Eine Kreuzung mit Kreisel ist kein Kreisverkehr — Verkehrslogik im Kreis 4

November 20th, 2009

(reload vom 12.10.06)

  • Kreise, die nicht rund sind
  • Zürich ist bekannt für seine Kreise. Die sind der Einfachheit halber durchnumeriert und gekennzeichnet durch ihre besondere Form: Alles, nur nicht rund, deswegen sagen die Zürcher ja auch „Kreise“ dazu:
    Kreise von Zürich
    (Quelle Foto Zueri.ch)

    Damit Sie jetzt nicht denken, die Zürcher wüssten nicht, wie ein runder Kreis eigentlich aussieht, möchte ich Ihnen beweisen, dass auch in Zürich an vielen Kreuzungen Kreise zu finden sind:
    Kreis ohne Kreisel
    Kreis ohne Kreisel

    Sie sind mitten auf einer Kreuzung zu finden, absolut kreisrund, und deutlich erhöht von der Fahrbahn, damit man da nicht mit 60 Km/h drüberbrettern kann, oder pesen, oder heizen, oder blochen (vgl. Blogwiese)
    Kreisel oder nicht?

    Kommt nun der frisch diplomierte deutsche Fahrschulprüfungsabsolvent mit seinem gerade erhaltenen Führerschein nach Zürich, da meint er garantiert, es hier mit einem „Kreisverkehr“ zu tun zu haben. Es herrscht zwar viel Verkehr in diesem Kreis 4 von Zürich, in jeder vertikalen wie horizontalen Lage, aber im Kreis darf man um diesen Kreis leider nicht herumfahren. Denn eine Sache fehlt. Dieses Schild:
    Kein Kreisel
    (Quelle: fahrtipps.de)

  • Systematische Verwirrung verlangsamt den Verkehr
  • Auch wenn da grosse Kreise in der Mitte der Kreuzung zu finden sind, sind das keine Kreisel, sondern schnöde „Rechts vor Links“ Kreuzungen. Zur Freude der Autofahrer, die an diesen Orten grundsätzlich keine Ahnung haben, ob sie nun Vorfahrt haben oder nicht, oder rechts vor links gilt, oder der Linksabbieger im Gegenverkehr warten muss, oder vielleicht doch nicht? Alle bemühen sich, extrem vorsichtig über diese runden Hubbel. Und das ist der Zweck der ganzen Übung: Den Verkehr verlangsam, in dem systematisch Verwirrung gestiftet wird.

    Als Radfahrer können Sie da übrigens locker drüber fahren, nur nicht mit 50 Km/h, aber wer erreicht solche Geschwindigkeiten schon in der Stadt.

  • Rechts vor Links ist fast so sakrosankt wie ein Zebrastreifen
  • In deutschen Städten finden sich zum Ausgleich massig ungeregelte „Rechts vor Links“ Einfahrten, an denen die Fahrprüfer ihre Freude haben, weil sie gern übersehen werden.
    Rechts vor Links hat Vorfahrt
    Falls Sie als Schweizer in einer solchen Gegend in Deutschland unterwegs sind, müssen Sie immer damit rechnen, dass das Auto vor ihnen alle 50 Meter an so einer Einbiegung bremst. Antrainierter Reflex, müssen Sie wissen, wie bei den Zebrastreifen, die Sie gern „Fussgängerstreifen“ nennen dürfen, Hauptsache Sie streifen keinen von den Fussgängern dort.

  • Rechts vor Links in England
  • Auch in England, wo alle Menschen ständig auf der falschen Strassenseite fahren, und man auch links in einen Kreisverkehr einfahren muss, gilt die Vorfahrtsregel „Rechts vor Links“. Es würde sonst sicherlich zu chaotischen Zuständen führen, wenn die Briten in Europa diese Regel anders praktizierten.

