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Der Sturm, der Stürmer, das Gestürm – Schweizerdeutsch für Fortgeschrittene

  • Den Sturm gibt es nicht nur bei Fussball
  • Der „Sturm“ ist das letzte Drama von Shakespeare, im englischen Original „the Tempest“ genannt. Der „Stürmer“ war eine Zeitung der Nazis, die ohne „t“ im Namen. Heute werden Sturm und Stürmer häufiger beim Fussball als im Theater oder im Wetterbericht angeführt. „Im Sturm spielen“ weist nicht auf ein Fussballspiel bei verdammt schlechtem Wetter hin, sondern meint die vordersten Angriffsreihen einer Fussballmannschaft. Auch wenn da Damen spielen, bleibt es doch eine Mannschaft, dann aber eine Frauenfussballmannschaft. Ein Sturm kommt gern auch mit Drang daher, dann zusammen im „Sturm und Drang“. Bevor der Sturm das Äquivalent einer Kompanie bei der SA oder SS wurde, war er noch eine expressionistische Zeitschrift (1910 – 1931) .

  • Was ist ein Gestürm?
  • Soviel Sturm und soviel Stürmer, doch was ist ein „Gestürm“? Wir lasen davon in unserer sprachwissenschaftlichen Hauspostille, dem Tages-Anzeiger:

    «Viele Gemeindepräsidenten drohen, dass sie aus der Partei austreten und parteilos werden, wenn das Gestürm weitergeht», so Siegenthaler.
    (Quelle: Tages-Anzeiger 22.04.08)

    Es geht in dem Beitrag um die SVP-Diskussion. Frau Bundesrätin Evelyn Widmer-Schlumpf soll aus der Partei ausgeschlossen werden, bzw. die Bündner SVP soll aus der Schweizer SVP ausgeschlossen werden, wenn die Bündner SVP nicht Frau Widmer-Schlumpf ausschliesst, weswegen die Berner SVP sich dazu entschliesst, den Parteiausschluss nicht gutzuheissen, weswegen sie unter Umständen auch aus der Partei der Schweizer SVP (was soviel wie Schweizer Volkspartei heisst) ausgeschlossen wird, was nicht ganz ausgeschlossen ist, denn ausschliessen kann man alles und doch nichts.
    Doch zurück zum Gestürm:
    Der Duden sortiert das präzise ein:

    Gestürm, das; -[e]s (schweiz. mdal. für aufgeregtes Gerede, Getue)
    (Quelle: duden.de)

    734 Funde bei Google-CH sehen viel aus, aber gleich viel findet sich bei Google-DE. Also auch in Deutschland bekannt, wenn auch nicht so beliebt.

  • Ist Gestürm Juristendeutsch?
  • Wir finden dazu die Erklärung im „Deutschen Rechtswörterbuch“, zusammen mit zwei Belegen aus dem Jahr 1440 und 1498. Ist ja schon ein Momentchen her:

    Gestürm
    Erklärung: Kampf, Getümmel, Unruhe.
    * Belegtext: so eine gestorme oder offlauf worde fuwers oder ander sachen halp Datierung: 1440 Region/Autor/Textsorte: Landau Fundstelle: DWB. IV 1, 2 Sp. 4268
    * Belegtext: es sol mengklich still in der statt sin … uff das, was sich von gestúrm oder notturftigem geschreyg oder gerueff erhuob, das man solich gehoeren und sich des daruff gehalten mag Datierung: 1498 Fundstelle: BruggStR. 107
    (Quelle: Deutsches Rechtswörterbuch Heidelberg)

    Drum machen wir weiter kein grosses Gestürm und beobachten unter Ausschluss jeglichen Kommentars weiterhin ausschliesslich die Ausschlüsse der Ausschüsse der SVP.

    

    17 Responses to “Der Sturm, der Stürmer, das Gestürm – Schweizerdeutsch für Fortgeschrittene”

    1. Phipu Says:

      Aus dem „Gestürm“ (das ist Dialekt, das hätte der Tagi in Anführungszeichen verpacken sollen, damit es nicht mit schriftlich geduldeten Helvetismen verwechselt wird) leitet sich das Verb „stürmen“ in seiner helvetischen Bedeutung ab. Analog zum „Gestürm“ hat dies nichts mit „Angriffstaktik“, „Ansturm“ oder „Sturmböe“ zu tun, sondern „streiten, etwas erzwängen, heftig diskutieren“.

