorteile einer revidierten Schreibweise die klaren Nachteile einer jahrzehntelang dauernden Umstellungsphase nicht rechtfertigen. Die Lokalnamen (Flurnamen) auf der Landeskarte und in der Amtlichen Vermessung sind heute in erster Linie eindeutige Lagebezeichnungen und erst in zweiter Linie ein Spiegel der Mundarten. Darum soll die gegenwärtige Schreibweise der Lokalnamen (Flurnamen) unverändert bleiben.
    (Quelle: lokalnamen.ch)

  • Wo geht es hier zur Randesstroos?
  • Die Umstellung ist derzeit im vollen Gange. Der Kanton Schaffhausen hat Schleitheim bereits im Kartenwerk umgestellt. 66% aller Namen mussten angepasst werden. Hier die derzeitige Karte von Schleitheim, der Lendenberg heisst noch Lendenberg.
    Schleitheim bei Swisstopo
    (Quelle: Ortsplan Schleitheim)

    So lasen wir zu Schleitheim SH auf der Geometa.info Seite:

    Änderungen in der Amtlichen Vermessung in der Gemeinde Schleitheim SH
    2002 / 2003 wurden in Schleitheim Kanton Schaffhausen von 315 Lokalnamen deren 209 geändert (66%) vgl. Flurnamenliste. Die Lokalnamen wurden von einer mundartlichen Schreibweise (Weisungen 1948) auf eine lautnahe Mundarschreibweise geändert. Gemäss Leitfaden Toponymie 2006 wäre es wegen der restriktiveren Handhabung von Doppelvokalen möglich, dass sich ca. 30 Lokalnamen weniger ändern würdern (es wären dann insgesamt 179 geänderte Lokalnamen, was 57% aller Namen entspricht)
    72 Veränderungen weglassen stummes –n z.B. Brüelgarten > Brüelgaarte (alle Beispiele)
    34 Veränderungen Schriftsprache -> Mundart z.B. Altes Schulhaus > Aalts Schuelhus (alle Beispiele)
    30 Veränderungen einfacher Vokal -> Doppelvokal z.B. Auhäldeli > Auhääldili (alle Beispiele)
    23 Veränderungen e -> ä z.B. Gähweg > Gääwäg (alle Beispiele)
    50 Veränderungen Diverses z.B. Ischlag > Iischleg (alle Beispiele)

    (Quelle: geometa.info)

  • Vom Pflägheim zum Alprestorã
  • Hier die komplette Flurnamenliste der 2003 beschlossenen Namensänderungen als PDF. Sie sollen auf den nächsten Karten gedruckt werden. Der auf der abgebildeten Karte von Schleitheim gezeigt „Lendenberg“ soll also in der nächsten Fassung zu „Lendebärg“ mutieren. Dann muss auch der „Lendenbergsteig“ zum „Lendebärgstiig“ werden, und die „Lendenbergstrasse“ zur „Lendebärgstroos“. „Under em Lendebärg“ gibt es bereits. Underberg auch, ist lecker.
    Aus Lendenberg wird Lendebärg
    (Quelle neue Flurnamenkarte: museum-schleitheim.ch)

    Hübsche Aufträge für die Hersteller von Strassenschilder und eine Reihe von Adressänderungen wären die praktische Folge. Aber es gibt ja sonst nichts zu tun als Flurnamen anzupassen.

    Auf der Liste der beschlossenen Änderungen steht, dass aus dem Alters- und Pflegeheim ein „Aalters- und Pflägheim“ wird. Wenn das auf der Karte steht und Sie wollen Ihren „Aalten“ oder die Oma im Altersheim besuchen, dann viel Spass beim Suchen.

    Das „Alpenrestaurant Babental“ heisst zukünftig „Alprestorã Boobedel„. Ob da dann noch ein Ausflügler aus dem Schwarzwald hinfindet? Zumindest werden sie endlich begreifen, dass das da ein handfester Nasal am Ende vom „Restorã“ ist. Auf der neuen Karte steht unten links noch „Alprestaurant Babental„, aber es liegt nicht mehr dort im Babental, sondern schon im „Boobedel„, unweit der „Brüggliquäll„, die ganz ungequält dort hervorquellt. Ob der Wirt sich da quergestellt gegen das neue Restorã?
    Babental oder Boobeldel
    (Quelle neue Flurnamenkarte: museum-schleitheim.ch)

    Und ob unser „Bobbele“ Boris Becker vom „Boobeldel“ weiss? Vielleicht tät er ja sonst hierhin umziehen?

