Tut Busse und seid unfehlbar — Schweizerdeutsch für Anfänger
Busse tun ist eine Christenpflicht, zu büssen und durch die Busse dann Vergebung zu erlangen, sei unser Lebensziel. Nicht so in der Schweiz, denn hier ist Busse etwas sehr Profanes, Weltliches. Die Busse wird von der Polizei auferlegt und kostet 200 CHF:
Wer genau hinschaut, kann noch ein wunderbares schweizerdeutsches Wort lernen. Eines mit drei M, drei N und vier A: Das Stadtammannamt. Dazu passend gehört dann auch der Stadtammann, gleichbedeutend mit „Gemeindepräsident„, der in Engelberg auch als „Talammann“ bezeichnet wird (bitte nicht aussprechen wie „Ballermann„, sondern wie „Tal-Ammann„!)
Polizeibusse in Deutschland hingegen sind etwas ganz anderes:
Dennoch kann es passieren, das man in der Schweiz etwas falsch macht, dass man es nicht schafft, unfehlbar zu bleiben, zum Beispiel beim heimlichen Deponieren von Müll.
Die nette junge Damen links im Bild kommt aus Japan, heisst Nahoko und freut sich über grandiose Wörter der Deutschen Sprache, die alle im Duden stehen.
Während wir in Deutschland „angezeigt“ werden können, müssen wir in der Schweiz nicht verzweifeln, wenn wir „verzeigt“ werden. Unser Schicksal ist dann noch nicht „vergeigt„. Kommt es dann zur polizeilichen Untersuchung, werden wir auch nicht „vernommen“ durch den Polizisten, sondern „einvernommen„. Die „Einvernahme“ ist demzufolge in der Schweiz die polizeiliche Befragung, das Verhör. Ein ziemlich einnehmendes Unterfangen.
Sind Sie in einer solchen Situation allein bei der Polizei, sollten Sie sich nicht versprechen, sondern jemanden haben, der für sie spricht. In der Schweiz heisst so jemand daher: Der Fürsprecher, das ist ein Rechtsanwalt. Immer dran denken: Wir bewegen uns hier in einem sehr deutschen Sprachraum!
Falls sie nun als Deutscher belustigt sind über diese merkwürdige Ausdruckweise der Schweizer, seien Sie versichert: Der humoristische Ersteindruck verblasst mit den Jahren, und Sie fangen auch an, von „Fehlbaren„, „Einvernahmen“ und „Fürsprechern“ zu sprechen. Es kann auch passieren, dass man plötzlich anfängt, über den Sinn und Unsinn hochdeutscher Wörter nachzudenken:
Warum wird in Deutschland das Aufeinandertreffen von zwei Autobahnen ein „Autobahndreieck“ genannt, obwohl man ja auch sagen könnte, dass eine Autobahn sich in zwei Strecken „verzweigt“ und damit eine „Verzweigung“ bildet? Wo ist jetzt der Joke? Die Schweizer empfinden „Autobahndreieck“ genauso lustig, wie wir Deutschen die Bezeichnung „Verzweigung“ amüsant finden. Alles eine Sache der Gewohnheit.
September 17th, 2005 at 23:26
Hi, Jens, man kommt ja kaum nach mit Schwyzerdütsch lernen! Schreib doch mal langsam über Ferdi Kübler und Hugo Koblet mit ihrem schnellen Antritt!
Heißt die Verzweigung nicht auch „bifurcation“? Gruß Peter
September 26th, 2005 at 9:55
In Deutschland muss man seinen Hund sogar schon mit 3 Monaten verabgaben! Scheint mir gut zu dem insgesamt kürzeren Zahlungsziel in D zu passen.