      Wegen der vielen Sinne des Verbs (siehe dazu Grimms Wörterbuch http://germazope.uni-trier.de/Projects/DWB ), ist es auch nicht so einfach, entsprechende Google-Zitate zu finden. Dennoch gibt es einige Schweizer, die diese Dialektversion im Internet zu Schriftdeutsch verwandeln. Diese Suche ist am erfolgreichsten, wenn man nach „weiterstürmen“ oder „lange stürmen“ sucht.

      In Grimms Wörterbuch habe ausserdem ich noch gelernt, dass man schwäbisch die Ärmel „stürmen“ kann (aufkrempeln, aufstülpen).

      Oben habe ich beschrieben, dass „Gestürm“ Dialekt sei. „Für einmal“ ( http://www.blogwiese.ch/archives/56 , bzw. http://www.blogwiese.ch/archives/658 ) bestätigt dies auch Grimms Wörterbuch, das sonst Schweizer Ausdrücke nicht so diskriminierend als altmodisch behandelt wie der Duden:
      „ 3) die neuere entwicklung hält sich in den eben bezeichneten bahnen nur noch mundartlich, in der Schweiz: da pochte es drauszen. ‚was braucht der jetzt so spät mit seinem gestürm uns unruhig zu machen.‘ J. GOTTHELF Uli d. p. 334; ’s g’stürm, hin und her rennen SEILER Basler mundart 152; in anderen belegen ist die bedeutung durch die besondere entwicklung bedingt, die das verbum stürmen dort erfahren hat (schwatzen, sinnlos darauf los reden): es komme ihr halbers vor, wie es (ein) gstürm. J. GOTTHELF schuldenb. 120; du hörst einen ganzen halben tag mein gestürm an. Uli d. p. 195. 264.“

    2. Neuromat Says:

      @ Phipu

      für mich hat das „Gstürm“ im Dialekt einen etwas anderen Beigeschmack, da ist schon etwas sinnlos Aufgeblasenes mit dabei, jemad der gstürm macht, macht dabei auch aus einer Mücke einen Elefanten, lamentiert und verursacht vor allem ein Wirrwarr – eben s gstürm

    3. Phipu Says:

      An Neuromat

      Natürlich wird das „Gstürm“ immer eher mit dem negativen Beigeschmack gebraucht, dass es der Betrachter, der es so betitelt, für „unnötig, zuviel, zu lange, unbegründet“, etc. hält. Daher stimmt nebst den Angaben in den Wörterbüchern auch deine Idee von „Sturm im Wasserglas“ – wenn wir mit diesem hier passenden Nomen die Mücken und Elefanten ablösen wollen – mindestens für den einen Betrachter. Jedoch bin ich mit dem „Wirrwar“ nicht einverstanden. Das sollte man nicht mit „’s Gnusch“ oder „’s Ghürsch“ (häufig gehört: „es Gnusch im Fadechörbli“ = wörtl. „ein Gewirr im Nähkasten“, wenn man nicht mehr „drus chunnt“) verwechseln. http://www.blogwiese.ch/archives/576#comment-82354

      Ein Gstürm kann sehr klar sein, mit einer deutlichen Ja- gegen eine Nein-Position. Z.B. wenn ein Kind den ganzen Nachmittag lang auf seine Mutter ein-„stürmt“ es wolle eine Glace, die Mutter (die es natürlich zu lang und unnötig findet) dem Kind aber nach dem dritten Mal „nein“ sagen erwähnt, Sein Gstürm (etwa Hochdeutsch „Theater“) nütze ihm nichts, wenn es draussen schneie, gebe es keine Glacen, Punktum.

      Wenn du nun weiter darauf beharrst, dass das Gstürm ein Wirrwarr beinhaltet, werde ich dich als „Stürmi“ (nicht verwechseln mit Schachfigur oder Fussballer „Stürmer“) bezeichnen, weil ich ja glaube, dass du auch durch (nutzloses) weiterstürmen meine Meinung nicht ändern kannst.

