Ja wann laufen sie denn? Über den Zeitplan des Zürcher Marathonlaufs am Jahresende
In der Schweiz ist das „Jahresende“ mit eingebautem Genitiv-S eher selten anzutreffen. Hier spricht man von „Ende Jahr“, wenn eine bestimmte Zeit im Dezember gemeint ist (vgl. Blogwiese) .
Dieses „Ende Jahr“ beginnt sehr zeitig in Zürich. Wir haben ja schon darüber berichtet, dass man sich am 31.12. um Mitternacht im calvinistischen Zürich 20 Minuten länger Zeit nimmt mit dem Begrüssen des neuen Jahres. Das ist nicht etwa so, weil dieses Event eventuell von der Pendlerzeitung „20Minuten“ gesponsert wird, nein, die Stadtzürcher haben an Silvester keine Eile.
Zunächst lauscht man andächtig den Kirchenglocken, dann wird der Nachbar oder die Nachbarin auf der Strasse geherzt, auf das Neue Jahr besinnlich und leise angestossen, bevor schliesslich tatsächlich am 1. Januar um 0:20 Uhr das grosse, gesponserte Feuerwerk am See startet (vgl. Blogwiese). Hier brauchen Sie etwas länger, die Stadtzürcher, aber sonst sind sie sehr zeitig, wenn es um Silvester angeht.
Silvester hiess ein Papst, das erfahren wir aus dem Duden:
Silvẹster, der, auch: das; -s, – [nach Silvester I., Papst von 314 bis 335, dem Tagesheiligen des 31. Dezember]: letzter Tag des Jahres, 31. Dezember: Silvester feiern; [nächsten] Silvester sind wir nicht zu Hause.
(Quelle: duden.de)
Die Schreibweise mit einem Ypsilon ist zwar immer noch weit verbreitet, jedoch heutzutage nur noch für Schauspieler aus Boxerfilmen üblich.
Silvester, (auch:) Sylvester. Er ist männlicher Vorname lateinischen Ursprungs
lat. silvester »zum Wald gehörend, im Wald lebend; waldig«
(Quelle: Duden Lexikon der Vorname)
In Österreich können Sie zu Silvester übrigens auch „Altjahrtag“ sagen, was sich bei Norddeutschen eher wie ein flüchtiger Gruss im Vorbeigehen anhört. „Heh Alter, ja, Tag(chen) auch“. Unser Duden bezeichnet diese Variante als „schweiz. landsch.“, was uns sehr verwundert, denn bei Google-CH findet sich nur ein Beleg, und alle anderen Erwähnungen weisen nach Österreich. Aber das sind wir (uns) ja vom Duden gewohnt (Nicht-Schweizer Leser das „uns“ bitte streichen).
Nun, die Zürcher sind zwar an Silvester wie schon beschrieben etwas später dran mit dem Feiern, im Gegenzug finden andere Silvester-Veranstaltungen bereits erheblich früher statt. Herausragendstes Beispiel dafür ist der diesjährige Silvester-Marathon in Zürich. Diese Art von Marathon findet sich häufig am 31.12.
So in Stuttgart:
In Pfalzdorf mit Ypsilon
Und in Oeversee
Aber in Zürich? Schauen Sie selbst:
Da wird schon munter am 10. Dezember der Silvesterlauf gefeiert.
Warum die nur so früh damit anfangen, 21 Tage vor dem Jahresendtag? Wir vermuten, es hat etwas zu tun mit einer anderen Festivität, die im Monat Dezember stattfindet, und auch den Namen „Silvester“ trägt. Die Rede ist vom Schweizer „Schulsilvester“.
In alten Zeiten, als noch nicht alles vereinheitlicht war unter den Schweizer Kantonen, als der Beginn und das Ende des Schuljahres wirklich noch von jedem Kanton selbst bestimmt werden konnte, endete in Zürich das Schuljahr kurz vor Weihnachten. Es war Brauch und Anlass, für die Kinder am letzten Schultag tüchtig über die Stränge zu schlagen, früh aufzustehen, lärmend durch die Strassen zu ziehen und sich dann in aller Herrgottsfrühe an der Schule zu einer Art Schulfest zu treffen (vgl. Blogwiese)
Zur Geschichte des Zürcher Schulsilvesters finden wir in Wikipedia:
Während um 1920 das Treiben bereits um Mitternacht begann, wurde später der Beginn auf frühestens 5 Uhr festgelegt. Ab den 1930er-Jahren bürgerte es sich ein, dass Gruppen, welche besonders laut waren oder mit einem Ständchen aufwarteten, von Bürgern, die dadurch geweckt wurden, Geschäftsleuten und insbesondere den Bäckern mit einem essbaren Obolus (Prochnigs, alemannisch für: Bruchstücke von Konfekt) belohnt wurden. Die Grosszügigkeit der Geschäftsleute ging im Laufe der 1970er-Jahre merklich zurück und die Neue Zürcher Zeitung beklagte sich 1974: Das alte Gewohnheitsrecht, dass namentlich die Bäcker verpflichtet sind, einen essbaren Obolus zu entrichten, wenn man ihnen ein Ständchen bringt, scheint vergessen. An Stelle des Heischens trat immer mehr die Sitte des gemeinsamen Frühstücks im Klassenzimmer in der Schule. Ebenso klar zurückgegangen ist in den letzten Jahren die Lärmkraft der Kinder und das Lärmen mit selbstgebastelten Lärminstrumenten, Rätschen, Glocken, Küchenutensilien. Der bereits für das 19. Jahrhundert belegte Ruf: Silväschter stand uuf, streck d Bäi zum Bett uus! scheint Ende des 20. Jahrhunderts vergessen gegangen zu sein.
