Wenn es in der Schweiz zu eng wird — Warum geht ein Schweizer fort?

Juni 30th, 2006
  • Wenn es in der Schweiz zu eng wird
  • Die Schweiz ist momentan ein Einwanderungsland. Die wachsende Zahl von gut ausgebildeten Facharbeiten und Hochschulabsolventen, die zur Zeit aus Deutschland in die Schweiz strömt und für länger zu bleiben gedenkt, verstärkt diesen Eindruck. Die Vorzüge der Schweiz dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht für alle Schweizer dieses Land das Land ihrer Träume ist. Uns erzählten wiederholt Schweizerinnen und Schweizer, die wir schon in Deutschland kennen gelernt hatten, dass es ihnen irgendwann zu eng und zu „bünzlig“ wurde in ihrer Heimat. Wenn jeder im Dorf dich kennt, wenn jeder deiner Schritt überwacht wird, wenn Du das Gefühl hast, stets Rechenschaft über dein Tun ablegen zu müssen, dann wird es Zeit, sich im Norden umzusehen.

  • Das Schwabenland ist fast noch Schweiz
  • So erzählte uns Susann aus dem Aargau, die seit mehr als 20 Jahren in Deutschland lebt und mit einem Deutschen verheiratet ist, dass sie es einfach nicht mehr aushielt unter dem Anforderungsdruck der Schweizer Umgebung. Sie fühle sich in Deutschland freier, weniger beobachtet, auch durch die grössere Anonymität, die sie als positiv empfindet. Sie ging nach Stuttgart, denn dort sieht es immer noch ein bisschen hügelig aus wie im Aargau, und der schwäbische Dialekt ist auch nicht so weit entfernt vom Hochalemannisch. Heute spricht sie nur noch Hochdeutsch, obwohl sie in Süddeutschland lebt, und hat sich geistig völlig abgenabelt von ihrer Schweizer Vergangenheit.

    Oder Cornelia, von der wir erst kurz vor dem Umzug in die Schweiz erfuhren, dass sie eine waschechte Schweizerin ist und seit 15 Jahren in Deutschland lebt. Sprachlich perfekt getarnt, von einer Deutschen nicht mehr zu unterscheiden. Nie hat sie erlebt, dass man sie als „Kuhschweizerin“ belächelte.

    Erst ist es ein Urlaub in Deutschland, dann ein Studium, schliesslich die Liebe oder die grösseren Chancen auf freie Selbstverwirklichung, die diese Auslandschweizer in Scharen nach Deutschland treibt.

  • Zurückkehren und den Lebenspartner aus der Ferne mitbringen
  • Die offizielle Zahl von 71.115 Schweizern in Deutschland muss in Relation gesehen werden zu den nur 5.6 Millionen Schweizern in der Schweiz. Die andern 1.8 Millionen Einwohner kommen aus der ganzen Welt in die Schweiz, und sie leben weiss Gott nicht isoliert in irgendwelchen eigenen Vierteln sondern sind eng verzahnt mit der Schweizer Gesellschaft, verheiratet mit Schweizerinnen und Schweizer:

    Die Hälfte aller in der Schweiz geschlossenen Ehen sind binational!
    Die Erhebungen des Bundesamtes für Statistik zeigen: Im Jahr 2003 waren annähernd die Hälfte (49%) der in der Schweiz geschlossenen Ehen binational. Im Ausland geschlossene Ehen sind nicht mitberücksichtigt. Binationale Partnerschaften sind ein wichtiger gesellschaftlicher Faktor geworden und mit der zunehmenden Globalisierung wird ihre Zahl weiter ansteigen.

    Die 49% binationale Eheschliessungen unterteilen sich wie folgt:
    Schweizer heiratet Ausländerin = 20%
    Schweizerin heiratet Ausländer = 16%
    Ausländerin heiratet Ausländer = 13%
    (Quelle: binational.ch)

  • Wen heiraten die Schweizer Frauen und Männer?
  • Schweizer Männer heiraten laut Statistik (2003) vorwiegend Frauen aus Thailand, Deutschland, Brasilien, Italien und Frankreich. Schweizer Frauen dagegen heiraten am häufigsten Männer aus Italien, Deutschland, Türkei, Serbien/Montenegro und Frankreich.
    (Quelle: binationale.ch)

  • Literarische Auslandschweizer
  • Dann gibt es die temporären Auslandsschweizer, für die Gottfried Kellers „Grüner Heinrich“ der Urahne in der Literatur darstellt. Fortgehen um wiederzukehren und zu wissen, was sie hier schätzen. Der Churer Schriftsteller Silvio Huonder machte einen solchen Schweizer zur Hauptperson seines wundervollen Heimkehrerromans „Adalina“, der uns erzählt, wie der Protagonist eines Nachts mit dem Zug aus Berlin in seinem Heimatort in den Bergen ankommt und dort seiner Jugendliebe begegnet.
    Adalina von Silvio Huonder

    Wir trafen häufig Schweizer, die es ebenfalls irgendwann fortgezogen hat aus der Heimat, häufig nach Südamerika, den USA oder sogar Australien. Die dort ein paar Monate oder länger blieben, sich verliebten und mit ihrem späteren Partner oder Partnerin in die Schweiz zurückkehrten.

