Was verleidet der Verleider? — Haben Sie auch schon den Verleider bekommen?

April 30th, 2007
  • Der Aufsteller, der Ablöscher
  • In der Schweizer Gegenwartssprache entdecken wir immer wieder „Aktanten“, die uns bis dahin unbekannte Tätigkeiten hauptberuflich und in Vollzeit ausführen. Da wäre an erster Stelle der „Aufsteller“ zu nennen, dessen Tätigkeit für gute Laune sorgt und Stimmung bringt, aber ganz bestimmt nicht im sexuellen Bereich, denn dafür gibt es schliesslich Viagra von Pfizer oder Frank Baumann von Genial Daneben. Ach nein, der hatte ja einen anderen Job und war dort „der Tätschmeister“.

    Dann als zweites der direkte Gegenspieler vom „Aufsteller“, sein Kontrahent, hierzulande bezeichnet als der „Ablöscher“. Leider arbeitet der selten bei der Feuerwehr sondern ist zuständig für das „kalte Ablöschen“, ähnlich wie in der alten Werbung für Fisherman’s Friend „Wie schmecken denn die„?

    So stellen wir uns einen Ablöscher im echten Leben auch vor.

  • Woran leidet der Verleider?
  • Dieser unfreundliche Zeitgenosse hat offenbar noch einen Kollegen, den „Verleider“
    So lasen wir im Tages-Anzeiger:

    Die Gäste, vor allem Familien, die für viel Geld ein Abo gelöst haben, bekommen schnell den Verleider, wenn sie es nicht amortisieren können.
    (Quelle: Tages-Anzeiger)

    Sie bekamen den Verleider. Nicht den „Verleger“, also den für die Teppichware, und nicht den für die Bücher. Vielmehr kommt jemand zu ihnen und „verleidet“ etwas. Interessante Vorstellung, und garantiert durch und durch schweizerisch.

    Bei Google-CH fanden wir ihn 627 Mal. Darunter auch den „Absoluten Verleider“ im Schweizer „ Beobachter“ (das ist kein Aktant, sondern eine Wochenzeitschrift).

    Den technischen Verleider fanden wir beim Turnverein Bellach Schliesslich gibt es da noch den Verleider im aargauischen Gesetz über die Ausübung der Fischerei:

    § 16
    1 Von den ausgesprochenen Geldbussen fällt ein Drittel dem Verleider zu.
    2 Ist diese wegen Unvermögenheit des Gebüssten nicht erhältlich, so sollen dem Verleider wenigstens seine Anzeige- und gerichtlichen Erscheinungsgebühren vom Staate vergütet werden.

    So ganz begriffen haben wir diese Paragraphen auch nach mehrmaliger Lektüre nicht. Sollten wir mal einen „Fürsprecher“ fragen, der kennt sich da bestimmt gleich aus, d. h. in der Schweiz „Er kommt (da) raus„, aus dem Fischteich oder was weiss ich wo das Leiden des Verleiders begann.

  • Und was heisst nun „Verleider“?
  • Ein wichtiger Mensch, dieser Verleider in der Schweiz. Wo der nicht alles gebraucht wird? Doch bevor wir es unseren Lesern nun verleiden, sich weiter mit dem „Verleider“ auseinanderzusetzen, hier die Lösung des Rätsels, wie so oft im Duden erklärt:

    Verleider, der; -s, – (schweiz. mundartl.): Überdruss: er hat den Verleider bekommen (ist der Sache überdrüssig geworden).
    (Quelle: Duden.de)

    Nun ja, das mit dem „mundartlich“ wollen wir jetzt mal geflissentlich überlesen, denn er wird ja fleissig geschrieben, der Verleider. Warum auch nicht, ist doch so schön praktisch. Ein anderes Wort für „Überdruss“ also, so einfach ist das. Und wie schrecklich kompliziert das wieder auf Hochdeutsch ausgedrückt werden muss! „Er ist der Sache überdrüssig geworden“, daneben elegant schweizerisch: „Er hat den Verleider bekommen“.

    Kein Wunder also, dass sich dazu in der Jugendsprache einiges entwickelte, von „kein Bock mehr haben“ über „gewaltig Frust schieben“ bis „voll auf den Blues gekommen sein„. Was wir hier so locker als „Jugendsprache“ bezeichnen ist mittlerweile auch veraltet und sicherlich durch neue Ausdrücke ersetzt worden.

    An die armen „Verleger“ denken wir nicht mehr, bei all dem Überdruss, und reihen ihn ein, den freundlichen „Verleider“, gleich neben den „Aufsteller“, den „Ablöscher“ und meinetwegen auch den „Frank Baumann“ „Tätschmeister„.