  • Wir machen eine Uusbilding
  • Zivilschutzuusbildingszentrum
    (Auszug aus der Flurnamenliste, Original siehe hier)

    Wir hoffen sehr, dass die Bildung im „Zivilschutzuusbildingszentrum“ nicht leiden muss, so lange sie unter Zivilschutz steht.

    Wir können uns nicht sattsehen an dieser fantastischen Karten, müssen unbedingt in nächster Zeit mal eine Wanderung durch diese Gegend einplanen. Zum „Staabruch Harnischbogg“, wo die Stare oder Stars gebrochen werden, zum „Rachistelwääldli“, zum Röötebärg und zum „Randestroossbrunne“, in dem die Randen (Rotebeete in der Schweiz), gewaschen werden? Gelebte Dialektologie an jeder Waldecke, das fängt richtig an Spass zu machen.
    Staabruch und Randestrooss

    Ohne Zweifel — Jetzt kommt Zweifel

    Oktober 20th, 2006
  • Ennet der Grenze wird „eh net“ alles verkauft
  • Wir alle kennen die regelmässigen „Migrationsbewegungen“ der Schweizer am Wochenende über die Grenze ins befreundete „Europäische Ausland“. Der Umsatz, der von allen Supermärkten auf der anderen Seite der Grenze (die Schweizer sagen kurz und präzise „ennet der Grenze“ zu diesem Satzungetüm) gemacht wird, steht bereits seit einiger Zeit an dritter Stelle hinter den Umsätzen von Migros und Coop, und noch vor dem von Denner.

    Doch jetzt kommt der Gegenangriff. „The empire strikes back“, „macht kaputt was euch kaputt macht“, hätte man in den wilden 68ern skandiert.

    Die Rede ist von Zweifel, dem Schweizer Quasi-Monopolisten für die eidgenössisch lizenzierte, subventionierte und durch Schutzzöllen am Leben erhaltene Produktion von Kartoffelchips. Die lässt sogar die grosse Migros für sich von Zweifel produzieren, denn was man nicht nachmachen kann, dass kauft man ein, heisst dort die Devise.

    Zweifel versucht sich auf dem Deutschen Markt und hat das schweizerische Grüezi und die Schweizerflagge gleich mitgebracht:
    Zweifel in Deutschland
    Foto: Was ist das da für ein weisses Ding auf dieser Flagge?

  • Weg mit Hammer&Zirkel, her mit dem Schweizerkreuz
  • Ist es nicht genial? Und wie vortrefflich sich das weisse Schweizerkreuz in den roten „Blut-Balken“ der Schwarz-Rot-Goldenen Flagge schmiegt! Als ob es nie woanders zu Hause gewesen wäre. Offiziell wird dieses Rot übrigens „Verkehrsrot“ genannt, vielleicht weil diese Rot bei Unfällen im Verkehr häufig zu sehen ist? Was bedeuten eigentlich diese drei Farben?

    Die Farbzusammenstellung ergibt sich aus einem (historisch verbürgten) Ausspruch in den Befreiungskriegen:
    Aus der Schwärze (schwarz) der Knechtschaft durch blutige (rot) Schlachten ans goldene (gold) Licht der Freiheit.
    (Quelle: Wikipedia)

    Können wir auch heute gut nachvollziehen, da blutige Schlachten täglich auf den Autobahnen ausgefochten werden.

  • Was könnte man als Werbegimmik in die Packung legen?
  • Wir finden es klasse, was Zweifel da unternimmt, und drücken den Herstellern alle vorhandenen Daumen für den Erfolg im Chio-Chips Land. Vielleicht sollten Sie auf die Packung noch Gutscheine verstecken, für eine Grundkurs Schweizerdeutsch an der Clubschule Migros in Zürich, oder Coupons für die Teilnahme an der Verlosung von 100 permanenten C-Bewilligungen für die Schweiz. Als Hauptpreis vielleicht das Heimatrecht in einer Gemeinde ihrer Wahl plus einem hübschen druckfrischen Schweizerpass? Das würde den Absatz sicher steigern helfen.

