Heute schon mit grosser Kelle angerichtet?
Die Vorfahren der Schweizer dienten mit Spiessen bewaffnet als Söldner im Ausland oder waren daheim im „Agrarsektor“ tätig. Das bestätigten unsere sprachlichen Beobachtungen. Es wird hierzulande mit „gleichlangen Spiessen“ gekämpft , das “Heu auf der gleichen Bühne gelagert“ oder „der Mist geführt“, wenn nicht gleich alles „verhühnert“. Doch diese glorreichen Zeiten sind lange vorbei. Aus den ehemaligen Söldner und Bauern wurde solide „Häuslebauer“ und Maurer, denn wenn sie heute in der Schweiz aus dem Vollem schöpfen und sich besonders grosszügig zeigen wollen, dann müssen sie nicht Kaviar und Champagner auftischen oder doppelseitig geschmierte Butterbrezeln wie im Schwabenland, nein, dann greifen Sie am besten zum Speisseimer (nicht zum Essen, weil gefüllt mit Zement) und richten „mit grosser Kelle“ an.
Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 19.10.06 auf Seite 2
„Vor allem Uri und das Wallis haben mit der grossen Kelle angerichtet“.
Etwas „angerichtet haben“ kann ja auch sehr negativ verstanden werden, wenn die Mutter das Kind fragt: „Na, was hast Du wieder angerichtet?“. Hier geht es aber wirklich um das Vorbereiten und Präsentieren von leckeren Speisen, am besten auf der „Anrichte“, wenn mit „grosser Kelle angerichtet“ wird.
Das findet sich auch schon mal bei der Beschreibung eines Cadillacs im Tages-Anzeiger:
Mit grosser Kelle angerichtet
Damit der Escalade selber auch höhere Sphären erklettern kann, ist er permanent über alle vier Räder angetrieben, 60% der Kraft hinten, 40% vorne.
(Quelle: Tagesanzeiger.ch)
Die Kelle kann auch mal „allzu gross“ geraten:
Die Kommission hat sich vergewissert, dass, nachdem mit allzu grosser Kelle angerichtet worden ist, nun Reformarbeiten abgeschlossen sind und die neue Führung überzeugt.
(Quelle: gleichstellung.bl.ch)
Das „Schweizer Wörterbuch“ von Kurt Meyer, das übrigens nicht mehr als Duden-Band, sondern jetzt wieder neu im Verlag Huber erhältlich ist, meint dazu:
Kelle, die. *mit der grossen Kelle anrichten: grosszügig, nicht sparsam wirtschaften.
Wir lernen daraus: Nimm eine kleine Kelle und bau sparsamer dein Haus. Dass es mit einer kleinen Kelle auch länger dauert, steht auf einem anderen Blatt. Denn „viel hilft viel“, das wissen wir alle. Doch nicht immer ist hier von der Maurerkelle die Rede, auch eine simple Suppenkelle zum Austeilen von Suppe kann gemeint sein. Wenn die kleiner ist, dauert es länger und es gibt weniger Suppe, folglich wird gespart!
Eine Kelle sieht so aus:
(Quelle Foto: degewo.de)
Aber auch das ist eine Kelle:
(Quelle Foto tempora-nostra.de)
Und dann gibt es da noch diese Kelle:
(Quelle Foto: oktoberfest.de)
Die sieht man übrigens in der Schweiz erstaunlich oft im Berufsverkehr. Die Verkehrskontrollen bei Autobahnauffahrten, in der Agglo von Zürich, an Ausfallstrassen sind hier üblich und finden regelmässig statt. So regelmässig, dass es uns wundert, warum es sich hier überhaupt jemand traut, ohne Sicherheitsgurt (in der Schweiz gilt das „Gurtenobligatorium“!) oder mit Handy am Ohr durch die Gegend zu fahren. Mag sein, dass wir es einfach nicht wahrgenommen haben, als wir noch in Deutschland lebten, aber bis auf die garantiert regelmässigen Alkoholkontrollen in der Karnevalszeit können wir uns an keine Verkehrskontrollen durch die Polizei erinnern.
Natürlich sieht es an der Autobahn nach Holland anders aus. Dort wird schon mal eine 100% Kontrolle durchgeführt . Auf den Autobahnen werden Raser und Drängler durch die Autobahnpolizei überwacht in Deutschland. Nur diese regelmässigen Verkehrskontrollen, einfach so, täglich wechselnd an bestimmten Stellen im Stadtgebiet, das war etwas Neues für uns in der Schweiz. Und dann gibt es halt die grosse Kelle mit dem roten Licht zu sehen, und hofentlich haben Sie dann nichts angerichtet!