(…)
Neben dem Radau gehören auch harmlose Streiche zum Schulsilvester, welche im Schutze der Dunkelheit ausgeführt werden. Als Beispiele aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts seien zu erwähnen: Autos mit Toilettenpapier einwickeln, an fremden Türen klingeln oder Türglocken mit Zahnstochern blockieren, Gartentörchen aushängen, Türfallen mit Zahnpaste bestreichen. Diese Streiche arteten jedoch im Laufe der Zeit aus, insbesondere von „Nachtbuben“, welche nicht mehr im Schulalter sind, was mancherorts die Behörden dazu bewogen hat, den Schulsilvester zu verbieten, um die zum Teil immensen Sachschäden zu verhindern. Leidtragende sind die Schulkinder. Die „Nachtbuben“ hingegen lassen sich offensichtlich von Verboten wenig beeindrucken.
(Quelle: Wikipedia)
Zu den „Nachtbuben“ vgl. Blogwiese.
Wir fassen zusammen: Die Zürcher lassen ihren Silvester-Marathon schon am 10. Dezember stattfinden, damit er rechtzeitig zum „Schulsilvester“ vor Weihnachten fertig ist? Oder laufen die etwa bis zum 31.12. immer weiter?
Oktober 26th, 2006 at 7:24
Die Zürcher sind eben sehr geschäftige Leute. Damit die Teilnehmer des Silvesterlaufs an Weihnachten nicht mit leeren Händen unter dem Christbaum stehen, führt die Strecke schön an den Geschäften der Altstadt und der Bahnhofstrasse vorbei. So können sich die Läufer gleich die Geschenke aussuchen, die sie eine Woche später beim 2. Sonntagsverkauf besorgen werden. Vom Marathon ist der Silvesterlauf übrigens ziemlich weit entfernt. Die längste Strecke misst 8,6 km (4 grosse Runden).
Oktober 26th, 2006 at 12:51
Tja, und das mit den 20 Minuten nach Mitternacht ist eben Ansichtssache. Hat das Feuerwerk Vorrang, wenns darum geht das Neue Jahr willkommen zu heissen?
Die Zwingli-Stadt beginnt PÜNKTLICH mit dem kirchlichen Gruss, übrigens sei das Glockengeläut von Zürich auch was besonderes. Das Feuerwerk am Silvester hat eigentlich keine Tradition, dh. findet erst seit wenigen Jahren über dem See statt.
Die ganze Umgebung abknutschen und gleichzeitig ein Feuerwerk bestaunen geht ja auch nicht wirklich gut.
Oktober 26th, 2006 at 17:01
Das Feuerwerk ist eh eine Folge der deutschen Überfremdung. Feuerwerk gehört an den 1. August und basta. 😉
Oktober 27th, 2006 at 17:46
Also ich als Basler vermute, dass die Zürcher vor sich selbst davonlaufen.
Und das sie so wahnsinnig schnell laufen hat, wie Thomas schrieb, vermutlch mit den Preisschildern in den Läden ander Bahnhofstrasse zu tun.
November 2nd, 2006 at 9:18
Wie bereits von Thomas H. geschrieben handelt es sich beim Zürcher Silvesterlauf nicht um einen Marathon (42.195 km).
Der Zürcher Marathon, der tatsächlich in der Silvesternacht stattfindet, nennt sich Neujahrsmarathon Zürich. Angeboten werden dabei neben der 42.195km-Strecke auch ein Halbmarathon (21.1km) sowie ein 10km Lauf. Gestartet wird dabei um 00.00 Uhr, also exakt zum Jahreswechsel.
Weitere Infos dazu: http://www.neujahrsmarathon.ch