Fernsehtipp „Deutsche in der Schweiz“

Januar 25th, 2007

Die unten besprochene Sendung ist jetzt als Real-Stream online abrufbar

Die Deutschen kommen. Die Sendung als Real-Stream

Kleiner Fernsehtipp:
Im Herbst hat Pino Aschwanden ein Interview mit mir aufgezeichnet, aus dem vielleicht ein paar Statements übernommen worden sind. Wir sind gespannt!

Donnerstag, 25.01.2007, 20:00 Uhr auf SF1
DIE DEUTSCHEN KOMMEN – Und wie lieb wir sie haben

Die Deutschen kommen Deutschland abhanden wie nie zuvor. Sie wandern aus, mit Vorliebe in die (Deutsch-)Schweiz. Hier spricht man ja die gleiche Sprache, lebt die gleiche Kultur. Und Jobs gibt’s auch. Doch herrje, die Schweiz entpuppt sich als ziemlich anders, und die Liebe bleibt oft unerwidert.

Wiederholungen:
26. Januar 2007 um ca. 03.15 Uhr auf SF1
26. Januar 2007 um ca. 11.00 Uhr auf SF1
uns für alle „Nicht-Schweizer“ am 24. Mai 2007 um 21.00 Uhr auf 3SAT

Heimatfreunde für die Swissair — Vom Munitionieren und der Munot

Januar 24th, 2007
  • Heute schon jemanden munitioniert?
  • Constantin Seibt schreibt in einem sehr interessanten Hintergrundartikel zum Niedergang der Swissair im Tages-Anzeiger vom 16.01.07:

    Die Überlebensstrategie der Swissair 1992 hiess Alcazar: eine Fusion mittelgrosser europäischer Fluglinien – AUA,KLM, SAS und Swissair. Dieses Projekt – im Nachhinein wurdes es von vielen als letzte Chance der Swissair begriffen – scheiterte. Schuld waren zwei Kräfte: erstens die Heimatfreunde, angeführt von Verkehrsmininster Adolf Ogi, der einst sagt. „Wenn ich im Ausland ein Swissair-Flugzeug sehe, fühle ich mich wie auf dem Rütli.“ Sein Verbündeter war der „Blick“, der (munitioniert von Crossair-Chef Moritz Suter) auf das Projekt schoss. Er schrieb: „Die Swissair ist bei dieser Ehe nicht die schönste Braut. Sie ist die Beute.“

  • Sagen Sie AUA oder Aiiih oder Argh oder Ita?
  • An dieser Passage gefallen mir ein paar Begriffe und Wendungen ganz ausserordentlich. Nein, ich rede nicht von dem schmerzhaften Namen östereichischen Fluggesellschaft „AUA“, die heute „Austrian“ heisst. Diesen Sprachwitz versteht sowieso nur ein Leser aus dem deutschsprachigen Raum. Denn glauben Sie bloss nicht, alle Menschen dieser Welt sagen, wenn Sie plötzlich Schmerzen fühlen, „AUA“. Das ist etwas typisch Deutsches. In Frankeich und in der Westschweiz würde man „Aiihh“ sagen, was wie „EI“ klingt, in anderen Ländern sind es wiederum andere Lautfolgen. Wer kennt nicht den Schmerzensruf „arrgh„, zu lesen in jedem zweiten amerikanischen Comic?. Die Japaner hingegen rufen „Itai Ita!!“ wenn sie Schmerz empfinden. Ich möchte jetzt nicht wissen, was bei denen die Lautfolge „AUA“ bedeuten mag. Vielleicht: „Ich Rindvieh„? Das jedenfalls bedeutet „JA-WOHL“ in den Ohren von Serben und Kroaten, wenn sie Deutsche diesen Ausruf in einem Film über den Zweiten Weltkrieg sagen hören.

