Grüezi Gummihälse — Rowohlt übt den Dialog der Kulturen
April 30th, 2008Bei Rowohlt erscheint in den nächsten Wochen, rechtzeitig zur Fussball Europameisterschaft in der Schweiz, der Titel „Grüezi Gummihälse“
(Quelle: rowohlt.de)
Im Klappentext heisst es dazu
Hilfe, die Deutschen kommen!
Sie kommen in Scharen, sprechen laut und wissen alles besser. Immer mehr Deutsche leben und arbeiten in der Schweiz und machen sich dabei unbeliebt. Den Spitznamen Gummihälse haben sie sich eingebrockt, weil sie unentwegt nicken, wenn der Chef etwas sagt. Mit viel Humor wirft Bruno Ziauddin einen Blick auf die teutonischen Gastarbeiter und erzählt vom Kampf der Kulturen in den Alpen.
(Quelle: Amazon.de)
Das nenne ich doch einmal einen vielversprechenden Ansatz zum Dialog. Nur stimmt da so einiges nicht. Es geht schon los bei den „Gummihälsen“, ursprünglich als „Rubberneck“ den amerikanischen Touristen nachgerufen, die sich durch die europäischen Kulturmetropolen bewegen und dabei angeregt alle Einzelheiten vom Fremdenführer erklären lassen, dessen Ausführungen sie mit sehr beweglichen Köpfen, wie auf Gummihälsen gesetzt, folgen. Hat sich irgendwann auf Touristen aus Deutschland übertragen. Aber gibt es überhaupt so viele Touristen aus Deutschland in der Schweiz? 2´800 Ärzte, und 202´000 Deutsche insgesamt, die sind nicht hier um Kulturgüter zu bewundern, die sind hier um zu arbeiten und die AHV-Kassen zu füllen. Von Quellensteuern und Krankenkassenbeiträgen wollen wir gar nicht erst anfangen.
„Weil sie unentwegt nicken, wenn der Chef was sagt“… wie passt denn dies Beobachung zum Klischee der ewigen Nörgler und Motzer, die immer gleich das Maul aufreissen und direkt ihre Meinung sagen, während der Schweizer lieber zurückhaltend schweigt und auf harmonischen Konsens bedacht ist? Ich bin gespannt, welche Weisheiten dieses Buch sonst noch so liefern wird. Es ist laut einem Bericht des Autoren Bruno Ziauddin in der Weltwoche 17/08 ein Auftragswerk des Rowohlt-Verlags. „German Bashing“ mit offiziellen Weihen und Euro-Zahlung aus Hamburg. Da mag die Deutsche Volksseele, sich mal so richtig verkloppen lassen.
Anderswo wird das Buch mit dem Untertitel beworben: „Warum wir den Deutschen gern ab und zu eins auf die Rübe geben„.
(Quelle: books.ch)
Unser Freund Neuromat wandte sich deswegen per E-Mail direkt an den Verlag. Wir wollen ihn hier ungekürzt zu Wort kommen lassen:
Das Ruebli, das ist eine Karotte. Nuss, wäre natürlich auch eine Möglichkeit, aber die ist ja nun schon auf dem Cover abgebildet. Jedoch völlig falsch, nämlich ohne Schnäuzer, dafür, passend zum Untertitel 2, ein Alphorn schwingend. Wissen Sie eigentlich was passiert, wenn man einem ein Alphorn auf dem Kopf zertrümmert? Das Alphorn geht kaputt. Wie auch immer ihr seid da möglicherweise nid ganz suber über ds Nierstück.
Dann blättert man weiter durch den pdf.file des Katalogs und stösst da auf: Muhabet: Nenn mich nicht Kanake, du Kartoffel ( Das ist übrigens wirklichkeitsfremd. Richtig wäre: „Nenn mich nich Kanake, Kartoffel„. Das Du können Sie in diesem sprachlichen Zusammenhang nur an den Satzanfang stellen, eingeleitet oder auch umrahmt von einem eh. Ist aber auch egal.)
