Mögen Sie Freilichtkino? — Warum Kino in geschlossene Räume gehört

Juni 25th, 2006
  • Lieber grillen als im Kino frieren
  • Kaum hat der Sommer richtig begonnen, geht es los in der Schweiz: Kein Ort, der nicht plötzlich zum Freilichtkino umgewandelt wird. Gibt es denn nicht genug Kinos in der Schweiz, dass jetzt auch noch unter freiem Himmel das Neuste aus Hollywood geguckt werden muss?

    Es gibt zwei Dinge, die die Schweizer mit grosser Vorliebe im Freien anstellen: Grillieren was die Fleischtheke bei Migros hergibt, und eben Freilichtkino. In und um Zürich ist das besonders krass. Dort haben Sie in diesem Sommer die Wahl zwischen

  • Kino am Flughafen
  • Haben wir das richtig auf der Werbung gelesen:„Das Frischluftkino ohne Fluglärm“? Wie wollen die das denn anstellen? Beginnen die Vorstellungen erst nach 23.00 Uhr, wenn die Nachtruhe beginnt, oder gibt es „early watcher sessions“ für Schichtarbeiter zwischen 5:00 und 7:00 Uhr? Nein, ich vermute, die verziehen sich in die untersten Katakomben der Flughafenbetreiberin UNIQUE um ein „einzigartiges“ Erlebnis zwischen nicht abgeholten Koffern und leeren Kerosinkanistern zu haben. Und die Frischluft? Die wird eingeflogen, nehmen wir an. Wissen die eigentlich wieviel Abgase so eine Düsenturbine erzeugt? Da haben sie nicht Benzin sondern Blei im Blut, wenn Sie tief Luft holen.

  • Kino am See
  • Zum Beispiel im August in Pfäffikon SZ. Wo spätestens bei Sonnenuntergang Miraden von Stechmücken über die ungeschützten Besucher herfallen werden. Vielleicht passend dazu Polanskis „Tanz der Vampire“? Kino hautnah und lebensecht, wie man es sich nicht blutiger vorstellen kann.

  • Kino auf dem Uetliberg
  • Das ist der Zürcher Hausberg, nur mit der Uetliberg-Bahn und etlichen Tarifzonen-Zuschlägen zu erreichen.
    Fernsicht auf Zürich vom Uetliberg
    (Foto icr.ethz.ch)
    Wunderbare Sicht auf Zürich und die Alpen, des Nachts natürlich nicht mit Beleuchtung, die Fernsicht. Leider wurde in diesem Sommer nichts mit echtem Freilichtkino, es gab keine Bewilligung. Übrig bleibt ein „halb-drinnen-halb-draussen“ Erlebnis mit Fernsicht und offenem Dach.

  • Kino am Fluss
  • Das Limmat Bad Unterer Letten veranstaltet ebenfalls ein Freilichtkino im Sommer unter dem sinnigen Titel „Filmfluss„.
    Limmat Bad Unterer Letten
    (Foto: Badi-info.ch)
    Wir kannten „plötzlichen Filmriss“ (wenn jemand keine Erinnerung mehr hat durch Alkohol oder sonstigen Drogeneinfluss) und „eitrigen Ausfluss“ (den wir lieber nicht näher beschreiben mögen), beides keine angenehmen Erlebnisse. Na, wir gehen mal davon aus, dass die Kreuzung von beidem als „Filmfluss“ ein ganz klasse Erlebnis zu sein verspricht.

  • Kino in der Pampa
  • Kennen Sie eigentlich Hüntwangen? Das liegt j.w.d., also „jaanz weit draussen“, wie wir in Deutschland sagen. Da gibt es ein gigantisches Freiluftkino, vom Bülacher Kinobesitzer Stephan Stottele mit viel Herzblut organisiert. Leider fehlt der Helikopter-Landeplatz für den kostenlosen Shuttleservice der Schickimicki Klientel aus Zürich, denn die Anreise ins tiefste Zürcher Unterland schreckt doch so manchen ab.