  • Sind sie auch ein Heimatfreund?
  • Nein, es gefallen uns die „Heimatfreunde“, die wir so noch nicht kannten in der Schweiz. Nur dem „Heimatwerk“ sind wir schon begegnet. (vgl. Ein Stück Heimat, schon ab Werk)

    Die „Heimatfreunde“ fanden sich bei Google-CH 167 Mal, was erschreckend wenig ist im Vergleich zu den 69‘900 Heimatfreunden bei Google-DE. Ist es wohl doch eher eine Deutsche Tugend, ein Freund der Heimat zu sein? Wenn schon nix Heimatwerk in Deutschland, dann wenigstens viele Freunde?

    Laut dem Artikel im Tagi äusserte sich die Heimatfreude des Alt-Bundesrats Adolf Ogi im Satz: „Wenn ich im Ausland ein Swissair-Flugzeug sehe, fühle ich mich wie auf dem Rütli.“ Es ist still auf der Rütliwiese am Urnersee. Ausser, Sie begehen den Fehler und gehen dort am 1. August hin nachdem sie zuvor schriftlich per Antrag bestätigt haben, dass Sie keinen Unsinn anstellen werden dort. So was wie Hitlergruss zeigen oder Parolen Rumgröhlen oder Politiker ärgern. (siehe „Per Antragformular Ruhe auf dem Rütli schaffen“) Da seit den Zeiten von Adolf Ogi die Verwendung des Schweizerkreuzes orbitant zugenommen hat, müsste er sich jetzt eigentlich permanent aufs Rütli versetzt fühlen. (Siehe: Die Schweizer Flagge und der Erste Hilfe Koffer).

  • Und wem munitionieren Sie?
  • Der Blick wurde „munitioniert“ von Crossair-Chef Moritz Suter. Als „nicht an der Waffe ausgebildet“ müssen wir scharf nachdenken, um was es bei dieser Tätigkeit geht. Nein, es ist kein spezifisch schweizerischer Ausdruck, dieses „munitionieren“, auch wenn man das meinen könnte. Auch in Deutschland wird Munition angereicht, im übertragenen Sinne selbstverständlich.
    Munot in Schaffhausen
    (Quelle Foto: swisscastles.ch)
    Gewiss hat es auch nichts mit dem „Munot“ zu tun, unserer Lieblingsburg in Schaffhausen:

    Der Munot ist eine Zirkularfestung im Zentrum der schweizerischen Stadt Schaffhausen und gilt als das Wahrzeichen der Stadt. Sie wurde im 16. Jahrhundert gebaut; kurz nach der Fertigstellung gab es die ersten Zweifel, ob die Anlage dem Stand der Militärtechnik entspricht. Daher diente sie nur einmal zur Verteidigung: Im Jahre 1799 während des Rückzugs der französischen Truppen vor den Österreichern.
    (Quelle: Wikipedia)

    Moment mal, Wahrzeichen von Schaffhausen? Wir dachten, dass sei der Rheinfall! Stimmt nicht so ganz, denn der liegt in Neuhausen. Und wo liegt das? Im Kanton Schaffhausen! Also sollten wir da nicht so kleinlich sein. Wiki meint:

    Er befindet sich in der Schweiz auf dem Gebiet der Gemeinden Neuhausen am Rheinfall im Kanton Schaffhausen (rechtsufrig) und Laufen-Uhwiesen im Kanton Zürich (linksufrig), rund vier Kilometer westlich unterhalb der Stadt Schaffhausen.

    Um kommen sie nun bloss nicht auf die Idee, diese letzten vier Kilometer von Schaffhausen bis Neuhausen auf dem Rhein mit dem Schlauchboot oder schwimmend zurückzulegen, um sich den Rheinfall mal von nahen anzusehen. Sie hätten sonst gute Chance auf den nächsten Darwin Award (vgl. hier). Abgesehen davon ist es streng verboten, auf diesem Flussabschnitt mit dem Boot zu fahren oder zu baden. Unter 200 Franken Busse kommen Sie bei „fehlbarem“ Verhalten nicht weg.

