Wollen Sie Schweizer werden? — Nein, ich bin schon jemand

Januar 31st, 2007
  • Wann werdet ihr Schweizer?
  • Als wir vor 6 Jahren in die Schweiz zogen und dies unseren Freunden und Verwandten in Deutschland erzählten, kam häufig in den Gesprächen die Frage auf: „Und wann werdet ihr Schweizer?

    Als ob es das Natürlichste auf der Welt sei, dass man mit dem Umzug in die Schweiz nach einigen Jahren seine alte Nationalität an den Nagel hängt, ablegt wie ein altes Kleid oder wie einen alten Mantel, und sich eine neue sucht, durch Erwerb und Erhalt des Schweizerpasses. Zwangsläufig und automatisch.

  • Auch Deutsche in der Schweiz können wählen
  • Wir haben dann erklärt, dass wir ganz glücklich mit unserem jetzigen roten EU-Pass sind, dass wir nach wie vor am politischen Geschehen in Deutschland teilnehmen, zum Beispiel regelmässig als Auslandsdeutsche via Briefwahl an Wahlen partizipieren, und wirklich kein dringendes Bedürfnis verspüren, dies zu ändern. Sicher, mit den Jahren verblasste dann ein bisschen unser Interesse an der Deutschen Innenpolitik und gleichzeitig stieg unser Interesse und unser Wissensbedarf in Bezug auf Schweizer Gesellschaftspolitik. Wir verfolgen jede Volksabstimmung mit Spannung und bilden uns unsere Meinung. Dann ist es schon ein wenig frustrierend, dass man zwar als Steuerzahler und Arbeitskraft willkommen im Land ist, jedoch politisch nichts zu sagen hat. Ein Meinung haben wir aber dennoch.

  • Eingeschränktes Wahlrecht für EU-Ausländer in Deutschland
  • Doch das ist für die Ausländer in Deutschland nicht anders. Nur in sehr geringem Umfang auf lokalpolitischer Ebene fand hier ein Wandel statt. So ist die Teilnahme an Kommunalwahlen und an den Wahlen fürs Europaparlament auch für EU-Ausländern in Deutschland möglich:

    Bei der Kommunalwahl können wir uns als Wähler regelrecht austoben. Vorausgesetzt, „wir“ sind entweder Deutsche oder EU-Ausländer und mindestens 16 Jahre alt. Möglich wurde dies durch eine Änderung des Grundgesetzes sowie des Kommunalwahlrechts in NRW. 1999 durften erstmals Jugendliche ab 16 und EU-Ausländer bei Kommunalwahlen mitwählen. Allerdings auch nur dabei. Bei Landtags- und Bundestagswahlen gilt nach wie vor: Mindestalter 18 und deutsche Staatsbürgerschaft.
    (Quelle: wdr.de)

    In dem DOK-Film DIE DEUTSCHEN KOMMEN – Und wie lieb wir sie haben fragte Pino Aschwanden zum Schluss alle interviewten Deutschen, ob sie denn nun Schweizer werden wollten. Manche bejahten, manche verneinten, eine Deutsche fragte zurück: „Möchte ein Schweizer Deutscher werden?“ und der letzte Deutsche sagte: „Ich muss net Schweizer werden – ich bin schon jemand“, mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Dieser Schlusssatz löste in der Folge sehr interessante Diskussionen aus.

    So schrieb mir ein Schweizer dazu:

    Das Schlusswort des einen Deutschen (leider habe ich seinen Namen nicht gemerkt):
    „Ich brauche nicht Schweizer zu werden – ich bin schon wer“, hat natürlich wieder allen Kritikern bestätigt, dass sie recht haben mit dem Vorwurf der Arroganz! Schade eigentlich.
    (Quelle: private E-Mail)

    Pino Aschwanden fand den Abschluss „ironisch-sarkastisch“. Eine andere Schweizer Kollegin, die ich dazu befragte, fand diesen Schluss „lustig“. Es gehen also hier die Meinungen ziemlich auseinander. Der Blogwiese Leser „Phi“ schrieb dazu:

    Am “coolsten” fand ich den Abspann.
    Sagt doch der ein, auf die Frage ob und wann er Schweizer werden will: “Wieso sollte ich, ich bin doch schon jemand”.
    Wie treffend, und wie wünschenswert, ein bisschen mehr Toleranz bei jedermann.
    Wie kindisch ist denn dieses ganze Getue? Jeder ist Ausländer, überall! Und jeder ist irgendwo mal arrogant, kleinbürgerlich, intolerant usw usw.
    (Quelle: Kommentar zum Artikel)