    Die Deutschen sind neugierige Konsumenten von Chips, ich habe da keine Zweifel. Ob sie auf die Dauer das hübsche weisse Kreuz auf ihrer Flagge akzeptieren, nach dem dort vor ein paar Jahren erst Hammer & Zirkel raus und der Adler reinmontiert worden sind, gilt abzuwarten. Wahrscheinlich halten sie es sowieso für einen Flagge vom Internationalen Roten Kreuz. Rot und Weiss und Kreuz, wir kennen das ja zu genüge (vgl. Blogwiese).

    Und wenn die Schweizer am Wochenende im „befreundeten Ausland“, zufällig wie immer bei der Warenkontrolle und beim „Einkauf minderer Qualität“ bei Aldi anzutreffen, freuen sich sicherlich, jetzt völlig subventionsfrei und höchstwahrscheinlich billiger die beliebten Zweifel-Chips einkaufen zu können. Und „erst noch“ mit Mehrwertsteuerrückerstattung. Später dann nicht mehr.

    Warum nicht eine „SwissLib“? — Neue Namen für eidgenössische Einrichtungen

    Oktober 19th, 2006
  • Die Franzosen machen es sich einfach
  • In Frankreich bekommt jede staatliche Institution den Namen „de France“, wie wir durch Massimo Rocchi lernen durften. So heisst die Nationalelf „équipe de France“, die staatlichen Wasserwerke „eau de France“, die Gaswerke „gaz de France„, die Elektrizitätswerke „électricité de France“ = EDF und so auch folgerichtig das Fussballstadion in Paris „stade de France“. Es war Vorbild für den Benennung des neuen Stadions in Bern als „Stade de Suisse Wankdorf“. Ganz neu ist diese Methode nicht, wir kennen sie bereits von „idée suisse“ als Namen für die Rundfunkanstalten (vgl. Blogwiese) .

    Sonst heisst die Regel in der Schweiz: Wenn es keinen einfachen französischen Namen gibt, mit dem alle gut leben können, dann nehme man im Zweifelsfall immer eine englische Bezeichnung. So kannten wir bisher:

    Swissmint (keine Kaugummiproduktion sondern eine Münzstätte)

    Swisstopo (keine Lottoannahmestelle sondern das Bundesamt für Landestopographie)

    Meteoswiss (der bekannte 26sprachige Wetterdienst)

    SwissMedics (Nicht der Interessenverband für die schrumpfende Anzahl Schweizer Ärzte gegen die massiv anwachsende teutonische Ärzteschaft, sondern eine Medikamentenkontrollstelle)

    HoppSwiss: Die Interessensvereinigung Schweizer Stabhoch- und Hochspringer, nicht zu verwechseln mit „HopeSwiss“ = Das Portal der Hoffnung, auch für Schweizer (www.HopeSwiss.ch ist tatsächlich noch zu haben!)

    SwissRe: Interessensvereinigung der rückkehrwilligen Auslandsschweizer

    Nun hörten wir, dass die „Schweizerische Landesbibliothek“ umgetauft werden soll.

  • Wie nennt man eine Bibliothek?
  • In Frankreich stand man vor einigen Jahren vor einem ähnlichen Problem. Die gewaltige neu gebaute Universitätsbibliothek in Paris, ein Lieblingsprojekt von François Mitterand, der auch seinen Namen dafür zur Verfügung stellte, brauchte einen weiteren, griffigen Namen und wurde darum kurz und einfach „Bibliothèque nationale de France“ genannt. Kurz BnF, denn „doppelt gemoppelt“ hält besser. Zu „nationale“ gehört halt immer noch „de France“, denn es könnte ja sonst jemand diese Bibliothek einer anderen Nation zuordnen, nehmen wir an.