Oktober 19th, 2005 at 10:37
amüsant finde ich den unterschied zwischen den strassenschilder!
hier meine lieblings-beispiele.
deutschland – schweiz
stadtmitte – zentrum
geänderter verkehrsweg – umleitung
Oktober 20th, 2005 at 22:28
jetz wo du das thema anspricht, wird mir klar, warum mich die deutschen immer auslachen, nebst meinem akzent 🙂
Oktober 23rd, 2005 at 0:02
an Peter:
Verzweigung (3 Fahrrichtungen) heisst „bifurcation“, und da wir ja, so scheint’s, gerne Buchstaben sparen, auch „bifur“… aber eben alles nur auf französisch. Wenn wir schon dabei sind: „l’échangeur“ (männl.) = wörtlich: der Austauscher. Nach Wörterbuch: das Autobahnkreuz (4 Fahrrichtungen). – Hier muss ich gleich nochmals ausschweifen. Ein Fremdsprachen-Wörterbuch heisst in der Schweiz „der Dixionär“ (von frz. „le dictionnaire“). Schon wieder 2 Buchstaben gespart! Geiz ist aber noch geiler: „Mischt, ich han min Änglisch-Dix nöd debii!“
Es gibt den selbstironischen Witz: Um nach Lausanne zu fahren, haben wir in „Sortie“ die Autobahn verlassen. „(la) sortie“ heisst natürlich nur (die) Ausfahrt.
Wieder zurück zu „bifurcation“: Es hat halt in den deutschschweizer Dialekten nicht alles, was einen Teer-Belag hat, einen französischen Namen so wie: „das/le Trottoir“ (Gehsteig), „das Perron“ (Bahnsteig). „Le Perron“ ist übrigens auf französisch nicht etwa der Bahnsteig. Der heisst „le Quai“. „Le Perron“ ist ein erhöhter Hauseingang, wie z.B. bei den klassischen amerikanischen Landhäusern um 1900.
Folgt mir noch jemand? Das habe ich befürchtet. Nachhilfe gebe ich erst nach meinen Ferien wieder. Unterdessen verweise ich auf: http://www.klubschule.ch dann unter Sprachen Französisch wählen.
zu geena:
In Schweizer Verkehrsmeldungen hört man: „die Umleitung ist signalisiert“. Ich bin echt neugierig, ob das nach meinen Schlussfolgerungen in Deutschland „der geänderte Verkehrsweg ist ausgeschildert“ heisst. Vielleicht sind deshalb die deutschen Verkehrsmeldungen immer viel länger als die in der Schweiz, weil so lange Wörter benützt werden.
Oktober 24th, 2005 at 14:01
zu geena:
Ich habe in Deutschland noch nie ein Schild “ geänderter Verkehrsweg“ gesehen. Allenfalls „geänderte Verkehrsführung“ und das beschreibt eine dauerhafte Änderung, während eine kurzfristige Änderung der Verkehrsführung (bspw. dadurch, dass gewisse Straßenabschnitte vorübergehend gesperrt sind) auch in Deutschland mit Umleitung bezeichnet wird.
zu phipu:
Bei uns heißt es nicht „die Umleitung ist signalisiert“, sondern im deutschen Radio hört man dann: „die Umleitung ist ausgeschildert“.
Ansonsten, Super-Blog und Gruß an alle eifrigen Kommentarschreiber
April 1st, 2006 at 10:01
super dieser blog! zum talammann in engelberg: im moment ist es eine frau talamann… 😉
April 5th, 2006 at 2:03
Bei uns in Österreich sagen wir dazu Autobahn-„Knoten“.
Juni 6th, 2006 at 22:15
ich habe mich in der nähe von flawil über die „ersparnisanstalt“ amüsiert. da ist „bank“ doch viel kürzer. allerdings war die „ersparnisanstalt“ wohl nicht mehr in betrieb, sondern war nur noch auf die hauswand geschrieben.
Juni 27th, 2006 at 8:52
Mein Thema zum Unterschied der Strassenschilder:
In DE sind sie im Winter verdreckt und kaum zu lesen, in der Schweiz kann man wenigstens die Schilder (Hinweistafeln) lesen, egal ob man die Worte versteht oder die Orte kennt.
Juni 29th, 2006 at 18:41
Der Stadtammann ist in der Schweiz aber NICHT der Gemeindepräsident.
Der Stadt- oder Gemeindeammann ist der Vorsteher des Stadt-/Gemeindeammannamt und ist zuständig für Vollstreckungsmassnahmen nach den kantonalen Gesetzen über die Rechtspflege (bsp. Unterschriften und Urkunden beglaubigen, Herausgabebefehle oder Versteigerungen vollziehen, allgemeine Verbote erstellen und Gerichtsurkunden zustellen).