  • Ich will Mensch bleiben
  • Mich hat Pino Aschwanden auch gefragt, ob ich Schweizer werden will. Ich habe geantwortet, dass ich als „Mensch“ ganz glücklich lebe in der Schweiz, und mich mit einem roten EU-Pass auch sehr wohl fühle. Der Begriff „Nation“ nebst der Zugehörigkeit zu einer solchen hat für uns Deutsche noch mal einen ganz anderen Beigeschmack. Zuviel ist schief gelaufen „im Namen des Volkes“, und erst ganz langsam, seit der letzten WM vor allem, entspannt sich ein bisschen unser Verhältnis zum „Deutschsein“, zur „Deutschlandflagge“ etc.

  • Ist man arrogant, wenn man nicht Schweizer werden will?
  • Zurück zum ersten Kommentar. Mir ist bis jetzt unbegreiflich, wie die Aussage „Ich muss net Schweizer werden – ich bin schon jemand“ als Beweis für typisch deutsche Arroganz aufgefasst werden kann. Sollte es denn unser aller Streben und Trachten sein, in der Schweiz mit den Schweizern eins zu werden und unsere eigene Identität beim Betreten des Landes quasi an der Garderobe abzugeben?

  • Eine neue Heimat in der Schweiz finden
  • Im Zürich im Spital lernte ich viele „Neu-Schweizer“ kennen, die ihre Heimat in Tibet, Serbien, Tunesien, Nigeria oder anderswo verlassen hatten, hier seit Jahren lebten und mit dem Schweizer Pass auch wieder eine politische Identität bekamen. Sie wollten nicht mehr zurück, aus politischen, religiösen oder wirtschaftlichen Gründen. Für sie ist die Schweiz zur neuen Heimat geworden. Wir empfinden die Schweiz heute als unser „Zuhause“, ob mit oder ohne Schweizerpass.

  • Ihr seid nur Gäste hier
  • Wir können auch mit dem häufig gehörten Satz „Ihr nur seid Gäste hier“ nicht viel anfangen. Ich höre dann immer noch den ungesagten zweiten Satz: „ … und als Gäste müsst ihr schön still sein und dürft bloss das Maul nicht zu weit aufreissen. Es gehört sich nicht, als ‚Gast‘ irgendetwas zu kritisieren oder zu beanstanden“.

    Ja, wir sind Gäste. Wir sind Gäste auf dieser Welt. Der Boden, auf dem wir laufen, kann niemanden „gehören“ und nur für „bestimmte Menschen“ dasein. Nur weil ein Mensch in einem bestimmten geographischen Gebiet zur Welt kam, sollten daraus allein keine besonderen Rechte oder Nachteile resultieren. Aber jetzt wird es vielleicht zu philosophisch.

    Das Grundrecht auf „Freizügigkeit“ wird von den meisten Staaten der Welt nur den eigenen Bürgern gewährt. In der EU spielt der „Freie Personenverkehr“ ein ganz besondere politische Rolle:

    Der Freie Personenverkehr (englisch: Free Movement of Persons, französisch: Libre Circulation de Personnes), ist eine Politik der Europäischen Gemeinschaft. Im engeren Sinn umfasst sie lediglich Wanderungsbewegungen von Drittstaatsangehörigen, betrifft also Fragen wie die Asylgewährung, die Aufnahme von Flüchtlingen, die Visa-Politik sowie die Einwanderung aus Drittstaaten. Zu unterscheiden ist der freie Personenverkehr insofern insbesondere von der die Unionsbürger selbst betreffenden Freizügigkeit.
    (Quelle Wikipedia)

    Fazit: Wer nicht EU-Bürger ist hat das Nachsehen. Aber nicht immer. Als ich im Sommer nach England flog, gab es dort an der Zollabfertigung ein paar gut besetzte Schalter für EU-Mitglieder, und eine lange einsame Warteschlange am „NON-EU“ Abfertigungsschalter. Ganz klein und fast zu übersehen hatte jemand nachträglich auf des EU-Schild den Zusatz „and Switzerland“ geklebt.
    Die Schweiz wurde, zum Erleichterung der Schweizer Passagiere, dank der bilateralen Verträge wie ein EU-Mitglied behandelt, und niemand schien in diesem Moment dort am Flughafen etwas dagegen zu haben.

