-->

Reich mir den Tupfer, ich bin betupft — Neue Schweizer Lieblingswörter

  • Betupft sein ohne Farbklecks
  • Die tägliche Lektüre der Bindestrich-Zeitung lehrt uns medizinische Fachwörter wie den „Tupfer“, die auch von Malern als „Farb-tupfer“ gebraucht werden, in ganz neuen Zusammenhängen zu sehen. So lasen wir in der Ausgabe vom 05.04.08 auf Seite 4:

    Die Parteien reagierten betupft. Da teilten doch die sieben Mitglieder der Urner Kantonsregierung gemeinsam mit, dass sie allesamt am 6. April erneut zur Wahl antreten.

    Ich bin betupft
    (Quelle Foto: Uni-Ulm.de)

    Schweizer Parteien scheinen häufig „betupft“ zu reagieren, denn es fand sich ein weiterer Beleg:

    Die SP ist betupft
    (Quelle: tages-anzeiger.ch)

    Nicht „verschnupft“, nein, „betupft“ ist man in der Schweiz, vornehmlich in der Parteienlandschaft. Unser Duden kennt zwar „betupfen“ als Verb, siehe hier:

    betụpfen (sw. V.; hat):
    1. tupfend berühren: die Wunde mit einem Wattebausch betupfen; dem Kranken die Stirn mit einem Tuch betupfen; sich mit Eau de Cologne betupfen (tupfend benetzen).

    Aber ob in den zitierten Beispielen des Tages-Anzeigers tatsächlich jemand mit einem Wattebausch unterwegs ist? Es scheint, dem Kontext nach und anderer Quellen zu Folge, eine Schweizer Variante für „beleidigt“ zu sein. Mit „betuppen“ hat es gar nichts zu tun, auch wenn der Duden dazu viel mehr zu sagen weiss. Fragt man nach „betupft“, schlägt er hingegen „getupft“ vor. Aber wenn laut Duden „betuppen“ mit dem französischen Lehnwort „düpieren“ und „düpiert sein“ zu tun hat, dann liegt die Vermutung nahe, dass es von „duper“ zu „betupft“ sprachlich auch kein weiter Weg sein mag.

    Noch ein Beispiel aus der Welt des Fernsehens:

    Ist betupft
    (Quelle: radiotele.ch)

    Fazit: Niemand ist beleidigt, viele sind verschnupft, und manche sind betupft, wenn man an ihrem Ego zupft, oder so ähnlich.

    

    21 Responses to “Reich mir den Tupfer, ich bin betupft — Neue Schweizer Lieblingswörter”

    1. Bürger-Herold Says:

      Ja, liebe Blogwiese,vermutlich handelt es sich um das hocheingedeutschte „betüpft“. Und ein wichtiger Rat: Nie einer Frau sagen, sie sei ein „Tüpfi“, sonst sehen Sie nachher ganz „betüpfelt“ aus.

      [Anmerkung Admin: Es finden sich tatsächlich ein paar „betüpft“ Erwähnungen bei Google-De, die auch „beleidigt“ zu meinen scheinen. Aber auch „betüpfen“ mit Umlaut ist nicht im Duden zu finden. Soll das wirklich Standardsprache sein?]

    2. wolfi Says:

      man kann übrigens auch vom wahn betupft sein, noch dazu „im dütsche“….;-)

      http://www.claudia-haemmerling.de/2006/3-pe-u55.pdf

      grüssli

    3. Neuromat Says:

      betüpft habe ich im deutschen Standarddeutsch auch noch nie gehört.

      „Tüpfe“ ist aber vermutlich mit ahd. oder mhd. Sprachwurzel im Dialekt für „leicht anschlagen“ stehend, wobei wiederum – mit Verlaub – dann betüpfelt doch eher gepunktet meint. Ich will aber nicht schon wieder auf irgendein hornigle hinaus. Hier zeigt sich die andere Seite der Mentalitaet bereits leichte Berührungen mit dem Wattebausch führen zu (dramatisierten?) Blessuren …

    4. Phipu Says:

      Na Jens,

      Du scheinst wieder mal absichtlich wie so oft die Konsultation Grimms Wörterbuch mir oder AnFra zu überlassen (gratis zugänglich und interessant:
      http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbuecher/dwb/wbgui?lemid=GA00001 )

      Unter „tupfen“ (Verb) findet sich nach vielen Einträgen, die tatsächlich das auftunken („tümpfe, stöpfle“) von Flüssigkeiten und das Malen von Tupfen betreffen, auch folgende Erklärung unter 4c:

