Wenn der Türk zur Familie gehört — Mach keinen Türk um den Familientürk
Februar 29th, 2008Auch nach sieben Jahren Leben in Schweizer Echtzeit begegnen uns Ausdrücke und Formulierungen, die einfach unerklärlich bleiben. An grossen Festtagen, z. B. an Weihnachten im Kreis der Familie oder wenn ein besonderer Geburtstag ansteht, kommen die Schweizer zusammen zum „Familientürk“.
Hier zwei von 82 Fundstellen bei Google-CH:
„Familientürk“ zum 18. Geburtstag unseres Sohnes. Was macht man da, dass Jung und Alt einen rundum harmonischen Tag geniessen können?
(Quelle: team-events.ch)
Familientürk? Vermutlich Weihnachtsfeier im Kreise der Familie?! Wo bist Du denn aufgewachsen? Ich bin in Schwarzenburg zu Hause, aber in Bern (Aussenquartier) aufgewachsen
(Quelle: members4.boardhost.com)
Doch manchmal kommt diesem Familientürk auch die Familie abhanden, dann bleibt er ganz allein übrig:
Dann hätte sie nämlich den ganzen Türk nicht machen müssen.
(Quelle: blog.yoda.ch)
Du musst also zu dem Zeitpunkt wo Du investieren willst den selben Türk machen
(Quelle: domrep.ch)
Aus Deutschland kannten wir nur die Redewendung “etwas türken” oder “das ist getürkt” im Sinne von “gefälscht”. Wikipedia bringt eine interessante Erklärung zum Ausdruck ‚“einen Türken stellen“:
Nach dem von den Gebrüdern Grimm 1854 begründeten Deutschen Wörterbuch hat die Redewendung „einen Türken stellen“ etwa ab 1900 die umgangssprachliche Bedeutung „jemandem bei Besichtigungen etwas vormachen“. Das 1916 von dem Hauptmann a.D. und Bibliotheksrat an der Preußischen Staatsbibliothek Walter Transfeldt begründete Werk Wort und Brauch in Deutschlands Heer und Flotte gibt dazu folgende weiterführende Erklärung: Unter dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. (1840-1861) ließen Kommandeure bei Truppenbesichtigungen von ihren Verbänden gerne eindrucksvolle Gefechtsübungen abhalten, deren Ablauf jedoch zuvor sorgsam einstudiert worden war. Dies war zwar dem Ausbildungszweck eines Truppenmanövers ausgesprochen abträglich (und wurde im Exerzierreglement von 1906 deshalb auch ausdrücklich untersagt), ließ aber den Kommandeur vor dem Besichtigenden gut dastehen. Unter Offizieren wurden solche zu Freilichtspielen mutierte Übungsabläufe bald als „Türkenmanöver“ oder kurz „Türken“ bezeichnet.
(Quelle: Wikipedia)
Die Frage stellt sich nun, wie eine Redewendung aus der Preussenzeit es bis in das moderne Schweizerdeutsch der Gegenwart schaffen konnte, wenn hierzulande ein “Türk” oder “Familientürk” gemacht wird. Sind die Schweizer doch die besseren Preussen? Wir warten gespannt auf die Ausführung von Prof. AnFra und Dr. Phipu.