Ein Vorgang ist gern vorgängig — Was ist ein veraltendes Wort?

April 16th, 2008
  • Vorgängig ist Oberdeutsch
  • In dem Tages-Anzeiger Zitat am letzten Montag zum Wort „betupft“ fand sich noch ein weiteres hübsches Fundstück, das wir nicht unerklärt lassen wollen:

    Ohne die Parteien vorgängig gefragt oder informiert zu haben, wie das politisch üblich wäre.
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 5.04.08, S. 4)

    Dem „Vorgängigen“ dieses Vorgangs wollen wir heute nachgehen. Grimms Wörterbuch empfindet es als „Oberdeutsch“:

    das in der sprache der gegenwart als steif und veraltet empfundene wort wird schon von ADELUNG als ‚oberdeutsch‘, d. h. nicht eigentlich schriftgemäsz und als dem kanzleistil angehörig bezeichnet. merkwürdig ist, dasz er es nur zu der bedeutung von vorläufig aufführt; die bis zur gegenwart herrschende bedeutung ist allgemeiner: zeitlich vorhergehend; zu beachten ist, dasz v. fast nur in attributiver verwendung vorkommt; GÖTHE braucht es oft, doch mehr im amtlichen und briefstil als in freier darstellung:
    (Quelle: Grimms Wörterbuch)

  • Was ist Oberdeutsch?
  • Vielleicht die Sprache eines Obers, ein Satz wie „Bringse mir mal noch nen Pils, aber zack zack“, wie er von wohlerzogenen Deutschen in Schweizer Traditionsbeizen gern geäussert wird? Nein „Oberdeutsch“ ist umfassender:

    Das Oberdeutsche zählt zu den Großdialektgruppen des Hochdeutschen und wird im Süden des deutschen Sprachraumes gesprochen. Das Oberdeutsche unterscheidet sich darin vom Mitteldeutschen, dass die Hochdeutsche Lautverschiebung in stärkerem Maße durchgeführt worden ist. Zum Oberdeutschen zählt man in diesem Sinne das Alemannische und Bairische. (…)
    (Quelle: Wikipedia)

    Wer sich die dazugehörige Karte auf Wikipedia anschaut, erkennt, dass die Deutschschweiz für Sprachwissenschaftler zum Oberdeutschen Sprachraum gehört:

    Oberdeutsch bei Wikipedia
    (Quelle: wikimedia.org)

    Doch zurück zu „vorgängig“. Auch der Duden von heute hält es für „veraltend“, bis auf Schweiz.

    vorgängig (Adj.) (schweiz., sonst veraltend): vorangegangen, vorausgehend, vorherig, vorher vorhanden: die Missstimmung war eine Auswirkung des vorgängigen Streits.
    (Quelle: duden.de)

    Ist „veraltend“ etwas anderes als „veraltet“? Quasi noch im Prozess des Veraltends begriffen, noch nicht gänzlich veraltet. Die haben Spitzfindigkeiten drauf, die Jungs und Mädels von der Dudenredaktion. Wie fühlst Du dich heute? Irgendwie veraltend, und Du?

    Keine Leberwurst in der Schweiz — das ist Parfait

    April 15th, 2008
  • Es gibt keine Leberwurst in der Schweiz
  • Schreibt mir doch eine Baslerin (das sind die Schweizer jenseits der Leckerli-Linie), dass sie des Deutschen liebste Streichwurst, die „Leberwurst“, noch nie in einer Schweizer Fleischtheke gesehen hat. Es gäbe dieses Produkt nur in Deutschland (Und Theken oder „Theks“ werden in der Schweiz auf dem Rücken ohne Fleisch getragen, aber das hatten wir schon).

  • Mögen Sie Leberwurst?
  • Wir nannten diese Spezialität als Kinder nur „Omastrumpfwurst“, weil wir fanden, dass die Farbe dieser Wurst genauso aussieht wie die Strümpfe unserer Oma. Hört sich richtig lecker an, nicht wahr? Das Konzept „Oma“ war auch lecker, denn sie brachte stets was Süsse mit zu Besuch. Dann erinnere ich mich noch sehr deutlich an ein Kinderbuch, in welchem ein kleiner Junge gern seine selbstgemalten Bilder aufhängen wollte, ihm dazu aber Tesafilm oder Heftzwecken fehlten. Also nahm er ebenfalls Leberwurst als Kleberersatz. Ist vielseitig verwendbar.