  • Kino gehört in geschlossene Räume!
  • Ich hasse Freiluftkinos. Am Anfang wird es ewig nicht Dunkel und gegen Ende friert man sich dermassen den Arsch ab, das ist doch nichts, was man erlebt haben müsste! Die Zeiten, in denen Jugendliche mit dem Auto ins Drive-In Kino fuhren, um ungestört knutschen und fummeln zu können, sind doch Gott sei Dank vorbei. Heute fragt der Sohn den Vater, ob er das BMW-Coupé und den Schlüssel für die Datscha fürs Wochenende haben kann, denn schliesslich muss mit der Freundin intensiv für die Mathe-Klausur gebüffelt werden, wenn später was aus der Banklehre oder dem BWL Studium werden soll.

  • Eurythmie darf auch nicht ins Freie
  • Die Anthroposophische Bewegungskunst „Eurythmie“ darf ebenfalls nicht einfach im Freien ausgeübt werden, sondern muss schön in geschlossenen Räumen, die am besten eckig sein sollten, praktiziert werden. Das verstärkt die Resonanz des Ätherleibs, der sich sonst gegen die Himmelssphären verdünnisieren würde. „Begrüsst das Licht der Sonne“, durften die Kinder in der Waldorfschule eurythmisch darstellen, aber Fenster und Vorhänge blieben fest verschlossen.
    Eurythmie immer drinnen
    (Foto: eurythmie-info.de)
    Die Schweizer Hochburg der Anthroposophen liegt in Dornach bei Basel. Dort baute Rudolf Steiner das Goetheanum, in dem regelmässig Eurythmie aufgeführt wird. Ihre Sauerstoffflasche sollten Sie besser mitbringen, denn die Fenster bleiben während er Aufführung verschlossen, Sie wissen ja jetzt warum. Also nicht vergessen ab und zu einen tüchtigen Zug O2 aus der Maske zu nehmen! Machen Sie danach auch einmal einen Spaziergang durch den Ort Dornach und zählen Sie die fünfeckigen Sandelkisten in den Vorgärten der Häuser!

  • Kino am Mittag ist wie Schule schwänzen
  • Für mich findet das wahre Kinoerlebnis wie eine zünftige Eurythmieaufführung nur in einem dunklen, geschlossenen und nach aussen schallgeschützten Raum statt, und zwar am liebsten im Hochsommer ab 14.00 Uhr. Wenn Sie dann um 16:00 Uhr aus dem Kino kommen, eben noch in einer anderen Welt oder auf einem anderen Planeten, dann erleben Sie einen gewaltigen Schlag und sind zurück in der Gegenwart. Das Tolle daran ist, dass sie dann noch genügend Zeit haben, sich für 20.00 Uhr einen weiteren Film auszusuchen. „Kino am Mittag, das ist wie Schuleschwänzen“, hat Woody Allen einmal in einem seiner Filme gesagt. So richtig verboten und ungehörig, und darum gerade so schön.

  • Kino in Südfrankreich
  • In den Dörfern des Luberons kommt das Kino zu den Leuten, im Winter in den „Salle de fêtes“, im Sommer auf den Dorfplatz, z. B. beim Cinéma la Strada. In auf einem solchen Dorfplatz-Kino sahen wir einst Carlos Sauros „Carmen“. Stühle musste man selbst mitbringen. Das Pétanque (= Boule) Spiel nebendran ging auch während der Filmvorführung weiter.
    Pétanque spielen auch während des Films
    (Foto: pronoubarris.com)
    Die Alten unterhielten sich angeregt über jede Szene, und die Kinder spielten Fangen zwischen den Bankreihen. Es war ein unterhaltsamer Abend, aber an den Film kann ich mich nicht mehr gross erinnern. Am Ende schliefen die Kinder auf dem Boden und wurden mitsamt der Stühle wieder heimgetragen.

    Hartz IV und wo harzt es sonst noch so?

    Juni 24th, 2006
  • Harzt IV und wo harzt es sonst noch so?
  • Im Dezember 2005, als Geissenpeter noch täglich ums sprachliche Überleben in der Hauptstadt der kühlen Hanseaten kämpfte, berichtete er uns zum ersten Mal, dass man dort oben an der Water-kant, die so rein gar nichts mit kant-onalem Geiste zu tun hat, die griffige weil klebrige Formulierung „es harzt gewaltig“ nicht verstehen würde.

