Telefonieren Sie ihm oder mit ihm? — Ich ruf dir an
Wir lasen im Tages-Anzeiger den Satz:
(…) telefonierte der Beamte seinen Kollegen auf den Nachbarstationen und liess alle Züge Richtung Bhopal stoppen.
(Tages-Anzeiger 12.05.07 S. 36)
Moment mal, fehlt da nicht das Wörtchen „mit“? Er „telefonierte seinen Kollegen“ steht dort geschrieben, ganz direkt und frank und frei, ohne jegliche Präposition. Es steht nicht: „Er rief ihn an“ oder er „kontaktierte ihn“, sondern er „telefonierte ihnen“, als Mehrzahl von „ihm“. Sie sind halt doch etwas direkter, die Schweizer, und brauchen für die Kommunikation über das Telefonnetz keine Präposition wie wir Deutsche.
Wir kennen diese direkte Art zu telefonieren aus Frankreich, dort heisst es auch „téléphoner à qn“, also mit der Präposition „à“ zwischen dem Verb und der Person, aber gemeint ist damit der Akkusativ wie in „jemanden anrufen“, aber nicht wie in „jemanden telefonieren“. Oder haben dies die Deutsch-Schweizer tatsächlich erneut von ihren Welschen Landsleuten übernommen? Es ist, zugegeben, eine sehr elegante und platzsparende Variante, die neben „jemanden anrufen“ oder „jemanden benachrichtigen“ sehr logisch und konsequent auftritt. Doch seit wann ist Sprache logisch? Wenn Deutsche „er telefoniert ihm“ lesen, dann kommen da Assoziationen wie „er glaubte ihm“ oder „er verzieh ihm“ auf. Oder nicht? Es ist einfach ungewohnt, so direkt ohne „mit„.
Wenn Sie diesen kleinen Satz ohne mit der Wimper zu zucken äussern, dann leben Sie eindeutig in der Schweiz, oder im Schwabenland.
Im Forum der Wörterbuchseite LEO.org lasen wir zu der Frage, ob anrufen ein „dir“ oder „dich“
Denke auch, dass „ruf mir an“ ein Fehler ist, der typischerweise von Schweizern begangen wird, die nicht gut Deutsch können.
(Quelle: Leo.org)
Na na, wer wird denn da so voreingenommen den Schweizern gegenüber sein. Was heisst hier eigentlich „gut Deutsch können“? Einen Sprachstandard sollten wir doch völlig wertfrei betrachten. Er wird einfach von der grössten Sprechergruppe als „richtig“ empfunden, was jedoch nicht heissen soll, dass keine Varianten zulässig sind, oder? Wir finden diese ewige Beurteilung „das ist gut“ und „das ist nicht gut“ ziemlich egozentrisch und borniert. Sie findet sich mehrheitlich bei Menschen, die Sprache für regelbar und eindeutig festgelegt halten.
Die Erklärung zum „dir anrufen“ und „dich anrufen“ Problem findet sich im Duden. Auch diesmal sitzen alemannischen Deutschschweizer und Südwestdeutsche im gleichen Boot:
anrufen: In der Standardsprache wird anrufen nur mit dem Akkusativ verbunden. Die Verbindung mit dem Dativ gehört zur regionalen Umgangssprache, besonders in Südwestdeutschland und der Schweiz. Es heißt also: Ich rufe dich morgen an (nicht: Ich rufe dir morgen an).
(Quelle: duden.de)
Die Verwechslung von Akkusativ und Dativ ist nicht nur in Südwestdeutschland bekannt, wie dieser bekannte Berliner Spruch verdeutlicht:
„Ick liebe Dir, ick liebe Dich – wie’t richtich heeßt, dat weeß ick nich.“
Mai 14th, 2007 at 0:32
Klassisches Missverständnis: Der zitierte Satz ist im Plural, was man erkennt wenn man nach dem markierten „er telefonierte seinen Kollegen“ weiter liest. Dort heisst es nämlich „… auf den Nachbarstationen“. Es ist also nicht gemeint „er telefonierte ihn“, was auch in Schweizers Ohren sehr sonderbar klingt, sondern „er telefonierte ihnen“. So machen natürlich auch einige der anschliessenden Bemerkungen keinen Sinn, da sie falsch abgeleitet sind… 😉
Gemeint ist also „er rief sie an“, also „er telefonierte ihnen“, was natürlich nicht dasselbe ist wie „er telefonierte mit ihnen“, jedenfalls in Schweizers Ohren…
CU
Mai 14th, 2007 at 2:22
Am allerschönsten finde ich jedoch die Redewendung „jemandem ein Telefon geben“. Da kam ich doch recht ins Grübeln, erinnere ich mich noch ganz gut, als ich das vor fast 10 Jahren zum ersten Mal hörte.