    Lassen Sie Haare oder Fäden? — Von guten Fäden, Bürzis, Mäusen, Stutz und Klötzen

    Januar 30th, 2007
  • Keinen guten Faden lassen
  • Neulich berichteten wir über das Adjektiv „langfädig“, welches in der Schweiz als Synonym für „langatmig, langweilig“ verwendet wird. So ganz liess sich dessen Herkunft nicht klären, und die Anhänger der „Käse-Fondue-mit-langen-Fäden“ Theorie lagen sich schliesslich in den Haaren mit der Fraktion der Ex-Textilhersteller, welche mit langen Fäden Stoffe produzierten. Nun entdeckten wir ein weiteres Beispiel für ein sprachliches Überbleibsel aus der Schweizer Textilindustrie.

    Der Tages-Anzeiger vom 23.01.07 schrieb über die Aussage von Mario Corti beim Swissair-Prozess in Bülach:

    „Mario Corti liess keinen guten Faden an der Anklage und sagte, er sei nicht schuldig.“
    (Quelle: Tages-Anzeiger 23.01.07. Seite 1)

    Von einem „guten Faden“ hatten wir bisher nichts gehört. Lediglich die Redewendung „Kein gutes Haar an einer Sache lassen“ ist uns bekannt. Besonders schlecht ist dieses Haar als Haar in einer Suppe einzustufen. Oder ist in der Schweiz ein „Faden“ gleichbedeutend mit „Haar“, so wie man hierzulande statt „sich kämmen“ zur Strahlenpistole greift um sich zu „strählen“?

  • Keinen Dutt sondern ein Bürzi
  • Die Haare der Schweizer werden sowieso sprachlich anders behandelt als in Deutschland. Ein gemeiner „Haarknoten“ oder „Dutt“, im Schwabenland und bei modebewusste Schweizern auch „Chignon“ genannt, ist in der Schweiz ein „Bürzi“ oder „Pürzi“. So fanden wir im Variantenwörterbuch den Beleg:

    Ein paar weisse Fäden durchziehen ihr pechschwarzes Haar, dass im Nacken zu einem Bürzi geknotet ist.
    (aus Susan Wyss: „Helle Tage Dunkel Tage“, Zürich, Ringier 1995)

    In diesem Zitat aus einem Schweizer Roman haben wir beides: Das Bürzi und die „weissen Fäden“ mitten im Haar.
    Chignon oder Bürzi?
    (Quelle Foto: flash-coiffure.ch)

    Wer sonst noch keinen guten Faden lässt:

    Keinen guten Faden lassen die Bürgerlichen an den Beschäftigungsprojekten für Sozialhilfebezügerinnen und –bezüger. Sie seien zu teuer, zu phantasielos, von der GGZ zu wenig gut überwacht etc.
    (Quelle: GrünGründlichRot.ch)

    oder hier:

    Und jetzt diese Umfrage. Besteht da nicht die Gefahr, dass sich vor allem jene melden, die am Vertragswerk keinen guten Faden lassen?
    (Quelle: Schweizerische Eisenbahn- und Verkehrspersonal-Verband )

  • Sagt das denn in Deutschland niemand?

  • Bei Google-DE liessen sich lediglich Verweise auf Sprichwortsammlungen und Wörterbücher finden. Eine ältere Deutsche sagte mir, dass sie diese Redewendung zwar kennt, aber als „veraltet“ nicht mehr aktiv gebraucht. Da beisst die Maus keinen Faden ab. Auch wenn sie „mausarm“ ist. Übrigens ist auch dies ein echter Helvetismus. Gemeindeutsch wäre dafür „arm wie eine Kirchenmaus“.

  • Munteres Tierreich, wenn es ums Geld geht in Deutschland
  • Warum ausgerechnet Mäuse arm sein sollen, wenn doch der Begriff „Mäuse“ selbst ein Synonym für Geld ist bei den Deutschen. Neben den Mäusen finden sich in Deutschland auch die „Kröten“, „Möpse“, „Flöhe“ oder „Mücken“ als Wort für das Geld. Den Schweizern reicht ein lebloser „Stutz“ hingegen aus, selten mal als „Klotz“ oder etwas „Kohle“ umschrieben.