  • Geheimcode Schweizerdeutsch
  • Wir vermuten, dass die kleine Schweiz für Heranwachsende nicht immer den glücklichsten Ort auf Erden repräsentiert, und dass diese Denke hier ausgeprägter vorhanden ist als in Deutschland. Diejenigen Schweizer, die dann Heimweh kriegen in Oldenburg oder Hamburg, schauen mit Hilfe des von der Schweizer Botschaft erhaltenen Decoderschlüssels einfach eine Weile Schweizer Fernsehen, das verschlüsselt über Satellit ausgestrahlt wird, damit nicht zu viele Deutsche den Geheimcode Schweizerdeutsch verstehen lernen. Dann legt sich das mit der Sehnsucht nach der Heimat gleich wieder, sagte uns eine Auslandsschweizerin.

  • Die Schweizer Krankheit
  • Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, dass „Heimweh“ als Schweizer Entdeckung gilt:

    Heimweh:
    Das Krankheitsbild der „Nostalgia“ (griechisch: νόστος: Rückkehr und άλγος: Traurigkeit, Schmerz, Leiden) wurde unter diesem Namen im Jahre 1688 von einem Arzt Johannes Hofer in Basel zuerst beschrieben. Man kennt es daher auch heute noch unter der Bezeichnung Schweizer Krankheit. Es handelte sich bereits damals um eine durch unbefriedigte Sehnsucht nach der Heimat begründete Melancholie oder Monomanie, welche eine bedeutende Zerrüttung der körperlichen Gesundheit, Entkräftung, Abzehrung, Fieber und gar den Tod zur Folge hat. In Frankreich war es bis über die Mitte des 18. Jahrhunderts hinaus bei Todesstrafe verboten, den sogenannten „Kuhreihen“, eine bekannte Hirtenmusik („Chue-Reyen“, „Renz des Vaches“) zu singen oder zu pfeifen, weil die schweizerischen Soldaten durch das Hören desselben haufenweise in Heimweh verfielen, desertierten oder starben.
    (Quelle: Wikipedia)

    Spannender Hintergrundartikel zum Thema „Die Schweizerkrankheit“ hier.

    Der Begriff schaffte es auch in die Sendung „Genial Daneben“ bei SAT1, und konnte dort nicht erraten werden. Was lernen wir daraus? Falls Sie im Ausland leben, nicht Schweizer sind, und Ihnen der Kuhglocken schwingende Arbeitskollege
    T-Shirt mit Schweizerkreuz
    (Foto: shoppingland.ch)
    im roten T-Shirt mit weissem Kreuz drauf gerade gehörig auf den Geist geht, einfach diese Hirtenmusik pfeifen, und schon desertiert er oder stirbt.

  • Die Flagge bleibt
  • Und wenn Sie sich gefragt haben, warum nach dem traurigen Ausscheiden der Schweiz aus der Fifa-WM immer noch überall die Flaggen und T-Shirts zu sehen sind, dann schauen Sie einfach mal auf den Kalender. Bald ist Weihnachten der 1. August! Solange wird jetzt kein T-Shirt gewaschen und keine Flagge eingeholt, wäre ja wohl gelacht. Eigentlich könnte sie bis zur EM im Sommer 2008 hängen bleiben, sind ja grad noch 23 Monate oder so.

    Warum die Deutschen kein Leitungswasser trinken — Ein Erklärungsversuch

    Juni 29th, 2006
  • Kein Leitungswasser im Deutschen Restaurant
  • Wer gern in Frankreich oder Spanien Urlaub macht, wird es gewohnt sein (Schweizer Leser dürfen es auch „sich“ gewohnt sein), dass dort zu jeder Mahlzeit neben dem obligatorischen Weissbrot auch eine Karaffe mit (gekühltem) Leitungswasser auf dem Tisch steht. Gehen Sie in ein französisches Strassencafe und bestellen einen „grand crème“ (Deutscher Jargon: „ön Kaffee Olé„), können Sie den Keller gleichfalls bitten, Ihnen dazu „un verre d’eau“ zu bringen. Versuchen Sie dies einmal in Deutschland. Der Keller wird sie mitleidig anschauen, vermuten, Sie leiden an Kopfweh und möchten ein Aspirin einnehmen, wozu er Ihnen höchstwahrscheinlich ein nur halb bis dreiviertel gefülltes Glas Leitungswasser bringen wird. Bestellen Sie zum Essen einfach nur Wasser, wird es garantiert Mineralwasser in einer Flasche sein, still oder mit Kohlensäure.

    Die Deutschen offerieren äusserst ungern Leitungswasser, schon gar nicht im Restaurant. Am „Offerieren“ merken Sie, das wir schon lange in der Schweiz leben. Ein „Anbieten“ geht uns kaum mehr über die Lippen.

    Es gehört zu den letzten ungelösten Geheimnissen der Deutschen Trinkkultur, warum das so ist. Ob es an der Hitze und den südlichen Temperaturen Frankreichs liegt? Unmöglich, denn in Nordfrankreich ist es im Schnitt sicher kälter als im Süden Deutschlands, und dennoch werden Sie dort stets eine Karaffe Wasser zum Essen serviert bekommen, nicht aber in Bayern oder Schwaben.

