Machen Sie auch klein in Mode? — Mödelis in der Schweiz
Grosse Mode kennen wir, die kommt aus Mailand oder aus Paris. Kleine Mode muss verkleinert werden, in der Schweiz hilft uns da ein „li“ am Ende. Kein „Mödchen“ oder „Modilein“ sondern ein „Mödeli“ soll es sein, wenn man von der kleinen Mode spricht. Oder in der Mehrzahl von „den kleinen Mödeli“. Die sind uns in der Schweiz häufiger zu Ohren oder vor die Augen gekommen, die „Mödeli“. Zeit also, diesem Modewort einmal nachzugehen. Unser Slängikon sagt uns, „es Mödeli“das sei Anke. Nein, nicht die Anke Engelke, sondern die Butter-Anke. „Für mich auch Butter“ = „anche per me“, wie die Italiener sagen.
Gemeint ist eigentlich nicht die Butter selbst, sondern die hübsche Form, mit der man apart aussehende Butterstückchen formt und auf einem Frühstücksbuffet präsentier.
(Quelle Foto: zumbiline.ch). Man könnte natürlich auch einfach einen Kamm nehmen und damit ein paar hübsche Linien ziehen in die Butter, aber so sieht es einfach viel netter aus.
Mödeli definiert Kurt Meyer so:
Das flach rechteckig (in einem Model) gepresste Stück zu 100 oder 200 g, in dem die Butter im Einzelhandel verkauft wird. Artikel 103 der Eidgenössischen Lebensmittelverordnung verlangt, dass Margarine modelliert nur in Würfelform in den Handel gelangen darf. Die Mödeliform wurde ausdrücklich der Butter vorbehalten, um Verwechslungen auszuschliessen (NZZ 2.10.68)
(Quelle: Schweizer Wörterbuch, S. 184)
Wenn man Sie also einst zum „Modelschnitzen“ einlädt, dann will man nicht an der Model-Karriere der Haustochter arbeiten, sondern diese Holzteile herstellen. Hiermit werden sie geformt, die Mödeli:
(Quelle Foto: wyyparadiesli.ch)
Form und Inhalt tauschten die Bedeutung, das passiert in Sprachen beim Bedeutungswandel nicht selten. Aus dem dicken Tongefäss, dem „testa“ = Tonscherbe, wurde in Frankreich der Kopf, der aussah wie ein Tongefäss, also „tête“ (diese kleinen Zirkumflexe stehen immer für ein früheres „s“ hinter dem Vokal, so wie bei Hostel > Hôtel). Doch zurück zur Butter, zur Anke, zum Mödeli! Gibt es neben der Butter nicht noch eine andere Bedeutung?
Wir lasen im Internet über den Radiomoderator Pat Stöpper:
das schreibt Laurent Rueff über die Mödeli von Patrick Stöpper
(Quelle: basel1.ch)
Ob der Mann Butter ins Haar tut, weil er Mödeli hat?
Oder:
Mödeli: Unterhose im Badezimmer liegen lassen
Mödeli: Haar zwirlä
Mödeli: Bi mängmal chli en Chaot und mach oft alles im letschte Moment
(Quelle: Verein junger Skifahrer „jungschi.ch„)
Hier geht es definitiv nicht um Butter oder Mode, sondern um „Modus“ = lat. Art und Weise etwas zu tun, um Macken, Angewohnheiten, kleine Eigenarten. Der Kontext der Verwendung von „Mödeli“ lässt diesen Schluss zu, so ganz sicher sind wir aber nicht bei der Beantwortung der Frage, wie aus einer „kleinen Mode“ ein „grosser Tick“ werden konnte.
Oktober 30th, 2006 at 7:29
Es gilt die Aussprache zu beachten:
ès Mödeli Butter (Mödeli Anke, Kt. Bern u.a.)
ès Möödeli = eine Marotte, eine nicht allzu ernst zu nehmende Gewohnheit
Oktober 30th, 2006 at 8:24
das macht doch mut. trotz mödelis ist immer noch alles in butter.