  • Kein Klotz am Bein, sondern Klötze auf der Bank
  • Ein Klotz ist in Deutschland etwas das behindert, wenn es am Bein hängt und beim Marschieren stört. Der Vers eines Marschlieds geht so: „Klotz. Klotz. Klotz am Bein, Klavier vorm Bauch, wie lang ist die Chaussee? Links ne Pappel, rechts ne Pappel, in der Mitte Pferdeappel, immer noch Chaussee“.
    Im Variantenwörterbuch fanden wir ein Zitat aus der Zeitschrift CASH:

    „Die Nationalbank, der AHV-Fonds, die Suva — Sie mal nachzählen, wie viele Klotz da sinnlos herumliegen“.
    (Quelle: Cash 7.5.1999, zitiert nach Variantenwörterbuch S. 416)

    Ist jetzt der Plural von „Klotz“ die „Klötze„, wie das in unserem Wörterbuch steht? Oder sagt man nur beim Thema Geld in der Schweiz „viele Klotz„, als eine Art geschriebene Dialektform ohne Umlaut? Wir müssen die Frage unbeantwortet lassen und warten auf versierte Kommentare von erfahrenen Klotz-Besitzern.

    Fegen oder wischen Sie? — Über Deutsch-Schweizer Putzvarianten im Alltag

    Januar 29th, 2007

    Aktuell: Das Migros-Magazin schreibt heute über die Deutschen in der Schweiz, mit hübschen Foto aus dem Spital, Artikel als PDF hier und hier.

  • Varianten beim Putzen
  • Deutsch ist eine plurizentrische Sprache. Es gibt kein einzelnes Zentrum, sondern viele. Es gibt kein „einzig richtiges Deutsch“, sondern Varianten, die von einem gemeinsamen, von allen verstandenen „Standarddeutsch“ abweichen. Wer in mehreren Zentren lebt oder von den Sprechern und Lesern in mehreren Zentren verstanden werden will, tut gut daran, sein Verständnis für diese Varianten zu trainieren. Ein Klassiker dabei sind die Pseudo-Synonyme „FEGEN“ und „WISCHEN“.

  • Fegen oder wischen Sie?
  • Für die Deutschen ist „fegen“ eine trockene Angelegenheit. Es wird mit einem Besen gefegt, es gibt sogar einen Beruf dazu, den uns Wikipedia so erklärt:

    Straßenfeger ist
    eine Berufsbezeichnung für zumeist städtische Angestellte, die mit Kehrschaufel und Besen Straßen und Fußwege reinigen. Oft übernehmen Straßenfeger auch Arbeiten der Stadtgärtnerei. In der Schweiz werden Straßenfeger Strassenwischer genannt.
    (Quelle: Wikipedia)

    Mit dem letzten Satz kommen wir direkt zur Schweizer Version vom Feger, den „Wischer“.

    Während die Deutschen den „Wischer“ als „Scheibenwischer“ bei Regen kennen und damit immer viel Wasser assoziieren, ist „wischen“ in der Schweiz ein Vorgang OHNE Wasserverbrauch. In Deutschland wird grundsätzlich mit Wasser gewischt, der Wischeimer ist mit Wischwasser gefüllt. Unser Variantenwörterbuch vermerkt zum Stichwort

    WISCHEN: A D, aufwaschen AD-mittel-ost, putzen A CH D (ohne nordost), fegen CH, aufnehmen [den Boden] nass/feucht aufnehmen CH D-nord, feudeln D-nord (den Boden) mit einem feuchten Tuch reinigen.
    (Quelle: Variantenwörterbuch DeGruyter-Verlag, S. 880)

    Ganz schön kompliziert! Deutlich wird, dass nur in der Schweiz „fegen“ als Synonym für das feuchtes Wischen vorkommt, und das feudale „feudeln“ bei den Eidgenossen offensichtlich unbekannt ist. Es sei denn, es wurde mal in der Lindenstrasse erwähnt oder bei Stefan Raab und gelangte so in den passiven Wortschatz der Schweizer.

  • Die Kehrmaschine ist eine Wischmaschine
  • Als Jugendlicher wohnte ich im Ruhrgebiet an einem innerstädtischen Marktplatz, der jeden Mittag von einer grossen „Kehrmaschine“ gesäubert wurde. In der Schweiz ist das logischer Weise eine „Wischmaschine“. Aber einen „Wischmopp“ kennen die Schweizer dennoch nicht.
    Der deutsche Wischmopp
    (Quelle Foto: sign-lang.uni-hamburg.de)

  • Wenn im Fernsehen ein Strassenwischer gezeigt wird

  • An was haben Sie jetzt gedacht, als Sie diese Überschrift lasen? Wie kann man sich nur eine Dokumentation über die Stadtreinigung ansehen? Dann sind sie Deutscher. Für die Schweizer ist ein „Strassenwischer“ das, was in Deutschland als „Strassenfeger“ im übertragenen Sinn gebraucht wird:

    Strassenfeger oder Strassenwischer:
    der umgangssprachliche Ausdruck für ein Ereignis, das sehr viele Menschen in einem größeren Umkreis zur gleichen Zeit an einen bestimmten Ort zieht und die Straßen leert. In der Regel wird der Ausdruck für beliebte Fernsehserien verwendet, die sehr hohe Einschaltquoten erzielen. Im deutschen Radio waren die ersten Straßenfeger die Hörspiele mit dem Durbridge-Detektiv Paul Temple (gesprochen von René Deltgen). Darauf folgten die entsprechenden Durbridge-TV-Verfilmungen in den 1960er-Jahren.
    (Quelle: Wikipedia)

    Als der ehemalig Cultur-Club Star Boy George wegen eines vorgetäuschten Einbruchs von einem Richter zu gemeinnützigem Arbeiten in New York verurteilt wurde, stürzten sich die Paparazzi auf das Motiv „Strassenwischer“, der jedoch bei der Arbeit fegt, und nicht wischt.
    Der Strassenwisch wischt nicht sondern fegt
    (Quelle: espace.ch)

    Interessant an diesem Artikel ist die gleichzeitige Verwendung von „fegen“ und „wischen“. Wenn schon vom „Strassenwischer“ die Rede ist, sollte auch das Verb „wischen“ verwendet werden, und nicht „fegen„. Entweder traute hier der espace.ch Redaktor seinem Sprachvermögen nicht, oder jemand hat nachträglich den Artikel redigiert.
    Lassen wir uns vom Duden das Wort „fegen“ erklären:

    fegen:
    Das landsch. Wort für »(mit dem Besen) kehren« ist bes. nordd., aber auch südwestd. und schweiz.; doch gilt es im Süden meist für »scheuern, (nass) wischen«. Mhd., mnd. vegen »fegen, putzen« ist ablautend verwandt mit mniederl. vāgen, aisl. fāga »reinigen, glänzend machen, schmücken«.
    (Quelle: duden.de)

    Ob der rüde Satz: „Du kriegst gleich eine gefegt“ auch überall verstanden wird, so ganz ohne Duden?

  • Leuwagen oder Fegbürste?
  • Zum Fegen verwendet man in der Schweiz eine „Fegbürste“, also einen Schrubber mit oder ohne Stiel, und in Norddeutschland den „Leuwagen“, welcher den Schwaben sicherlich genauso unbekannt ist wie ein „Strupfer/Schrupfer“ (Süddeutsche/Schweiz. Variante von Schrubber) in Hamburg.
    Der Duden sagt: Leuwagen, der; -s, – ( nordd. für Schrubber)

    Fazit: Es gibt noch viel zu lernen putzen, und immer schön sauber bleiben!

    Gegen die EU stimmen aber EU-Prämien einkassieren — Kein Importzoll für Schweizer Bauern im Grenzgebiet

    Januar 26th, 2007

    Sendung „Die Deutschen kommen — und wie lieb wir sie haben“ jetzt als Real-Stream hier.

  • Was ist ein Rosinenpicker?
  • Ein Vorwurf, den Schweizer in Deutschland häufig zu hören bekommen, ist, dass sie aus dem Land der „Rosinenpicker“ kommen. Gemeint ist damit die Angewohnheit mancher Geniesser, sich aus einem grossen Kuchen die leckeren Rosinen herauszupicken und den Rest zu verschmähen. Nun stehen alle Ländern in Europa in wirtschaftlichem Wettbewerb miteinander, was beispielsweise die Massnahmen angeht, mit der Industrieansiedlungen gefördert werden. Niedrige Steuern, günstige Grundstückspreise oder Pachtzinsen, gar keine Gewerbesteuern für einen beschränkten Zeitraum oder sogar finanzielle Unterstützung für die Erschliessung eines Baugeländes werden geboten, um Unternehmen zu bewegen, sich an einem Ort anzusiedeln und hoffentlich zahlreiche Arbeitsplätze zu schaffen.

    Doch nicht immer ist dieser Wettbewerb gerecht. Schweizer würden sagen: „Nicht immer wird mit gleichlangen Spiessen gekämpft“ (vgl. Haben Sie auch einen Spiess daheim?). Besonders absurde Dinge geschehen bei den Bauern seit Juni 2002 im Deutsch-Schweizer Grenzgebiet.