    Du sollst nicht abschreiben — Was die Müllabfuhr im Zürcher Gemeinderat zu suchen hat

    Januar 23rd, 2007
  • Du sollst nicht abschreiben
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger, dem Mitteilungsblatt für Schweizerdeutsche Politiksprache, vom 18.01.07 auf Seite 14:

    Damit die Traktandenliste des Zürcher Gemeinderates schrumpft, werden künftig alte Interpellationen automatisch abgeschrieben. Behinderung der SVP, meint die SVP.

    Von Anfang an übte die Schweizer Politiksprache ein besondere Faszination auf uns aus. Hier fahren nicht „Traktoren“ durch den Gemeinderat, sondern hier wird „traktandiert“, d. h. gezerrt und gezogen an einer Sache, was das Zeug hält und die „Traktandenliste“ hergibt. Nur zugezogene Neuschweizer würden eine „Tagesordnung“ erwarten mit ihren „Topics“ oder „TOPs“ = Tages-Ordnungs-Punkten, wie die deutsche Politikerklasse so etwas lieber nennt.

    Dort in Zürich werden „Interpellationen automatisch abgeschrieben“. Ja haben die denn keine „copy & paste“ Funktion in ihrer Textverarbeitung? Müssen die echt alles von Hand „abschreiben“ und wie geht das automatisch? Uns wurde dies in der Schule streng verboten. Abschreiben hiess, sich die Leistungen des Nachbars unerlaubt anzueignen und wurde streng bestraft. Aber natürlich ist hier nicht diese Bedeutung gemeint. Unser Duden erklärt:

    abschreiben st. v.; hat
    1. a) (von etw., was schriftlich od. gedruckt vorliegt) eine Abschrift machen: [sich] eine Stelle aus einem Buch a.; b) etw. [was im Konzept vorliegt] ins Reine schreiben; noch einmal schreiben: das Ganze noch einmal sauber a.; c) (bes. in der Schule) [unerlaubt] von jmds. Vorlage schreibend übernehmen: von einem Mitschüler a.; diese Stelle hat er wörtlich aus dem Buch eines Kollegen abgeschrieben.
    2. (Wirtsch.) a) (einen Gegenstand des bewertbaren Anlagevermögens) wegen Abnutzung im bilanzmäßigen Wert herabsetzen: Maschinen a.; b) (einen Betrag) streichen, abziehen: ich habe den Betrag [von ihrer Rechnung] abgeschrieben.
    (Quelle Duden.de)

    Auch nach mehreren Jahren in der Wirtschaft hatte ich Mühe zu verstehen, wie man dort Verluste einfach „abschreiben“ kann, und schon sind sie weg. Und so ganz ist mir auch nicht klar, wie die das jetzt im Zürcher Gemeinderat machen. Eine „Interpellation“ ist doch keine Schuldbetrag, oder?

  • Ich schreibe das Arbeitszimmer einfach ab
  • Eines der vielen Steuerschlupflöcher in Deutschland, das von der alten rot-grünen Bundesregierung gestopft wurde, war die Möglichkeit, die Kosten für einen privaten Wohnraum als Arbeitszimmer „abzuschreiben“, inklusive Putzfrau, Stromrechnung und Büromöbel. Ein Dauerbestseller im Deutschen Buchhandel trägt den Titel: „Der grosse Konz — 1000 ganz legale Steuertricks“. Fachleute halten die permanente Steuerreform in Deutschland erst für beendet, wenn dieses Buch zu „Die 10 bekannten Steuertricks“ unbenannt werden muss weil es keine Schlupflöcher mehr gibt. Weil sich damit auch der Beamtenstand selbst degradieren und funktionslos machen würde, wird das in Deutschland sicher nie passieren.

  • Den Typen kannst Du für heute voll abschreiben
  • Auch in die Umgangssprache ist das Wort gewandert:

    5. (ugs.) aufgeben, verloren geben; mit jmdm., etwas nicht mehr rechnen: den verlorenen Ring kannst du a.; er ist so krank, dass ihn schon alle abgeschrieben haben. st. v.;
    (Quelle Duden)

  • Und im Zürcher Gemeinderat?
  • Aber was passiert nun wirklich im Zürcher Gemeinderat? Wir können es nur vermuten, denn auch die Schweizer in unserer Umgebung wussten nicht so genau, was beim „Abschreiben einer Interpellation“ eigentlich geschieht. Wird das Ding kopiert? Entsorgt? Verworfen? Ist bestimmt wieder so ein super politischer Vorgang, den hier niemand versteht.