  • Ist gekauftes Wasser in Flaschen gesünder?
  • Eine Theorie besagt, dass die Deutschen ihrem eigenen Leitungswasser misstrauen, dass es nicht so gesund sei, wie abgefülltes Wasser zum kaufen. Als die Rohre noch aus Blei bestanden oder ziemlich verrostet waren, hatte diese Skepis ihre Berechtigung. Aber das ist lange vor dem Krieg gewesen. Heute ist es natürlich Quatsch, denn kein Nahrungsmittel wird in Deutschland so ausgiebig und permanent überprüft wie das Hahnenwasser, das dort auch „Kranwasser“ genannt wird

  • Die psychologischen Spätfolgen der Notzeit
  • Eine andere Theorie behauptet, die Deutschen seien heutzutage einfach „zu reich“ um einfach nur Wasser aus der Leitung zu trinken. Es sei ein Überbleibsel aus der Zeit der Not und der Entbehrung, als es kein Fleisch, keine Butter und keinen Kaffee gab. Als nach dem Zweiten Weltkrieg in den Fünfzigern die Versorgung wieder funktionierte, erlebte Deutschland eine beispiellose Fresswelle. Fleischloses Essen oder Margarine statt Butter haftete fortan das Attribut an, „Essen für Notzeiten“ zu sein. Ähnliches gilt für Leitungswasser: Das trinkt man nur wenn man sich gar nichts anderes mehr leisten kann.

  • L’eau gazeuse macht Bauchweh
  • In Frankreich und in der Romandie hält sich hartnäckig das Gerücht, dass man von Mineralwasser MIT Kohlensäure immer starkes Bauchgrimmen bekommt. Sie müssen explizit drauf bestehen, ein Wasser „avec des bulles“ serviert zu bekommen, und man wird Sie als Wunder der Verdauungstechnik bestaunen, wie Sie es schaffen, dieser gefährlichen Bläschen in Ihrem Magen Herr zu werden.

  • Sprudeln tut es in der Schweiz nur im Sprudelbad
  • Eines der hübschesten Sprachmissverständnisse zwischen Deutschen und Schweizern ist das Wort „Sprudel“. Während die Deutschen dies als Synonym für „Mineralwasser mit Kohlensäure“ sehen, denken die Schweizer an Wellness und kitzelnde Luftblässchen am ganzen Körper, wenn sie sich ein „Sprudelbad“ leisten. In Süddeutschland darf man dazu auch „saurer Sprudel“ sagen, weil der ja nicht süss ist, auch wenn er eigentlich nach nichts schmeckt. So nannten wir den früher: „Sprudel ohne Geschmack„.

  • Der Wandel kam mit Sodastream
  • Erst in den letzten 10-12 Jahren, mit dem Aufkommen von preisgünstigen Sodastream „Sprudelmaschinen„, hat sich der Trend in Deutschland ein wenig gewandelt. Es wurde schnell populär, dass man mit dem guten Leitungswasser den Sprudel auch selbst herstellen kann, und sich das Kistenschleppen damit spart. Was jedoch noch lange nicht heisst, dass es jetzt auch Leitungswasser im Restaurant zum Essen gibt.

  • Der Harass ist kein Schäferhund
  • Die Schweizer kaufen ihr Mineralwasser in Kästen, die sie „Harass“ nennen. Deutsche würden bei dieser Bezeichnung eher an einen scharfen Polizeihund denken, und nicht an Leergut. Unser Variantenwörterbuch meint dazu:

    Harass CH der, -es, -e ( aus frz. harasse “ Korb zur Verpackung von Glas“
    1. Kiste AD (ohne nordost) Kasten D „offenes Behältnis aus Kunststoff mit Unterteilung für Transport und Aufbewahrung von Getränkeflaschen: „Ich bin ein richtiger Festbruder… Ich arbeite mit Bier und trinke den Saft auch gern. Bis Mitternacht habe ich einen Harass geschafft (Blick 11.7.1994,8)
    (Quelle: Variantenwörterbuch DeGruyter, S. 332)

    Es gibt auch den Bierharass oder den Getränkeharass
    Bierharasse
    (Foto: schneider-weisse.ch)

    Der Duden führt den Begriff auch als „Lattenkiste“:

    Harass, der; -es, -e [frz. harasse, H. u.] (Fachspr.):
    Lattenkiste, Korb zum Verpacken zerbrechlicher Waren wie Glas, Porzellan:
    Täglich werden 8 000 Harasse Vollgut ausgeliefert, 7 000 Harasse Leergut zurückgenommen (NZZ 25. 10. 86, 38).
    (Quelle: Duden.de)

    Alte Harasse für Coca Cola
    (Foto: route66store.ch)

    Diese Getränkekisten wurden übrigens in Deutschland während der WM gerade extrem knapp, weil der Bierverbrauch zwar stieg, aber niemand Zeit hatte, das Leergut wieder zurückzutragen. Die Brauereien mussten regelrecht dazu aufrufen, weil die Flaschenproduktion mit dem Verbrauch nicht mithalten konnte.