    Er schrieb uns:

    wenn ich in Hamburg “es harzt” sage, werde ich ausgelacht. Ist mir zweimal passiert, musste zweimal erklären, was ich damit meine, seither sag ichs nicht mehr
    Aber vielleicht bin ich ja auch einfach nur an die Falschen geraten…
    (Quelle)

    Dabei ist der Harz doch eines der Mittelgebirge, das jeder Ausländer in Deutschland kennen sollte, wenn er beim Fragenkatalog für die Einbürgerung gut abschneiden möchte. Dort lauten die ersten drei Fragen:

    1. Wie viele Einwohner hat Deutschland?
    2. Nennen Sie drei Flüsse, die durch Deutschland fließen!
    3. Nennen Sie drei deutsche Mittelgebirge!
    (Quelle: Zeit.de)

    Falls Ihnen jetzt noch zwei weitere Namen von Mittelgebirgen fehlen: „Schwarzwald“ pass gut, ist auch leicht zu merken wegen der Farbe, und die „Kohlehalden“ am Rhein-Herne Kanal, absolut sehenswürdige Mittelgebirge, und „erst noch“ so energiegeladen:
    Kohlehalden in Herne
    (Quelle: rheinruhrgebiet.com)

  • Hartz IV und Rocky IV
  • Doch zurück zum „harzen“. Ich harze, du harzt, er/sie/es harzt. Das „t“ immer schön hinter das „z“ setzen, damit es hier keine Missverständnisse aufkommen. Das andere Wort „Hartz“ schreibt sich in Deutschland in der Regel mit einer römischen IV versehen, so wie „Rocky IV“ mit Sylvester Stallone, oder garantiert irgendwann Terminator IV, wenn Arnold Schwarzenegger seinen alten Traum wahr macht und als Präsident ins Weisse Haus einzieht. Es geht zurück auf Peter Hartz, den Ex-Personalvorstand von VW, der zum Ende seiner Karriere darüber stolperte, die falschen Dienstleistungen auf seine Spesenabrechnung geschrieben zu haben.

    Zum „harzen“ fällt unserem Duden ein:

    harzen sw. V.; hat [mhd. herzen = mit Pech ausstreichen, zu 1 Harz]:
    1. Harz absondern:
    der Baum, das Holz harzt.
    2. (Forstw.) einen Baum anritzen, um Harz zu gewinnen:
    Kiefern h.; subst.: In den Wäldern ist das Harzen der Kiefern in vollem Gange (NNN 27. 6. 85, 3).
    3. mit Harz bestreichen.
    4. (schweiz., auch landsch.) schwer, schleppend vonstatten gehen:
    die Verhandlungen harzen; es harzt mit dem Bau der Autobahn; Was die Konsolidierung der Fälligkeiten 1987 betrifft, scheint es nicht nur auf der Schuldnerseite zu h. (NZZ 26. 10. 86, 15).

    Wir achten wie immer auf die Reihenfolge. Die wichtige Schweizerdeutsche Formulierung „schwer, schleppend vonstatten gehen“ kommt tatsächlich erst auf Platz 4 der aufgezählten Bedeutungen. Als ob das Bestreichen mit Harz so üblich sei in Deutschland, wie wenn sich jemand beim Frühstück Honig aufs Brot schmiert.

    Auch DWDS, das Konkurrenzunternehmen vom Duden aus Berlin-Brandenburg, kommt zu dieser Wertung:

    harzen /Vb./
    1. etw. mit Harz bestreichen: Treibriemen (mit der Hand) h.
    2. Forstw.
    a) Harz ausscheiden: die Kiefer harzt
    b) Nadelbäume h. (Harz aus ihnen gewinnen)
    3. südwestdt. schweiz. es harzt es ist schwierig, es kostet Mühe: Mit Mang (mittlerweile) wird’s harzen Federer Berge 253
    (Quelle: dwds.de)

    Erst der Treibriemen, dann die Forstwirtschaft und nur an dritter Stelle, zusammen mit Südwestdeutschland (!) wird die Schweiz und „es harzt“ erwähnt.
    Wir finden sehr alte Belege für das Wort:

    wen me üch olle harzen selde würde nie doch in virzahn Tagen nicht fertig! (Quelle: Andreas Gryphius – Die gelibte Dornrose / Der Erste Auffzug)

    und ein Zitat aus der Bildzeitung von 1999:

    Bei Jil Sander freilich harzen die Geschäfte, der Kurs der frei handelbaren (Vorzugs-)Aktie hat sich in drei Jahren um 60 Prozent gesenkt (siehe Grafik unten). (Quelle: BILD 1999)
    (Quelle: wortschatz.uni-leipzig.de)

    Produziert den Jil Sanders in der Schweiz, oder kommt die Bild-Zeitung aus Süddeutschland?
    Wiki meint:

    Jil Sander (* 27. November 1943 in Wesselburen als Heidemarie Jiline Sander) ist eine international bekannte deutsche Modeschöpferin mit Wohnsitz in Hamburg.
    (Quelle: Wiki)

    Also hatte der arme Geissenpeter ganz einfach Pech, in Hamburg nicht mit einem Redakteur der Bildzeitung gesprochen zu haben, der sehr wohl zu wissen scheint, was „es harzt“ bedeutet.

