Die Schweizer Idee schon im Namen — SRG SSR Idée Suisse

Februar 22nd, 2008

(reload vom 5.12.05)

  • Die ARD ist eine komplizierte Firma
  • ARD“ steht für die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland, womit der Zusammenschluss aller Ländersender gemeint ist. Denn Radio- und Fehrnsehprogramm ist Ländersache in Deutschland. Das Programm kommt mal aus Hamburg vom NDR, mal aus Köln vom WDR, und manchmal heisst es „Grüss Gott liebe Buben und Mädel„, dann wird vom Bayrischen Rundfunk aus München gesendet und die norddeutschen Kinder kringeln sich vor lachen über die ungewohnte Anrede.

  • Wie heissen die Rundfunkanstalten in der Schweiz?
  • Diese Anstalten hatten bis zum Dezember 2005 ganz offiziell einen höllisch komplizierten Namen: SRG SSR idée suisse (Service Public). Fällt Ihnen was auf? Die führen „idée suisse“ im Titel, das ist ein französisches Wort, wird aber von jedem „Suisse Toto„, wie die Deutschschweizer von den Welschen genannt werden, auch gut verstanden. Sollte das etwa eine kleine Anbiederung an die welsche Minderheit sein, die Sendeanstalten rein Französisch zu benennen? Wahrscheinlich ist es eher eine typische schweizerische pragmatische Lösung gewesen. „Benennen wir die Anstalt auf Französisch, dann können da alle gut mit leben„.

    Die Webseite hat übrigens immer noch diesen Namen als hübsche, weil kurze und prägnate Adresse, die sie gleich mal laut und unschweizerisch schnell vorlesen sollten: www.srgssrideesuisse.ch. Nun, haben Sie sich jetzt auch die Zunge gebrochen? Soviele Konsonanten hintereinander, das finden wir sonst nur bei polnischen Buchautoren wie Szczypiorski, der den absolut lesenswerten Roman „Die schöne Frau Seidenmann“ schrieb. Was steht hinter dieser merkwürdigen Abkürzung?

    Das Unternehmen der SRG SSR idée suisse besteht aus den sieben Unternehmenseinheiten Schweizer Fernsehen DRS (SF DRS), Schweizer Radio DRS (SR DRS), Télévision Suisse Romande (TSR), Radio Suisse Romande (RSR), Radiotelevisione svizzera di lingua italiana (RTSI), Radio e Televisiun Rumantscha (RTR) und Swissinfo/Schweizer Radio International (SRI).( Quelle)

    Da soll noch einer sagen, die Schweizer sind ein einfaches und unkompliziertes Volk. Für jede Landessprache eine eigene Sendeanstalt.
    Die Abkürzung SRG gehört den Deutschschweizern allein und steht für „Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft„, hingegen müssen sich die Französisch und Italienisch sprechenden Teile der Schweiz die Abkürzung SSR teilen:
    SSR=Société suisse de radiodiffusion et télévision (französisch)
    SSR=Società svizzera di radiotelevisione (italienisch)
    Und die Rumantschen? Die wurden mal wieder vergessen, oder die suchen sich eine Abkürzung aus, die ihnen gefällt.

  • Aus Wankdorfstadion wurde „Stade de Suisse“
  • Das Berner Wankdorfstadion, in dem 1954 die Deutsche Nationalmannschaft ihren sensationellen Sieg über die Ungarn erzielte und damit dem gedemütigten Deutschland in der Nachkriegszeit wieder eine gehörige Portion Selbstbewusstsein, „Wir sind wieder wer„, vermittelte, hat jetzt einen französischen Namen. Vielleicht wollte man so „Das Wunder von Bern“ vergessen machen? Und das, obwohl das Stadion mitten im Berndeutsch sprechenden Kanton Bern steht, nicht in Biel/Bienne oder nahe beim Röschtigraben! Das Vorbild steht in Paris und heisst natürlich: „Stade de France„.

  • In Frankreich heisst alles „de France“
  • Wobei die Franzosen es sich immer sehr einfach machen mit der Namensgebung. Wie meinte Massimo Rocchi noch so schön: Raten Sie mal, wie der staatliche französische Gaslieferant heisst? Richtig: Gas de France. Und der Stromlieferant? E.D.F = Électricité de France. Und die Wasserwerke? Eaux de France. Und die Nationalmannschaft? Equipe de France. So war es ein Leichtes, in einem grossen Wettbewerb nach langer, aufwendiger und intensiver Suche den Namen für das für die Weltmeisterschaft in Frankreich gebaute Stadion zu finden: „Stade de France„.