  • Nachts kommt die Müllabfuhr
  • In der IT gibt es einen ähnlichen Prozess, bezeichnet als „garbage collection“ = Müllabfuhr. Dabei werden veraltete Objekte, die eine Löschmarkierung bekommen haben, durch automatische Prozeduren (meistens per Script) vernichtet um so wieder Platz zu schaffen für Neues. Die Müllabfuhr kommt und entfernt alles, was veraltet ist. Diese „Löschmarkierung“ heisst auf Englisch „tombstone“ = Grabstein. Wobei Sie beim Aussprechen dieses tückischen Wortes an Laura Craft und „Tomb Raider“ denken sollten, denn das „b“ im „Tomb“ ist nicht zu hören.
    So geschieht es nun wohl auch im Zürcher Gemeinderat: Ist ein Tagesordnungspunkt ca. 2 Jahre alt und wurde nie diskutiert, dann verschwindet er automatisch von der Traktandenliste. So jedenfalls haben wird den Tagi-Artikel verstanden. Oder liegen wir da falsch? Unter Politikern wie Kohl oder jetzt Stoiber nannte man diese Strategie „Problemlösung durch Aussitzen“.

    Neues vom Türenaufhalten — Essen Sie auch gern ein Bütterken?

    Januar 22nd, 2007
  • Die Sprache mit den längsten Wörtern
  • Eine der wunderbarsten Eigenschaften der Deutschen Sprache ist ihre Möglichkeit, aus jedem x-beliebigen Satz ein Wort machen zu können. Sie können also ruhig sagen: „Dein ewiges Türenaufundzuschlagen nervt mich ganz gewaltig“. Es ist zwar kein sehr kurzes Wort, mit ein paar Trennstrichen wäre es sicher leichter lesbarer, und so bleiben wir bei der Schreibweise des Schweizer „Tür-aufhalten-Phänomens“, weil uns das „Türenaufhaltenphänomen“ zu unförmig und sperrig daherkommt.

  • Sind Sie auch ein Türenaufhalter?
  • Wie haben viele Reaktionen auf diesen ersten Artikel der Blogwiese im September 2005 bekommen. Manche Schweizer „outeten“ sich mit dem Satz: „Ja, auch ich bin ein Türenaufhalter“. Fast hatten wir Lust, eine Selbsthilfegruppe zum „Ich-muss-ständig-Türen-aufhalten-Problem“ anzubieten. Codename „A-T-A“ = „Anonyme Tür Aufhalter“. Aber es ist ja nicht wirklich ein Problem, ausser Sie stehen vor einer Drehtür und möchten diese gern aufhalten. Fragt sich nur wie, die dreht sich einfach ständig weiter.

    Oder Sie befinden sich vor einem Fahrstuhl, Excüse, natürlich „Lift“ und haben Schwierigkeiten, dort den richtigen Knopf zu finden, der die Tür aufhält.

  • Fahrstuhltür auch offenhalten?
  • Ein Kollege kam neulich auf die ungute Idee, bei einem grossen Personenaufzug den Fuss zwischen die sich schliessenden Aufzugstüren zu stellen, um so die Tür für nachfolgende Kollegen aufzuhalten. Der Fuss wurde dabei eingeklemmt, die Hydraulik versagte, die Tür ging nicht mehr auf oder zu, der Fahrstuhl war ca. 40 Minuten ausser Betrieb, der Kollege wurde von uns mit Stullen versorgt, denn wir waren auf dem Weg zur Kantine.