    Deutschland-Schweden — Kommet alle am Samstag 17.00 Uhr nach Zürich auf den Sechseläuten-Platz

    Juni 23rd, 2006
  • Niemand schimpft über das Fanmobil
  • Jetzt am Ende der Vorrunde der WM, wo Schweiz und Deutschland noch im Rennen sind, Italien und England ebenso, meinen wir einen leichten Stimmungswechsel bei den Schweizern zu spüren. Die Party, die in Dortmund nach Ende des Spiels Schweiz-Togo gefeiert wurde, die begeisterten Deutschen, die Westfalenstadion in ihrem ahnungslosen Unverstand „Hobsi Schwitz“ gerufen haben, bis die Kehlen streikten, haben Eindruck hinterlassen.

    An allen Spielstädten in Deutschland, allen voran in Berlin, geht die Party ab, feiern die Fans aller Nationen gemeinsam, finden Verbrüderungen statt. Doch jetzt geht es ja erst richtig los. Gewinnen oder heimreisen heisst jetzt die Devise. Der Reporter von RSR Radio „La 1ière“ (Sendung Forum 18.00 Uhr, 42 Minute) ist voll des Lob über die beispiellose Stimmung in Deutschland, die perfekte Organisation und die friedlich-feucht-fröhliche Stimmung auf den Strassen Deutschlands.

    Wir dekorierten unser Auto zum Fanmobil und kurvten durch Bülach. Es wurde freundlich gewunken und mitgehupt, keine bösen Gesichter weit und breit.
    Unser Fanmobil

    Am gleichen Tag fanden wir eine Kopie eines Weltwoche Artikels:

    Wir sind immer wieder wer
    Schwarz-Rot-Gelb hat Hochkonjunktur. Warum? Im besten Fall wegen eines Schweinebratens.
    (Quelle Weltwoche)

    in einem anonymen, nur mit „Blogwiese“ beschrifteten Umschlag im Briefkasten. Ein Fan, der seinen Namen nicht nennen will? Ein bös gemeinter Racheakt? Wir wissen es nicht, freuen uns aber, wenn das Thema Deutschland/Schweiz auch andere beschäftigt.

  • Allein unter Frauen
  • Ich sah das Spiel Schweiz-Frankreich in Zürich am Bellevue in Zürich. Kurz vor Schluss mussten ich auf den Zug zum Bahnhof Stadelhofen. Dort herrschte eine gespenstige Ruhe. Ca. 60 Personen warteten auf dem Bahnsteig, irgendwas war anders als sonst. Es hat ein paar Sekunden gedauert, bis ich es realisiert: Es waren ausschliesslich Frauen dort! Wahrscheinlich hatten sie ihre Freunde oder Männer beim Fussballgucken allein gelassen und fuhren schon mal heim.

  • Wie ich das erste Tor herbeischrie
  • Das Spiel Deutschland-Ecuador lief gerade eine Minute, wir verfolgten es im Büro über den Ticker von Spiegel-Online, als meinem Deutschen Kollegen eine Idee kam: „Pass auf, wir brüllen jetzt beide ganz laut TOR, dann denken alle, dass Deutschland eins geschossen hat„. Gesagt getan, die Kollegen bekamen schier einen Herzinfarkt bei unserem Geschrei. Eine Sekunde nach der Aufregung aktualisiere ich den Online Ticker, und es stand wirklich 1:o für Deutschland. Vielleicht sollten wir öfters mal im Büro TOR schreien? Prinzip der self-fulfilling prophecy…

  • Als Deutscher in Zürich Fussball gucken

  • Den Rest des Spieles Deutschland-Ecuador sah ich dann in einer Kneipe in Zürich, nur wenig Gäste waren dort. Am Vortag, beim Spiel der Schweiz, war hier kein Stehplatz mehr frei. Bei den wenigen Gästen stellte sich nach und nach heraus, dass es alles kleinlaute Deutsche waren, die sich nicht getrauten, laut ihrer Begeisterung Ausdruck zu verleihen. Ja, so sind wir Deutsche in Zürich: Immer schön brav und zurückhaltend. Es ist wirklich nicht der repräsentative Durchschnitt Deutschlands, der in die Schweiz zum Arbeiten kommt.