    Vielleicht sollte man in der Schweiz in der Zukunft auch alles einfach mit „de Suisse“ benennen? Oder auf die noch kürzere Englische Variante „Swiss“ umsteigen? Wie bei der berühmten „Tipp-EX-Lösung“ bei der Umbenennung von „Swissair“ zu „Swiss„? Die „Natzi“ hiesse dann in Zukunft einfach „Swiss Team“ oder „Equipe de Suisse„, und kein Deutscher müsste bei ihrer Erwähnung mehr an nationalsozialistische Gesellen aus brauner Zeit denken.

    Kein Wahlrecht ohne Schweizerpass — Sind Staat und Kirche nicht getrennt in der Schweiz?

    Februar 21st, 2008
  • Tagesordnungspunkte und Traktanden
  • Vor einiger Zeit wurden wir von der Reformierten Kirche in unserer Wahlheimat Bülach im Zürcher Unterland eingeladen, uns an einer Abstimmung der Gemeinde zu verschiedenen Tagesordnungspunkten, die hier „Traktanden“ genannt werden, zu beteiligen. Als ich uns hier anmeldete und bei der Frage nach der Konfession „ev.“ in das Formular eintrugen, wurden ich automatisch Mitglied der Reformierten Kirche. Seitdem bekommen wir regelmässig einen Gemeindebrief zugeschickt und bezahlen Kirchensteuern. Nicht viel anders als in Deutschland, wo es wesentlich komplizierter ist, eine Kirche zu verlassen als seinen Eintritt zu bekunden.
    Kirche in Bülach

    Der Eintrag „ev.“ auf dem Anmeldebogen des „Einwohnermeldeamtes“, welches in der Schweiz „Einwohnerkontrolle“ heisst, reicht aus. Doch es gibt einen gewichtigen Unterschied. Als Deutscher in der Schweiz darf ich zwar die Kirchensteuer bezahlen, habe aber kein aktives oder passives Wahlrecht in der Gemeinde. Ich wollte wissen, ob das in der Evangelischen Kirche in Deutschland anders ist und erhielt diese Auskunft per Mail:

    In Deutschland sind Staat und Kirche seit 1919 organisatorisch getrennt, so dass z. B. die Frage der Kirchenmitgliedschaft von staatlicher Regelung unabhängig ist. Eine Ausnahme ist der Austritt aus der Kirche, der in staatlichen Gesetzen insofern geregelt ist, als er für die Zahlung der Kirchensteuer relevant ist. Für das Wahlrecht zu kirchlichen Organen wie dem Presbyterium liegt die Regelungsbefugnis jedoch ausschließlich bei den Kirchen. Ein Schweizer, der nach Deutschland zieht und hier seinen ständigen Wohnsitz oder „dauernden Aufenthalt„, also seinen Lebensmittelpunkt hat, und sich als evangelisch anmeldet, kann in der Kirchengemeinde das aktive und passive Wahlrecht wie ein deutscher Staatsangehöriger wahrnehmen.
    (Quelle: E-Mail der Kirchenrätin Dr. Anne-Ruth Wellert, EKD, Hannover)

    Sollte das etwa ein Bereich sein, in dem in der „Institution Kirche“ in Deutschland mehr Basisdemokratie möglich ist als in der Schweiz?

  • Was dürfen die ausländischen Seelsorger in einer Schweizer Pfarrei?
  • Eine Deutsche, die in einer katholischen Gemeinde im Kanton Zürich arbeitet, schrieb mir über die Situation in der Schweiz:

    Es kommt nicht selten vor, dass die Mehrheit der Seelsorger einer Pfarrei aus dem Ausland kommen. Selbstverständlich dürfen sie nicht abstimmen. Das führt zur m. E. bedenklichen Situation, dass häufig Pfarrer, Vikare, PastoralassistentInnen, Sozialseelsorger-Innen, Jugendarbeiter-Innen zwar die Arbeit tun – aber wenn es um Mitsprache auf Kirchgemeinden-Ebene geht, haben sie nichts zu sagen. Mir selbst (weiblich, katholisch, promovierte Theologin, 50) macht dies nichts mehr aus – im Lauf der Jahre habe ich mich daran gewöhnt, welchen Stellenwert ein seltsames Tier wie ich in diesen Zusammenhängen zu haben pflegt. Doch es freut mich immerhin noch, wenn das eine oder andere auch anderen noch auffällt. –

    Sie war durch einen Beitrag auf NZZ.Votum auf die Blogwiese gestossen.