  • Seit Juni 2002 gilt das Freizügigkeitsabkommen
  • Nach der Ratifizierung dieses Abkommens begannen Schweizer Landwirte am Oberrhein damit, im grossen Stil Bauernland auf der anderen Seite der Grenze in Deutschland zu kaufen oder zu pachten:

    In den ersten Quartalen des Jahres 2003 kauften und pachteten Schweizer Landwirte 270 Prozent mehr Flächen auf deutschem Gebiet im Vergleich zu den Durchschnittswerten der vergangenen sieben Jahre. Den deutschen Bauern im betroffenen Grenzgebiet zur Schweiz werde damit jegliche Entwicklungschance genommen. Schweizerische Berufskollegen könnten durch dreifach höhere Erzeugerpreise für Agrarprodukte in der Schweiz Kauf- und Pachtpreise bieten, zu denen Bauern hierzulande nicht mithalten könnten.
    (Quelle: openpr.de)

  • Warum erzielen die Schweizer Bauern höhere Erzeugerpreise?
  • Das ist leicht zu erklären. Sie bestellen das billig in Deutschland gekaufte oder gepachtete Land und fahren die Ernte absolut unverzollt und unversteuert über die grüne Grenze zurück in die Schweiz, wo der Agrarmarkt abgeschottet ist gegen Importe aus der EU und die Preise für Agrarprodukte künstlich hoch gehalten werden, um den Bauernstand zu schützen und so die Kulturlandschaften zu erhalten. Während die normale Einfuhr von Petersilie von der EU in die Schweiz mit 1000% Zoll auf den Wert der Ware so teuer gemacht wird, dass niemand auf die Idee käme, Petersilie in die Schweiz zu verkaufen, können die Bauern im Grenzgebiet ohne Einschränkungen ihr in Deutschland produziertes Gemüse oder Getreide in die Schweiz fahren und dort zu einem dreimal so hohen Preis wie in Deutschland verkaufen. Ein deutscher Bauer hingegen, der auch auf seinem Feld an der Grenze Gemüse anbaut, kann dies nicht einfach in die Schweiz bringen und dort vermarkten, ohne horrenden Zoll bezahlen zu müssen.

  • Wie könnte man diese Zoll-Schlupfloch abdichten?
  • Ganz einfach, durch die Erhebung von Importzöllen:

    Der Bauernverband fordert, dass die Schweizer Regierung auf die von ihren Landwirten auf deutschem Hoheitsgebiet erzeugten Agrarprodukte Zölle erhebt. Der Zollsatz müsse so bemessen sein, dass Wettbewerbsgleichheit mit den Grenzbauern in Baden geschaffen werde. Die zollrechtlichen Regelungen müssen auf die seit Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes im Juni 2002 neu erworbenen und neu gepachteten Flächen angewandt werden.
    (Quelle: openpr.de)

    Doch diesen Zoll gibt es bis heute nicht. Was hingegen im Stuttgarter Landtag beschlossen wurde, ist eine Änderung des Grundstückverkehrsrechts:

    Der Landtag hat im Streit zwischen deutschen und schweizer Bauern um Landkauf im Grenzgebiet eine Änderung des Grundstücksverkehrsrechts beschlossen. Die Änderung soll die Chancengleichheit zwischen den Bauern beider Länder verbessern. Das Gesetz gilt im Grenzgebiet von Waldshut, im Schwarzwald-Baar-Kreis, im Kreis Tuttlingen und im Kreis Konstanz. Es sieht vor, dass der Kauf oder die Pacht eines Geländes vom Land verhindert werden kann, wenn der Preis 20 Prozent über den ortsüblichen Preisen liegt. Damit soll der immer heftiger gewordene Konkurrenzkampf zwischen Deutschen und schweizerischen Bauern um Ackerflächen entschärft werden.
    (Quelle: SWR.de vom 15.12.05)

    Das Gesetz gilt nicht rückwirkend für schon abgewickelte Landverkäufe. Klar, das ist bei den meisten Gesetzen so. Und es verhindert keine Importe des in Deutschland angebauten Gemüses oder Getreides. Es bedeutet lediglich, dass ein im grenznahen Gebiet zum Verkauf stehendes Stück Ackerland mit einem ortsüblichen Wert von sagen wir 100‘000 Euro jetzt nicht für mehr als als für 120‘000 Euro angeboten werden kann. Der Deutsche Bauer, der das Land gern erworben hätte um seinen Hof zu vergrössern und ökonomischer wirtschaften zu können, hätte schon bei 100‘000 Euro Finanzierungsschwierigkeiten gehabt, braucht jetzt aber nicht mehr befürchten, dass ihm ein Schweizer Landwirt das Ackerland für 130‘000 Euro wegschnappt.

