Ein Vorgang ist gern vorgängig — Was ist ein veraltendes Wort?
In dem Tages-Anzeiger Zitat am letzten Montag zum Wort „betupft“ fand sich noch ein weiteres hübsches Fundstück, das wir nicht unerklärt lassen wollen:
Ohne die Parteien vorgängig gefragt oder informiert zu haben, wie das politisch üblich wäre.
(Quelle: Tages-Anzeiger vom 5.04.08, S. 4)
Dem „Vorgängigen“ dieses Vorgangs wollen wir heute nachgehen. Grimms Wörterbuch empfindet es als „Oberdeutsch“:
das in der sprache der gegenwart als steif und veraltet empfundene wort wird schon von ADELUNG als ‚oberdeutsch‘, d. h. nicht eigentlich schriftgemäsz und als dem kanzleistil angehörig bezeichnet. merkwürdig ist, dasz er es nur zu der bedeutung von vorläufig aufführt; die bis zur gegenwart herrschende bedeutung ist allgemeiner: zeitlich vorhergehend; zu beachten ist, dasz v. fast nur in attributiver verwendung vorkommt; GÖTHE braucht es oft, doch mehr im amtlichen und briefstil als in freier darstellung:
(Quelle: Grimms Wörterbuch)
Vielleicht die Sprache eines Obers, ein Satz wie „Bringse mir mal noch nen Pils, aber zack zack“, wie er von wohlerzogenen Deutschen in Schweizer Traditionsbeizen gern geäussert wird? Nein „Oberdeutsch“ ist umfassender:
Das Oberdeutsche zählt zu den Großdialektgruppen des Hochdeutschen und wird im Süden des deutschen Sprachraumes gesprochen. Das Oberdeutsche unterscheidet sich darin vom Mitteldeutschen, dass die Hochdeutsche Lautverschiebung in stärkerem Maße durchgeführt worden ist. Zum Oberdeutschen zählt man in diesem Sinne das Alemannische und Bairische. (…)
(Quelle: Wikipedia)
Wer sich die dazugehörige Karte auf Wikipedia anschaut, erkennt, dass die Deutschschweiz für Sprachwissenschaftler zum Oberdeutschen Sprachraum gehört:
(Quelle: wikimedia.org)
Doch zurück zu „vorgängig“. Auch der Duden von heute hält es für „veraltend“, bis auf Schweiz.
vorgängig (Adj.) (schweiz., sonst veraltend): vorangegangen, vorausgehend, vorherig, vorher vorhanden: die Missstimmung war eine Auswirkung des vorgängigen Streits.
(Quelle: duden.de)
Ist „veraltend“ etwas anderes als „veraltet“? Quasi noch im Prozess des Veraltends begriffen, noch nicht gänzlich veraltet. Die haben Spitzfindigkeiten drauf, die Jungs und Mädels von der Dudenredaktion. Wie fühlst Du dich heute? Irgendwie veraltend, und Du?
April 16th, 2008 at 0:16
Hurra, die findens aber wirklich spitz auf der Dudenredaktion. Das heisst wohl, dass wenn wir Schweizer uns anstrengen, das Wort vor dem Status veraltet noch gerettet werden kann. Also, legen wir uns ins Zeug! Aber vorgängig sollte man abklären, ob das wirklich eine Möglichkeit ist…
Wie schön zu sehen, dass wir (laut dieser Deutschkarte) wenn auch nicht das höchste Deutsch, so doch das Höchstalemannisch sprechen!
April 16th, 2008 at 15:30
Immer diese fiesen Rechenaufgaben vorab…
Ich hätte jetzt bei vorgängig eher in Richtung „vorrängig“, „in erster Line“ getippt…Lag wohl daneben.
April 16th, 2008 at 17:37
„vorgängig“ – mein Lieblingswort. Auf der Liste der Top Ten noch vor „allfällig“, neben anderen Phrasen und Floskeln des Zeitgewinns im Alltag. Mittel des Problemaufschubs – „vorgängig“ … vorgängig ist viel weniger verdächtig als „im Vorfeld“. Im Vorfeld das tönt nach Bequemlichkeit, da gibt es Betten, die stehen zwar nicht im Vor- sondern im Kornfeld, oder es gibt gleich Feldbetten.
Nein vorgängig, „da gaht öppis“, undschliesslich muss ja öppis go, ganz gliech was und mit vorgängig, da ist das Gehen dann drin – super dieses Wort. Ganz toll auch „unters Eis geraten“ – habe ich ganz schnell gelernt. Heisst: ich habs nicht erledigt. Von mir selten gebraucht, nämlich nie „ich bin dran“, mit anderen Worten ich bin so langsam und krieg es nicht gebacken… nein, da ist einem besser etwas allfällig vorgängig mal unters Eis geraten …
nein Danido, nicht das „höchste“ sondern ein „oberes“ und dabei dann ein hohes bis höchstes Alemannisch und dann damit doch wieder irgendein Deutsch.