Mai 14th, 2007 at 2:48
hmm… wart ma. kollegen ist wohl plural (der kollege von den nachbarstationen macht ja keinen sinn).
somit ist es eine dativ-konstruktion und würde im singular lauten:
„er telefonierte seinem kollegen“
ich würde das auf schweizerdeutsch knapp durchgehn lassen, in der schriftsprache ist es aber wohl mehr als grenzwertig.
🙂
Mai 14th, 2007 at 6:59
@nexit
Ob „er telefonierte ihn“ oder „er telefonierte ihnen“, für meine Deutschen Ohren fehlt in beiden Fällen das „mit“. Wenn ich das richtig verstehe, kann man im Plural „ihnen“ nicht unterscheiden, ob Dativ oder Akkusativ gemeint ist, da hast Du Recht.
Nichts desto trotz ist diese direkte Form, „telefonieren“ ohne folgende Präpostition, ein Helvetismus, bzw. auch im Schwabenland gebräuchlich.
Mai 14th, 2007 at 8:10
‚I gib der es Fon‘ oder ‚I lüte Dir aa‘ ist die berndeutsche Version 🙂 Schöni Wuche öjch aune !!
Mai 14th, 2007 at 8:44
wenn schon heisst es“er telefoniert ihm“oder „er telefoniert ihnen“ und sicher nicht „er telefoniert ihn“.
das hört sich für „schweizer ohren“ total falsch an.und das sagt sicher auch niemand so.
also auf schweizerdeutsch so..“er telefoniert ehm“oder „er telefoniert ihne“ aber nicht „er telefoniert ehn“.
also endung mit m und nicht mit n.
Mai 14th, 2007 at 8:52
es wurde schon erwähnt: das schweizerische ‚ig gib dr es telefon‘ ist eigentlich bescheuert 🙂
Ansonsten wird ja meistens ‚ig lüte dir a‘ gebraucht. Da passierts dann manchmal, dass man ‚ ich leute dich an‘ sagt. Ups….
Mai 14th, 2007 at 8:53
@admin: „ihnen“ ist Dativ Plural, der Akkusativ lautet „sie“ (vgl. Ich helfe ihnen (Dativ) bzw. ich treffe sie (Akkusativ). „seinen Kollegen“ kann formal also entweder als Akkusativ Singular (vgl. ich treffe seinen Kollegen) oder als Dativ Plural (vgl. ich helfe seinen Kollegen) gelesen werden.
[Antwort Admin:
Danke für die Klarstellung. Wie konnte ich das nur durcheinanderwerfen. Jetzt wird mich einiges klar 🙂 ]
Mai 14th, 2007 at 9:04
Das mit dem „Dich“ oder „Dir“ anrufen ist Dialekt bedingt und nicht unter grammatikalisch richtigen Vorgaben zu analysieren.
„Ich lüt dich a“ geht einfach nicht. „ich lüt dr (dir) a“ stimmt .
„Ich lüt Dich a“ wäre die Situation, dass einem eine Treichel (Kuhglocke) um die Ohren gebimmelt wird.
Mai 14th, 2007 at 9:42
Zum „dir anrufen“ Problem… Im Dialekt sagt man „ech lüte der a“ (Ich rufe dir an) und nicht „ech lüte dech a“ (Ich rufe dich an). Wenn wir den Dialekt 1:1 übersetzen, also die „dir anrufen“ Version, hört es sich auch für Schweizer Ohren sonderbar an.