  • Stulle, Knifte oder Bütterken?
  • „Stullen“ kennen sie nicht? Weil das bei Ihnen vielleicht eine „Kniffte“ ist? Oder ein „Bütterken“. Neudeutsch dürfen sie auch „Sandwich“ dazu sagen. Welche Varianten die Schweiz wohl für belegte Brote ausser dem Begriff „Veschpa“ haben? Mir fehlt mein Variantenwörterbuch im Krankenhaus zum Nachschauen. Doch, eine Bezeichnung scheint es hier zu geben: „Ein Eingeklemmtes„, auf Berndeutsch ist das „es iigchlömmts“ und in Zürich „es iigchlämmts“ (das „i“ am Anfang habe ich absichtlich klein geschrieben. Das Wort sollte man natürlich gross schreiben, aber dann sieht es aus wie ein „l“).

  • Wie sieht der Knopf zum Türaufhalten aus?
  • Zurück zum Aufzug und der entscheidenden Frage, ob man den auch aufhalten sollte. Wir bekamen viel Post von Menschen, die den Schweizern vorwerfen, sie würden extrem rasch die „Tür-Schliessen“ Taste im Fahrstuhl drücken. Keine Ahnung welche das sein soll, ich gehöre zu den Menschen die so etwas sowieso nicht unterscheiden können und höchstwahrscheinlich eher den Alarm auslösen würden als die richtige Taste zu finden.

  • Mein Freund, der Türaufhalter
  • Nun fand ein Leser der Blogwiese die Lösung, warum so viele Schweizer diese höfliche Angewohnheit des Türenaufhaltens pflegen. Er schickte uns diese Bild:
    Mein Freund der Türaufhalter
    und schrieb dazu:

    Ich habe heute herausgefunden warum wir Schweizer so gerne anderen Leuten die Türen aufhalten. Die Lösung liegt im Schülerkalender „Mein Freund“ von 1949. Das ist so ein kleines Jahrbüchlein im Hosentaschenformat, in dem allerlei Wissenswertes, Erstaunliches und Unterhaltsames zu finden ist. Unter anderem auch ein paar Seiten mit Benimmregeln… so wie diese.
    PS: Keine Ahnung wer „falsch“ und „recht so“ hingeschrieben hat, war wohl ein sehr aufmerksamer Schüler.
    (Quelle: Private E-Mail)

    Fragt sich, wie lange dieser Kalender nach 1949 noch aufgelegt wurde. Wir üben derweil den Grundsatz in dem wir alle gemeinsam 100 Mal nachsprechen: „Dem anderen die Ehre… dem anderen die Ehre.. dem anderen die Ehre“.

    In der Schweiz braucht es erst einen Kurs, in Deutschland machen wir das einfach so

    Januar 20th, 2007
  • Internationales Universitätsspital
  • Es geht mir den Umständen entsprechend gut, ich fühle mich tipp topp gepflegt und umsorgt im Universitätsspital von Zürich. Was ich als „under cover“ Agent gleich beobachten konnte, ist die internationale Besetzung hier. Eine holländische Pflegekraft und eine Persisch-Deutsche Ärztin in der Ambulanz, eine sehr nette Tibeterin auf Station. Aber auch qualifizierte Pflegekräfte aus der Schweiz, Serbien und Marokko lernte ich hier kennen und schätzen. Das Gesundheitswesen der Schweiz würde ohne den 20 % Ausländeranteil im Land sicher ganz schön an Krücken gehen. Nur die Ärzte auf allen Hierarchiestufen, die ich bisher kennenlernte, waren durchweg aus Deutschland. Ob Facharzt, Assistenzärztin, Professor oder PJler (Arzt im praktischen Jahr), alles Norddeutsche.

  • Um mit Krücken zu laufen braucht es in der Schweiz eine Einführung
  • Der Professor verordnete baldiges Aufstehen mit Krücken. OK, da muss jetzt der Physiotherapeut bestellt werden, der mir erklären soll, wie man richtig an Krücken läuft, auftritt, abrollt etc. Ein deutscher Pfleger namens Jens sah das anders:

    „Das ist typisch Schweiz. Da braucht es immer erst einen Kurs oder eine lange Anleitung, bevor etwas geschehen kann. Du nimmst jetzt die Krücken und dann schön vorsichtig.“

    Ein Mann der Tat und nicht des langen Theoretisierens.