  • Parfait nur für die Hunde?
  • Als „Hündeler“ in der Schweiz lernten wir dann die handliche Tubenwurst „Parfait“ von Nestle kennen, einer Schweizer Firma. Sie wird hier gern beim Hundespaziergang mitgeführt, weil man daraus so schön praktisch in Miniportionen seinem Hund bei Wohlverhalten eine Belohnung spendieren kann. Es soll Hunde geben, die haben sogar schon das „Nuckeln“, also Wurst aus der Tube saugen, gelernt, und sie stehen genauso auf Tubennahrung wie die Astronauten, welche in der Schwerelosigkeit auf herumfliegende Krümel und Brotaufstrich gut verzichten können.

    Le Parfait
    (Quelle Foto: nestle.ch)
    laut Webseite enthält diese Tube:

    Hefe, Wasser, Pflanzenfett und -öl, Schweinleber (12%), Stärken, Kochsalz, Herbsttrompeten, Gewürzextrakte. Kochsalz, Gesamtgehalt: 1.3 g / 100 g

    Immerhin 12% Schweineleber. Deswegen ist da unser Hund so scharf drauf! Wie „Herbsttrompeten“ schmecken, möchte ich lieber nicht so genau wissen. Wie Totentrompeten, habe ich mir sagen lassen.
    Als Kinder liebten wir diesen Abzählvers:

    Ich kenne eine Frau, hat Haare wie Kakao, hat Beine wie ne Leberwurst, ich kenn‘ sie ganz genau. Sie heisst: Zie-zippeli-zippelonika, und wer’s nicht glaubt der bleibt gleich da

    Und wenn wir schon beim Reimen sind, hier noch ein Leberwurst-Gedicht:

    Die Leberwurst
    Du fragst, warum die hausgemachte Wurst
    mancher Bauern man so achte,
    dass – man behauptet frank und frei –
    sie besser als vom Metzger sei!
    Mein Freund, das kann ich Dir erklären,
    ich hoffe gern, Du lässt Dich lehren:
    Dem Metzger war seit alter Zeit
    ein hoher Grundsatz – Reinlichkeit.
    Sein Arbeitsraum ist hell und proper,
    er sorgt dafür mit Bürst‘ und Schrobber,
    und ganz besonders frisch und rein
    muss allererst der Kessel sein.
    Hingegen: Wo der Bauer schlachtet –
    das hab‘ ich manchmal schon beachtet! –
    da kocht man Fleisch vom Schwein und Bock
    im Pott, wo vorher Unterrock
    nebst Hemd und Hos‘ und Socken schäumte
    und Kuhstallgrün den Rand besäumte!
    Und solch‘ Aroma als Extrakt das bleibt der Metzgerzunft versagt!
    (Quelle: SWR4)

    Mars heisst Hopp — Doch die Deutschlandflagge bewegt sich nicht

    April 14th, 2008
  • Einmal tief luftholen
  • Der Schokoriegelhersteller „Mars“ hat sich passend für die Europäische Fussballmeisterschaft im Sommer 2008 einen lustigen Werbespot für das Schweizer Fernsehen einfallen lassen. Wir glauben kaum, dass dieser Spot sonst noch in Europa gezeigt wird. Zu sehen ist ein echter Schweizer Fan, der für die EM das extreme tiefe Einatmen, Luftanhalten und Ausatmen übt, damit er seine Schweizer Nati aus voller Kehle über 90 Minuten lang anfeuern kann, ohne dass ihm dabei der „Schnuuf“ ausgeht. Hier der Spot:

    In der letzten Einstellung des Spots reisst der Fan dann das Fenster auf und brüllt mit voller Lungenkraft, ganz ohne jede Schweizer Zurückhaltung, zum Deutschen Nachbarn ein mächtiges „Hopp Schwiiz!!!“. Doch wir müssen beim Betrachten dieser Szene leider feststellen: Die Deutschlandflagge am Nachbarfenster bewegt sich trotz des gewaltigen Luftstosses nicht, und die Läden muss der Nachbar auch manuell schliessen, weil kein Hauch zu spüren ist.