Noch seltsamer ist allerdings die korrekte (deutsche) Version 1:1 in den Dialekt zu übernehmen. Ist ein Fehler den oft anderssprachige begehen die gut Deutsch können und sich dann im Schweizerdeutsch üben. 😉
Aber trotzdem kann es passieren (ok, kann es vorkommen), dass man es im Kopf eins zu eins übersetzt und ein „ich rufe dir an“ rauslässt. Hat aber nichts mit „…typischerweise von Schweizern begangen wird, die nicht gut Deutsch können…“ zu tun.
Mai 14th, 2007 at 10:14
@admin: Genau so war’s gemeint. Danke für die Anpassung 🙂
Mai 14th, 2007 at 10:28
Ich könnte mir vorstellen, dass Schweizer beim “ruf mir an” die Redewendung „gib mir ein Telefon“ im Hinterkopf haben und dann deshalb [unwillkürlich] „dir“ entsprechend verwenden.
Mai 14th, 2007 at 10:35
@ sylv
Es geht sogar noch kürzer! Habe hier schon gehört: „wir kable“.
Ebenfalls eine schöne Woche!
Mai 14th, 2007 at 11:12
Häufig findet es doch sowieso nicht statt. Seien wir ehrlich, Brun(o)egg, Jens, admin, adminstrator, christian, thomas, ostwestfale und und und, sind wir nicht alle schon morgens aufgewacht, blickten neben uns und liessen den Morgen dann mit einem Versprechen des nachfolgenden telefonischen Kontaktes ausklingen, das wir nie einhielten. Und ist es uns umgekehrt nicht ganz genauso gegangen, haben wir nicht stundenlang auf diesen Apparat geglotzt, der einfach keinen Ton von sich geben wollte. Hatte man uns nicht auch telefonische Meldung versprochen, während sich dieses engelsgleiche Wesen in ihre Jeans gleiten lässt und sich entschuldigt, weil es unbedingt noch das Morgenseminar Altphilologie besuchen müsse, der Professor sei auch ganz süss. Und haben wir sie dann nicht eine Stunde später im Café wieder gesehen und haben uns gefragt, woher dieser aalglatte Kerl, der ihr da mit seinen Wurstfingern in den Haaren wühlt, aus dem dritten Semester Jura so schnell seine Habilitation in Byzantinistik hinbekommen hat.
Daher immer im Plural denken, insbesondere wenn solche Versprechungen von Altphilologinnen kommen; denn Nomen est Omen, und die lieben halt die Worte die Philologen.
@ nexit @ mäsi das Leben macht die tollsten Witze.
Eigentlich nur noch schlimmer ist es, wenn ich „ech lüte dech an“ dem Engel direkt übersetzt habe und feststelle ich sitze schon in der Tram und habe vor lauter Begeisterung vergessen, mich (mir?) anzulegen. Wieso eigentlich, ich lege mich doch nicht mit mir selbst an. Das hat aber nichts mit Menschen zu tun, die sich das Hemd nicht mehr richtig zuknöpfen können, eher mit denen, die zugeknöpft dann im Vorteil sind.
Mai 14th, 2007 at 11:53
@ neuromat
ouu ja, „ich leg mich aa“ ist auch eine schöne aussage die zu lustigen missverständnissen zwischen deutschen und schweizern führen kann 🙂
(gibt dazu einen blog?)
[Antwort Admin: Das Wort „anlegen“ wird hier erläutert: http://www.blogwiese.ch/archives/142 ]
Mai 14th, 2007 at 11:59
Was ist schlecht an der Verwendung von „ich gib dr no es telefon“ ? Ich kenne und benutze auch die Variante „ich gib dr schnäll e funk weni dört bi“. …im heutigen Zeitalter der Natels lässt sich die Verwendung des Worts Funk sogar rechtfertigen.
Es stört übrigens wirklich, wenn Deutsche den Schweizerdialekt mit der Variante „ich lüt Dich a“ ‚bereichern’…
„mr kable no“ entspricht übrigens etwa dem französischen „donner un coup de fil“.