    4. Neuromat Says:

      @ Phipu

      das ist interessant, zumal der Stürmi in erster Linie ein WIRRkopf ist, jedoch sicher auch – in zweiter Linie – Dein Beispiel des bettelnden Kindes meinen kann. Mir fehlt im Moment die Bezeichnung für den sturen Menschen, der zielgerichtet – steter Tropfen höhlt den Stein – ceterum censeo chartagnem delendam esse – eben beharrt, vielleicht auch ohn dass er ein grosses Gstürm veranstaltet.

    5. AnFra Says:

      @Phipu und Neuromat

      Habe einen Kompromiss wg. „stürmen“ anzubieten.

      Beim L. Mackensen „Ursprung der Wörter“ habe ich einen schönen Ausgleich gefunden:
      Sturm: ahd. „sturm“, verw. mit „stören“ = Verwirrung, Störung, mhd. „stoeren“, ahd. „storen“ = verwirren, vernichten. Die Ableitung mit dem „r“ folgt aus der Wurzel: „steu“, dieses beinhalte „stoßen“: dieses aus der idg. „steu / teu“ mit verwandte Wörter wie Stier, Stief-, stutzen, stupid, Stups und auch tupfen.
      Es sind also eigentlich dem Sinninhalt nach Sachen für stoßen, rempeln, Störung, Abgestoßenes, uam., aber auch Verwirrung / Wirrwarr (dies aus idg. „uers“ für vermengen und durcheinandersein).

      Die beiden Begriffe haben sich wohl in den letzten Jahrhunderten aneinander gestoßen und sind dabei etwas ins Wirrwarr gekommen.

    6. Nadjag Says:

      @Neuromat: Stürmi hat mit Wirrkopf sowenig zu tun wie Gstürm mit Wirrwarr… Ich schlag mich da ganz klar auf Phipus Seite… und erkläre deine Erklärung für ganz falsch, auch in zweiter Linie (obwohl Du es für in erster Linie erklärst) liegst Du leider falsch.

      Ein Stürmi ist ganz klar eine Person, die stürmt, also Druck zu machen versucht um etwas zu bekommen/erreichen, vorallem Kinder die Süssigkeiten wollen sind ein typisches Beispiel (wie von Phipu bereits erwähnt).

      Das Gstürm ist das, was der Stürmi verursacht… Ich denke auch die Redewendung „Sturm im Wasserglas“ passt ganz gut.

      Der zielgerichtete sture Mensch hingegen ist ein „Sturchopf/Dickchopf“ oder ein „Stuurer Grind“.

    7. solanna Says:

      Und woher kommt der Begriff „Heitischturm“ (Heidelbeersturm“, ein Beerenauflauf?

    8. Neuromat Says:

      @ Nadjag

      schau einmal in ein Berndeutsches Wörterbuch. Leider liegst Du falsch.

    9. Nessi Says:

      Herrlich, diese Einigkeit unter euch :o)
      die Wahrheit liegt eben darin, dass ihr alle recht habt.
      Die Worte haben (wie wir inzwischen wissen) zuweilen verschiedene bedeutungen, je nach Kanton.
      Also…..höred uf stürme ;o)

    10. AnFra Says:

      @solanna

      Die Frage wg. „Heidelbeersturm“ ist nicht von schlechten Eltern.

      Habe mir mal das Rezept angeschaut: Die Haupthandlungen sind hierbei das Zerdrücken / Zerquetschen (also die „Zerstörung durch STOSSEN“) der Beeren und die separate knusprige Röstung der Brotstückchen.
      Da die Beeren gestoßen werden (also durch „stoßen“ in ihrer Form zerstört), haben wir nun die nachvollziehbare Kette zur Namensableitung.

      Dies kann hermeneutisch recht schlüssig aufgebaut werden: Die Beeren werden zerstört durch „stoßen“ = aus mhd. „stozen“, aus ahd. „stozan“, got. “stautan”, altisl. „stata“ aus indogerm. Wurzel „steu / (s)teu / teu“ für die Familie der „Sto.., Ste.., Sti.. u.ä.m.“, hier „stoßen“ und auch weiter wie z. B. stauchen, stochern, stutzen, stottern, Stück, Stock, Stich, Stichel, Stößel usw.
      Sogar im lat. „tundere“ und im altind. „tudati“ ist dieses „stoßen“ verwandtschaftlich erkennbar.

