Hatten Sie auch schon einen Exploit?
Wie so häufig stolpern wir bei der Morgenlektüre unseres Tages-Anzeigers über einen Ausdruck, der uns scheinbar bekannt vorkommt, dennoch unverständlich ist:
„Das Nationalteam verpasste an der Heim-EM durch ein 30:37 gegen die Ukraine die Hauptrunde und schied trotz des vorangegangenen 31:31-Exploits gegen Polen als Gruppenletzter aus.“
(Quelle: Tages-Anzeiger 30.01.06)
Wir versuchen auch diesmal, ganz von allein auf die Bedeutung dieses Wortes zu kommen.
Englisch „to exploit“ heisst laut Leo „ausbeuten, ausnutzen, ausschöpfen, auswerten“.
Wie kann das nun für ein Handballspiel gelten, wenn 31:31 Gleichstand herrscht? Heisst „Exploit“ vielleicht „Gleichstand“?
Wir googlen das Wort ein bisschen und finden weitere Belege aus dem Bereich Sport:
Bei den Bobfahrerinnen in Altenberg am 27.01.06
Kein Exploit der Schweizerinnen
(Quelle: www.news.ch)
Beim Ski:
Medaillenchancen: Intakt, aber es braucht einen Exploit.
(Quelle: Blick.ch)
Kein Exploit am Lauberhorn
(Quelle: blick.ch 14.01.06)
Mit Wiki kommen wir da nicht weiter, denn dort hat der Exploit nix mit Sport zu tun, sehr wohl aber etwas mit Lücken in Computerprogrammen:
Ein Exploit (englisch to exploit – ausnutzen) ist ein Computerprogramm oder Script, welches spezifische Schwächen beziehungsweise Fehlfunktionen eines anderen Computerprogramms, zur Erlangung von Privilegien oder in Absicht einer DoS-Attacke, ausnutzt.
Ein Exploit wird oft auch einfach nur zur Demonstration einer Sicherheitslücke geschrieben und veröffentlicht. Dieser Beweis der Machbarkeit wird in der Fachsprache auch Proof of Concept genannt. Dadurch soll erreicht werden, dass Hersteller von Software möglichst schnell auf bekannt gewordene Sicherheitslücken reagieren. Oft bezeichnet man auch nur die theoretische Beschreibung eines Exploits als Exploit.
(Quelle: Wiki)
Sind wir jetzt schlauer dadurch? Haben die Schweizer bisher versäumt, eine Lücke in einem Softwareprogramm auszunutzen, oder warum sprechen sie sonst ständig von „Exploits“ im Sport?
Die Wahrheit findet sich wie so oft im Duden:
Ex|ploit, der; -s, -s [frz. exploit afrz. esploit, über das Vlat. zu lat. explicitus, explizit]
(schweiz., bes. Sport): hervorragende Leistung, Glanzleistung:
Exploit der Spätaufsteherin Whitbread am frühen Morgen: Weltrekord-verbesserung um über 2 m (NZZ 30. 8. 86, 33); Auch Erfolge wie die Halbfinalqualifikation der Grasshoppers 1978 kommen in der Regel dank Exploits auf eigenem Platz nach einer knappen Auswärtsniederlage zustande (NZZ 25. 10. 86, 39).
Wir fragen uns bei diesen Wortentdeckungen immer: Wieso lamentieren die Schweizer eigentlich ständig darüber, dass Hochdeutsch für sie eine Fremdsprache sei und schwierig zu lernen. Gleichzeitig verwenden sie permanent selbst die kniffligsten Fremdwörter. Wissen Schweizer Jugendliche tatsächliche alle auf Anhieb, was ein „Exploit“ im Sport ist?
Jedenfalls haben wir wieder was gelernt, unser Schweizerdeutsches Fachwortschatz ist durch diesen Exploit erheblich touchiert worden diesmal, wir können die ständige Wortschatzerweiterung nicht sistieren, irgendwann muss unsere Auffassungsgabe doch mal plafoniert werden, aber das foutiert uns dann wohl nicht mehr, auch wenn es doch irgendwie goutiert.