  • Ob theoretische Vorarbeit typisch Schweizerisch ist?
  • Mich erinnerte das an unsere Erfahrungen in Bülach beim Schwimmkurs. Während unsere Tochter in Deutschland im Alter von 5 Jahren in einem öffentlichen Schwimmkurs im Schwimmbad innerhalb von 2 Nachmittagen schwimmen lernte und sich nach 5 Wochen mit einem „Freischwimmer“, d. h. 15 Minuten Schwimmen und ein Sprung vom Einmeterbrett quasi frei schwamm, war das in Bülach beim örtlichen Schwimmverein etwas anders organisiert.

  • Wassergewöhnung in 1-8 Kursen
  • Es wurden eine Reihe von sehr interessanten Kursen angeboten, die alle aufeinander aufbauten und stets nach Wassertieren benannt waren: Seepferdchen, Seestern, Krokodil, Delphin, Hai.. und ich weiss nicht was noch. Die Kinder lernten sich ans Wasser zu gewöhnen, ein bisschen tauchen, ein bisschen Kopfsprung, ein bisschen Rückwärts paddeln etc. etc., alles, nur nicht Schwimmen. Das kam erst im 9. Kurs dran.

    Die Kurse machten viel Spass und waren gut besucht, immer passierte viel im Wasser, nur Schwimmen konnten manche Kinder danach immer noch nicht. Ob die Theorie von dem „verstärkten theoretischen Ansatz“ bei Schweizern stimmt?

  • Wenn Lehrer Fahrradfahren unterrichten müssten
  • In der Pädagogik macht man sich oft lustig über die Vorstellung, wie das Thema „Fahrradfahren“ wohl als Schulfach von einem deutschen Lehrer aufbereitet werden würde. Erst mal die Namen alle Bauteile eines Fahrrads lernen, dann das theoretische Gleichgewicht halten üben, dann in der dritten Stunde die behutsame Besprechung von Lenker, Klingel und Handbremse etc. etc.

  • Krankenpflege in Deutschland und in der Schweiz
  • Zurück zum Pfleger Jens. Er arbeitet sehr gern hier, weil auf den Stationen weniger Patienten versorgt werden müssen als in Deutschland, denn der Stellenschlüssel ist hier besser. Alle offenen Pflegestellen können gut besetzt werden, dank der hochqualifizierten Kräfte aus ganz Europa, Asien und Afrika.

  • Drüllen ohne Drillsergeant
  • Und ein neues Wort konnte ich lernen. „Ich drülle, du drüllst, er/sie/es drüllt“. Und das ganz ohne Drillsergeant oder Drillbohrer. Denn nur daher war mir das Verb „drillen“ bisher bekannt. Doch unser Duden weiss mehr:

    drillen sw. v.; hat=““ [1, 3: frühnhd. = (herum)drehen, drechseln, bohren mniederd. drillen = drehen, rollen; plagen; 2: engl. to drill]:

    1. a) einem harten militärischen Training unterziehen: Rekruten d.; b) durch monotone Wiederholung hart schulen: Schüler, jmds. Geist d.; * auf etw. gedrillt sein (ugs.; durch ständige Schulung o. Ä. auf etw. gut vorbereitet sein u. entsprechend reagieren): die Mannschaft ist ganz auf Kampf gedrillt.

    2. mit der Drillmaschine in Reihen säen: Raps, Rüben d.

    3. mit dem Drillbohrer bohren.

    4. (Angeln) einen Fisch an der Angel durch wiederholtes Freigeben u. Einholen der Angelschnur ermüden. sw. v.;
    (Quelle: duden.de)

    Es fehlt die Bedeutung: „Schweizerisch für ‚drehen'“. Mittelniederdeutsch und Neuhochalemannisch haben also doch noch gemeinsame Wörter.

    Gelernt habe ich das Wort beim Röntgen. Ich sollte mein Bein etwas „drüllen“. Also tat ich dies. Aber gaaanz gaaaanz vorsichtig. Um keinen Drall zu kriegen.