  • Auch des Teufels General war ein Harras
  • Ältere Deutsche kennen den Begriff „Harras„, mit zwei „r“ und einem „s“, als Figur aus Carl Zuckmayers Stück „Des Teufels General“:

    Das Stück handelt vom Luftwaffen-General Harras, der seine Fähigkeiten wegen seiner Flugleidenschaft den Nationalsozialisten zur Verfügung gestellt hat, obwohl er im Grunde anderer politischer Meinung ist. Als er in seinem Umfeld eine Sabotage-Aktion des Widerstands an einem neu entwickelten Flugzeugtyp aufdeckt, wird ihm das Ausmaß seiner Schuld bewusst. Zur Desertion unfähig, nimmt er sich das Leben, indem er mit einer derart sabotierten Maschine, mit der auch schon sein Freund Eilers abstürzte und starb, in den Tod fliegt.
    Der Held erinnert an den mit Zuckmayer befreundeten Flieger Ernst Udet. Dieser hatte 1941 Freitod verübt.
    (Quelle: Wikipedia)

    Wenn Sie in Deutschland Ihr Leergut loswerden wollen, dürfen Sie also nicht fragen, ob es für Ihren „Harass“ auch „depot“ (vgl. Blogwiese) zurück gibt, sondern Sie müssen die „Leergutannahmestelle“ aufsuchen, um dort Ihre „Getränkekiste“ oder Ihren „Bierkasten“ abzugeben. Dass es sich beim „Bierkasten“ nicht um einen gut gefüllten Schrank mit Gerstensaft handelt, versteht sich hoffentlich von selbst. Ein „Küchenkasten“ ist ja auch keine Kuchenkasse.

    Hahnenburger sind keine Chickenburger — Die Ressourcen der Schweiz

    Juni 28th, 2006
  • Mögen Sie Hahnenburger?
  • Wir lasen in 20minuten die Schlagzeile

    „Hahnenburger so beliebt wie noch nie“.
    (Quelle: 20minuten, 22.06.06)

    Hat die Schweiz die McBurger Kultur revolutioniert und nach dem „Chickenburger“ und dem Vogelgrippe-Skandal ganz umgeschwenkt auf eigenproduziertes eidgenössisches Hühnerfleisch? Werden die Burger, von denen wir gelernt haben, dass es lange dauern kann, als solcher anerkannt zu werden (vgl. Blogwiese Wie wird man ein Burger?) jetzt vielleicht nicht mehr aus mit BSE verseuchtem Rinderfleisch, sondern vermehrt aus „poulet“ hergestellt, bei dem auch die männlichen Hähne verarbeitet werden können?

  • Was hat die Schweiz im Überfluss?
  • Doch es geht gar nicht um Geflügel, es geht um edles Mineralwasser.
    Hahnenburger ist beliebt
    (Quelle: 20minuten vom 22.06.06)

    In der Schweiz gehört dies zu den Ressourcen, die man in grosser Menge zur Verfügung hat und auch locker als Eigenproduktion exportieren könnte. Wasser ist also eine grosse Ressource in der Schweiz. Die anderen beiden sind Steine und Elektrizität, aus Wasserkraft gewonnen.

  • Steine und Kies:
  • Die Tiefdruckgebiete lassen ihre Wassermassen an den Alpenhängen, das Wasser fliesst bergab, wobei es jede Menge Geröll löst und mit sich führt. Es sind immerhin acht LKW-Ladungen voll mit Kies, die allein der Vorderrhein jeden Tag als „Geschiebe“ von den Alpen herab zum Bodensee befördert, und die dort gleich wieder aus dem Flussbett gebudelt werden, damit nicht auf die Dauer der See zugeschüttet wird.

  • Strom aus Wasserkraft:
  • In der Schweiz bildet die Wasserkraft mit ihrem Anteil von rund 60% an der gesamten Stromproduktion das Rückgrat der Elektrizitätsversorgung. Wasserkraft ist erneuerbar, emissionsfrei und einheimisch.
    (Quelle: Swissworld.org)

    Die Speicherbecken in den Alpen sammeln das Wasser, welches durch Röhren und Tunnel im Fels zu den Turbinen der Kraftwerke schiesst, wo diese Energie für die Stromerzeugung genutzt wird.
    Speicherkraftwerk Vorderrhein
    (Foto: poweron.ch)
    Hier noch eine schöne animierte Grafik von der Poweron.ch Seite, welche die Funktionsweise eines solchen Speicherkraftwerks erläutert.

    Die natürliche Ressource „Wasser“ lässt sich freilich auch als Mineralwasser in Flaschen abfüllen und verkaufen. Es ist ja genug da. Valser Mineralwasser zum Beispiel.

    Mineralwasser
    Die Schweizer verbrauchen im Jahr über 876 Mio Liter Wasser, nur 600 Mio davon sind im Land abgefüllt, 7.4 Mio werden exportiert, und tatsächliche 284 Mio werden importiert (!).
    (Quelle mineralwasser.ch)

    Was hier passiert, kann man ruhig als „ Eulen nach Athen“ tragen bezeichnen. Wer schafft das Kunststück, den Schweizern ausgerechnet Mineralwasser zu verkaufen, wo sie doch selbst so zahlreiche und augezeichnete Quellen im Land haben? Marktführer beim Import ist die Sanpellegrino AG, auch als S.Pellegrino oder San Pellegrino bekannt.