Noch Fragen? Noch Pendenzen? Was war gleich das nächste Traktandum? Ich brauche jetzt dringend einen Zapfenzieher …
Februar 19th, 2006 at 9:50
Ich kenne „Exploit“ auch nur aus der engl. Sprache. Warum sagen die Schweizer nicht einfach „Glanzleistung“? Komischer Sprachgebrauch hier. 😉
Februar 19th, 2006 at 10:02
Ich hätte bei all den Erklärungen einfach vermutet, dass sich da irgenwann mal eine „misslungene“ Übersetzung im Schweizerischen eingeschlichen hat und man gewöhnlicherweise einfach die Ausbeute meint im Sinne von – Was haben wir für einen tollen Fang gemacht. ;)) – Aber gut, hast du nochmal im Duden nachgeschlagen. Tschüss
Februar 19th, 2006 at 10:37
Ein Wörterbuch hast Du da aber vergessen zu konsultieren, lieber Jens: Das Französische. Das besagt für Exploit schlicht: (Helden-)Tat.
Es handelt sich also um keine missglückte Übersetzung aus dem Englischen, sondern einfach um eines der vielen französischen Wörter, welche in der Schweiz noch in Gebrauch sind, während man sie in Deutschland aus nationalistischen Gründen im vorletzten Jahrhundert aus der Sprache getilgt hat.
Februar 19th, 2006 at 10:58
Der letzte Abschnitt zeigt uns, wieviel wir in den letzten Monaten mit Jens schon lernen konnten (Schweizer lernten z.B. welche Wörter – hauptsächlich Fremdwörter – in Deutschland zu vermeiden sind).
Allerdings kann man aus dem Duden nicht immer die richtige Anwendung eines Fremdworts erkennen.
Mein Sprachgefühl stellt z.B. goutieren und foutieren in folgenden Zusammenhang:
jemand goutiert etwas (jemand hat etwas goutiert)
andere Anwendungen wie http://www.dwds.de/?qu=goutieren&modus=0&woerterbuch=1 wirken altertümlich – bzw. heute wenig verständlich, auch für Schweizer.
Zeitgemässe Beispiele: http://www.google.de/search?sourceid=navclient&gfns=1&ie=UTF-8&q=goutieren
Sich um etwas/jemanden foutieren (jemand hat sich um etwas/jemanden foutiert) = frz. „se foutre de qqc./qn.“
Quelle: http://64.233.179.104/search?q=cache:EaPwLntG9rAJ:www.zurich.ibm.com/~ged/Schriftdeutsch.html+foutieren&hl=de&gl=ch&ct=clnk&cd=3
Gute Anwendungs-Beispiele in der zweiten Hälfte der Seite:
http://www.google.ch/search?hl=de&q=foutieren&meta=
und hier alle ausser das erste (auch Net-Journalisten kürzen die Titel):
http://www.google.de/search?hl=de&q=foutiert&meta=
Hier mein Beispiel für den letzten Abschnitt im obigen Artikel:
„Jedenfalls haben wir wieder was gelernt, unser Schweizerdeutscher Fachwortschatz ist durch diesen Exploit erheblich touchiert worden diesmal, wir können die ständige Wortschatzerweiterung nicht sistieren, irgendwann muss unsere Auffassungsgabe doch mal plafoniert werden, aber darum foutieren wir uns dann wohl nicht mehr, auch wenn wir es doch irgendwie goutieren.
Noch Fragen? Noch Pendenzen? Was war gleich das nächste Traktandum? Ich brauche jetzt dringend einen Zapfenzieher“
Na dann, Proscht beim Apéro
An Spooky:
Zähl mal die Buchstaben von „Exploit“ (übrigens, sprich: „Explua“, da frz.) und „Glanzleistung“. Das Buchstaben-Sparen wird z.B. in folgenden Blowiese-Artikeln und seinen Kommentaren dokumentiert: http://www.blogwiese.ch/archives/3
http://www.blogwiese.ch/archives/4
http://www.blogwiese.ch/archives/20
http://www.blogwiese.ch/archives/91 http://www.blogwiese.ch/archives/144
Februar 19th, 2006 at 11:27
@Peter
Du schreibst:
Ich hatte nie behauptet, das es was mit dem Englischen „exploit“ zu tun hat. Mir viel nur auf, dass man, wenn überhaupt, in Deutschland eher das Englische Verb „to exploit“ und den „exploit“ bei Softwarefehlern kennt, als die Französische „Heldentat-Glanzleistung“ Bedeutung.