Oktober 30th, 2006 at 11:16
Selbes Wort, sehr unterschiedliche Bedeutung, ganz recht.
Aber: Im Dialekt werde die beiden „Mödelis“ unterschiedlich gesprochen:
– Im Bezug zur Butter wird das Wort mit kurzem ö gesprochen. Ich verwende das Wort nicht nur für die Form, sondern auch für das Butterstück selber
– Bei der Macke wird das Wort mit langem ö gesprochen, wie auch das Wort „Mode“ ein langes o hat.
Gruss
myl
Oktober 30th, 2006 at 11:26
Eigentlich hast Du die Antworten selber schon gegeben. Aber vielleicht besteht eine Verbindung zwischen den Anken-Mödeli und den „Möödeli“, – schlechte Angewohnheiten-, des Mannes oder der Frau? (Die haben die nämlich auch!) Gute „Möödeli“ hat man/frau nicht. (Wäre ein Thema für sich: Wie heissen gute Möödeli?)
Nebenbei: Der Dialekt spielt da halt schon eine Rolle: Baseldeutsch: „s’Angge-Mödeli“ Kurzes ö. oder: „Är het halt sini Möödeli“ Langezogenes Ö.
Man spricht in der Schweiz auch vom Gesichtsmodel, also vom Ausdruck und/oder der Form oder vom Modi. „s’Modi“. In unkultivierten Kantonen steht dieser grässliche Ausdruck, meistens von Männern verwendet, für ein Mädchen und hat nichts mit Mode oder Fotomodels zu tun, sondern mit Geringschätzung, Oberflächlichkeit und Entpersonifizierung.
Form follows Function. Model zeigt nur die Oberfläche, aber nicht die Inhalte. Gilt für den gestylten Anken – Inhalt Butter, das Modi hat einen Charakter, das Gesichtsmodel mit der grässlich grossen Nase verbirgt einen hervorraganden Charakter, das Fotomodell transportiert ein Produkt, das nichts mit ihm zu tun hat und hinter dem Chaoten im Badezimmer verbirgt sich ein liebenswerter Mensch. usw.
Übrigens: Anken ist ein altdeutsches Wort für Fett. In Basel und im Bernbiet immer noch üblich.
Daraus folgt:
Die fette Engelke.
Oktober 30th, 2006 at 12:38
Sehr geehrter Herr Wiese
Netter Beitrag – weiter so!
Kleiner Schönheitsfehler: AnkeN (DER) – s. Duden. Schweizer Schulkinder haben mit dem Artikel von Butter übrigens das umgekehrte Problem. 🙂
„Doch zurück zur Butter, zur Anke, zum Mödeli!“
Also richtigerweise „[…] zurück […], zuM AnkeN, […]!“.
Ausser natürlich: Sie meinten die Anke Egelke? Aber ich darf doch stark hoffen, dass Sie die Anke Engelke nicht tranchenweise zum Brot „verfrühstücken“ würden. 🙂
Wenn wir übrigens schon beim Duden sind: Model, der; -s – (Backform; Hohlform für Gusserzeugnisse; erhabene Druckform für Zeugdruck; auch svw. 1 Modul).
Sie merken: Da steht weder etwas von wegen süddeutsch oder (gar) schweizerdeutsch. Es ist ganz normales hochdeutsch. Ich kann mich errinnern, dass selbst mein Grossvater – er war kantonaler Milchinspektor – von „Model Anken“ gesprochen hat – sogar im Mundart und ohne „-li“ am Schluss. Es kommt wohl auch darauf an, wie kleine Brötchen man bäckt, bzw. bestreicht! 🙂 Bei den normalerweise verwendeten kleinen 250gr.-Portionen zum Frühstück/“Zmorge“ scheint mir das Anhängen eines „-li“ am Schluss durchaus gerechtfertigt zu sein. Besonders in einem Land, das derart mit Milchwirtschaft assoziert wird (auch in der deutschen Sprache: s. Schweizer=Melker) – wenn man sich vorstellt, was da für Mengen täglich in einem Betrieb produziert werden: Da sind bzw. waren solche Portionengrössen von 250gr. halt einfach eine Nummer zu klein. Bzw. die grossen Portionen sind für den Verkauf gedacht. Wo kämen wir denn da mit all den Überschüssen hin. Die würden ja dann womöglich noch von den Produzenten selber verfrühstückt aus sprachlicher Verwechslung. 🙂
Wie Sie als Germanist ja sicher wissen, überlebt solcher Erfahrungshintergrund auch in der Sprache.