      „übertragen; in verschiedener hinsicht in der bedeutung ‚im gespräch eine empfindliche seite des gesprächspartners berühren‘: auf etwas anspielen, sticheln STALDER Schweiz 328; picoter, pointiller. MOZIN dt.-frz. (1856) 4, 877; zur ruhe bringen, zurechtweisen CRECELIUS 311; durch eine schlagfertige antwort abführen MARTIN-LIENHART 2, 704; gehörig die meinung sagen FOLLMANN Lothr. 112; schimpfen, durch anzüglichkeiten reizen, beleidigen FISCHER schwäb. 2, 473; jemandes schwache seite berühren, ihm einen treff geben bad. wb. 1, 598; einen bloszstellen, abfahren lassen ebda; auch umgangssprachlich: denn wer sich ärgerte (über die xenien), freute sich auch, dasz ein anderer getupft war ZELTER in: briefw. zw. Göthe u. Zelter 5, 238 Riemer. — betrügen: FISCHER schwäb. 2, 473; antupfen MARTIN-LIENHART 2, 704; vgl. tuppe, betuppe ROVENHAGEN Aachen 149; betuppen WOESTE westf. 30.“

      Es scheint also auch in verschiedenen deutschen Sprachregionen bekannt zu sein, weshalb es hier wohl einmal mehr eher um das andere Verständnis ennet des Weisswurstäquators geht, als um einen aussagekräftigen Unterschied zwischen Schweiz und Deutschland. Inwieweit es eben mit dem erwähnten westfälischen „betuppen“ dennoch etwas zu tun hat, lass ich mal innerdeutsche Germanisten streiten und freue mich als Dritter über die entsprechenden künftigen Kommentare.

    5. Thomas Says:

      im Dialekt kennei ich nir ‚betüpft‘.. Sehrwahrscheinlich ist das betupft in den Überschriften das verhochdeutschte, standardsprachisierte betüpft. ?!?

    6. AnFra Says:

      Phipu hats richtig gesagt. Nun dürfen wir den Dreck in den Sack schaufeln.

      Beim „tupfen“ kann man die Ableitungsquelle beim „abwischen, leicht abreiben , vorsichtig entfernen, etwas aufbringen und auftragen“. Es ist immer mit einer Tätigkeit verbunden, bei welcher meist eine manuelle Tätigkeit vollbracht wird. Wie Farbe „tupfen oder Schweiß leicht abwischen. Usw. Siehe GWB.

      Jedoch beim „betupft, betüpfen“ muss man einen sprachlichen Seitensprung wagen.

      Die Quelle von diesem Ding liegt meiner Hypothese nach vor der 2. Lautverschiebung ( p zu f, hier: pp zu pf). Da bei der Lautverschiebung hier ein „ü“ aus dem abgeleiteten Vorwort „tüppelln, tüppel“ vor dem Doppel-pp stand, ist / (muss) aus dem „pp“ das „pf“ entstanden (sein). Dieses „tüppel“ kommt aus dem „düppel“, dieses aus dem „dippel“.
      „dippel“ hat laut GWD die Bedeutung von „unsicher, schwankend gehen; sich in gebückter oder kranker Verfassung sein sowie bewegen“.
      Dem Sinninhalt nach: Es ist etwas nicht so recht in Ordnung, es ist ein unsicherer Zustand, die übliche Sicherheit oder Standfestigkeit fehlt! Usw.

      Es ist zu berücksichtigen: Bei dieser Sprachentwicklung hat sich das „u“ oft im „ü, i, o, ö“ versteckt. Bei der Aufspaltung der heutigen verschiedenen, aber doch oft verwandtschaftlichen Sinninhalte wird wohl dann die jeweilige Betonung der Laute individuell in gewissen Nuancen abgestuft erfolgt sein.
      Eine sinninhaltlich sowie ursächliche Verwandtschaft kann man sicherlich im „tupfen und betupft, betüpfen“ finden, da im brodelndem Urquell der Sprache sich beide Begriffe auf eine gleiche Wurzelabstammung berufen können. Dies kann man indirekt deshalb ableiten, weil „tupfen“ den Sinninhalt „berühren, anfassen, anstoßen uäm.“ hat und „betüpfen“ als ein etwas unsicherer Zustand auf den Vorgang „Etwas berühren, leicht stossen und aus dem Stand bringen“ ist. Bei beiden Vorgängen gibt irgend einen gewissen Kontakt.
      Das eine „berühren“ bewirkt ein aufbringen oder entfernen von etwas sowie einen Impuls, das dann das Berührte etwas unsicher oder schwankend macht.