Das Wort wird in der Schweiz laut dem von mir zitierten Duden ja auch Französisch ausgesprochen. Leider ist die Wiedergabe der Lautschrift mit HTML so eine Sache, darum habe ich das gelassen. Heldentat und Glanzleistung sind für mich ziemlich ähnlich. Die Frage stellt sich aber, ob dieses Wort je in Deutschland gebräuchlich war, zu Zeiten, in denen die Deutsche Bourgoisie noch Französisch bei Tisch parlierte, oder ob es nicht erst viel viel Später über den Sportjournalismus von Frankreich via Welsche Schweiz in die Deutschschweiz gekommen ist, ähnlich wie die „Barrage“ beim Fussball.
Gruss, Jens
Februar 19th, 2006 at 13:59
„Wissen Schweizer Jugendliche tatsächliche alle auf Anhieb, was ein “Exploit” im Sport ist?“
Nope!
Februar 19th, 2006 at 15:34
Ich würde noch hinzufügen, dass ein Exploit eine Glanzleistung ist, die aufgrund der bisherigen Leistungen nicht ganz zu erwarten wäre. Wenn ein Exploit nötig ist, dann müssen sie über sich hinauswachsen und einiges mehr bieten, als sie bisher geboten haben.
Wer einfach Glanzleistung an Glanzleistung reiht, der macht kein Exploit.
Februar 20th, 2006 at 15:42
da wir ja verschiedene landessprachen haben, ist es nicht immer klug, alles im englischen suchen zu wollen.
Februar 20th, 2006 at 16:52
Wollt ich auch just schreiben mono… 😉
Februar 20th, 2006 at 17:29
@monoblog
@CyberWriter
Stimmt, ihr habt Recht, äusserst schlüssiges Konzept! Dann wollen wir doch gleich mal im Schweizer Italiano/Français/Rumantsch/Bärntütsch Sammellexikon nach diesen Wörtern hier suchen:
der „Keeper“
der „Goali“
das „Penalty“
das „Grounding“
das „mega event“
die „Star Academy“
die „Champions League“
…. hmm, da scheint es noch einige Lücken zu geben. .Was machen wir jetzt bloss. Haben wir etwa eine Landessprache vergessen?
Gruss, Jens
Februar 20th, 2006 at 23:54
wir sind ja flexibel-international. und keeper und goalie ist ein und dasselbe ;-))
da wären aber auch noch das deux-piece, die pendenzen, die chance, der jus, die crème, das portemonnaie, der veston, das trottoir und die fiche…
Januar 18th, 2007 at 15:44
In Deutschland wird das Denglisch von vielen (einschließlich mir) als Unsitte betrachtet. In der Schweiz ist es halt das französische Pendant. Beides bestenfalls mündlich zu tolerieren… soll sich doch keiner auf seine angeblichen Fremdsprachenkenntnisse was einbilden. Es hat auch m.E. nichts mit Nationalismus zu tun, wenn man eine Sprache möglichst korrekt und nicht durch unnötige Fremdwörter verunziert sprechen möchte. Pidgin für einfache Geister… nöö, man muss ja nicht alles mitmachen. Wir sollten uns auch eine Académie Francaise… ääh, Allemande, zulegen, die über unsere Sprache wacht. Die „Knöllchen“ („Strafzettel“), die die verteilen dürften, können gar nicht saftig genug sein!
Februar 15th, 2007 at 16:29
Tja ist schon blöd wenn man merken muss (und nicht will) das Sprache was lebendiges ist und dauernd im wandel ist. Ach wenn wir doch alle so schön konserativ wären dann hätten wir das ganze Schlamassel nicht und würden uns einfach weiter angrunzen…
Is schon doof das mit dem Fortschritt… Aber zum Glück gibt es ja da noch die konserativen Kräfte, die immer mahnend den Finger heben und ein „früher war alles besser“ seufzen…
Ich denke auch das wir bei weitem nicht genug Regelwerk und Aufpasser haben die dafür Sorgen das ja kein Individuum ausbricht und schön schnell in Seine Schranken gewiesen wird, jawoll her mit den Sprachordnungshütern, recht so… wo kämen wir denn da hin wenn das alle so machen würden.. her mit dem Strafzettel, jeder der den Frevel begeht zu voten anstatt abzustimmern soll gefälligst abgestraft werden…
Wirklich schlimm wie so alles verunziert wird… Wie war das bei der EADV? Das böse ist immer und überall….
Die hacken zum Gruss zusammenknallend….