  • Ablöscher live on stage
  • Als Beispiel für richtig „gröhlendes Ablachen“ ein typischen Ablöscher-Sketch von Frank Baumann, live vorgestellt beim Arosa Humor Festival 2005. Aber dass hinterher niemand schreibt, ich hätte vor diesem Video nicht ernsthaft gewarnt!

    Teil den Hund um — Nicht umbringen aber umteilen

    April 24th, 2007
  • Teil das mal um oder umteile das?
  • Mitunter stossen wir auch nach so langer Zeit noch auf feine kleine neue Wörter, die uns so in der Deutschen Sprache nicht geläufig waren. Wir wussten, dass man etwas „umbringen“ kann oder „umsorgen“, auch „umfassen“ war uns bekannt, nicht aber das Schweizerische „Umteilen“.

    So lasen wir im Tages-Anzeiger in einem Artikel über die geplanten Verbote gefährlicher Hunderassen, dass zukünftig unterschieden wird zwischen (verbotenen) „gefährlichen Hunden“, „möglicherweise gefährlichen Hunden“ und „wenig gefährlichen Hunden“:

    Bringt der Hund die geforderte Disziplin nicht, wird er umgeteilt. Bei bereits „möglicherweise gefährlichen“ Hund heisst das, dass sie abgetan werden müssen.
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 21.04.07, S. 2)

    Was mag das sein? Wir der Hund etwa „umgelegt“? Oder wird er vielleicht geteilt und damit umgebracht? Die Antwort ist viel prosaischer, aber dennoch sehr schweizerisch. Unser Duden half uns weiter:

    umteilen (schweiz.):
    neu einteilen, neu zuordnen
    : er wurde in den waffenlosen Militärdienst umgeteilt.
    (Quelle: duden.de)

  • Abmachen, ablöschen und jetzt abtun
  • Fehlt noch das zweite Wort in dem Tages-Anzeiger Zitat, was wir nicht einfach so abtun möchten, um zur Tagi- Tagesordnung Pendenzenliste überzugehen. Die Rede ist von „abtun“. Wir kennen ja schon „abmachen“, wenn Schweizer eine Verabredung treffen und dazu keinen Schraubendreher benötigen, oder „ablöschen“ für die Vernichtung jeglicher guten Laune, ganz ohne Feuerlöscher.

    Aber „abtun“, noch dazu einen Hund? Der wird doch sonst gleich verlocht bei der „Hundsverlochete“ in der Schweiz. Diesmal weiss der Duden nicht weiter. Bei Google-CH fanden wir „den Hund abtun“ 754 Mal.

    Was damit gemeint ist? Dem Kontext nach könnte es „umbringen“ oder „abgeben“ sein, beides ist nicht so ganz eindeutig.

    Schliesslich wurden wir fündig in Kurt Meyers „Schweizer Wörterbuch“:

    abtun (unr. V.):auch (dtl. veraltet) //(Haustiere) töten. Das von der Krankheit befallene Vieh musste am Montag abgetan werden (St. Galler Tagbl. 16.12.68)

    So schnell können bekannte Silben, neu kombiniert, einen gänzlich neuen Sinn ergeben, der sich nur den Schweizern oder uns Deutschen durch die Verwendung von Wörterbüchern erschliesst. Aber von wegen „neuen Sinn“. Selbst Kurt Meyer hält „abtun“ für „dtl. veraltet“. War der Tagi-Autor etwa schon etwas älter? Wer legt eigentlich fest, ab wann Wörter veraltete sind und wann nicht?

    Er traf den Entscheid beim Hinschied – Paradoxe Gedanken zum Sterben

    April 4th, 2007
  • Kurze Wörter in der kleinen Schweiz
  • Die Schweizer pflegen in ihrer Alltagssprache eine ganze Reihe von Wörtern der Deutschen Sprache, die wir als Deutsche zwar erkennen, aber in der Regel nur nach kurzem Nachdenken auch verstehen können. Ein Schweizer hätte jetzt wahrscheinlich eher geschrieben: „Nach kurzem Nachdenk“ , denn der Trend geht zur Kürze in der Schweiz. Ursus & Nadeschkin prägten die Frage ans Publikum: „Verstehen Sie uns? Gut! — Begreifen Sie es auch?

    Aus der „Entscheidung“ wird so der „Entscheid“ bei den Schweizern, und aus einer „Unterbrechung“ ein „Unterbruch“, oder aus der „Badeanstalt“ die „Badi“. Ganz besonders deutlich wurde uns dies, als wir lernten, wie aus dem „Hinscheiden“ der schweizerische „Hinschied“ wurde.