Wenn Sie sich für Models in der genannten Bedeutungsform interessieren sollten, empfehle ich Ihnen einen Besuch im Landesmuseum Glarus (www.freulerpalast.ch). Dort sind sowohl Ankenmodels als auch Druckmodels (für Texildrucke) zu besichtigen.
Darf es ein wenig mehr sein? „Dörfs äs Bitzeli meh si?“ 😀
MfG W. AebLI 😀
P.S. Vielleicht sollte ich mal über eine Namensänderung nachdenken, immerhin bin ich fast 2m gross. 😀
Oktober 30th, 2006 at 14:53
Jens, Du bis noch auf Sommerzeit!
Oktober 30th, 2006 at 16:12
@ Brun(o)egg
Danke für den unkultivierten Kanton! Mag vielleicht auf Bern zutreffen, aber sicher nicht auf den Kanton Biel/Bienne!!!
„Modi“ oder „Meitschi“ ist die normale Bezeichnung für ein Mädchen… das hat nix mit Geringschätzung, Oberflächlichkeit und Entpersonifizierung zu tun. Auch Frauen und Modis benutzen diese Wörter… nicht nur Männer.
Grz
Oktober 30th, 2006 at 18:52
Na, vielleicht müssten wir mal an unseren westlichen Nachbarn denken. Dort ist ‚mode‘ für alles (un)mögliche in Gebrauch, spätestens im Konstrukt ‚mode de‘.
So kommen wir jedenfalls wieden ganz nah an persönliche Eigenarten.
Oktober 30th, 2006 at 22:52
Auch laut Duden ist die Mehrzahl von Model nicht Models, sondern unverändert Model. Das gilt sowohl für Anke-/Angge-Model oder für Springerlimodel.
Springerli sind ein Änis-Weihnachtsgebäck, bei dem der geschnitzte Holz-, Ton- oder neuerdings auch Kunststoff-Model (vor dem Backen und danach etwas Antrocknen lassen) sorgfältig auf den dick ausgewallten Teig gedrückt wird, sodass der Negativ-Model ein Positiv-Relief hinterlässt. Funktioniert also ähnlich wie bei der Butter/dem Anke/Angge.
Etwas anders funktionieren die Glarner Druckmodel (dort geht es nicht um dreidimensionale Reliefs, die am Schluss als Positiv aus dem Model gelöst werden, sondern um Muster, die alle gleich hoch sind und entweder Farbe auf den Stoff übertragen oder eben nicht (Zwischenräume).
Laut dem Stammbaum meiner Familie, den mein Urgrossvater (Lehrer und Jahrgang 1873) recherchiert und geschrieben hat, waren diverse meiner männlichen Vorfahren nicht Model- sondern Modellstecher (die eben solche Druckmodel (oder -modelle???) herstellten.
Die Wurzel von „Model“ und „Modell“ ist wohl dieselbe. Man hat ein Original, das nachher x-fach kopiert werden kann. Und das Wort wird nicht nur auf das Originalendprodukt verwendet, sondern auch für die Trägerin des Modells. Model ist ist dafür dann wohl die englische Version, die sich auch in der früher französisch dominierten Mode durchsetzte.