  • Was das Kreiselzeichen in Zürich wirklich bedeutet
  • Das entdeckten wir endlich, als uns diese Broschüre des VBZs in die Hand bekamen: „Gemütlich rühren“:
    Gemütlich rühren

    Womit weder das Schweizeriche „fort-rühren“ = „wegwerfen“ noch das „sich rühren“ = „bequem stehen“ beim Militär (in der Schweiz das Gegenteil von „ruhen“) gemeint ist. Einfach nur im Topf rühren. Die Fondue-Kenner unter Ihnen wissen allerdings, dass beim echten Fondue „im Kreis rühren“ unweigerlich dazu führt, dass ihnen der Käse in der Mitte anbrennt. Sie sollten lieber Lemniskaten rühren:
    Die Lemniskate von Bernoulli
    (Quelle Zeichnung: zahlenjagd.at)

    Ach muss das schön sein…. Strassenbahnfahren und dabei im Fondue-Topf rühren, und es schuckelt und schaukelt, und Sie fahren und fahren, und es quietscht und ruckt, und Sie essen dabei Fondue… Wenn Sie Glück haben, wird ihnen sogar ein bisschen schlecht dabei! Seufz, was für eine prima Idee für einen Firmenausflug! Dann gilt es noch die spannende Frage zu beantworten, wer bis zur nächsten Endhaltestelle oder Wendeschleife durchhält? Denn nur da gibt es Toiletten… Sie merken, es braucht nicht viel für einen gelungenen Abend auf Zürichs Strassenbahnschienen.
    Fondue Tram
    (Quelle: vbz.ch)

    Beim Siegen immer die Rechenmaschine mitbringen — Stängelis in der Schweiz

    November 19th, 2009

    (reload vom 11.10.06)

  • Stängelis kann man nicht nur schlecken, sondern auch zum Zählen verwenden
  • Die Schweizer sind für ihr wohlorganisiertes Finanzwesen und ihre Banken bekannt. Rechnen können gehört zu den wichtigsten Grund-Disziplinen, definitiv höher bewertet als Ausdrucksfähigkeit im Hochdeutschen. Damit das mit dem Rechnen auch nie schief geht, pflegt man in der Schweiz noch den Umgang mit dem Abakus:
    Stängeli Rechenmaschine

    Hier kommt es darauf an, eine Stange mit 10 Holzperlen richtig zu bedienen. Werden mehr als 10 Dinge gezählt, ist eine Stange voll. Nun, eigentlich ist es eine recht kleine Stange, als im Schweizer Diminutiv ein „Stängeli“. Gerade im Sport ist es von grosser Bedeutung, diese Rechentafel stets dabei zu haben, denn hier wird lebhaft gezählt, wenn Tore fallen. Zum Beispiel neulich beim Spiel der Deutschen Nationalmannschaft gegen San Marino (ein Spiel, was natürlich niemand geguckt hat). Da reichte ein Stängeli nicht aus zum Tore zählen, da mussten 14 Holzperlen verschoben werden:
    Stängeli für Deutschland
    (Quelle: news.ch vom 6.09.06)

    Solche „Stängelis“ bezeichnen im Sport besonders hohe Siege. Unser Variantenwörterbuch hat das aber nicht so ganz begriffen, denn es kehrt die Sichtweise um und meint dazu:

    Stängeli: „Hohe Niederlage mit 10 oder mehr Gegentoren: Debakel“

    Verkehrt verkehrt, nicht die eigenen Tore werden gezählt, sondern die der siegreichen Mannschaft! Einen hohen Verlust, wie ihn das Variantenwörterbuch bezeichnet, darf man in Deutschland übrigens auch „eine Packung“ nennen. Die Österreicher haben noch die Begriffe „einen Schraufen“ oder „ein Tragerl“ für hohe Niederlagen. Was eine „Schraube“ und ein „Traggestell“ mit einem Verlust im Sport zu tun hat, müssen sie uns allerdings selbst erklären. Dazu schweigt sich unser Variantenwörterbuch aus.

    Zurück zu den Stängeln in der Schweiz. Die finden sich überall, Sie müssen nur die Augen aufsperren:
    Da geht Kloten knapp am Stängeli vorbei:

    Stängeli für Kloten
    (Quelle: blick.ch)

    Aber auch Davos hatte sein Stängeli:

    Davoser Stängeli
    (Quelle: news.ch)

    und schliessloch noch Biel:

    Biel mit Stängeli
    (Quelle: nachrichten.ch)

    Überhaupt wird die Rechenmaschine und ihre Stängeli beim Eishockey wesentlich öfter gebraucht als beim Fussball, scheint es. Wie soll man denn auch nur mit den dicken Handschuhen die Kügelchen auf dem Stängeli verschieben?