      Langer Rede kurzer Sinn: Der „Heidelbeersturm“ wird wohl im „alten Sinne“ „Heidelbeerzerstoßenes“ gemeint (genannt???) worden sein!!!
      Da ist der „Heidelbeersturm“ in seiner heutigen sprachlichen Form doch besser bekömmlich.

    11. Nadjag Says:

      @Neuromat: Dann bilden wohl eher die Berner eine Ausnahme, in ZH, und der Ostschweiz gilt jedenfalls was Phipu udn ich geschrieben haben. (Es leben die regionalen Unterschiede ! :-))

    12. neuromat Says:

      @ Nadjag

      nein, schon wieder falsch. Die Berner bilden keine Ausnahme. (siehe Nessi)

      Ihr könnt einfach kein Schwiizerdüütsch 🙂 ; weil es „keins“ gibt.

    13. Phipu Says:

      Jetzt sind Berner gefragt.
      Sagt man dort „jetz ha-n-i es Gstürm“ oder „Gnusch“ oder „Ghürsch“ für „jetzt verwechsle ich etwas“ bzw. „jetzt bin ich verwirrt“?

      Und welche Eigenschaft wird einer mit der spezifisch berndeutschen Qualifizierung „du bisch e Sturm!“ betitelten Person unterstellt? Hat das etwas mit dem sogleich folgenden Adjektiv „sturm“ zu tun?

      Neuromat hat’s schön, der hat ein Berner Dialektwörterbuch. Ich muss versuchen, mich auf Erlebtes zu besinnen. Oder aber in der Blogwiese alle mit meinem Gstürm ganz sturm (schwindlig, „trümlig“) machen. (Siehe zum alemannischen Adjektiv „sturm“ auch Grimms Wörterbuch).

    14. Nadjag Says:

      @Neuromat: Solch eine „arrogante“ Frechheit verdient eigentlich keinen Kommentar, ich werde jedoch liebenswürdigerweise trotzdem einen abgeben und hoffe in Zukunft auf etwas mehr Taktgefühl und Toleranz deinerseits:

      Das Schwiizerdütsch existiert, egal ob Du es leugnest oder nicht, denn es lebt und wird gesprochen, jedoch unterscheidet es sich vom Standart- oder Hochdeutschen dadurch, dass es nicht DAS einzig und alleinig richtige Schwiizerdütsch gibt, sondern aus einer Ansammlung von regional gesprochenen Dialekten, welchen von den Sprechern als Muttersprache empfunden wird. Richtig oder Falsch ist somit sehr schwer zu definieren, da etwas das im Wallis als korrektes Walliserdeutsch gesprochen wird, in Zürideutsch keinen Sinn ergibt. In meinem Umfeld, das von der Ostschweiz bis ins Berbiet und in Wallis reicht kenne ich den Ausdruck in der Art wie ich ihn definiert habe.

      In diesem Sinne… „…und sie lebt doch…“

    15. neuromat Says:

      @ Nadjag

      Du hast einfach keinen Humor. Schau doch auch mal auf die Icons.

    16. Nadjag Says:

      @Neuromat: Ein Icon macht einen schnippischen Text noch lange nicht lustig oder ironisch, wenn es nicht zum Rest des Textes passt. Gerade Du als Blogwiesen-Ikones solltest das langsam aber sicher bemerkt haben. 😉

    17. neuromat Says:

      @ Nadjag

      da bin ich froh, das zu hören.

      Vor einiger Zeit gab es ja diesbezüglich längere Wortwechsel um “ “ “ und die “ 😉 “ “ 🙂 “ . Merkwürdig nur: alle Schweizer waren in diesem Zusammenhang ganz anderer Meinung. Kann es sein, dass es da einem nicht recht zu machen ist, weil es genau das ist, was es eben nicht sein soll.

      Es gab doch wirklich keinen Grund, derat eingeschnappt zu reagieren.