  • Fortschrittliche Westschweiz
  • Natürlich ist das mit dem aktiven und passiven Wahlrecht in den Schweizer Kirchen nicht überall gleich geregelt. Der Kanton Neuenburg soll in dieser Hinsicht besonders fortschrittlich agieren. Dort wohnende Ausländer haben das aktive und passive Wahlrecht in den Kirchengemeinden. An einer für alle Kirchen der Schweiz gültigen Neuregelung wird gearbeitet, sie wurde für 2010 in Aussicht gestellt. Ausserdem soll es bei den Katholiken schon Priester aus Deutschland geben, die in ein Kirchenamt gewählt wurden, ohne den Schweizerpass zu besitzen. Es gab einfach keine anderen Kandidaten.

    Die Schweiz ist neutral und beteiligt sich an keinem Händel — Manchmal geht das schief

    Februar 20th, 2008
  • Kein Händel aber Handel
  • Den Namensvetter von Georg-Friedrich Händel hatten wir hier besprochen. Die Schweiz ist erklärtermassen neutral und beteiligt sich an keinem „Händel“ in fremden Ländern. Das war sogar 2007 Wahlkampfthema der SVP „Lasst euch nicht in fremde Händel ein„. Am Handel schon, z. B. mit Waffen. Im Tages-Anzeiger vom 30.01.08 lasen wir die aktuellen Ausfuhrstatistik:

    Die Ausfuhren von Schweizer Kriegsmaterial nahmen im Vergleich zum Vorjahr um 16,8 Prozent auf 464,5 Millionen Franken zu, wie heute den Zahlen der Eidgenössischen Zollverwaltung zu entnehmen ist. Höher waren die Waffenausfuhren letztmals im Jahre 1988 gewesen.
    (Quelle: Tagesanzeiger)

    Kam danach nicht das Ende des kalten Krieges, der Mauerfall in Berlin und die Entspannung? Schlecht für den Waffenhandel.

    (…) Wichtigster Abnehmer von Schweizer Kriegsmaterial war letztes Jahr Deutschland, das Güter für knapp 62 Millionen Franken bezog. Auf den nächsten Plätzen folgen Irland, Dänemark, die USA und Grossbritannien.
    (Quelle: Tagesanzeiger)

    „Swiss Quality“ ist nicht nur beim Schokolade-Einkauf angesagt. Wir denken an die Schweizer Devise vom konsequenten Nichteinmischen:

    Bereits an sechster Stelle liegt Pakistan mit 37,5 Millionen Franken. Es handelt sich um die umstrittene Lieferung von Fliegerabwehrsystemen, die der Bundesrat im Dezember 2006 bewilligt, im letzten November nach Verhängung des Ausnahmezustands in Pakistan aber sistiert hatte. Ins Nachbarland Indien, mit dem Pakistan seit Jahrzehnten verfeindet ist, wurde Kriegsmaterial für rund 2,1 Millionen Franken geliefert.
    (Quelle: Tagesanzeiger)

  • Der Name „Oerlikon“ ist weltbekannt
  • Zur Zeit läuft in den Kinos die amerikanische Komödie „Der Krieg des Charlie Wilson“ mit Tom Hanks und Julia Roberts in den Hauptrollen. In dem Film wird mehrfach ein bekannter Stadtteil bzw. Vorort von Zürich erwähnt: „Oerlikon“, als Name eines Waffensystems der Firma „Oerlikon-Bührle“, später „Unaxis“ genannt. Die Oerlikon-Kanone ist mancherorts schon so lange im Einsatz, dass sie auch mal durchdreht und wild um sich ballert, bis das Magazin leer ist, wie im Oktober 2007 in Südafrika:

    Bei einer Schiessübung mit einer in der Schweiz hergestellten Flugabwehr-Kanone sind in Südafrika mindestens 9 Soldaten getötet worden. 15 weitere wurde im Feuer der eigenen Flak zum Teil schwer verletzt.
    (Quelle: nzz.ch)