    Ist Ihnen eigentlich auch aufgefallen, dass die „Stängeli“ stets vorsichtig in Anführungszeichen, den sogenannten „Gänsefüsschen“ gesetzt werden? So wie einst die „DDR“ vom Springerverlag auch nur als „sogenannte DDR“ in Gänsefüsschen gesetzt werden konnte. Traut man diesen Stängelis nicht in der Schweiz, dass sie immer so vorsichtig angefasst und zitiert werden müssen?

    Wenn drei Kindern nicht genug Arbeit sind für eine Kinderzulage

    November 18th, 2009

    (reload vom 10.10.06)

  • Drei Kinder in Deutschland
  • Unsere Freundin Sophia lebt in Deutschland. Sie hat drei Kinder. Beim ersten Kind hat sie es sogar noch geschafft, ihr Pädagogikstudium weiterzuführen. Sophia möchte Grundschullehrerin werden. Sie ist intelligent und studierte zielstrebig, um rasch mit der Ausbildung fertig zu sein und das Referendariat beginnen zu können. Ein Kind als Alleinerziehende grosszuziehen und nebenbei ein Studium zu bewältigen, das erforderte viel Nachtarbeit bei wenig Schlaf und ein ausgesprochenes Organisationstalent.

    Dann bekam Sophia zwei weitere Kinder mit ihrem neuen Partner, und an Studium ist nicht mehr zu denken. Sophia zieht ihre Kinder gross, der 5-Personen-Haushalt mit zwei Kleinkindern beansprucht sie voll, sie kommt kaum über die Runden. In Deutschland erhält Sophia für die drei Kinder Kindergeld:

    Deutsches Kindergeld ist heute zu bedeutenden Teilen keine Sozialleistung, sondern ein Ausgleich für die (ohne einen solchen Ausgleich verfassungswidrige) Besteuerung des Existenzminimums von Kindern und dementsprechend im Einkommensteuergesetz geregelt. Nur der über den Ausgleich für die Besteuerung des Existenzminimums hinausgehende Teil ist für die Eltern eine Familienförderung.
    (Quelle: Wikipedia)

    Seit 2002 beträgt das Kindergeld für das erste bis dritte Kind 154 EUR, der steuerliche Freibetrag ist 3‘648 EUR pro Jahr. Damit erhält Sophia 462 EUR (= ca. 732 CHF) für ihre drei Kinder als Familienförderung. Sophia hat Glück dass sie in Deutschland lebt. In der Schweiz würde sie kein Kindergeld erhalten, denn sie arbeitet ja nicht.

  • Erziehungsgeld für die ersten 2-3 Jahre
  • Ausserdem bekommt Sophia in Deutschland Erziehungsgeld vom Staat:

    Das für Geburten ab 1. Januar 1986 eingeführte Erziehungsgeld ist eine Zuwendung des deutschen Staates an den Elternteil, der das Kind vorwiegend erzieht. Es ist als Ausgleich dafür gedacht, dass dieser Elternteil nur noch einer Teilzeitarbeit von maximal 30 Stunden pro Woche nachgeht. Schüler und Studenten als Eltern dürfen jedoch ihrer Berufsausbildung in vollem Umfang nachgehen. Auch dürfen bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten werden. Man kann sich entscheiden, ob man maximal zwölf Monate lang 450 Euro erhält oder ob man für maximal 24 Monate 300 Euro pro Monat bekommt.
    Das Erziehungsgeld muss man nicht zurückzahlen. Einzelheiten sind im Bundeserziehungsgeldgesetz geregelt.
    (Quelle: Wikipedia)

    Sophia lebt in Baden-Württemberg und kann darum noch im dritten Jahr Erziehungsgeld bekommen:

    Einige Bundesländer (Bayern, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen & Thüringen) zahlen anschließend im 3. Kindsjahr freiwillig noch zusätzlich ein reduziertes Landes-Erziehungsgeld.
    (Quelle: Wikipedia)

  • Drei Kinder in der Schweiz sind nicht genug Arbeit
  • Monika lebt in der Schweiz. Monika hat ebenfalls drei Kinder. Monika kümmert sich um den Haushalt und um die Betreuung der Kleinkinder, denn ein bezahlbares Betreungsangebot in einem Kindergarten oder einer Kinderkrippen für mehr als 2-3 Stunden am Tag gibt es nicht für sie. Monika hat wenig Geld, sie würde gern arbeiten, denn sie hat immer gearbeitet und war nach ihrer Ausbildung nie ohne Job, bis die Kinder kamen. Jetzt ist sie Vollzeit-Mutter und Hausfrau, arbeitet von früh bist spät, erhält jedoch von der Eidgenossenschaft kein Kindergeld für ihre drei Kinder, weil sie offiziell „nicht arbeitet“.