Was für eine schöne Sache doch die Sprache ist! 🙂
Mai 14th, 2007 at 12:52
Da hast du uns ja mal wieder was gebloggt…
Ich schreibe dir, ich maile dir, ich faxe dir den Vertrag, scheint mir linguistisch auf die in eine Richtung zielende Kommunikation hinzudeuten: Ich gebe dir etwas und du nimmst es in Empfang. (Hat mal jemand ein Telefon für mich?) Wer dagegen MIT jemandem telefoniert, lässt den anderen auch zu Wort kommen. 🙂
Mai 14th, 2007 at 13:07
Zitat: # Rufst Du mir an? Ja, ich ruf dir an
Wenn Sie diesen kleinen Satz ohne mit der Wimper zu zucken äussern, dann leben Sie eindeutig in der Schweiz, oder im Schwabenland.
Halt falsch! Ein Schweizer sagt doch nicht anrufen.
Er würde es wie folgt ausdrücken:
„Lüütisch (du) mir ah? Ja, ich lüüte (dir) ah“ oder
„Gisch mer es Telefon? Ja, ich gib dir es Telefon“.
Allenfalls noch „Telefoniersch mir? Ja, ich telefoniere dir“
Aber das Wort „anrufen“ in diesem Zusammenhang scheint mir doch fehl am Platz zu sein. In meinem persönlichen Wortschatz gebrauche ich das nie, ausser ich versuche mich im Hochdeutschen.
Mai 14th, 2007 at 14:32
„Ein Sprachstandard sollten wir doch völlig wertfrei betrachten.“
Es muss natürlich heissen: Einen Sprachstandard sollten wir doch völlig wertfrei betrachten.
Da bist Du nun selbst in die Grammatikfalle getappt, lieber Jens…
Mai 14th, 2007 at 14:37
@Dabadee
Er kann schlecht „Läutest du mir an?“ schreiben. *g*
Es gibt einfach Dinge/Wörter die man nicht in den Dialekt übersetzen kann. Z.B. das „Ich liebe dich!“ hört man immer wieder im Fernsehen, aber „ech liebe dech?“.. naja, man hört es immer mehr – aber tönt (jaja, hört sich) für mich falsch (an).
Also auch hier, keine eins zu eins Übersetzungen zusammenbasteln. Danke 🙂
Mai 14th, 2007 at 14:41
@ dabadee
Genau richtig. Bei uns Helvetiern wird nur der liebe Gott angerufen. Den andern telefonieren wir, „funken“ „hornen“ „kabeln“ oder versuchen anderweitig zu kommunizieren. Egal obs dann auch stattfindet, lieber Neuromat. Gilt auch für Alzphilololologinen.
Mai 14th, 2007 at 15:05
@mäsi
Was ist an „Ech läbe dech“ (grauenhafter Dialekt!) falsch? Ersetze die E durch I und es stimmt!
Mai 14th, 2007 at 15:53
@Brun(o)egg
‚hornen‘ kenne ich nur im Sinne von hupen oder laut weinen………kannst du mir sagen wie das mit telefonieren in Verbindung zu bringen ist:) ?
Mai 14th, 2007 at 16:08
Es gibt auch ohne Mundart zu sprechen ganz, ganz viele Möglichkeiten auszudrücken, dass man mit jemandem telefoniert hat oder dies zu tun gedenkt, ehrlich.
@Brun(o)egg
Kann man nicht auch in der Schweiz ein Gericht anrufen? Oder gilt das nur für das höchste…
Mai 14th, 2007 at 16:16
@ brun(o)egg
bin allerdings auch schon morgendlich verwacht. Hab den Kopf gedreht, geschaut, und habe verschrocken gedacht: „Oh, Gott“. Und tatsächlich es wurde dann auch nicht telefoniert.
Aber zumindest ist – Blog sei Dank – eines bewiesen. Gott ist kein Altphilologe.
@ mäsi
„z.B. das „ich liebe dich“ hört man immer wieder im Fernsehen.“ Das ist schade. Es klingt (und in diesem Falle kann es nicht tönen) in natura einfach ganz hervorragend. Du hast aber recht, dass „ech liebe dech“ in den Ohren falsch tönt. Es gibt Dinge, die kann man zwar nicht übersetzen, aber vielleicht doch einfach tun; obwohl ich schon seit Wochen auf dieses schwierige Blogthema „unterschiedliche emotionale Kommunikation – oder so“ warte. Da fliegen die Fetzen, vielleicht aber auch nicht.