    Deutsche Flagge rührt sich nicht
    (Quelle Fotos: Marshoppschwiiz.ch)

    Das am Schluss des Films eingeblendete original schweizerdeutsche Motto lautet “Power to the fans“. Wäre es nicht besser, die Kraft der eigenen Mannschaft zu schenken, damit sie durchhält? Oder soll mit dem Slogan vielleicht schon angedeutet werden, dass die Fans bald in der EM viel Kraft brauchen, weil sie sehr stark und tapfer sein müssen? Wer weiss, wir mutmassen ja nur. Schweizerisch wäre das jetzt ein munteres „Werweissen„.

    power to the fans

  • Hopp oder Hope?
  • Den Schlachtruf „Hopp Schwiiz“ haben wir erst in der Schweiz gelernt, bis zu diesem Zeitpunkt kannten wir nur das Kommando „Ex & Hopp“, was bisweilen in Deutschland kurz vor der restlosen Vernichtung von flüssiger Nahrung, meist aus Hopfen, Malz, Wasser und Salz bestehend, gesprochen wird. Doch Mars wurde wirklich zum „Hopp“ Riegel umbenannt in der Schweiz. Für Englische und Deutsche Fans steht dann auf der Rückseite die Erklärung: „Hope, oder: Die Hoffnung stirbt zuletzt“.

  • Brennstäbe zur Sonne schicken?
  • Als vor Jahren die Atomindustrie den Plan aufbrachte, abgebrannte Kernbrennstäbe zur Entsorgung in eine Rakete zu packen und die dann durch das All zur Sonne zu schicken, musste man aus Kostengründen von diesem genialen Plan Abstand nehmen. Alternativ wurde dann der Planet Mars als Destination für die abgebrannten Kernbrennstäbe ausgewählt. Doch auch dieser Plan scheiterte, denn jedes Kind weiss: „Mars bringt verbrauchte Energie sofort zurück„.

  • Raider war ein Räuber
  • Raider wurde schon vor 17 Jahren zu Twix umbenannt, woran sich eine gewisse Generation bis heute nicht gewöhnen mag, schliesslich hatte man zuvor 14 Jahre lang Raider dazu gesagt. Dieser Name war nicht überall gut geeignet:

    Bis 1991 hieß der Riegel in Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Portugal und der Schweiz, bis 2000 noch in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden Raider. Danach wurde dieser Name, der im Englischen so viel wie „Plünderer“ oder „Räuber“ bedeutete und daher für das angestrebte international vereinheitlichte Branding nicht geeignet war, auf den Markennamen Twix geändert. In Deutschland wurde der neue Markenname mit einer groß angelegten Werbekampagne mit dem noch heute bekannten Slogan „Raider heißt jetzt Twix, … sonst ändert sich nix“ eingeführt. Der vorherige einschlägige Werbeslogan von Raider war „Raider der Pausensnack“.
    (Quelle: Wikipedia)

  • Wann benennt sich DJ Bobo um?
  • Mit dem Finden eines international gut verwendbaren Namens hat ein anderer Schweizer auch so seine Erfahrungen sammeln dürfen. Man sagt, dass DJ Bobo gar nicht so genau wissen will, was sein Name in diversen europäischen Sprachen alles Nettes bedeutet. Immerhin ist „Bobo“ in China auf Kantonesisch ein männlicher und weiblicher Vorname und bedeutet dort so viel wie „Schatz“ (Quelle). Das ist doch tröstlich.

    Homestory, oder: Wie wir wirklich unsere Wohnung fanden

    April 11th, 2008
  • Schnapp Dir die Wohnung
  • Der Blick hat gestern mit seiner Story „Vermieter bevorzugen Deutsche“ mal wieder mächtig für Stimmung im Land gesorgt und zur allgemeinen Völkerverständigung beigetragen. Nun schnappen also die Deutschen den Schweizern die attraktiven Wohnungen rund um Zürich weg, heisst es. So so. Die von mir wiedergegebenen Aussagen waren leider nicht ganz vollständig, war ja auch nicht viel Platz im Blatt bzw. im Internet, darum jetzt die Homestory, oder „Wie wir wirklich unsere Wohnung fanden

    Deutscher Pinscher Rumo
    [Der Hund (links im Bild) ist ein Deutscher Pinscher mit Schweizer Stammbaum]