    Eine Weile bekam sie knapp bemessene Sozialhilfe. Da das kaum reichte, hat sie nebenher schwarz gejobbt. Irgendwann flog das auf, weil sie jemand anschwärzte. Sie wurde gebüsst und musste die erhaltene Sozialhilfe zurückzahlen, soweit überhaupt möglich.

    Sie wollte nicht reich werden mit dem dazuverdienten Geld, es reichte einfach vorn und hinten nicht im Hochpreisland Schweiz. Der Vater der ersten beiden Kinder zahlt keine Alimente. Eine Klage ist aussichtslos, der Mann ist permanent in Konkurs und es gibt noch zwei weitere Familien, die Geld von ihm wollen.

    Würde Monika in Deutschland leben, könnte Sie Erziehungsgeld beantragen und hätte die Garantie, während 2-3 Jahre ihren Job nicht zu verlieren. In der Schweiz muss eine Frau vor der Schwangerschaft mindestens 3 Monate beschäftigt gewesen sein, um einen Anspruch auf Lohnfortzahlung zu haben:

    Gemäss Obligationenrecht hat der Arbeitgeber einer Arbeitnehmerin, die wegen Schwangerschaft oder Niederkunft an der Arbeitsleistung verhindert ist, für eine beschränkte Zeit den Lohn zu entrichten, sofern das Arbeitsverhältnis mindestens drei Monate gedauert hat. Die Schwangerschaft als solche gibt keinen Anspruch auf Lohn ohne Arbeitsleistung; nur wenn die schwangere Arbeitnehmerin aus gesundheitlichen Gründen an der Arbeit verhindert ist, kann sie Lohnfortzahlung verlangen. Der Arbeitgeber kann die Lohnfortzahlung deshalb von einem Arztzeugnis abhängig machen. Die Lohnfortzahlungspflicht besteht nur solange wie das Arbeitsverhältnis besteht.
    Gemäss OR ist der Lohn für eine „angemessene längere Zeit“ zu bezahlen (OR 324a). Wieviel das ist, sagt das Gesetz nicht. Verschiedene Arbeitsgerichte der Schweiz interpretieren das Gesetz unterschiedlich. Nach Berner Interpretation beträgt die Leistungspflicht beispielsweise

    im 2. Dienstjahr 1 Monat
    im 3. und 4. Dienstjahr 2 Monate
    im 5. bis 9. Dienstjahr 3 Monate
    erst vom 10. Dienstjahr an 4 Monate.
    Dabei handelt es sich um einen Höchstanspruch pro Jahr. Ist die Frau im gleichen Jahr bereits einmal krank geworden, so kann der Anspruch unter Umständen bereits ganz oder teilweise aufgebraucht sein. Mit dem neuen Dienstjahr entsteht wieder ein neuer Anspruch.
    (Quelle: selezione.ch)

    Noch schlimmer ist es für junge Frauen, die gerade ihre Arbeit neu angetreten sind:

    Junge Frauen, die ihre Stelle erst vor kurzem angetreten oder gewechselt haben, haben im Minimum einen Anspruch auf gerade
    drei Wochen Lohnfortzahlung. Nur gerade 40 % der privatwirtschaftlich angestellten Frauen unterstehen Gesamtarbeitsverträgen, die Situation ist aber auch dort weitgehend unbefriedigend gelöst.
    (Quelle: selezione.ch)

    Bis vor kurzem mussten Frauen, bei denen in der Schwangerschaft Komplikationen auftraten, für die daraus entstehenden Kosten selbst bezahlen:

    20.09.2006 | 08.32 h Krankenkassen sollen Komplikationen bei Schwangerschaft voll bezahlen
    Flims (AP) Werdende Mütter sollen für medizinische Komplikationen während der Schwangerschaft nicht mehr selber in die Tasche greifen müssen. Der Ständerat hat dem Bundesrat am Mittwoch als zweite Kammer aufgetragen, solche Kosten ganz den Krankenkassen zu belasten. Die Kleine Kammer überwies diskussionslos und ohne Gegenstimmen eine Motion von FDP-Fraktionschef Felix Gutzwiller (ZH), welche die Mütter von der Kostenbeteiligung ausschliessen will. Gutzwiller störte sich daran, dass nach heutiger Rechtsgrundlage die Krankenkassen bei komplikationslosen Geburten voll zahlen, während zum Beispiel die Kosten bei einer drohenden Frühgeburt teilweise auf die Frauen überwälzt werden
    (Quelle: Walliserbote.ch)

    Auf der offiziellen Webseite des Schweizer Ständerats heisst es dazu:

    Die Motion fordert eine Änderung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG), sodass der Versicherer auf Leistungen bei Mutterschaft auch dann keine Kostenbeteiligung erheben darf, wenn es während der Schwangerschaft zu Komplikationen kommt.
    Antrag der Kommission
    Die Kommission beantragt einstimmig, die Motion anzunehmen.
    (Quelle: Parlament.ch)

    [Anmerkung Admin: Da die Passage über die Mutterschutzversicherung mit Erwerbsersatz nicht mehr aktuell war, habe ich sie hier entfernt]

    Dennoch werden Kinder geboren in der Schweiz
    Geburten in der Schweiz
    (Quelle: Bundesamt für Statistik Schweiz )

    Im Durchschnitt 9.8 pro 1‘000 Einwohner. Damit befindet sich die Schweiz neben Österreich und Deutschland am unteren Ende der Europäischen Statistik. Hier die Zahlen von 2000 zum Vergleich:

    Geburten in Europa

    (Quelle)

    26 % aller Kinder wurden in der Schweiz 2005 von Ausländern geboren, obwohl die nur 20 % der Bevölkerung stellen:

    Die Schweiz hat mit 20% der Gesamtbevölkerung mit Abstand den höchsten Ausländeranteil (…), gefolgt von Deutschland (10%), Österreich (9%), den USA (7%), Frankreich (6%) und Kanada (5%). Finnland (2%), Japan (1%) und Korea (0,3%) haben dagegen sehr wenige Ausländer.
    (Quelle: chronik.geschichte-schweiz.ch)

    Wir fragen uns wie die Geburtenstatistik der Schweiz aussehen würde ohne die Ausländer. Statt 9.8 Kinder auf 1‘000 Einwohner wären es nur 26% weniger, also 7.2 Kinder auf 1‘000.

  • Die Schweiz ist arm
  • Wir vergassen noch zu erwähnen, warum die Schweiz lange Zeit keine Mutterschutzversicherung mit Erwerbsersatz hatte. Es war zu teuer. Die Schweiz ist ein armes Land und kann sich das einfach nicht leisten. Kinder in die Welt setzen ist hierzulande absolute Privatsache und da darf sich der Staat nicht einmischen. Wenn es dann ums Besteuern der „privat finanziert und grossgezogenen“ Kinder geht später, wenn sie erwachsen sind und erwerbstätig, dann wird sich der Staat wieder einmischen.

  • Und wer zahlt ihre AHV-Beiträge?
  • Wenn Monikas Kinder gross sind, im Beruf stehen, verdienen und in die AHV einzahlen, dann hoffen wir für Monika, dass sie von den diesen Einzahlungen auch etwas abbekommt im Alter. Ihrer „privaten Vorfinanzierung“ ist es zu verdanken, dass die Schweiz die AHV drei Beitragszahler erhält. Wird es ihr gedankt?