    Die Vorläufer der Oerlikon-Kanone waren schon im zweiten Weltkrieg ein Exportschlager:

    Bei Kriegsbeginn 1939 hiess der Bührle-Grosskunde Grossbritannien – und dann brach innert Monaten Frankreich und damit alles zusammen: Dadurch, dass die Schweiz vom Deutschen Reich eingeschlossen wurde, waren „Aufträge von 250 Millionen Franken zu einem Fetzen Papier geworden“, wie sich Bührle erinnerte.
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 13.02.08)

    Doch es gelang Bührle dann, seine Oerlikon-Kanone an die Deutschen zu verkaufen.

    „Dafür hatte er neue Feinde: Im gleichen Jahr (1943) bombardierten die Alliierten „versehentlich“ Oerlikon.
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 13.02.08)

    Ob dies ein gezielter Angriff auf die Waffenfabrik von Bührle in Oerlikon war, darüber rätselten lange die Historiker. Der NZZ vom 4.03.05 schreibt zum 60jährigen Jahrestag dieser Ereignisse:

    Die zweite Bombardierung durch britische Flieger ereignete sich in der Nacht auf den 18. Mai 1943. Wiederum löste die Lage der Einschläge ein starkes Echo aus, befanden sich diese doch in der Nähe Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon und entlang der Bahnlinie Seebach-Affoltern-Wettingen. Galten die Bomben etwa dem Bührle-Konzern? Standen diese Abwürfe im Zusammenhang mit den gesteigerten Exporten nach Deutschland? Sowohl die breite Öffentlichkeit wie auch die bisher vorhandene Literatur in der Schweiz schlossen diese «Warnschusstheorie» zumindest nicht aus.

    Erneut vermögen uns britische Quellen Aufschluss darüber zu geben: In der Nacht auf den 18. Mai 1943 hoben drei leichte Bomber des Typs Mosquito von ihrem Stützpunkt in Ostengland ab, um einen Scheinangriff auf München zu fliegen. Während zwei Besatzungen angaben, Bomben auf München abgeworfen zu haben, konnte die dritte Crew das Primärziel nicht ausmachen. So wurde auf dem Rückflug Strassburg, ein oft angeflogenes Ausweichziel, bombardiert. Da in besagter Nacht jedoch keine Bomben in Strassburg detonierten, liegt die Annahme nahe, dass auch hierbei das verdunkelte Zürich mit dem Sekundärziel im besetzten Frankreich verwechselt worden war
    (Quelle: NZZ.ch)

    Insgesamt forderten Bombenangriffe der Allierten auf die Schweiz 84 Todesopfer. Alle wurden sie später eindeutig als Irrtümer im strategischen Luftkrieg der Alliierten belegt. Konnten ja nur Irrtümer sein, und keine absichtlichen Angriff, denn die Schweiz ist ein neutrales Land das sich aus allen Kriegen konsequent raushält.

    Schweizerdeutsch für Fortgeschrittene (Teil 7) — Schwarzräumen

    Februar 19th, 2008

    (reload vom 4.12.05)
    Wir kennen „schwarzsehen“, wenn jemand die Zukunft nicht sehr optimistisch beurteilt oder wenn er ohne die GEZ-Gebühren zu bezahlen, einfach das öffentlich-rechtliche Fernsehprogramm konsumiert. Die deutsche „Gebühren-Einzugs-Zentrale“ sind Sie durch ihren Umzug in die Schweiz zwar los geworden, jetzt lauert dafür der freundlichen Herr von der „BILLAG“ im Hauseingang und wartet nur darauf, ihnen ein Anmeldeformular für die Programme der Schweizer Rundfunkanstalten in die Hand drücken zu können. Ob BILLAG von „BILLIG fernsehen“ oder doch von „BIsschen ILLegal“ fernsehen kommt, konnten wir noch nicht ganz klären, jedenfalls ein hübscher und bedeutungsschwangerer Name.

    Ausserdem kennen wir „schwarzfahren“, wenn man ohne gültigen Fahrausweis unterwegs ist, und „schwarz ärgern“ kann man sich sicherlich auch. Das Wort „schwarzarbeiten“ haben wir jedoch noch nie gehört.