  • Drei Monate Leerstand
  • Ich suchte im Sommer 2000 im Internet nach einer 4.5 Zimmer Wohnung in Parterre, da wir eine Katze haben die gern draussen unterwegs ist. Als Wohnort gab ich „Bülach“ und „Uster“ ein, denn beides liegt laut SBB-Fahrplan ca. 15 Minuten von Zürich entfernt. Es fanden sich je vier Angebote, das macht acht Angebote für Wohnungen um die 2‘000 Franken. Nach ein paar Minuten am Telefon hatte ich vier Besuchstermine in Bülach vereinbart. Nach Uster fuhr ich dann überhaupt nicht mehr. Die Wohnung, die wir dann nahmen, stand seit 3 Monaten leer. Eine weitere Wohnung im Haus stand noch länger leer. Auch heute noch gibt es in Bülach ein paar hundert leerstehende Wohnungen, die nur darauf warten, dass Deutsche sie „wegschnappen“ können. Warum Schweizer da nicht einziehen? Keine Ahnung, das Angebot ist einfach zu gross.

  • Mit Maklern leben
  • In Deutschen Städten wie Stuttgart oder München ist der Wohnungsmarkt leergefegt. Ein Cousin von mir schlief fast 6 Monate bei einem Kumpel auf der Luftmatratze, bevor er eine Wohnung weit draussen in einem Vorort von München fand. Um überhaupt eine Wohnung zu finden, bleibt oft nur die Möglichkeit, sich einem Makler auszuliefern. Der kassierte dann, wenn man Glück hat und wirklich einen Mietvertrag bekommt, 1-2 Monatsmieten Provision für seine aufwändigen Vermittlungsdienste, d. h. die 30 Minuten Arbeit, die er beim Vorführen der Wohnung hatte.

  • Ohne Bewilligung gibt es keine Wohnung
  • Darum fand ich die Situation in der Schweiz „paradiesisch“. Von den 4 Wohnungen, die ich gesehen hatte, wären mir leider 3 verwehrt geblieben, weil ich zu dem damaligen Zeitpunkt
    a) keine Betreibungsauskunft besass und
    b) noch keine gültige Aufenthaltsbewilligung vorweisen konnte.
    Wir waren ja noch gar nicht in die Schweiz gezogen, sondern ich hatte die Suche von Deutschland aus gestartet. Natürlich ist die Wohnungssuche im Zentrum von Zürich sehr viel schwieriger. Wir wollten zuerst nach Wallisellen, doch dort wurde vor acht Jahren auch nur Mist angeboten: Wohnungen an lauten Strassen, entweder zu klein und total „abgewohnt“. Was sich seit damals geändert hat ist sicherlich die Tatsache, dass man von deutschen Mietern, die erst aus Deutschland herziehen, keine Betreibungsauskunft mehr verlangt. Die Verwaltungen haben gelernt was eine Schufa-Selbstauskunft ist.

  • Machen die Deutschen die Preise kaputt?
  • Ob Deutsche wirklich freiwillig mehr zahlen würden? Durch das Internet ist die Marktsituation sehr überschaubar. Sowohl was das Lohnniveau angeht, als auch wie hoch die Miete für ein Objekt im Vergleich sein darf, kann man so leicht herausfinden. Wer lässt sich schon gern abzocken. In Bülach führte das Überangebot sogar dazu, dass man 1-3 Monatsmieten geschenkt bekommt, wenn man einen längeren Vertrag abschliesst. Alles eine Sache von Angebot und Nachfrage. Bei Immoscout24.ch werden z. B. gerade 17 Objekte Typ „4.5 Zimmerwohnung in Bülach“ angeboten. Preislich finden sich Wohnungen von 1’585 CHF bis 3’325 CHF. Schnappt sie Euch, Schweizer! Sonst ist Schnappi wieder schneller:

    Was ist eine KMU? — Über das Verschwinden des Mittelstands im Sprachgebrauch

    April 10th, 2008
  • Karl Marx Uni, ist doch klar
  • Manchmal mag ich den Duden richtig gern. Er kommt ja ursprünglich aus Leipzig, und das liegt im Osten. Fragt man ihn darüber aus, was eigentlich die Abkürzung „KMU“ bedeutet, so bekommt man die knackige Antwort:

    KMU – Karl-Marx-Universität Leipzig • klein- und mittelständische Unternehmen
    (Quelle: Duden.de)

    In dieser Reihenfolge. Erst die Uni, dann die Unternehmen.

    Karl Marx Universität
    (Quelle Foto KMU Karl-Marx-Universität: ruhr-uni-bochum.de)

    Natürlich steht im Duden kein Wort darüber, dass die Bezeichnung der Universität Leipzig nur von 1953 bis 1991 galt. Der Duden ist schliesslich ein Wörterbuch, kein historisches Lexikon.