    2001 ist die Sanpellegrino S.p.A. mit über 2 Millarden Füllungen im Jahr und 13 Marken größter Getränkehersteller Italiens.
    2004 Integration der Sanpellegrino Deutschland GmbH, in die Nestlé Waters Deutschland AG.
    (Quelle)

    Gehört also zum Nestlé Konzern, ist darum ein Stück Schweiz, wir können beruhigt sein.

  • Wie schafft es ein Importeur, den heimischen Abfüllern so Konkurrenz zu machen?
  • Mineralwasserabfüllen ist ein unkompliziertes Geschäft. Man braucht die Flaschen, eine Quelle, eine Abfüllanlage um das Wasser mit Kohlensäure zu versetzen, rein in die Flasche und fertig. Für die eingesetzte Ressource muss man nichts bezahlen, wenn man direkt an der eigenen Quelle abfüllt. Komplizierte Gesetze wie in Deutschland, die Einweg-Petflaschen verbieten oder dafür ein Pfand-Rückgabesystem vorschreiben, von Deutschen Umweltministern ausgedacht, kennt die Schweiz nicht.

    Es gibt sogar Abfüller wie die Coca Cola GmbH, die für ihre Marke „Bonaqua“ einfaches Leitungswasser verwenden, mit Mineralen und Salzen versetzt, damit der Kunde auch schön durstig bleibt beim Trinken.

    Die Frage nach dem Grund, warum importiertes Mineralwasser häufig billiger ist als schweizerisches, beantwortet die Website des Zweckverbands mineralwasser.ch:

    Zur Verbilligung tragen die tieferen Herstellungskosten bei (billigere Arbeitskräfte, Verpackungen, Energiekosten usw.)

    Bekannt ist, dass einige schweizerische Handelsunternehmen bei ausländischen Mineralquellen grosse Mengen Mineralwässer zu Tiefstpreisen kaufen. Würden Schweizer Produzenten gleichermassen „tauchen“, würden sie bald in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, da sie entsprechend geringere Mengen von korrekt kalkulierter Ware absetzen könnten.
    (Quelle: Mineralwasser.ch)

    Es gibt also keine Hochpreisinsel, es gibt nur „korrekt kalkulierte Ware“. Muss ich mir merken für den nächsten Einkauf. Werde dann fragen, ob es noch ein bisschen „falsch kalkulierte Ware“ zum Mitnehmen gibt.

  • Und warum nennen die Schweizer ihr Leitungswasser „Hahnenburger“?
  • Dieser geläufige Übernamen „Hahnenburger“ für Leitungswasser stammt höchstwahrscheinlich von der Mineralquelle Weissenburg im Simmental ab. Wir erfuhren, dass man noch vor etwa 20 Jahren oft im Restaurant Weissenburger Citro („Wiisseburger Zittro“) erhielt. Heute können wir im Internet nur noch spärliche Hinweise auf Weissenburger Mineralwasser finden. Es verlor seine Markposition, bevor es im Internet Spuren hinterlassen konnte.

    Mögliche Entstehung des Namens:
    „Was hast denn du für ein Wasser in deiner Flasche?“ – „Hahnenburger“ (klingt eher nach Mineralwassermarke als „Hahnenwasser“)

    (Teil 2 morgen: Warum die Deutschen kein Leitungswasser trinken und warum Harras kein Schäferhund ist)

    Wer mag eigentlich die Deutschen? Die Franzosen finden uns romantisch

    Juni 27th, 2006
  • Wer mag eigentlich die Deutschen?
  • Ist Deutschland wirklich nur von Nachbarländern umgeben, die mit Ablehnung reagieren, wenn sie das Wort „Deutschland“ hören? Der Blogwiese Leser Dr. Schmidt schrieb:

    Ich würde mal gerne wissen, woher die ganze “Germanophobie” der dt. Nachbarländer kommt. Das kann doch nicht nur von der längst vergangenen Diktatur oder wegen einiger “lauter Deutscher” im Ausland kommen?! Ob Holland, Großbritannien, Österreich, Polen, Dänemark und auch Frankreich (siehe Börsenfusion mit den Amerikanern), kann sich mit Deutschland niemand richtig anfreunden.
    (Quelle: Kommentar Blogwiese)

    Wir meinen, dass dieses Urteil falsch ist. Die Schweizer „Germanophobie“, die wohl eher eine „Germanen-Phobie“ ist, braucht hier nicht weiter erörtert werden. Auch das Verhältnis der Niederländer zu uns Deutschen haben wir schon abgehakt (vgl. Blogwiese). Wie steht es mit dem „Erzfeind“ Frankreich?