  • Was heisst „schwarzräumen“?
  • Aber was ist „schwarzräumen“? Vielleicht die illegale Räumung einer nicht angemeldeten Demo durch die Polizei? Sozusagen illegal mal illegal = legal? Oder geht es um die Räumung einer Wohnung, die ohne Licht von statten geht?

    Weit gefehlt: Hier müssen wir uns der Sprache mit Logik und Antithese nähern. Was ist das Gegenteil von Schwarz? Ich weiss: Weiss! Und was ist im Winter weiss? Richtig: Der Schnee. Und der fiel im Februar 2005 ungewöhnlich oft und viel in der Schweiz, dummerweise nicht nur auf die Skipisten sondern auch auf die Strassen des Kantons Zürich. Und was fordert der mündige Steuerzahler, der seinen „Steuerfuss“ stets zu hoch ansieht, obwohl er nur ein Mal (!) im Jahr Steuern zahlen muss:

    Schwarzräumen bitte sehr! Die kantonalen Schneeräumedienste sollen die Strasse so rechtzeitig und gründlich vom Schnee befreien, so dass sie morgens um 7.00 Uhr, wenn der Zürcher zur Arbeit pendelt, nicht mehr weiss sind, sondern schwarz.
    Ich weiss, hier wurde noch nicht schwarz geräumt:
    Hier wurde noch nicht schwarz geräumt
    Foto von Bloggingtom

  • Prinzip der Gegenteilslogik: Saurer statt süsser Sprudel
  • Diese Gegenteilslogik findet sich in Süddeutschland auch bei der Bezeichnung von Mineralwasser. Wir wissen ja bereits, dass die deutsche Bezeichnung „Sprudel“ bei den Schweizern eher Assoziationen wie „Sprudelbad“ und „Wellness-Kur“ auslösen. Wie nennt man nun in Süddeutschland ein Mineralwasser „ohne Geschmack“? Also etwas, was „nicht-süss“ ist? Genau: Was nicht süss ist, ist eben „sauer“, darum heisst das hier „saurer Sprudel“, auch wenn es nicht im entferntesten nach sauren Gurken schmeckt.

    Durch alle Böden — Neue (alte) Schweizer Lieblingsredewendungen

    Februar 18th, 2008
  • Putzen wir den Boden durch?
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 12.02.08 auf Seite 11 in einem Artikel über Hillary Clintons Wahlkampfmanagerin Maggie Williams:

    „In den turbulenten Clinton-Jahren spielte Williams eine herausragende Rolle. Sie verteidigte ihre Chefin durch alle Böden, trat sogar als deren Stellvertreterin zu hochnotpeinlichen Hearings vor dem Kongress an.“

    Wir stutzten bei dem Ausdruck „durch alle Böden“ und begannen zu rätseln, woher diese Redewendungen wohl kommen mag. Ist es ein Zeichen von extrem gründlicher Putzarbeit mit einem „Blocher“, wenn man sich „durch alle Böden“ hindurch arbeitet, mehr noch, sogar „verteidigt“, quasi mit dem Besen, Strupfer oder Schrubber in der Hand?

  • Wird durch die Böden gebodigt?
  • Oder hat es was zu tun mit dem weiten Wortfeld des Schwingens, wo der Gegner auch „gebodigt“ wird, also auf den Boden geworfen, und manch einer „schwingt oben auf“. Die Redewendung ist nicht einfach zu erklären, aber eindeutig schweizerisch, denn sie ist sogar im Duden-Schweiz verzeichnet. Sogar die NZZ ist mehrfach dabei, wenn es um die Verwendung dieses Ausdrucks geht:

    Er verteidigt das Glasfasernetz mit Kommentaren durch alle Böden,
    (Quelle: NZZ.ch)

    Oder hier:

    Vögeli hat seine besonders gehätschelte, erfolgreiche Söldner-Truppe im Handel (…) gegen aussen und innen durch alle Böden verteidigt.
    (Quelle: NZZ.ch)

    Es muss doch was Militärisches dahinter stecken. Vielleicht eine kollektive Erinnerung der Schweizer Männer an ihre Rekrutenschule, der „RS“, in welcher sie vielleicht die Kunst des Häuserkampfes in Pappgebäuden erlernten, bei denen man im Eifer des Gefechts durch den Fussboden krachen kann und sich so „durch alle Böden“ verteidigen muss?