  • Neunfache Mutter und kümmerlicher Alterslohn
  • Diese Situation ist in Deutschland nicht viel anders, auch wenn dort Kindergeld und Erziehungsgeld gezahlt wird:

    Wie es um die Gerechtigkeit bestellt ist, sobald die Familie ins Spiel kommt, hat das bekannte Trümmerfrauenurteil, der Fall der neunfachen Mutter Rosa Rees, der vor Jahren das Bundesverfassungsgericht beschäftigt hat, hinreichend erweisen. Diese Frau hatte geklagt, weil sie sich nicht damit abfinden wollte, für die 14 Berufsjahre, die ihr nach Abschluß der so genannten Familienphase geblieben waren, mit einem kümmerlichen Alterslohn abgespeist zu werden, während ihre Kinder, beruflich allesamt erfolgreich, dazu gezwungen waren, die Rentenkonten anderer Leute mit insgesamt 8 000 Mark monatlich zu bedienen.

    Die Urheberin dieses Reichtums mußte leer ausgehen, weil andere fixer waren als sie und dabei vom System auch noch begünstigt wurden. Der damalige Gerichtspräsident, der später Bundespräsident Roman Herzog, kommentierte den Fall seinerzeit mit den Worten: „Das kann doch nicht wahr sein!“ Es ist aber wahr, und was noch schöner ist: es ist bis heute wahr geblieben. Berufsarbeit rentiert sich weitaus besser als jede Form von Familienarbeit; und das, obwohl es doch diese zweite Form von Arbeit ist, die dem System das Überleben sichert.

    Der Gesetzgeber weigert sich hartnäckig, den Auflagen der Richter nachzukommen und die sattsam bekannten Mißstände mit jedem einzelnen Reformschritt, wie es im Urteil wörtlich heißt, abzubauen. In Dingen des Familienlastenausgleichs leben wir, unabhängig davon, welche Partei an der Regierung ist, im Zustand des permanenten Verfassungsbruchs.
    (Quelle: Deutscher-Familienverband.de)

    Verstehen Sie das Ungesagte? — Schweizer Effizienz beim Duzis-Machen

    November 16th, 2009
  • Begegnung am Abend
  • Neulich lernten wir beim Abendspaziergang durch Bülach eine sehr freundliche Schweizerin kennen. Sie war mit ihrem Hund unterwegs, wie wir auch. Die Chemie stimmte auf Anhieb sowohl zwischen den Tieren als auch zwischen uns „Hündelern“. Dass man über die Liebe zum Tier miteinander ins Gespräch kommt, diese Erfahrung haben wir schon öfters machen dürfen, nicht nur in der Schweiz, auch in den Ferien in Frankreich. Aber selten konnte dann das Gesprächsthema auf dem gemeinsam fortgeführten Spazierweg so rasch ausgeweitet werden auf Familie, Reisen und andere private Dinge wie bei dieser Begegnung. Was danach folgte war eine Einladung nach Hause und der Wunsch nach weiterem Kontakt.

  • Drei Worte können viel bedeuten
  • Zum Abschied hörten wir dann einen merkwürdigen stark verkürzten Satz, bestehend aus genau drei Wörtern, eigentlich nur unseren Vornamen: „Jens – Cora – Marianne“. Betont wurde das allerdings so „Jens? — Cora? — Marianne!“ Wir hatten uns schon zuvor mit vollem Vor- und Zunamen vorgestellt und Visitenkarten ausgetauscht, aber da unserere neue Bekannte älter war als wir, blieben wir höflich bei der Sie-Form in der Anrede. Eine dritte Form wäre das uns aus dem Kanton Bern bekannte „Ihrzen“, bei dem ein cleverer Mittelweg zwischen dem distanzierten „Sie“ und dem anbiedernden „Du“ gewählt werden kann. Als mich vor vielen Jahren mein schwäbischer Fahrlehrer, den ich stets siezte, bei einem Fehler in der Fahrstunde mit den Worten anpflaumte: „Das macht Ihr immer falsch“, schaute ich mich spotan um, weil ich die anderen Fahrschüler hinter mir suchte, die er damit direkt ansprach. Doch da war niemand, ich war ganz allein mit ihm. Mit „Ihr“ meinte er nur mich, was mich verblüffte.