      Im altsächs, altangl. und altengl. Z.B. ist „dip“ für berühren uäm. Siehe den momentanen modischen „Dipp-Wahn“ in der Gastronomie.
      Da ich eigentlich soeben die Quartalsteuer ermittle und eine DIN-Normschrift beackere, bin ich bezüglich dieser Diskussion zeitlich arg „betupft“!

    7. neuromat Says:

      sehr gut AnFra, zurückführen lässt sich das „tupfen“ nämlich tatsächlich auf das altenglische dyppan (siehe da: zwei p).

      Wenn ich jedoch „dippe“, dann tauche ich ein. Im Gotischen „daupjan“, was dann meistens taufen bedeutet, da hier zum „Eintauchen“ eine Bedeutungsübertragung stattgefunden hat, was bereits durch die Beschreibung des Eintauchvorgangs zu erklären wäre. Im Neuschwedischen noch erhalten mit döpa; ebenso und das spannt den Bogen in die Neuzeit bis in das Neuniederländische mit dopen (Bitte lieber Holländer bestätigt das, das glaubt wieder keiner).

      So schliesst sich der Kreis: Wenn der Schweizer uns mitteilt er sei betupft, heisst das eigentlich er ist gedopt.

      was das Tuppen anbelangt, so finden wir hier genau die gleiche ausgebliebene Lautverschiebung. (Die Schweizer mussten eben schon immer alles direkt mitmachen 😉 )

      Der Tupp ist ein leichter Schlag:

      op de Schouler tuppen (kann das mal jemand ins Basel, Bärn oder Buuredütsch übertragen)

      zum Beispiel. Be – tuppen ist lediglich ein präfigurieren (zum Beispiel: tauschen – vertauschen)

    8. pit vo lissabon Says:

      aus dem leben gegriffen: betupft ist eine frau, wenn ich etwas gesagt habe, was sie als unsittlichen antrag auffassen könnte.
      zu tüpfi: das ist eine kleine pfanne. aber auch eine frau/ein mädchen mit einer (meist nicht gerechtfertigten) einbildung. etwa wegen vermögen, akademischem titel oder körbchengrösse. sind nun sämtliche klarheiten beseitigt?

    9. DaniDo Says:

      Betupft als synonym für düpiert finde ich eine recht gute Annäherung. „Leicht beledigt“, „unangenehm berührt“ wären weitere Möglichkeiten der Erklärung.

    10. vorgestern Says:

      „Tüpfen“ hat doch hierzulande auch die Bedeutung von ‚treffen‘, oder nicht?

    11. neuromat Says:

      das „tüpfen“ auch treffen bedeuten könnte, habe ich bisher so nicht gehört. Düpiert „trifft“ es für mich nicht so ganz.

      düpieren – zum Narren halten, foppen, täuschen erklärt eher die Bedeutung von betuppen im Sinne von beschummeln.

      wahrscheinlich fühlen sich die Betupften aber eher pikiert:
      Pikieren – sticheln, verletzen. Pikiert sein: verstimmt, gekränkt

      wieso ist ein Tüpfi immer eine Frau oder Mädchen? Und welches hier besprochene Wort hat eigentlich keinen Ableger, der nicht auch „einfältige Person“ bedeutet? Und woher kommt das eigentlich?

    12. Thomas Says:

      @vorgestern: ja, tüpfe kann treffen heissen, ich glaube vor allem um Zürich rum. Im Westen heists eher ‚breiche‘

    13. solanna Says:

      @ Vorgestern: Du häsches tüpft mit däre Bedütig vo tüpfe.

      Gebraucht wird das z.B. im Völkerball: Dich häts tüpft!

      @ DaniDo: Au Du häsches tüpft mit der Bedüütig vo betupft

      Tupfe als Verb meint eine sehr vorsichtige Bewegung, etwa ein hartgekochtes, geschältes Ei in ein Häufchen Salz tupfen. Hat man nur soviel Salz, wie man sich wünscht, hat man getroffen, tüpft.

      Dann gibts abtupfe (etwas sorfältig mit kurzen Berührungen mit einem Lappen oder Wattebausch entfernen), aatupfe (etwas schwächer als aastupfe) und dann ists wie früher mit dem Ahörnchen und dem Behörnchen: Wer aatupft wurde, ist dann möglicherweise betupft.

    14. neuromat Says:

      jetzt reagiere ich etwas betupft.