  • Unternehmung und Entscheid
  • Wir kamen 2000 in die Schweiz, und verliessen die Südbadische Wirtschaftswelt, in welcher es zwar jede Menge „Mittelständische Unternehmen und Unternehmer“, aber irgendwie weder „Unternehmungen“ noch „Entscheide“ oder gar „KMUs“ gab. Den Begriff „KMU“ lernte ich erst in der Schweiz. Genauso wie den Begriff der Migration. Das kannte ich nur von Wanderbewegungen afrikanischer Völker aus dem Geographie-Unterricht. Unser Umzug in die Schweiz war von uns nicht als „Auswanderung“ geplant worden. Wandern gingen wir zwar schon immer gern, aber man muss es ja nicht gleich übertreiben. Doch das ist ein anderes Thema. Zurück zur KMU. Ein Schweizer erklärte mir, dass er schon vor 20 Jahren im Betriebswirtschaftsstudium dieses Wort verwendet hat. Also nix Neues für die Schweiz. Ist uns da in Deutschland etwas entgangen, kurz bevor wir in die Schweiz kamen? Ich kann mich einfach nicht erinnern, etwas anderes als „Mittelständische Betriebe“ gehört zu haben. Die Abkürzung „KMU“ war in Baden-Württemberg nicht geläufig. Sie wissen schon, das Bundesland mit dem Motto „Wir können alles, ausser Hochdeutsch„.

  • Wer erfand die KMU?
  • Wenn man heute die Herkunft der Abkürzung „KMU“ recherchiert, dann wird rasch deutlich, dass das keine Schweizer Erfindung ist, sondern seit 2003 die neue von der EU normierte Bezeichnung auch in der Schweiz angewandt wird. Die Europäische Kommission legte sie am 6. Mai 2003 fest.

    KMU Definition
    (Quelle: ec.europa.eu)

    Klein gilt ein Unternehmen bis 50 Mitarbeiter, und „mittelgross“ heisst bis 250 Leute. Nur wird zwischen diesen beiden Gruppen nie getrennt. Niemand sagt „Ich arbeite in einem KU“, also einem Kleinunternehmen. Und den früher mal in Deutschland so häufig anzutreffenden Begriff des Mittelstandes findet Google-DE nur noch schlappe 660‘000 Mal, gegenüber 1.9 Millionen KMU Erwähnungen. Der Mittelstand ist out, die KMU ist in. Doch so ganz lässt sich diesen Begriffswandel für die Deutsche Wirtschaft noch nicht festschreiben. Die alte Tradition, bei jeder Firma ab zehn Hansel von einem „Mittelständischen Betrieb“ zu reden, wird nach wie vor am Leben gehalten. Habe noch ein paar weitere Deutsche befragt, ob sie etwas mit dieser Abkürzung anfangen können. Negativ, scheint noch nicht sehr tief verankert zu sein im deutschen Sprachbewusstsein.

  • Betrieb und Azubi
  • Einen „Betrieb“ kennen die Deutschen, eine „Betreibung“ nicht. Und wenn wir schon beim Wortklauben sind. Der „Azubi“ als „Auszubildende“ wurde in Deutschland wieder durch den „Lehrling“ ersetzt, leider immer noch ohne weibliche Form. In der Schweiz sind dies hübsche Begriffe weder als Abkürzung noch in der Langfassung üblich. Auch aus der Mode gekommen ist in Deutschland der „Stift“, die berühmte „Niete ohne Kopf“. Wikipedia klärt uns über in der Schweiz üblichen praktische Bezeichnungen für Stifte und Azubis auf:

    Berufslernende/Berufslernender oder lernende Person (Schweiz), veraltet oder umgangssprachlich auch Stift, Lehrjunge, Lehrbub / Lehrmädchen, Lehrtochter.
    (Quelle: Wikipedia)

    Demnach gab es auch einen „Stift“ in der Schweiz?

    Die politisch und sprachlich korrekte Antwort in der Schweiz auf die Frage an eine junge Auszubildende „Was sind Sie von Beruf?“ lautet somit: „Ich bin von Beruf eine Berufslernende“. Kein Wunder dass die jungen Schweizer kaum Bock auf Hochdeutsch haben. Dann doch lieber „Lehrtochter“, was nur leicht mit der Tochter des Lehrers verwechselt werden kann. Immer noch besser als die Tochter des Saals zu sein.