Mai 14th, 2007 at 16:44
„ich gib der es telifon“ oder „ich gib der en funk“. jetzt warte ich nur noch, bis mir jemand sagt:“ich gib der es handy“- welches ich natürlich dankend annehmen würde 😉
Mai 14th, 2007 at 16:54
@mäsi: das heisst: „i/ich lieb‘ di/dich“ 😉 klappt ganz gut im Dialekt
Mai 14th, 2007 at 17:50
Gibt es da nicht noch eine Fortsetzung? -Ick lieb Dir uffem 3. Fall, ick lieb Dir uffem 4. Fall, ick liebe Dir uf alle Fälle.
Das pflegte jedenfalls meine Mutter (waschechte Berlinerin) jeweils zu sagen.
Und Telefone kann man nicht nur geben, sondern auch machen – „ich sött no es telifon mache“.
Mai 14th, 2007 at 18:22
Er „telefonierte ihn“ klingt für mich als Schweizer (bzw. Zürcher/Aargauer) nun komplett falsch. Der Akkusativ passt überhaupt nicht dort hin. Es müsste heissen „Er telefonierte ihm“ -> Dativ.
Und natürlich klingt auch „Er telefonierte mit ihm“ richtig. Nur ist das Wörtchen „mit“ unnötig.
Wer findet denn, dass „ich telefonierte meineN Vater“ richtig klingt? „Ich telefonierte meineM Vater“ .. so, ist’s richtig.
Ich nehme an, es handelte sich dort schlicht um einen Schreibfehler …
Mai 14th, 2007 at 19:18
„ich han ihm telifoniert“ bedeutet, dass ich die aktive war und seine nummer gewählt habe. „ich han mit ihm telifoniert“ bedeutet, wir haben zusammen telefoniert, wobei hier nebensächlich ist wer wen angerufen hat.
Mai 14th, 2007 at 20:18
Oje, der Tagi wird immer schlimmer mit seinem Deutsch. Heute z.B. wieder in der Titelschlagzeile „Stadt und Kanton schafften 3000 Stellen“ – autsch! Als ich noch ein Kind war, war der Tagi noch ein richtig seriöses Blatt. Aber wenn ich diesen schludrigen Umgang mit der Sprache sehe, dann frage ich mich, wie wohl mit den Inhalten umgegangen wird…
Mai 14th, 2007 at 20:46
Noch was:
anrufen + Akkusativ
telephonieren + Dativ = anrufen
telephonieren mit + Dativ = ein telephonisches Gespräch führen
alüte + Dativ = anrufen
Für Deutsche hat die Tätigkeit „anrufen“ also etwas Akkusativisches an sich (was eigentlich etwas pleonastisch ist), für Schweizer etwas Dativisches. Was ist logischer?
Meine Antwort auf diese Frage fällt sicher etwas subjektiv aus; ich finde von allen Kasussystemen, die ich kenne, das altgriechische intuitiv am logischsten und beziehe mich daher bei solchen Überlegungen auch darauf. In diesem Sinne könnte man den deutschen Akkusativ als ein Handeln „zum Angerufenen hin“ (Kontaktaufnahme) interpretieren, dazu wäre dann das Telephon ein Mittel (=Dativ) zum Zweck. Den Schweizerischen Dativ kann ich nur als einen sozialen (soziativen) Dativ verstehen, daß also das Miteinander des Gesprächs betont wird. Also ist der Dativ für den Vorgang des Anrufens selbst eigentlich unsauber (vorwegnehmend), weil das Miteinander des Gesprächs ja erst entstehen wird, nachdem ich jemanden angerufen habe. Ok, ich höre ja scho! :o)
Mai 14th, 2007 at 21:17
als Telefon Installateur hat die Bedeutung „ich gib dr es Telifon“ oder ich „mach es Telifon“ eine ganz andere bedeutung. Dann nämlich wenn einem ein Telefon gegeben wird, bzw ein Telefon Anschluss geschaltet wird. Jaja ist schon wunderschön, wie verwirren alles sein kann..
Kleine Ursache, grosse Wirkung……….