  • Viele Namen sind besser als einer
  • Dieser Pleonasmus liesse sich wunderbar auch in der Schweiz verwenden: Bibliothèque nationale de Suisse. Neu soll sie jedoch nur „Schweizerische Nationalbibliothek“ heissen, um sich an internationale Gepflogenheiten anzupassen. Auf Französisch heisst sie bereits heute Bibliothèque nationale suisse BN, auf Italienisch Biblioteca nazionale svizzera BN und auf die räto-romanisch Version wurde zu Gunsten der Englischen Version Swiss National Library SNL verzichtet, jedenfalls auf der Webseite. Biblioteca naziunala svizra (BN) wäre es sonst.

  • Warum nicht SwissLib?
  • Wir finden das alles viel zu sperrig und zu umständlich. Warum so viele Namen verwenden, wenn es ein griffiges „SwissLib“ auch täte? Oder ist diese Bezeichnung etwa schon von der föderalen Vereinigung Schweizer Liberale, den „Freisinnigen“, die nicht frei von Sinnen sind, gebucht? Nein, die heissen anders, aber „Swisslib“ ist schon vergeben als Bezeichnung einer mehrsprachigen Mailing-Liste die sich in ihrer Charta so definiert:

    Public
    Cette liste de discussion s’adresse à tous les spécialistes en information documentaire, qu’ils soient bibliothécaires, documentalistes ou archivistes, exerçant leur profession en Suisse. Les professionnels travaillant hors de Suisse sont bien entendu les bienvenus !
    Langue
    Les langues utilisées sur cette liste peuvent être indifféremment le français, l’allemand, l’italien ou l’anglais.
    (Quelle: )

    Es gibt diese Charta auch auf Deutsch, ganz klar. Wenn Sie nun versuchen, die deutsche Übersetzung zu finden, steht auf dieser Seite

    „Übersetzung folgt so rasch wie möglich“

    Also bleiben wir bei SNL und BN und SNB für Schweizer Nationalbibliothek. Die Schweizer Nationalbank SNB wird damit sicher kein Problem haben. „SB“ sollte man die Bibliothek lieber nicht nennen, denn das steht schon für „Selbst Bedienung“, und dann wären irgendwann keine Bücher mehr im Haus. Die Schildermaler werden es uns danken, wenn wie auch in Zukunft mehr zu schreiben haben als nur einen Namen.

    Noch ein paar highlights im Swiss-Land Schweiz:

    SwissAward:

    (…) ein Preis, der herausragende Persönlichkeiten auszeichnet, die durch Mut, Innovation, Kreativität oder Eigenwilligkeit in der Schweiz positiv aufgefallen sind.

    Warum gibt es nur extra einen Preis für sowas? Will man damit vielleicht einen Anreiz schaffen, weil da was fehlt?

    SwissMem: Das sind nicht die Schweizer Meisterschaft im Memory-Spielen sondern der Verband der schweizerischen Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie)

    SwissLife: Schweizer Rettungsschwimmerverband

    Swisscontrol:
    Die fanden den Namen zu unhandlich und haben ihn gleich eingedeutscht in „Skyguide“.

    Und zum Schluss der unvollständigen Liste:
    Swissgrid: Nicht mit „SwissGrips“ zu verwechseln, den gibt es noch nicht auf Denglisch . Swissgrid steht für die Schweizer Landeskoordinaten.

  • Doch kein „Federal Executive Commttee“ als Bundesrat?
  • Nachsatz:
    Auf diese wunderbare Quelle wurden wir erst durch den Kommentar von Bürli aufmerksam:

    Keine englischen Namen mehr
    Neben der Vereinheitlichung hat die Arbeitsgruppe vor allem die Anglizismen der Bundesämter im Visier. So nennt sich das Bundesamt für Polizei nun Fedpol, die Eidgenössische Münzstätte heisst Swissmint, und das Bundesamt für Landestopografie liess sich in Swisstopo umtaufen.
    Künftig sollen solche Kreationen nicht mehr möglich sein. Darüber hinaus prüft die Arbeitsgruppe, das eine oder andere Amt zur Aufgabe des trendigen Namens zu bewegen. Das verlangt auch ein parlamentarischer Vorstoss von SP-Nationalrat Didier Berberat, der vom Nationalrat oppositionslos angenommen wurde. Nur so lasse sich vermeiden, glaubt Berberat, dass der Bundesrat demnächst «Federal Executive Committee» heisse.