  • Erfolgsmodell Deutsch-Französische Freundschaft
  • Seit der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags über die Deutsch-Französische Zusammenarbeit am 22.01.1963 und der Gründung des Deutsch-Französischen Jugendwerks DFJW vom 5.7.63 haben es die beiden Nachbarländer in einer historisch beispiellosen Weise geschafft, sich auf allen Ebenen anzunähern, kennen zu lernen, zu kooperieren und die alte „Erbfeindschaft“, die immerhin in drei Kriegen (1870-71, 1914-18, 1939-45) blutig ausgelebt wurde, endgültig zu begraben. De Gaulle hielt seine Rede bei der Unterzeichnung des Vertrags sogar auf Deutsch!

    Zahlreiche Städtepartnerschaften wurden gegründet und sorgten für eine Aussöhnung und für ein praktisches gegenseitiges Kennenlernen der Deutschen und Franzosen auf der Ebene der Gemeinden und Städten:

    Die Idee der Verschwisterung von Gemeinden in Deutschland und Frankreich entstand bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, und zwar im Jahr 1950, als der ehemalige Widerstandskämpfer Lucien Tharradin – ein Überlebender von Buchenwald, der nun Bürgermeister von Montbéliard (zwischen Elsaß und Burgund) war – erstmals die Grundzüge einer Partnerschaft mit dem Baden-Württembergischen Ludwigsburg entwarf.
    (Quelle: dfjw.org)

  • Was lieben die Franzosen an den Deutschen?
  • Das Deutschlandbild der Franzosen war lange Zeit geprägt durch die üblichen Klischees von den Bier trinkenden und Kartoffel essenden, fleissigen und disziplinierten aber dabei ziemlich humorlosen Deutschen. Man fand heraus, dass ein Grossteil dieser Klischees auf veralteten Deutsch-Lehrwerken für Franzosen beruhten. (Quelle: Das französische Deutschlandbild)

    Deutsch-Französische Verständigung
    (Quelle für die drei Karikaturen: germanistik.uni-freiburg.de)

    In ihnen gab es einen deutschen Familienvater, der den Kindern Gisela und Klaus (welch zeitlose Vornamen!) abends „Marsch marsch, ab ins Bett. Jetzt aber zack-zack.“ befiehlt. Das Problem mit den verzerrten Deutschlandbild in Schulbüchern hat sich in Frankreich in der Zwischenzeit relativiert. Nein, die Bücher sind nicht etwas besser geworden, aber es lernen sowieso von Jahr zu Jahr weniger Franzosen die deutsche Sprache. Englisch gilt als leichter und wichtiger. Deutsch wird neben Mathematik und Griechisch nur noch benötigt, um bei den jährlichen „concours“, den harten Auswahlprüfungen für die Aufnahme an einer der renommierten staatlichen Eliteschulen (Grandes Ecoles), die Spreu vom Weizen zu trennen und die Besten der Besten herauszufinden. Schüler dieser Eliteuniversitäten können daher meistens fantastisch Deutsch, wenn auch nur passiv. Man will ja schliesslich seinen Kant oder Hegel im Original lesen können. Sich in Deutschland ein Bier bestellen zu können gehört da nicht unbedingt zum praktischen Wortschatz.
    Sie und wir
    (c) Regis Titeca, Stuttgart

  • Industrienation mit romantische Burgen
  • Das Deutschlandbild der Franzosen ist zweigeteilt: Sie sehen uns als eine erfolgreiche Hightech-Industrienation voller Mercedes- und BWM-Fahrer, gleichzeitig aber auch als hoffnungslos unberechenbar weil „romantisch-verträumt“ im Land der Burgen (Rheintal) und der Schubert-Lieder. Sich selbst sehen sie als rationalistisch-aufgeklärt und vom Verstand gesteuert, gleichzeitig haben sie eine grosse Sehnsucht nach der Deutschen Romantik und gehören zu den häufigsten Besuchern von Heidelberg und Neuschwanstein.

  • Am liebsten zwei Deutschland
  • Vor der Wiedervereinigung gab es eine gewisse Sympathie der französischen Kommunisten und Sozialisten für die DDR, und noch kurz vor der Wiedervereinigung soll der damalige Präsident François Mitterand gesagt haben. „Ich liebe Deutschland so sehr, dass ich am liebsten zwei davon hätte“. Es gehört auf die Liste der grossen politischen Fehleinschätzungen, dass Mitterand die sich anbahnende Wiedervereinigung nicht sah und sogar herauszuzögern versuchte:

    Wollte der Staatspräsident die deutsche Einheit hinauszögern, wenn nicht sogar behindern? Wie ist in diesem Zusammenhang sein Staatsbesuch in der DDR zu werten, zu dem er am 20. Dezember 1989 in Berlin-Schönefeld eintraf?
    (Quelle: )

    Heute haben die Franzosen ein entspanntes Verhältnis zu Deutschland. In den Urlaub würden nur 14% nach Deutschland fahren, da bleibt man als Franzos traditionell lieber im eigenen Land und trifft sich regelmässig am 1. Juli auf der l’autoroute du soleil im Stau mit alten Bekannten. Anderseits fahren die meisten Deutschen lieber nach Spanien oder Italien. Nur eine gewisse Gruppe von „Bildungsbürgern“, meist Lehrer oder Beamte mit guten Französischkenntnissen, bereist auch das französische Inland, vor allem die Provençe, und hat dabei das Buch Peter Mayles „Mein Jahr in der Provençe“ im Reisegepäck. Paris ist ein Dauerhit für deutsche Städtereisende, genau wie Berlin sich grosser Beliebtheit bei französischen Jugendlichen erfreut.
    So sehen wir uns gern
    (c) Regis Titeca, Stuttgart