Mai 14th, 2007 at 22:17
@Selma: Zitat „Und Telefone kann man nicht nur geben, sondern auch machen – “ich sött no es telifon mache”
Wie wahr, in meiner Lehrzeit bei der damaligen Autophon in Solothurn machte ich während vier Wochen ganz viele von diesen Telefonen, ohne jedoch dabei jemals jemande(n/m) anzurufen.
Deshalb:“Machsch mer es Telefon?“
„I muess luege, ob i no eis vor Stifti här ha.“ (Stifti=Lehre)
Mai 14th, 2007 at 23:56
Unter technikversessenen Funk-Amateuren kursiert noch die folgende Variante für „Ich ruf dich an“, nämlich: „Ich gebe dir einen 600 Ohm“. Die Erklärung für diesen kryptischen Ausdruck ist folgendermassen: Bei einer symmetrischen Telephonleitung sollte der Abschlusswiderstand 600 Ohm betragen. Wenn man gewisse Dinge nicht per Amateurfunk besprechen wollte und daher auf die Telephonverbindung umschwenkte, wurde diese Floskel gebraucht, was für den zufällig zuhörenden Nichttechniker natürlich völlig unverständlich war.
Grüsse, Rolf
Mai 15th, 2007 at 9:18
@ tellerrand + Sylv
Natürlich werden auch in der Schweiz die Gerichte angerufen, und Heilige, und so weiter. Denke das ist für alle Gerichte so, nicht nur das höchste.
Liebe Sylv
Was das Hornen angeht im Sinne von anrufen… Du treibst mich da in die tiefsten Niederungen der schweizerisch-modischen Umgangssprache. Ich weiss es auch nicht, habs nur gehört.
Eine Erklärung könnte sein: Maschinenhalle mit lauten Maschinen und im verglasten Kabuff des Maschinen-Ober-Jehudis bimmelt das Telefon. Wenn der nicht im Büro ist hört er das nicht. Und dann hornts im Maschinensaal.
Obs das heute noch gibt weiss ich nicht. Hab früher mal eine Spanplattenfabrig beraten. Da war das so.
Mai 15th, 2007 at 13:34
Quote neuromat: „Aber zumindest ist – Blog sei Dank – eines bewiesen. Gott ist kein Altphilologe.“
Da wäre ich mir nicht so sicher…
Zumindest kann er fließend Altgriechisch, Altchinesisch, Hebräisch, Arabisch und Sanskrit. Und zumindest bei mir ruft er nie zurück, wenn ich ihm eine Nachricht auf dem Klo, ähm, ich meine AB hinterlasse. Dabei könnte er doch wirklich mal wieder durchklingeln…
Quote neuromat: „obwohl ich schon seit Wochen auf dieses schwierige Blogthema “unterschiedliche emotionale Kommunikation – oder so” warte.“
@Jens: Ja, unbedingt!
Zweifellos muss das zu Missverständnissen führen, wenn ein romantischer leidenschftlich entbrannter Deutscher von seiner Schweizer Angebeteten gerade mal so eben gerngehabt wird. 😉
Juni 8th, 2007 at 13:33
Diskussion scheint zwar schon abgeschlossen, aber trotzdem noch kurz:
Meine Theorie: Alüte + Dativ kommt meines Erachtens daher, dass man nicht jemanden, sondern bei jemandem zu Hause anruft. Der Schweizer läutet nicht eine Person an, sondern eine Nummer, ein Telefon und ähnlich wie an der Haustüre, wird konsequenterweise also bei jemandem geläutet. Daraus entstand der Ausdruck, ich lüüte (bi) dir a.
PS: Gibt es hier auch einen Blogbeitrag zum umgekehrten Phänomen, d.h. zur Germanisierung des CH-dialektes (z.B. Verwendung von Wörtern wie „Früehstück“ oder „lecker“ oder eben „arüefe“ statt telefoniere)?
[Anmerkung Admin: Das Thema „lecker“ wurde hier behandelt: http://www.blogwiese.ch/archives/523 ]
Juni 25th, 2013 at 18:38
Ich ruf dir an sag ich als Badener auch!
(Und ich kann euch versichern, dass es keinem hier gefällt zu Schweizern oder Schwaben gezählt zu werden!)