  • Schied oder Shit?
  • So wie manche Schweizer beim Wort „lecker“ eine akustisch begründete Aversion und Scheu haben und es ungern für die Beschreibung von „feinem“ oder „guetem“ Essen verwenden, weil ihnen dieses Wort zu stark nach einem Fluch mit „Läck‘“ klingt, sorry, natürlich „tönt“, so geht es uns Deutschen ähnlich bei Wortkombinationen mit „Schied“.

    Es klingt, schön nordisch kurz gesprochen, eher wie „Shit“. Und das ist nicht nur Englisch, sondern Platt, denn auf dem Deich kommt die Rede oft aufs „Schietwetter“, dem echten Mistwetter, wenn der Regen quer fliegt. Dann sagt schon mal der Bauer Maas zu seinem Knecht: „Knut, guck mal, da drüben schwimmt ne Mütze! — Nee, dat is der Bauer Hein, der mäht bei jedem Wetter“.

    Drum sind wir froh, dass der „Schiedsrichter“ ein „Referee“ bleibt in der Schweiz. Unser Lieblingsbeispiel hierzu ist Urs Meier, dem Vorzeige-„Swiss-Referee“, der mit seinem Ausspruch „Das schleckt keine Geiss weg“ entscheidend zum Bekanntheitsgrad Schweizer Redewendung im Deutschen Fernsehen beitrug (vgl. Blogwiese).

    Doch nun zum „Hinschied“. Wir fanden es bei Google-De nur schlappe 892 Mal belegt, hingegen bei Google-CH an 14‘900 Stellen,
    also 17 Mal so häufig! Auch unser Duden weisst es eindeutig als Schweizer Variante aus:

    Hinschied, der; -[e]s ( schweizerisch für Ableben, Tod)

  • Gorleben, Senftleben, Ableben
  • Wer beim Gedanken an den Tod das Wörtchen „Hinschied“ eher präsent hat als das „Ableben“, und wer dabei überhaupt nicht mehr an Ausscheidungen denkt, der hat das norddeutschen „Schietwetter“ weit hinter sich gelassen und plant vielleicht schon sein preisgünstige Urnenbestattung unter einem Baum im Wallis (vgl. Blogwiese)

    Erst beim „Hinschied“ den „Entscheid“ zu treffen stellen wir uns jedoch schwierig vor, wenn nicht gar unmöglich, speziell beim eigenen. Das ist so, wie wenn du morgens aufwacht und feststellt, du bist tot. Dann hilft nur noch auf Ostern zu warten. Kommt ja bald.

    Wer würde nicht gern für Pariserinnen bügeln? — Jobs bei 20Minuten

    März 29th, 2007
  • Ziegen im Jura herstellen
  • Die Pendlerzeitung 20Min wird in der Schweiz jeden Morgen von ca. 1‘200‘000 Menschen gelesen. Vor allem jungen Menschen auf dem Weg in die Agglomerationen von Zürich, Luzern oder Basel gehören zum Zielpublikum. Zwanzig Minuten reichen aus, um das Blatt ganz zu lesen, bis hin zu den Stellenanzeigen. Dort fanden wir dieses:

    „Salö!“
    Mer send e chlini Bude wo Zigis im Jura härstellt ond suechid e gueti Seel wo äuter as 22gi isch u wo gärn wöt för die fosch onbekannti Marke Parisienne bügle“
    (Quelle: 20Min vom 23.03.07 )

    Übersetzung für alle Zuzügler und Norddeutschen Leser:
    Wir sind eine Klinikbude welche Ziegen im Jura herstellt und süchtig nach guten Seelen sind, mit 22 Eutern, die die gern für fast unbekannte markante Pariserinnen bügeln möchten.

    Oder so ähnlich. Im Lateinunterricht pflegte jetzt der Lehrer zu sagen: „Eine interessante Interpretation, wer versucht nun für uns die Übersetzung?“

    Pariserinnen bügeln
    (Quelle: 20Min vom 23.03.07, Ausgabe Luzern)

  • Pariserinnen bügeln?
  • Natürlich kann man keine Pariser bügeln, auch keine Pariserinnen, sondern für die Zigaretten Marke „Parisienne“ sollen die jungen nikotinsüchtigen 20Minuten-Leserinnen und Leser auf die Strasse gehen und Werbung machen.