    Kauf oder Pacht können vom Land verhindert werden“, heisst es. Wir möchten wissen, wie der Gesetzgeber verhindern will, dass dann vom Schweizer Käufer nur der übliche Preis bezahlt wird plus eine „freiwillige Zuzahlung“ in Form eines weiteren Geldbetrags, der vielleicht gar nicht über die Grenze wandert sondern auf einem Konto in der Schweiz auf den Verkäufer wartet. So etwas ist sehr leicht zu realisieren und kaum zu kontrollieren.

  • Gegen die EU stimmen aber EU-Gelder einkassieren
  • Traditionell stimmen viele Schweizer Bauern bei Wahlen für die SVP, die sich vehement gegen einen EU-Beitritt der Schweiz wehrt. Der eigentliche Skandal besteht nun in der Tatsache, dass genau diese EU-Gegner unter den Schweizer Bauern nichts dagegen haben, für die Agrarflächen in Deutschland EU-Prämien zu erhalten:

    Nach den neuen Plänen erhalten Schweizer Bauern, die in Deutschland Land bewirtschaften, EU-Prämien in Millionenhöhe. Zudem können sie ihre in Deutschland erzeugten Agrargüter zollfrei in die Heimat importieren. Nach Angaben der zuständigen Landratsämter in Donaueschingen, Lörrach, Stockach, Tuttlingen und Waldshut beträgt die neue EU-Prämie 300 Euro für Acker- und 70 Euro für Grünland pro Hektar und Jahr. Insgesamt befinden sich 3.000 Hektar Land in Südbaden als Eigentum oder Pacht in der Hand Schweizer Landwirte.
    (Quelle: GermanNews.de vom 4.6.2005) http://www.germnews.de/gn/2005/06/04 )

    Nehmen wir mal eine Verteilung von 70% Ackerland und 30% Grünland an, so kommen wir auf 693‘000 Euro = 1‘120‘373 CHF, die die EU jährlich an die Schweizer Bauern im Grenzgebiet auszahlt.

    Rosinenpicken vom Feinsten. Eine kleine Gruppe von Bauern vermindert so das Verständnis und den Respekt der Deutschen für die Schweizer Agrarpolitik und sorgt für ziemlich schlechte Stimmung im Deutsch-Schweizerischen Verhältnis.

    Wie arbeitet man „schweizerisch“? — Neue Geschichten aus dem Schweizer Spitalleben

    Januar 25th, 2007
  • Krankenschwestern gibt es hier nicht (mehr)
  • Die Berufsbezeichnung „Krankenschwester“ bzw. „Krankenpfleger“ ist in Deutschland gesetzlich geschützt. Sie galt bis zum 31.12.2003 und wurde dann durch die Bezeichnung „Gesundheits- und Krankenpfleger/in“ ersetzt [Danke für den Hinweis an Kiki]. Man darf sie nur mit entsprechendem staatlichen Examen, bei dem man eine Urkunde erhält, führen. In der Schweiz wird das Diplom für die Pflegekräfte nicht vom Staat, sondern von einer caritativen Einrichtung wie dem Roten Kreuz nach einer Prüfung vergeben. Damit verbunden ist der Nachteil, dass eine Schweizer Krankenschwester nicht so einfach in England oder Frankreich in ihrem Beruf arbeiten kann, ohne dort erst die Prüfung nachzuholen. Sonst kann sie nur als „unqualifizierte Pflegehilfe“ eingesetzt (und bezahlt) werden. In Gesprächen mit verschiedenen Schweizer Pflegekräften, die hier längst nicht mehr „Krankenschwester“ sondern „Dipl. Pflegefachfrau“ auf dem Namenschild stehen haben, fragte ich nach Geschichten und Erfahrungen mit Deutschen Kollegen auf Station. Eine Schweizerin erzählte, dass es da ziemliche Unterschiede gäbe, je nachdem ob man in einem kleinen ProvinzBezirksspital oder einer grosse Uni-Klinik arbeitet.