Die „Möödeli“ (auffallende Angewohnheiten oder gar Ticks) leiten sich hingegen von Mode (die ja deutsch auch lang als Moode) ausgesprochen wird, ab. Also man tut etwas, weils vielleicht chic scheint, und das verselbstständigt sich dann irgendwie. Oder es handelt sich um kaum bewusste Verhaltensweisen, über die vielleicht auch mal gespottet wurde: „Ist das jetzt wohl die neuste Mode? Daraus entwickelte sich dann die generelle Bezeichnung „Möödeli“ für (eher negativ) auffallende, wiederkehrende Bewegungen oder Handlungen.
„Mode“ wiederum ist die Art und Weise, wie etwas in einer bestimmten Zeitspanne daherkommt, also gerade „in“ ist.
Oder sieht das jemand anders?
Oktober 31st, 2006 at 7:47
@baalsebub
Auch „z’Bärn“ spricht man ganz normal von „Giele u Modis“. Soviel ich weiss, stammen diese Wörter aus dem Mattenenglischen. Ich verstehe auch nicht, was Brun(o)egg uns damit sagen wollte?
@Brun(o)egg
Aus welcher hochkultivierter Ecke dieser schönen Welt stammst denn Du? 😉
Oktober 31st, 2006 at 7:55
@baalsebub
Kanton Biel? Nicht schlecht. Der Jura hats ja auch geschafft. Lach.
Vielleicht haben mir da meine Ganglien einen Streich gespielt, aber ich hab das Modi, – notabene seinerzeit im Militärdienst -, immer als abwertende Bezeichnung für Serviertöchter, usw. gehört. Kann allerdings nicht mehr memorieren ob das alles Bieler (Seebuben?) waren.
Bleib beim Modi. Mir als Basler ist’s eh wurscht. Und hat direkt auch nichts mit dem „Anggemödeli“ zu tun.
Oktober 31st, 2006 at 8:46
@ Baalsebueb u Simu
recht habt ihr, zudem und das wird wohl ein Schreck für Brun(o)egg,sprechen wir hier auch von WYBERN oder Wiiber:) und selten von Frauen…………
grüessli
sylv
Oktober 31st, 2006 at 9:25
@sylv
Ja, und die schiessen auch noch scharf -> „Wyberschüsse“ (für unsere deutschen Leser: Weiberschiessen)
gruess
bruno
Oktober 31st, 2006 at 11:29
@sylv
Kein Schock für mich, die Wiiber oder Wyber. Auch in Basel ist „e guets Wiib“ einfach eine starke Frau. Ausser in linken Kreisen. Da ist das verpönt. Da sind die „Wiiber“ ja noch nicht so emanzipiert und selbstbewusst. Sonst wären sie nicht links. Smile.
Zum Schluss, – lieber Jens, ich weiss ich (wir) schweife(n) ab-, es gibt in Basel ein Fasnachts-Clique, nur Frauen, die nennen sich „d’Hiehner“ (für Jens: Hühner).
Und Frauen die sich selbst als „Hiehner“ bezeichnen: Chappeau! Stärker gehts nicht und nimmt uns Typen den Wind aus den Segeln.
Hoch lebe das Modi. Nehm alles zurück was ich geschrieben habe und behaupte das Gegenteil.
November 3rd, 2006 at 11:33
Als ich in der Schule war, gab es eine Zeit lang ein „Möödeli“ mit Witzen, die keinen Sinn ergeben. Einer war: „Was ist rechteckig, weiss und liegt im Kühlschrank?“ Antwort: „Es Mödeli Pingpong“. (Nicht besonders lustig, ich weiss, aber daran musste ich einfach denken)
November 6th, 2006 at 10:50
Damit das ganze noch etwas komplizierter wird: es gibt nicht nur kleine Mödeli ([Möödeli], auch in der Mehrzahl ohne „s“), die anderen Leuten oder sich selbst missfallen könnten. In Erziehungsfragen wird eine nervige Angewohnheit eines Kindes schnell mal zu einem regelrechten grossen Problem, das man (als Eltern) loswerden will. Das ist dann eine „Saumode“. Laut Google und Word-Korrekturprogramm ist letzteres Wort auch in Deutschland bekannt.