      Was soll das bedeuten:

      Die Parteien reagierten betupft…

      Die Parteien reagierten getäuscht.
      Die Parteien reagierten gefoppt.
      Die Parteien reagierten „zum Narren gehalten“. ?

      Kann man überhaupt düpiert „reagieren“?

    15. AnFra Says:

      @neuromat

      Einen guten Lösungsansatz gibt es im GWD mit einer der vielen Bedeutungen um „tupfen, betupfen“.
      Beispiel: …..leicht, flüchtig berühren, besonders mit der spitze eines gegenstandes oder mit dem finger…../….. stupfen mit dem finger…../….. mit der spitze eines dinges stoszen oder berühren…..

      Hermeneutisch würde man hier die These wagen können: Es könnte aus der sog. Ritter-Minne-Zeit des Hochmittelalter kommen, in welcher sich eine neuartige Umgangsform der Ritterlichkeit, des Kavaliers, des Caballero entwickelte.
      Wenn man genau die sprachliche Entwicklung anschaut, erkennt man: Die Begriffe und Synonyme beschreiben ein eigentlich kämpferisches Umfeld dieses militärischen Standes.
      Beispiele aus GWD: …..in verschiedener hinsicht in der bedeutung im gespräch eine empfindliche seite des gesprächspartners berühren: auf etwas anspielen, sticheln…../….. jemandes schwache seite berühren, ihm einen treff geben…../….. einen bloszstellen….. Weiter: …er wurde peinlich berührt…./….. die schwache Seite hat er angetippt usw.

      Diese Stellen bezeugen: Es ist nun unwürdig, seinem Gegenüber und Gegner vor dem Kampf mit dem Finger ins Auge zu drücken, mit dem Knüppel zwischen die Schutzpanzerung zu schlagen, sein Schwert oder Messer auf die Brust zu setzen und sein Messer / (später Stillet) in die Lücken zwischen den Rüstungsteilen zu stoßen. Jedoch ist dies naher im Kampf natürlich möglich.
      Für pikiertes Verhalten lässt sich das auch gleichwertig ableiten, da man ja die Spitze seiner Waffe an die Brust des Gegenüber gesetzt und noch nicht zugestoßen hat. Beispiel:…..übertragen; in verschiedener hinsicht in der bedeutung im gespräch eine empfindliche seite des gesprächspartners berühren, also auf etwas anspielen, sticheln.

      Weshalb ein einfacher, oder gar tölpelhafter Mensch „betupft“ ist: Weil er die neuen und ritterständischen Regeln und Manieren nicht kennt, denn er spricht weiter mit Händen und Füßen. Der Einfältige befummelt, begrabscht und berührt seinen Gegenüber.

      Heutzutage sagen wir den kleinen Kindern gerne: Man zeigt nicht mit Fingern auf andere Menschen! Meine Gegenfrage: Mit was den sonst?

    16. pit vo lissabon Says:

      hallo neuromat, ein tüpfi ist nun einmal ein weibliches wesen und nie ein mann. du kannst auch einem mann ja auch nicht dumme kuh sagen. für ihn gibt es andere ausdrücke.
      und tüpfen im sinn von treffen sagt man nie in basel.

    17. Fiona Says:

      Auf „Schweiz Aktuell“ um Siebni – was für eine Ueberraschung!
      E gmögiger Typ namens Jens….

      Cordialement
      Fiona

    18. Doro Says:

      @neuromat

      Ich bin zwar keine Niederländerin, aber das Wort „dopen“ kann ich bestätigen: Ich kenne es aus dem Münsterland, was ja sprachlich und räumlich sehr nah bei den Niederländern liegt, als „döppen“. Das ist der Begriff, der ein kurzes Untertauchen beschreibt. Vorzugsweise wird gegenseitiges „döppen“ von unüberhörbar pubertierenden Jugendlichen im Freibad ausgeübt.

    19. boby Says:

      Guten Abend, habe alle comments gelesen. Wer kann mir da weiter helfen?
      Es geht doch heute : „Um Schweizer Lieblingswörter.“ !!!
      Wenn es um wirklich Schweizer Lieblingswörter geht – wird dann auch viel gebraucht – warum ist die Definition der gestellten Frage derart schwierig, so verschiedenartig?

    20. Neuromat Says:

      @ boby

      Du hast Dir die Antwort bereits selbst gegeben: Je verschiedenartiger un schwieriger – umso lieber.

    21. AnFra Says:

      Hardcore Deutsch.