  • Schule nur bis Mittag und Diskutieren erwünscht
  • Die jungen Franzosen, die ins „disziplinierte und humorlose“ Deutschland reisen, staunen gewöhnlich Bauklötze, wenn sie erleben, wie entspannt Deutscher Schulunterricht sein kann, der nur bis 13.00 Uhr geht, wodurch am Nachmittag noch Zeit für das Schwimmbad und das Sozialleben mit den Kumpels ist. Sie kennen aus Frankreich fast nur lehrerzentrierten Unterricht, bei dem es mehr ums Mitschreiben und effektive Auswendiglernen der Fakten geht, als um Diskussion und persönliches Einbringen in das Unterrichtsgeschehen. Deutsche Austauschschüler in Frankreich hingegen sind erschrocken über das System der bezahlten Aufpasser (la surveillance), die für die Pausenaufsicht genauso zuständig sind wie für die Disziplin beim Mittagessen in der Schulkantine. Anderseits mussten die deutschen Bundeswehrsoldaten der „Deutsch-Französischen Brigade“ auch erst lernen, dass ihre französischen Kollegen zum Mittag sehr wohl ihren „quart de rouge“ trinken dürfen, auch wenn sie im Dienst sind.

    Es sind die Austauschprogramme des Deutsch-Französischen Jugendwerks und die zahlreichen Städtepartnerschaften, die für Normalität zwischen den Nachbarn gesorgt haben.
    Gibt es eigentlich Deutsch-Schweizer Städtepartnerschaften?

    Die alten Stereotypen sind damit aber nicht ganz aus der Welt. Ein jeder braucht sie, so scheint es, um wenigstens in manchen Situationen gut dazustehen:

    “Im Himmel sind die Humoristen Briten, die Liebhaber Franzosen und die Mechaniker Deutsche. In der Hölle sind die Deutschen die Humoristen, die Briten die Liebhaber und die Franzosen die Mechaniker.“
    (Newsweek vom 14.05.1990)

    Wobei wir fürs Protokoll festhalten wollen, dass die Franzosen erfolgreich Autos bauen und das gut funktionierende Hochgeschwindigkeitsnetz der T.G.V.s betreiben. Ach, und Robbie Williams ist im Nebenberuf ein bekannter britischer Liebhaber. Dass die Deutschen keinen wirklichen Humor haben, sehen wir ja an Harald Schmidt und Konsorten. Da schalten wir doch lieber direkt rüber zum Schenkelschlagen auf SF2 bei Black&Blond.
    Zugegeben, der war jetzt gemein… Zum Ausgleich hier noch ein wirkliches Comedy Highlight aus der Schweiz, das Beste aus Rätpäck (Real-Player Videostream hier klicken), die Schweizer Version von „Echt Fett“ aus Österreich.

    Gedächtnistraining für den Eisverkäufer — Es gibt ein Eiscafé in Bülach!

    Juni 26th, 2006
  • Ein Glace und kein Eis bitte
  • Wir hatten bereits früher festgehalten, dass wir als Deutsche in der Schweiz die Eisdielen vermissen (vgl. Blogwiese ). Doch die Not hat ein Ende! Seit einigen Monaten gibt es in Bülach, der Lifestylemetropole des Unterlands, ein schickes italienisches Cafe, in dem hausgemachte Eisspezialitäten verkauft werden. Die Eisspezialitäten brauchen Sie dort auch nicht mit „Glacehandschuhen“ anfassen, auch wenn Sie dort besser nicht „Eis“ verlangen, denn das gibt es nur in Form von Würfeln.

  • Warum sieht das immer gleich schick aus?
  • Wir sind gleich für einen Testkauf dort hingegangen und haben versucht, Eis zu kaufen. Es gibt eine Verkaufstheke mit wundervoll aufgeschichteten, zu Kugeln geformten und mit leckeren Früchten dekorierten Eissorten. Die bewunderten wir am Morgen, am Mittag war sie immer noch unverändert, und als wir am Abend unser dritte Eis kaufen gingen (täglicher Durchschnittsverbrauch eines Deutschen), sah sie immer noch komplett unangetastet aus wie beim ersten Besuch am Morgen.
    Eissorten, viel zu schön zum Essen

    Ist das vielleicht nur Dekoration und in Wirklichkeit alles aus Plastik? Wird die Oberfläche mehrmals täglich frisch geformt? Oder sind wir schlichtweg die einzigen, die hier tagsüber Eis kaufen? Zumindest im Frühsommer war das so. Es gibt doch in der Schweiz dieses berühmte leckere Packungsseis von Mövenpick mit den fettreichen bröseligen Sorten. Wie kann man da nur auf die Idee kommen, frisches Speiseeis essen zu wollen? Das Café ist voll und beliebt. Viele trinken hier ihr „Cüpli“ um den Feierabend einzuläuten, und bis Nachts um 2.00 Uhr ist geöffnet! Sensationell für den Matratzenforschungsstandort Bülach.