    Die Landesregierung lässt sich den Frühlingsputz 25 Millionen Franken kosten – inklusive neues Briefpapier und der Überarbeitung der Internetauftritte. Langfristig dürfte sich die Vereinheitlichung allerdings auszahlen, indem nicht mehr jeder Amtsdirektor peppige Namen und fantasievolle Logos ausarbeiten lassen darf. So kann der Bund Jahr für Jahr sieben Millionen Franken sparen.
    (Quelle: tagi.ch)

    Über die unfreiwilligen Haustiere der Schweizer — einen Aff haben

    Oktober 18th, 2006
  • Wenn der Kater zum Affen mutiert
  • Wir erhielten eine E-Mail mit folgendem Satz:

    (…) ging ich ins Au Premier und hatte ein Fondue zum Nachtessen, nur der Fendant hatte Zapfen. Anschliessend hatte ich einen Aff.

    Zugegeben, der Satz war künstlich zusammengestellt aus Helvetismen um unser Sprachvermögen zu testen. Und tatsächlich, da war plötzlich ein Tier aufgetaucht, das wir so noch nicht kannten in der Schweiz: Den „Aff“. Na klar, das ist ein Affe, dem ist nur der Endungsvokal abhanden gekommen.

    Diese Art der Kurzfassung ist weltweit beliebt. „Ich hab dich gern“ statt „ich habe dich gern“. In der Arabischen Sprache nennt man dieses Weglassen der Endungsvokale beim Sprechen übrigens „Pausa-Sprechen“, geschrieben werden Vokale sowieso nicht, nur im Koran oder um Zweifelsfällen zu vermeiden ist es üblich, mit Vokalzeichen anzudeuten, ob ein „u“, „i“ oder „a“ gemeint ist. Ein „o“ oder „e“ haben die Araber in der Schrift nicht. Mohammed ist heisst eigentlich Muhammad. Die Schweizer sprechen auch gern Pausa und schlucken nicht nur den Endungsvokal, sondern noch eine ganze Menge Flüssigkeit dabei.

    Unser Mailschreiber hatte also nach dem Genuss eines Fendants mit Zapfen (vgl. Blogwiese) plötzlich ein Haustier, ein exotisches noch dazu, nämlich einen Affen.
    Haben Sie auch einen Affen?
    (Foto hotzeltopf.de)

    Ganz so verbreitet scheint dieses Schweizer Haustier dann doch nicht zu sein, jedenfalls nicht in verschrifteter Form. Ein Ironie liebender Schweizer mit deutlichem Mundaufsperr-Syndrom schrieb:

    Aber ich hatte nach einer halben Flasche Bauchweh 🙂 Mein „Freund“, ( 🙂 ) würde ich mal sagen, da ich es nicht genau wusste, hatte bestimmt einen „Aff“ 🙂 Der trinkt so viel…
    (Quelle: Kidscat.ch)

    Später erfuhren wir noch diese Geschichte per Mail:

    Als [meine Frau] klein war, wurde regelmässig gesagt, dass der Nachbar letzte Nacht wieder mit einem Aff nach Hause gekommen sei. Da haben die Kinder, wenn die Wohnungstüre der Nachbarwohnung mal offen war, schnell hineingeschaut, ob ein Affe drin sei…

    So langsam ahnten wir, was es mit dem „Affen haben“ bei den Schweizer so auf sich hat. Und letzte Gewissheit verschafft uns das vielseitige Züri-Slängikon beim Stichwort „betrunken sein

    eine sitze haa, eis a de Fichte ha, eis am Sänder ha, eis am Sänder haa, eis am Tee haa, en Aff, en Atomsiech, en Balari haa, en Balloon haa, en Hammer, en Knick i de Optik, en Lumpe im Gsicht ha
    (Quelle: zuri.net)

    Da war er, der Aff, haben Sie ihn gesehen? Zwischen Tee, Ballon und Hammer versteckt.
    Es findet sich diese Redewendung zur Bestätigung auch ganz offiziell auf Dialektwoerter.ch

    (en) Aff ha = betrunken sein
    (Quelle: dialektwoerter.ch)

    Was folgern wir daraus? Die Kater in der Schweiz, die fangen ganz klein an als Affen, und mutieren dann in der Nacht still und heimlich vor sich hin zu männlichen Katzen. Oder sie verschwinden ganz.