    Am Donnerstag spielte dann Japan gegen Brasilien. Harald Schmidt sagte zu den Japanern: „Es gibt beim Fußball eine Regeländerung. Japaner dürfen beim Freistoß in der Mauer auch übereinander stehen.“ Sie überraschten durch hohe Geschwindigkeit und konnten sich hervorragend gegen Brasilien behaupten. Das Tor in der 34. Minute war einfach genial.

  • Samstag, 17.00 Uhr, Zürich Sechseläute-Platz
  • Wir wurden gefragt, wo sich denn die Deutschen zum Fussball in Zürich treffen. Also wir haben beschlossen, am Samstag um 17.00 Uhr wieder auf dem Sechseläuten-Platz am Bellevue das Spiel zu gucken und laden alle Deutschlandfans herzlich ein, auch dorthin zu kommen. Da bestimmt nur wenig Schweizer das Spiel gucken wollen, gibt es sicher ein rauschendes Fest mit den Schweden vor der Leinwand. Kommet zu Hauf, wir werden die Schwarz-Rot-Goldenen Flaggen mitbringen. Vielleicht ist es das letzte Mal, aber dann waren wir dabei mitten im Mekka aller Deutschland Fans, in „Downtown Zurich“. Auch Schweizer Fans sind herzlich willkommen. Wir haben sogar extra eine „Schweiz Weltmeister 2006“ Flagge hinten im Auto. Unserer Beschwichtigungsflagge.
    Beschwichtigungsflagge

    P.S.: Besonders gefreut haben wir uns heute über den einsamen Ghana-Fan mit seinem Ein-Auto-Korso in Bülach.

    Die Schweizer Flagge und der Erste Hilfe Koffer

    Juni 22nd, 2006
  • Schweiz ist nicht Schweden
  • Wir berichteten bereits über die Nöte der Schweizer im Ausland, die ständig mit den Schweden verwechselt werden (vgl. Blogwiese). Wir lernten dabei, dass es im afrikanischen Staat Swaziland extra ein Postamt gibt, um die fehlgeleiteten Briefe für „Switzerland“ wieder auf den rechten Weg zu bringen. Es ist schon ein rechtes Problem, wenn man verwechselt wird. Zum Glück gibt es da die Schweizer Nationalflagge in ROT und WEISS, mit einem grossen Kreuz in der Mitte. Die sieht für viele Menschen aus, wie ein Erste Hilfe Koffer.

  • Was will uns diese Symbolik sagen?
  • Schweizer mit Helm
    Wenn Du ein Problem hast, frage am besten einen Schweizer. Der setzt sich dann einen Integralhelm auf, nimmt den grossen Schraubenschlüssel in die Hand und hilft Dir ganz bestimmt. So interpretieren wir jedenfalls diese Grafik von der Webseite des Kinderkanals KIKA:
    Erste Hilfe aus der Schweiz
    (Quelle: Originalseite siehe hier www.kika.de

  • Was macht das Schweizer Kreuz auf diesem Koffer?
  • Bestimmt enthält dieser Koffer Schokolade für die armen Kinder, die sich hierhin im Internet verlaufen haben. Gesponsert wird die Seite jedenfalls nicht von der Schweizer Grossbank UBS, sondern von einem Paket-Versender, den wir so noch nicht kannten. U-UPS könnte „Unser UPS“ bedeutet, oder „unter Umständen Papa schreien!“ oder was auch immer. Ob die Telefonnummer dieses Dienstes die 404 ist? Eher nicht, denn das ist ja schon ein HTTP Fehler. Die lieben Kleinen werden genau wissen, was damit gemeint ist. Grammatikfehler, Rechtschreibfehler, HTTP-Fehler, sowas kennen sie ja bereits aus dem ITG = Informationstechnische Grundausbildung (Pflichtfach in der 5 Klasse am Gymnasium in Baden-Württemberg).