Oktober 27th, 2006 at 9:13
Hier habe ich noch eine kleine, aber dafür typische schweizerische Kelle anzubieten:
http://www.hilfiker.org/hilfiker_hans_1901-1993.htm
🙂
Oktober 27th, 2006 at 9:45
@ myl
seeeehr schön!
Oktober 27th, 2006 at 15:09
hi, myl & mirach.
Ein paar Schweizer Bahnhofuhren hat die Schweizer Regierung der Stadt Sankt Petersburg vor etwa einem Jahr geschenkt.
P.S. Ich hoffe Athen, Rome und Paris werden auch bald Bahnhofuhren aus der Schweiz geschenkt bekommen 😉
Fiona
Oktober 27th, 2006 at 17:42
Von wegen mit gleich langen Spiessen:
Der Spiessbürger, heute ein Schimpfwort, hatte ursprünglich eine ganz andere Bedeutung. Im Mittelalter war es nur den besseren, gut angesehenen Bürgern oder Handwerkern die in einer Zunft waren, erlaubt auf der Strasse offen einen Spiess zu tragen! Taglöhner und ähnliches Unterschichten-Gesindel wurden für das unerlaubte Spiesstragen bestraft.
Ergo: Mit gleich langen Spiessen kämpfen ist ein gleiches Recht fordernder Ausdruck der Unterschicht oder in diversen Zusammenhängen der Vergleich der zur Verfügung stehenden Mittel. Es hat ts mit den Söldnern im Ausland zu tun.
Ausser bei Winkeried, aber der wurde ja von hinten gestossen und da war die Länge der Spiesse unwichtig.
@ Fiona
Die Schweizer Regierung, also der Bundesrat (!) hat St.Petersburg Bahnhofsuhren geschenkt? Kaum!
Wenns aber so wäre: Die Bahnhofsuhr die überall in den Bahnhöfen hängt in der Schweiz, ber auch fast überall im Ausland, ist ein mehrfach prämierter Schweizer Design Klassiker aus den 50er Jahren.
Eine Jahrhundert Entwicklung aus der Schweiz, wie der Reissverschluss, der dämliche Kartoffelschäler, die Spanplatte, die LCD Bildschirme (ABB 1956, schwarz-oranges Flüssigkritall!) usw.
Gell, Jens wir sind nicht so schlecht.
Übrigens: ohne die Mitarbeit dreier kleiner Schweizer Unternehmen, hätte Gallileo, das ist die Euro-Konkurrenz zu GPS, hätte das Unternehmen keine Chance. Ein kleiner Saftladen aus der Ostschweiz liefert das wichtigste Teil ohne das gar nichts läuft: Ein Uhrensystem von unvorstellbarar Präzision.
Oktober 28th, 2006 at 10:37
Hallo Jens.
kleiner Tipp für Dich: In der heutigen (Samstag) „Luzerner Zeitung“ gibt es einen ganzen Bund (Dossier, ab S. 49) zum Thema „Deutsche bei uns“. Vielleicht Stoff für Dich?
Schönes Wochenende!
t
Oktober 28th, 2006 at 10:55
@ Brun(o)egg
Momol, anlässlich des 500 (?) Jahrejubiläums hat St Peterburg eine (oder mehrere?) Bahnhofuhr von der CH-Regierung geschenkt bekommen.
Die Deutschschweizer sind Tüftler par excellence.
Fiona
Oktober 28th, 2006 at 18:26
@ Brun(o)egg
Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass der Bundesrat St.Petersburg Schweizer Bahnhofuhren geschenkt hat. Gerüchten zufolge sollen sie aber übrigens schon nicht mehr alle funktionieren… Also von wegen Schweizer Pünktlichkeit!
Oktober 30th, 2006 at 10:44
Mit einem schweizer Nummernschild auf deutschen Autobahnen ist eine Verkehrskontrolle leider jedesmal ein Thema (auch wenn man nicht gerade aus Holland einreist). Die Schweizer kiffen ja alle! (laut Bundespolizei, auf der Autobahn Richtung Leipzig im Bundesland Bayern! War ja zu erwarten von den Bayern…)