Aber, Freunde der Blasmusik (zumindest die Wiener unter den Oesterreichern werden mich verstehen) Schlagobers wäre da wohl was ganz anderes, obwohl gelegentlich auch auf einer Karte zu finden…
April 16th, 2008 at 19:39
Das ist ja…. ich habe vorgängig versucht den Kommentar in 60Sekunden zu schreiben wow bin ich langsam 😉
Wundert mich nicht, dass wir da österreichisches dabei haben. Die haben uns auch lange genug unterdrückt. Gut, dachte Tell vorgängig an seine Armbrust und nahm sie mit. Wie wäre die Geschichte wohl geschrieben worden, wenn er nicht bereits im Vorgang daran gedacht hätte.
Mir gefällt das Wort. Kommt übrigens in unseren Gesetzen das eine oder andere mal vor.
Christian
April 16th, 2008 at 20:42
Mir ist viergängig lieber als vorgängig. Ich denke natürlich ans Essen.
April 16th, 2008 at 20:51
@DaniDo
Das „Höchstalemannisch“ ist nicht qualitativ sondern quantitativ gemeint. Dieses etwas leidige durcheinander gebrachte Unten-, Oben-, Ober-, Nieder, Hoch- und Unter- in der Geographe, Kartenkunde und der Sprache haben wir teilweise den Römern als imperiale Militär-Kartographen zu verdanken. Diese Pragmatiker haben ihre Karten nicht wie wir heute nach Norden ausgerichtet mit dem Norden nach „Oben“, sondern Süden lag „Oben“ und Norden war „Unten“!!!
Die für uns ungewohnte Art hat jedoch auch gewisse Vorteile, wie z. B.: Wenn die Beschriftung der Karte aus heutiger Sicht um 2 Quadranten (also 180°) verdreht war, konnte man dann beim „Einsüden“, also die Karte in Deckungsgleichheit mit dem Gelände bringen, dann die Beschriftung
„richtig“ lesen (Schrift war nicht auf dem Kopf stehend) und man hat die Ostseite der Karte in Kongruenz zur Sonnenaufgangsseite, also Osten. Die Orientierung erfolgt solcherart um einiges fehlerfreier.
Dadurch gab es folgende Situationen auf den Karten, welche bis zu unserer Zeit immer etwas zur Verwirrung beitragen:
– Rom und Italien liegen oben
– Germanien liegt mittig (auf dem Kopf)
– Nordsee (Oceanus Germanicus) liegt unten
Siehe: Röm. Prov. in heutiger Kartendarstellung! http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Imperium_Romanum_Germania.png
Beachte: In Nordafrika gibt es auch eine solche Gegebenheit: Numidia und auch auf dem Balkan: Moesia. Das Prinzip ist immer gleich.
Dieses Germanien hat zwei Verwaltungseinheiten: im Süden, also OBEN ist „Germania Superior = Obergermanien“, im Norden, also UNTEN ist das „Germania Inferior = Niedergermanien“. Wenn man die Sache mit den „Südgerichteten“, also „verdrehten“ römischen Karten kennt, ist nun die historische und uns heutigen Menschen etwas verwirrende Bezeichnung klar.
Es geht also nur um kartographische Gegebenheiten!!! Die alten „verdrehten“ Bezeichnungen blieben jedoch weiter im Gebrauch. Dieses „Oben, Nieder usw.“ hat mit menschlichen Qualitäten oder Überlegenheiten, Gebirgslagen und Vorland u.a.m. nichts zu tun.
Jedoch ist bei den historischen „Oberitalienischen“ Städten, welche z. B. ab dem 9. / 10. JH z. B. in Konstanzer, Augsburger, Basler usw. in Vertragswerken genannt werden, diesmal tatsächlich die norditalienischen Städte wie Mailand, Turin und Bologna gemeint.
Denn inzwischen hat man die Karten „verdreht“, d. h. Norden zeigt ab jetzt wie wir es kennen nach „Oben“, also ist „Norden immer Oben“!
Deshalb ist das nördliche Alemannisch: Niederalemannisch, das südliche Alem.: Hochalem. Und das noch südlichere Alem. zur Unterscheidung zu Hochalem. (Grenzt als das südlichste Alem. an das nördliche Romanisch): Höchstalem.
April 18th, 2008 at 9:29
die karte ist ja völlig falsch, und die gibts bei wikipedia?
seit wann spricht man in nürnberg „nordbairisch“?
fränkischer als dort kann man garnicht mehr reden…
das man fränkisch auch in eisennach spricht, wäre eine der grössten sensationen der nachkriegsgeschichte…..wer soll das denn glauben?
und seit wann gibt es niederbaierisch nicht mehr?
frag mal bitte bei wikipedia nach, was sie sich dabei gedacht haben.