  • Der Keller und die Mnemotechnik
  • Ich stelle mich an die Theke, erlange die Aufmerksamkeit des Kellers und bestelle: „Einmal drei Kugeln im Hörnchen“. Kein Gipfeli, sondern im „Cornet“ wäre angebrachter gewesen in der Schweiz. „Zitrone, Erdbeere und Schokolade“. Der Typ nimmt einen Becher vom Stapel und schaut mich fragend an, um die Sorten zu erfahren. „Nein, im Cornet bitte“, wiederhole ich, jetzt den Landessitten besser angepasst. Er stellt den Becher zurück und nimmt ein Hörnchen. „Wie viele Kugeln?“ Sagte ich das nicht bereits? Ich wiederholte brav. „Drei: Zitrone, Erdbeere und Schokolade“. Der Typ stellt das kleine Hörnchen zurück und nimmt ein neues Hörnchen, diesmal gross genug für drei Kugeln. Ohne weitere Rückfrage beginnt er dann mit der Suche nach Zitrone.

  • Dov’è il limone?
  • Da ich strategisch günstiger stehe und die Beschriftung der Sorten von meiner Seite der Theke besser lesen kann, weise ich mit dem Finger hilfreich auf die Sorte. Die erste Kugel ist geschafft. Der Type schaut mich fragend an. „E poi?“. Ob der glaubt, ich bin Italiener? „Dann noch Erdbeere und Schokolade“. — „Fragola, si!“ Diesmal findet er Erdbeere allein, wäre nur beinahe kurz bei der ebenfalls rosaroten Sorte Himbeere hängen geblieben. Fragender Blick und: „E poi?

    In diesem Moment kommen mir die Zweifel, ob ich hier nicht gerade in einem Grundkurs für Mnemotechnik stecke oder vielleicht bei den Dreharbeiten für die nächste Folge von „Versteckte Kamera“. Spiegel an den Wänden gibt es genug. „Schokolade bitte“. „Si, cioccolata, prego…“. Wahrscheinlich ist das Übersetzen der Sortenbezeichnung ein Trick zur Aktivierung des extremen Kurzzeitgedächtnisses. Muss ich mir merken… äh, wie ging dieser Trick noch gleich?

    Unterdessen beginnt die Eiswaffel plötzlich wegen der ungewohnten Belastung, denn drei Kugeln sind zwei mehr als eine, Risse zu bekommen. Er flickt sie kunstvoll durch Einwickeln in mehrere Papierservierten. Bevor ich zahlen kann, beginnt er noch ein Gespräch mit dem Kollegen hinter sich an der Theke. Dann kehrt der Blick zu mir zurück, fragend: „Prego“? Ich würde gern zahlen, es waren drei Kugeln bitte. Es tut sich was, offensichtlich Kopfrechnen, denn die Stirn legt sich massiv in Falten und der Blick geht hilfesuchend zur Wand, wo die Preise für eine, zwei, drei, vier usw. Kugeln je nach Grösse aufgelistet sind. Ich lasse den jungen Mann bei seinen Rechenkünsten ungestört, lege die Franken passend auf die Theke und gehe.

  • Dann lieber Gelati von Coop?
  • Wow, jetzt glaube ich das Geheimnis entdeckt zu haben, warum die Schweizer doch lieber ihr Eis beim Coop aus dem Kühlregal nehmen statt in einer Gelateria zu kaufen. Beim nächsten Mal werde ich mich besser präparieren und vorgefertigte Schilder für die Sorten mitbringen, die ich dann sukzessive einzeln hochhalten kann, um den Mann nicht zu überlasten. Wenn er mag, kann er sich ja später ein schickes Eissorten-Memorie daraus basteln. Trainiert ungemein die kleinen grauen Zellen.

  • Wir lernen Eisverkauf-Vokabular
  • Die beschriebene Szene hat sich wirklich so ereignet, aber das Eis war absolut klasse. In den italienischen Eisdielen in Deutschland werden in jedem Sommersaison junge Jobber aus der Heimat der Eisdielenbesitzer an die Theke gestellt, nach einem 3-Tage-Crashkurs in Sachen „Eisverkauf Spezialvokabular“. Dazu gehört „Danke schön – bitte schön – in der Waffel – im Hörnchen – im Becher – mit Sahne – einpacken – Zitrone, Erdbeere, Vanille etc.
    Und es gehört vor allem das Training der Fähigkeit, sich 5-8 Sortenwünsche des Kunden merken zu können, damit die Abfertigung schnell geht, denn die Schlange der Wartenden ist lang. Zeit ist Geld dort, und zwar Bargeld, denn Eisverkauf an der Theke läuft grundsätzlich ohne Registrierkasse oder Bon. Fragen Sie mich nicht, wie die eigentlich ihre Einnahmen versteuern.

    Dann entdeckten wir noch diese Plakat beim Bioladen, zum Beweis, dass die Schweizer wirklich nur „Glace“ und „Cornet“ sagen, und nicht „Eis im Hörnchen„:
    Glaces im Cornet