    Wie gesagt, es geht um einen Job für eine Firma im Jura, unweit der Französischen Grenze. Durch die Wahl der Sprache wird schon mal ganz einfach dafür gesorgt, dass kein Westschweizer oder Franzose je auf die Idee kommt, sich für diesen Job zu bewerben, es sei denn er oder sie sprechen fliessend Luzernerdeutsch. Geworben wird mit dieser Stellenanzeige in der Luzerner Regionalausgabe von 20Minuten, denn gesucht sind Insider-Kenntnisse aus der Raucherszene von Luzern:

    „Wenn du dönksch, dass du kontaktfreudig, seriös, zueverlässig, belaschtbar, sälbständig und zemlich dynamisch besch ond gärn dr Brandpromoter für d’Region Luzern wetsch si, de fühl de öberhoupt net verpflichtet, aber es wär äbä scho mega, wenn du üs wörsch dini Bewärbig schickä“.

  • Benutzt ein Brandpromoter eigentlich Benzin?
  • Unter einem „Brandpromoter“ stellen wir uns jetzt keinen Hauptwachmeister der lokalen Feuerwehr oder einen Vertreter für Feuerlöschsysteme vor. Warum nur das Adjektiv „kontaktfreudig“ unverändert auf Hochdeutsch erscheint, neben „belaschbar“ und „sälbständig“?

    Schön sind auch im nächsten Abschnitt die „Konnäktiöns“ und „coole Lokätions“. Die Luzerner Jugend versteht Englisch, keine Frage. Sie weiss was „Events, s’Mänägement vo de Hostesse, s’Sponsoring vo Parties“ bedeutet und hat keine Problem beim „Omsetze vo Promotionsaktivitäte“.

  • Dossiers auf Hochdeutsch schicken oder nicht?
  • Am Schluss folgt die Aufforderung, die „Bewärbig per elektronischer Nachricht“ abzuschicken. Nicht per E-Mail oder als „Iiimäl“, sondern plötzlich wieder auf Hochdeutsch. Ob das ein dezenter Hinweis darauf ist, dass man diese Bewerbung lieber doch nicht auf Luzernerdeutsch schreiben sollte sondern auf Hochdeutsch?

    Kapellbrücke in Luzern
    (Damit keine grossen Schiffe auf die Idee kommen, vom Vierwaldstättersee zu flüchten und einen Ausflug auf der Reuss zu machen, haben die Luzerner dieses Hindernis errichtet. Nur leider nicht feuerfest)
    (Quelle Foto: Wikipedia)

  • Lozärn oder Luzern?
  • Wir befragten unseren Fachmann für Dialektverschriftung nach seiner Meinung zu dieser Anzeige, und wie „Luzernerisch“ sie denn eigentlich sei:

    Die eindeutigsten Hinweise auf den Luzerner-Dialekt, sind, dass vieles was jeder andere mit „i“ schreiben würde, wird zu „e“ (z.B. der Anfang: „Mer send …“ [Wir sind]); und analoges Lautverhalten mit „u“, was mit „o“ geschrieben wird. Man findet das sogar im gleichen Sinn bei den Umlauten: „ü“ zu „ö“ („för, onbekannti, ond“ [für, unbekannte, und]).

    Das klarste Merkmal, um gegenüber sehr ähnlichen Aargauer-Dialekten abzugrenzen, sind die Mehrzahl-Verbkonjugierungen, die auf „…id“ enden. Im Aargau wäre das „…ed“ (suechid [suchen]).

    Was mich leicht irritiert, ist, dass nur inkonsequent gewisse „l“ zu „u“ werden, wie man sie im Bernischen und Solothurnischen hört. „äuter“ (älter) aber „sälbständig“ (für mich wäre letzteres „säubständig„). Das gleiche gilt auch bei „d/t“, die im Berndeutschen zu „g“ werden. Wieso „onder“ aber „angerem„? Für mich wäre das „unger angerem“ (unter anderem).

    Tatsächlich finde ich bei genauer Analyse viel Inkonsequentes. Manchmal steht ein zürichähnliches „ois„, manchmal ein „üs“, (uns). Deshalb finde ich den Dialekt nicht sauber. Oder „dönksch„, sagt man wohl in keinem Dialekt. Es müsste wirklich „dänksch“ (denkst) heissen. Ich tippe eher auf eine Verwechslung mit „dönkt’s dech“ (dünkt es dich/findest du). Zu „fosch“ (fast): So tiefe „a“ in der Gurgel sagt man nur in Zürich. Ich hätte „fasch“ geschrieben.

    Dass „Region Luzern“ und nicht „Region Lozärn“ steht, ist vermutlich doch Absicht. Damit jegliches Missverständnis ausgeräumt wird (amtliche Offiziellschreibweise = Schriftdeutsch).