  • Dienstanweisung für Deutsche
  • So seien in der Nähe der Grenze deutlich mehr Pflegekräfte aus Deutschland beschäftigt, weil dorthin das Berufspendeln leicht möglich ist und nur eine Grenzgängerbewilligung gebraucht wurde. In einem solchen Bezirksspital unweit der deutschen Grenze erlebte sie einmal den Unmut unter den Patienten darüber, dass fast ausschliesslich Personal aus Deutschland eingesetzt wurde. Die Pflegeleitung startete dann eine anonyme Umfrage um zu erfahren, was die Patienten an den Deutschen Fachkräften denn störte. Das Ergebnis floss in eine „Dienstanweisung“ ein, die in Zukunft massregeln sollte, wie der Umgang mit den Patienten abzulaufen hat. Ziel war es, vermehrt „schweizerisch“ zu arbeiten, was auch immer damit genau gemeint war.

  • Kollektive Kündigung statt Konsensfindung
  • Deutlicher kann sich der Schweizer-Deutsche „Kulturkonflikt“ nicht manifestieren. Die Deutschen Pflegekräfte solidarisierten sich und organisierten Widerstand gegen diese „Zurechtweisung von Oben“. Es kam nicht zum Dialog oder zur Konsensfindung sondern zum grossen Knall. Schliesslich kündigt gleich sechs Deutsche Krankenschwestern auf einmal und verliessen das Spital. Die Schweizerin, die mir das erzählte, wurde von ihrer Pflegedienstleitung dazu verdonnert, über diese Geschichte nicht in der Öffentlichkeit zu reden. Schweigegelübte über Deutsch-Schweizer Dienststreitigkeiten. Sie haben sich im Team sehr wohl mit ihren deutschen Kolleginnen gefühlt, der Ärger war einzig durch die harsche Vorgehensweise der Pflegedienstleitung eskaliert.

  • Helvetische Höflichkeit muss erst verstanden sein
  • Ich fragte sie dann, was denn konkret so schwierig gewesen sei für die Deutschen Schwestern im Umgang mit den Patienten. Diese monierten die „forsche und direkte“ Art, und das „mangelnde Verständnis für Schweizer Höflichkeit“.
    Konkret gesagt: Als eine Patientin die deutsche Krankenschwester (auf Schwiizerdütsch) bat „Könnten Sie mir bitte bei Gelegenheit, wenn es Ihnen nichts ausmacht und Sie etwas Zeit haben, vielleicht einen Kaffee bringen?“, nahm diese die Aussage der Patientin wörtlich und wartete zu lange mit der Erfüllung des Wunsches.

    Gemeint hatte die Patient nämlich: „Ich hätte jetzt gern einen Kaffee“. Viele Schweizer schütteln sich vor Widerwillen, wenn sie den den klassischen Satz hören, mit dem in Deutschland manchmal dieser Wunsch geäussert wird: „Ich kriege einen Kaffee!“. Wer dabei lächelt und freundlich guckt, wird deswegen nicht als schlecht erzogen betrachtet in Deutschland.

    Die Schweizerin führte ihre Kollegin ein in diese „helvetischen Höflichkeit-Codes“. Anderseits bemühten sich die deutsche Kollegin, beim Vokabular schnell auf den alemannischen Stand zu kommen. Es heisst nicht: „Könnten Sie bitte mal Ihren verlängerten Rücken anheben“, sondern „Täten Sie bitte das Füedli lupfe“. Und auch nicht: „Machen Sie bitte den Mund auf…“ sondern „ … das Muul uff“. Bei einer älteren Patientin einfach so vom „Maul“ zu reden, schockierte die Deutsche Kollegin erst mal. In Deutschland hört man das Wort bei Menschen nur im Zusammenhang mit dem Wunsch nach Ruhe: „Halts Maul“. Doch alles ist lernbar, auch die „Finken“ an den Füssen an Stelle der teutonischen „Puschen“.

  • Willkommen beim Sport mit dem Spootdienst
  • Persönlich lernte ich im Spital auf Station noch einmal die feinen Unterschiede zwischen „Serviette“, „Tuech“, „Badtuech“, „Tuechli“ und „Nastuechli“. Alles kam vor, nur mein Wunsch nach einem „Handtuch“ wurde nicht gleich verstanden von der nur Schweizerdeutsch sprechenden ausländischen Pflegehilfe. Ein Anreiz mehr, in Zukunft meine Schweizerdeutsche Sprachkompetenz weiter auszubauen, damit solche Kommunikationspannen nicht mehr passieren. Und mit dem Satz „Ich bin der Spootdienst“ hat sich nicht der „Sportdienst“ vorgestellt, wie ich erst zu verstehen meinte, sondern die Kollegin vom „Spätdienst“ = Spätschicht, mit Heimatort Schaffhausen.