    In welchem Alter wird den kleinen Internet-Surfer eigentlich beigebracht, was der Unterschied zwischen der Schweiz, einem Erste Hilfe Koffer und dem Roten Kreuz ist?

    Wohin fällt die Steigerung?

    Juni 21st, 2006
  • In Jona-Rapperswil, da treiben sie es von Amts wegen
  • Wir fanden, im Tages-Anzeiger, dem nicht mehr steigerungsfähigen Blatt für jedes Treiben, vom 9.6.06 auf Seite 25 diese Anzeige:

    Betreibungsamt Jona-Rapperswil
    Steigerungsanzeige
    Am Donnerstag, 22. Juni 2006, ab 14.00 Uhr werden im Geschäftslokal an der Herrengasse 9 in 8640 Rapperswil gegen sofortige Barzahlung und sofortige Wegnahme zwangsrechtlich öffentlich versteigert: (…)“

    Steigerungsanzeige

    Warum sollten wir es erst bezahlen, wenn wir es doch dem Versteigerer doch sowieso wegnehmen, und zwar sofort. Oder nimmt der einen anderen Weg, so dass er uns entkommt? Vielleicht derweil durch eine hohle Gasse oder so?

    Zum Schluss heisst es dann:

    Besichtigung: am Steigerungstag von 10.00 bis 11.00 Uhr

    Kann man den Steigerungstag eigentlich noch steigern? Oder ist der schon der absolute Superlativ? Der „Steiger“ ist in meiner Heimat, dem Ruhrgebiet, ein ehrenwerter Beruf und hat nichts mit unliebsamen Zeitgenossen zu tun, die Ihnen auf den Kopf steigen könnten, oder wohlmöglich noch „zu Kopfe“?

    Steiger, der; -s, – 1: eigtl. wohl = jmd., der häufig (zu Kontrollen o. Ä.) ins Bergwerk steigt; mhd. stīger = Kletterer, Bergsteiger, Besteiger einer Sturmleiter:
    1. (Bergbau) Ingenieur (Techniker), der als Aufsichtsperson unter Tage arbeitet (Berufsbezeichnung).
    (Quelle: duden.de)

    Im Duden fanden wir unter „Steigerung“

    Steigerung, die; -, -en [spätmhd. steigerunge]:
    1. das Steigern (1): die Steigerung der Produktion, des Absatzes; dem Autor gelingt eine Steigerung der Spannung.
    2. (besonders Sport) Verbesserung der Leistung.
    3. (Sprachwissenschaft) das Steigern (5); Komparation.

    Von „Gütern“ und „Wegnahme“ und „Posten“ können wir da nichts finden, seltsam. Nicht mal ein ganz klitzekleines „landsch. Schweiz“ oder „veralt. Schweiz“ ist diesmal dabei! Das ist schon hoch, höher am höchsten!

    Dabei endet die Anzeige im Tages-Anzeiger (nomen est omen!) mit einem absoluten Knüller, es kommt zu einer echten Actionsequenz:

    Im Falle der Auslösung fällt die Steigerung dahin.

    Im Falle der Auslösung fällt die Steigerung dahin.

    Wohin denn? Nach links oder nach rechts? Oder wohlmöglich in den See? Wir erinnern uns an die Gant in Bülach, wo es auf dem ausgeteilten Handzettel hiess:

    Der Versteigerer entschlägt sich jeder Verantwortung bei allfälligen Abhandenkommen oder Untergang des zugeschlagenem Steigerungsguts.
    (vgl. Blogwiese)

    Hier wird zugeschlagen, bis zum Untergang. Auch wenn Bülach keinen Teich hat und die Glatt gar nicht tief genug ist für so viel Steigerungsgut.

  • Wenn die Steigerung dahin fällt
  • Wenn also, im Fall eine „Auslösung“ eintritt, dann fällt die Steigerung. Keine Auslöschung, sondern eine Auslösung. Die Losung, das haben wir vom Förster gelernt, die lässt der Hase oder der Rehbock gerne mal fallen, wenn ihm danach ist oder wenn es ihm im Darme drückt. Aber die „Auslösung“? Auch keine „Auslosung“ des Gewinners beim Lottospiel. Wir rätseln weiter über die Wunder unserer Muttersprache und ihre Verwendungsmöglichkeiten in der Schweiz und warten auf die Lösung / Losung / Auslösung.