  • Das Gesagte im Ungesagten
  • Doch was bedeutete nun die Nennung der drei Vornamen in der Abschiedsminute? Es war ein klassisches Beispiel der Schweizer Kommunikation, bei dem das eigentlich Gesagte im Ungesagten versteckt ist, quasi in den Bindestrichen. Als wir wieder allein waren erklärte ich meiner Frau, was diese drei Namen, wie sie von Marianne genannt wurden, in vollständige Sätze übertragen, in Wahrheit bedeuteten:
    Lieber Jens, liebe Cora, es hat mich sehr gefreut euch kennenzulernen, ich gehe darum gleich zum Du über, wie es mir als Älsteste von uns dreien ansteht, und würde mich freuen, wenn ihr mich auch mit Du ansprecht. Also ich bin die Marianne“.
    So viele Wörter in dieser kurzen Reihung: „Jens — Cora — Marianne“ versteckt! Das Ungesagte will richtig verstanden und interpretiert werden in der Schweiz, denn Schweizer kommunizieren in unhörbaren Subtexten miteinander, die sie permanent verschlüsseln und entschlüsseln.

  • Zuhören und Hindenken
  • Alles ist erlaubt, bloss nicht direkt auf den Punkt kommen, stets den doppelten Konjunktiv verwenden und das Gewünschte im Nichtgesagten verstecken, das ist klassische Schweizerische Kommunikationskultur, und wir können bestätigen: Es dauert eine ganze Weile, bis man sich als zugezogener Deutscher daran gewöhnt hat und diese Subtext-Interpretation ganz beherrscht, falls das überhaupt möglich ist. Man muss nicht nur gut hinhören, sondern auch hindenken, um nichts zu übersehen. Es heisst immer, die Deutschen lieben die Ironie und werden von Schweizern dann schlecht verstanden. Andersherum lieben die Schweizer ihre Subtexte im Nichtgesagten; Schweizer Effizienz auch beim „Duzis-Machen“. Wie herrlich unkompliziert ist das in der Schweiz im Vergleich zu Deutschland. Man muss es nur verstehen.

    Wohin stöppelt die Stöpplerin? — Neue Schweizer Lieblingswörter

    November 13th, 2009
  • Kein Tramper sondern ein Stöppler
  • Wir fanden auf Blick.ch diese hübsche Schlagzeile
    Stöpplerin

    Polizei hält für Stöpplerin in Autobahntunnel
    (Quelle: blick.ch)

    Nun fragen wir uns: Wenn die Stöpplerin mit einem Mann unterwegs ist, ist dass dann ein Stöppler? Und das, was sie gemeinsam tun, nennt man das „stöppeln“, über Stock und Stein, sogar über die Stöppelfelder?

  • Ein Tramper ist ein Tramp
  • In Deutschland, da sagte man früher „Tramper„, oder „Tramperin“, frei nach Charly Chaplin, der den „Tramp“ einst als Film-Figur erfand. Das Wort an sich war schon alt und bezeichnete einen Wanderarbeiter oder Tagelöhner, siehe hier.
    The Tramp

    Blick klärt dann auf:

    Die marschtüchtige Autostopperin kam mit einem blauen Auge davon: Die Baselbieter Polizisten sahen von einer Busse ab und fuhren die Frau an den Bahnhof Sissach, wo sie ihre Reise nach Deutschland mit dem Zug fortsetzt. Für diesen Service musste sie allerdings eine Umtriebsgebühr von 20 Franken zahlen.
    (Quelle: blick.ch)

    Kein Marschhalt für die marschtüchtige Frau die sich dies im Baselbiet bieten liess, auch kein Bus oder gar mehrere Busse, dafür dann eine Freifahrt zum Bahnhof, da treibt sie sich nun um für 20 Franken Umtriebsgebühr. Sie war übrigens auf dem Weg zum Europapark in Deutschland, auf dem Weg nach Europa sozusagen, raus aus der Schweiz.

  • In Zeiten von Billigairlines wird wenig getrampt
  • Das Wort „Trampen“ ist aus der Mode gekommen, lesen wir, in Zeiten von Billigairlines und billigen Zugtickets. Heute sind die Tramper, wenn überhaupt noch vorhanden, „Anhalter„. In Berlin hatten die sogar einen eigenen Bahnhof, den „Anhalter-Bahnhof„.

  • Es lebe der Stöppler
  • Wir finden „Stöppler“ und „Stöpplerin“ sind klasse Bezeichnungen und verdienen es in der Standardsprache übernommen zu werden! Nur leider geht das nicht per Verordnung, sondern durch den „Sprachgebrauch„. Also bleiben wir bei diesen Worten und werden sie zukünftig fleissig gebrauchen.