Da steht zur Begleitung gewalttätig, bildungsfern, nicht integrierbar und es geht um Türken in Deutschland und dann blättern wir wieder zurück; denn da war uns noch was in Erinnerung geblieben. Und richtig! Der Begleittext zum Gummihals Grützi: Die Türken der Schweiz. Du meine Güte, wie kann man mit so wenig Worten, so viel Menschen auf einmal beleidigen. Das ist doch ganz enorm, denkt man noch, und schon geht es wieder zurück zu Muhabet, besser direkt neben Muhabet: Nicht lange reden – bestellen! Miteinander reden. Der Klassiker sozusagen, der erscheint jedoch erst im September, aber könnten sich den nicht mal alle im Rowohlt Verlag vornehmen. Die Weltwoche hat nämlich keine Zeit, die lesen gerade: Nicht lange denken – schreiben!
Aber zurück zur brennenden Frage: Mit welchem Untertitel erscheint es denn nun tatsächlich? Mit der Ruebe wäre noch ganz lustig. Vor ein paar Monaten wurde in Luzern ein deutscher Arzt am Busbahnhof grundlos zusammengeprügelt. Am 29.04.08 kommt ja Frau Merkel; aber die reist mit Bodyguards. Obwohl wenn ich mir vorstelle, dass der Couchepin, wissen Sie, der kann ganz böse gucken, wenn der plötzlich so ein Sackalphorn aus dem Hosensack zieht und dann der Merkel bis zur Besinnungslosigkeit eins auf die Karotte gibt…
Frage wäre aber auch: Welcher Untertitel denn Ihrem Autor besser gefallen würde. Miteinander reden, wuerde mir ja am besten gefallen. Aber das erscheint ja wie gesagt erst im September – hoffentlich nicht am 11.
(Quelle: E-Mail von Neuromat an den Rowohlt-Verlag)
Rowohlt leitet mit „Grüezi Gummihälse“ den konstruktiven kulturellen Dialog ein. In der aktuellen Katalog-Vorschau
auf Seite 25 finden wir, wie von Neuromat richtig erwähnt, diese zwei weitere passenden Titel zum Thema „Dialog“:
(Quelle: Rowohlt Katalog S. 25)
Und gleich daneben angepriesen:
Wie hübsch: Erst schimpft ein Schweizer über die Deutschen, dann ein Türke, und dann werden Dank Rowohlts Verlagsprogramm alle Streithähne mit dem Titel „Miteinander Reden“ wieder an einen Tisch gerufen. Friede, Freude, Eierkuchen. Und mit all dem lässt sich auch noch gut Geld verdienen.
Am Auffahrtstag, in Deutschland als „Himmelfahrt“ bekannt, der in diesem Jahr praktischer Weise mit dem 1. Mai zusammenfällt, macht die Blogwiese Pause. Wir müssen uns die ritualisierte Kloppe in Zürcher Kreis 4 und 5 entweder vor Ort oder „live on Tele-Züri“ anschauen morgen. Obwohl in diesem Jahr in Zürich der 1. Mai erst am 2. Mai gefeiert wird:
Im Jahr 2008 wird das 1.-Mai-Fest nach 2003 zum zweiten Mal nicht am 1. Mai stattfinden.
Das internationale Volksfest startet am 2. Mai auf dem Kasernenareal und findet bis am 4. Mai statt. Im letzten Jahr kam es um das Fest erneut zu Ausschreitungen. Für die betroffenen BesucherInnen und die OrganisatorInnen war die Lage derart prekär, dass das 1.-Mai-Komitee nicht zur Tagesordnung übergehen wollte. Die Verschiebung ist ein Aufruf an alle, den Raum für einen offenen 1. Mai zu erhalten – und ein Versprechen:
(Quelle: www.1Mai.ch)
Solche kleinen zeitlichen Verschiebungen sind die Zürcher gewohnt, die bekanntlich ihren Silvesterlauf Mitte Dezember abhalten, und das neue Jahr um 20 Minuten nach Mitternacht mit Feuerwerk begrüssen, und auch schon Weihnachten im November feiern.