Telefonieren Sie ihm oder mit ihm? — Ich ruf dir an
Mai 14th, 2007Wir lasen im Tages-Anzeiger den Satz:
(…) telefonierte der Beamte seinen Kollegen auf den Nachbarstationen und liess alle Züge Richtung Bhopal stoppen.
(Tages-Anzeiger 12.05.07 S. 36)
Moment mal, fehlt da nicht das Wörtchen „mit“? Er „telefonierte seinen Kollegen“ steht dort geschrieben, ganz direkt und frank und frei, ohne jegliche Präposition. Es steht nicht: „Er rief ihn an“ oder er „kontaktierte ihn“, sondern er „telefonierte ihnen“, als Mehrzahl von „ihm“. Sie sind halt doch etwas direkter, die Schweizer, und brauchen für die Kommunikation über das Telefonnetz keine Präposition wie wir Deutsche.
Wir kennen diese direkte Art zu telefonieren aus Frankreich, dort heisst es auch „téléphoner à qn“, also mit der Präposition „à“ zwischen dem Verb und der Person, aber gemeint ist damit der Akkusativ wie in „jemanden anrufen“, aber nicht wie in „jemanden telefonieren“. Oder haben dies die Deutsch-Schweizer tatsächlich erneut von ihren Welschen Landsleuten übernommen? Es ist, zugegeben, eine sehr elegante und platzsparende Variante, die neben „jemanden anrufen“ oder „jemanden benachrichtigen“ sehr logisch und konsequent auftritt. Doch seit wann ist Sprache logisch? Wenn Deutsche „er telefoniert ihm“ lesen, dann kommen da Assoziationen wie „er glaubte ihm“ oder „er verzieh ihm“ auf. Oder nicht? Es ist einfach ungewohnt, so direkt ohne „mit„.
Wenn Sie diesen kleinen Satz ohne mit der Wimper zu zucken äussern, dann leben Sie eindeutig in der Schweiz, oder im Schwabenland.
Im Forum der Wörterbuchseite LEO.org lasen wir zu der Frage, ob anrufen ein „dir“ oder „dich“
Denke auch, dass „ruf mir an“ ein Fehler ist, der typischerweise von Schweizern begangen wird, die nicht gut Deutsch können.
(Quelle: Leo.org)
Na na, wer wird denn da so voreingenommen den Schweizern gegenüber sein. Was heisst hier eigentlich „gut Deutsch können“? Einen Sprachstandard sollten wir doch völlig wertfrei betrachten. Er wird einfach von der grössten Sprechergruppe als „richtig“ empfunden, was jedoch nicht heissen soll, dass keine Varianten zulässig sind, oder? Wir finden diese ewige Beurteilung „das ist gut“ und „das ist nicht gut“ ziemlich egozentrisch und borniert. Sie findet sich mehrheitlich bei Menschen, die Sprache für regelbar und eindeutig festgelegt halten.
Die Erklärung zum „dir anrufen“ und „dich anrufen“ Problem findet sich im Duden. Auch diesmal sitzen alemannischen Deutschschweizer und Südwestdeutsche im gleichen Boot:
anrufen: In der Standardsprache wird anrufen nur mit dem Akkusativ verbunden. Die Verbindung mit dem Dativ gehört zur regionalen Umgangssprache, besonders in Südwestdeutschland und der Schweiz. Es heißt also: Ich rufe dich morgen an (nicht: Ich rufe dir morgen an).
(Quelle: duden.de)
Die Verwechslung von Akkusativ und Dativ ist nicht nur in Südwestdeutschland bekannt, wie dieser bekannte Berliner Spruch verdeutlicht:
„Ick liebe Dir, ick liebe Dich – wie’t richtich heeßt, dat weeß ick nich.“