Juli 27th, 2006 at 16:43
Hingegen ist der Landammann (z.B. Nidwalden oder Uri) wirklich der Vorsteher der Exekutive. Frau Talammann ist wirklich die Gemeindepräsidentin. Ammann, ohne Gemeinde, Tal oder Stadt, ist weder ein Amt noch eine Funktion sondern einfach ein Nachnahme.
Wieder mit Perron ein calque gefunden (siehe heutiger Blogkommentar).
September 20th, 2006 at 18:58
danke, danke, danke! als deutschstämmiger stämmiger deutscher mit jahrzehntelangem wohnsitz in der schweiz kann ich dir beinahe in allen hier (gemeint ist die ganze website) erwähnten kuriositäten zustimmen. meine theorie zur schweiz (muss sie halt jetzt hier mal los werden) basiert auf dem modell des paralleluniversums, verursacht durch den «konjunktiv»: «wie wär‘ ihr name», «die telefonnummer wär’…», «ich würde sie bitten…», u.s.f. … die jeweiligen namen, nummern oder aufforderungen sind also gar nicht die realität? – hmmm… wenn das so ist, würd ich gern «allessandro di giacomo» heissen…
November 23rd, 2006 at 21:06
Achtung, falsche Korrektur von Kiwi:
In vielen Gebieten der Schweiz ist der Amman oder der „Amme“ wie man für weiblein und männlein sagt, der Gemeindepräsident. Kanton Solothurn und Nordwestschweiz jedenfalls. In dieser Hinsicht gibt es ganz viele Unterschiede, man kann nichts so generell sagen.
Januar 25th, 2007 at 5:25
hallo zäme – dies ist ein hilferuf!
wer schreibt mir ein geburtstagsverslein auf schwiizer- (bern-) dütsch? brauche es bis heute mittag, muss nicht lang sein. aber als preussin bin ich aufgeschmissen 😉
merci viumau
[Anmerkung Admin: Schicke mir den gewünschten Spruch auf Hochdeutsch, ich leite ihn per Mail weiter an die Berndeutsch-Spezialisten. Einfach im Blog auf „Kontakt zum Autor“ klicken]
März 18th, 2007 at 17:18
es gibt noch weitere wichtige schweizerdeutsche Begriffe für Verkehrsdinge, habe hier noch 2:
dech
Ampel – Lichtsignal
Schild – Wegweiser
Zebrastreifen – Fussgängerstreifen (wird auch im hier auf der Blogwiese erwähnt)
Dezember 14th, 2009 at 10:37
Klingt ja so listig! Das sind im Prinzip Kleinigkeiten! Nur ein Philologe kann sich damit beschäftigen! 😉
Herzliche Grüße! Sabrina
Januar 27th, 2010 at 13:52
Hi, eure Spielwiese (Blogwiese) ist soooo toll – ich grins mir immer wieder einen. Bitte weiter so!
JU
Oktober 15th, 2010 at 16:04
Am heftigsten finde ich den schweizer Begriff „Ausschaffung“ für unser deutsches Wort „Ausweisung“ (z.B. von Asylbewerbern).
‚Schaffen‘ ist ein Begriff, bei dem man an körperliche Arbeit denkt und so kommt einem schnell das Bild, dass bei der schweizerischen Ausschaffung der Schweizer selbst Hand anlegt, wobei bei der deutschen Ausweisung der Deutsche schlicht mit ausgestrecktem Zeigefinger den Weg hinaus weist.
Zügeln – Umziehen sind auch zwei spannende Wortpaare.
November 29th, 2011 at 2:24
Zur „Ersparnisanstalt“: Im Unterschied zur Bank kann sie keine Kredite, Hypotheken vergeben, da sie – Überraschung! – keine Banklizenz hat. Auch die Postfinance ist genaugenommen eine Ersparnisanstalt, auch wenn sie niemand so nennt…
April 24th, 2012 at 11:00
ich (schweizerin) habe es nicht so gern, wenn mein freund (ostdeutscher) mich nach einem wochenende bei ihm wegschaffen will.
Dabei meint er das gar nicht so wie es sich für mich anhört. Er will mich nur zum Bahnhof bringen oder zu einem Treffpunkt für Mitfahrgelegenheit.