    Wörter wie „Brandpromoter“ sind richtige Stolpersteine. man erwartet nämlich phonetische Schreibweise (Brändpromouter). Da wird dir jeder Deutschschweizer, den du aufforderst, das laut vorzulesen, einen ersten falschen Anlauf mit dem deutschen Wort „Brand“ lesen. So auch bei „Alternative Rock“, da hörst du sicher beim ersten Versuch das „i“ betont, statt englisches „alTÖRnatif“. Bei „Konnäktiöns“ oder „Lokäitions“ vermisse ich eine konsequente Schreibung, denn „t“ wird hier eben nicht wie „t“ ausgesprochen (Konnektschens, Lokeischens). Sogar „Partnernetzwärch“ würde ich phonetisch, eben mit „ch“ am Schluss, schreiben.
    (Quelle: Privates Fachgutachten)

  • Ein Zimmer im Oltener Bahnhof
  • Nun, wir lassen die Luzerner weiter im Dialekt rum-losern, wie sie das gern mögen, und empfehlen für die nächste Stellenanzeige dieser Art einen Kurs in „Wie schreib ich richtig Lozärn-Deutsch“! Vermutlich lebte der verantwortliche Redaktor jahrelang in einer Studentenbude in Olten, im ersten Stock direkt über dem Bahnhofbuffet, und lauschte an lauen Sommerabenden bei geöffnetem Fenster auf das, was in diesen geweihten Hallen so geplaudert wurde? Kein Wunder also.

    Gebissprobleme in der Schweiz — Überbeissen Sie auch gern?

    März 23rd, 2007
  • Wer einen Überbiss hat der überbeisst, oder?
  • Wenn die obere Zahnreihe gegenüber der unteren vorgelagert ist, spricht der Zahnarzt von einem „Überbiss“. Aus Wikipedia lernen wir:

    Der Überbiss kommt als Zahnfehlstellung relativ häufig vor und kann durch Tragen einer Zahnspange meist vollständig korrigiert werden.
    (Quelle: Wikipedia)

    Demnach muss die Schweiz ein Paradies für Kieferorthopäden sein, denn nur hier lasen wir wiederholt von Menschen, die gern mal „überbeissen“, wahrscheinlich weil Sie unter diesem Überbiss zu leiden haben. Bei Google-DE findet sich das Wort „überbeissen“ an mageren 31 Fundstellen, die alle etwas mit Dentalkunst oder beissenden Hunden zu tun haben.

    Anders in der Schweiz. Hier wird an über 105 Stellen bei Google-CH das Überbeissen gepflegt. So gibt es zum Beispiel bissige Leitungsteams:

    Das war vor 9 Jahren. Seither machen sich alte wie neue Veranstalter den goldenen Subventionskuchen streitig. Leitungsteams überbeissen. Profilierungsneurosen blühen in allen Farben. Politiker rühmen sich über allen Klee.
    (Quelle: Muhlehunziker.ch)

    Hostpoint mit Zahnproblemen:

    Hostpoint am Überbeissen
    (Quelle: broedel.org)

    Auch sportliche Wakeboarder zeigen Zähne:

    ich werd überbeissen auf dem board wenn du deinen air railey machst ich kanns kaum erwarten!!!
    (Quelle: polyfil.ch)

    Oft wird davor auch gewarnt:

    AdiZollet wird überbeissen, wenn er den Thread sieht
    (Quelle: tweaker.ch)

    Und wie immer in solchen ausserordentlichen kommunikativen Situationen in der Schweiz stehen wir Deutsche als Zuhörer oder Leser mit verbissener Miene daneben und fangen an, uns unauffällig an die obere Schneidezahnreihe zu fassen, um festzustellen, ob wir nun auch schon zum „überbeissen“ ansetzen oder nicht. Was in Gottesnamen unter der Tätigkeit des „Überbeissens“ bei den Schweizern eigentlich gemeint ist, kriegen wir so nicht raus.

    Warum es hingegen so häufig vorkommt, verglichen mit Deutschen Gepflogenheiten, wo das Überbeissen den Hunden überlassen wird, mag an den horrenden Kosten von Kieferorthopädischen Behandlungen in der Schweiz liegen, die die Schweizer selbst „berappen“ müssen, da die normale Krankenversicherung nicht dafür aufkommt.

    Auch in Deutschland sei das mit der Kostenerstattung schon lange nicht mehr so berauschend wie früher, erzählte uns jemand von „ennet“ des Rheins (nein, nicht aus Schaffhausen). Wer seinen Überbiss richten lassen will, bekommt nur noch einen geringen Zuschuss von der Kasse bezahlt, sofern er nicht unter 18 ist. Ob deswegen weniger Menschen in Deutschland so bissig sind, verglichen mit den friedlichen und höflichen Schweizern?