Wie weich sind eigentlich Birnen? — Ein birnenbisschen weicher?
Eine Birne ist eine sehr leckere Frucht. Aber nur, wenn sie weich ist, sonst muss man sie liegen lassen oder zu Muss (so wie „mousse au chocolat“) verarbeiten. Die Deutschen kennen die „Birne“ noch als Kosenamen für ihren vorletzten Dauerkanzler Kohl. Den nannte man in Kabarettistenkreisen, wegen seiner Kopfform, eine Weile lang „Birne“.
(Quelle Foto (von 1985): sculpturepark.de)
Dann hat er die Wieder vereint und dieser fruchtige Name ward fortan vergessen.
Die Birne hat es sogar in Redewendungen geschafft: „Ich habe eine weiche Birne“ sagt der glückliche Mensch vor dem Obstgenuss, „Birne Helene“ oder „Birne im Schlafrock“ sind auch nicht schlecht, oder schliesslich „die Birne fällt nicht weit vom Stamm“ für das englische Sprichwort „He’s a chip off the old block“.
Anders verhält sich das mit der Weichheit der Birne in der Schweiz. Ständig ist hier etwas „birreweich“. Um die 600 Stellen finden sich für das Wort bei Google-CH. Eine Reihe von Partygängern im „Usgang“ nennen sich selbst „birreweich“. Es ist schon etwas Besonderes mit diesem Wort in der Schweiz. Die ultimative Erklärung fanden wir dann auf einer deutschen Webseite:
Ein BirreWeich ist einer, der in der Birne weich ist. Geh mal in die Schweiz. Die können Dir das genau erklären. Andersherum, wenn Du in die Schweiz kommst und einer Dich als birreweich bezeichnet, so hau ihm eine rein. Er hat’s verdient.
(Quelle: assoziations-blaster.de)
So ist das also! Sagen darf man es, sich so nennen auch. Sich so nennen lassen aber nicht. In Deutschland wird das Wort nicht verstanden, sonst würde der Administrator eines Forums nicht schreiben:
Was zum Henker bedeutet birreweich? Und was war noch gleich ein Knorz? Calik, ein wirklich gutgemeinter Tip: vielleicht solltest Du mal einen Deutsch-Kursus belegen? Nimms mir nicht krumm, daß ich das schreibe.
(Quelle: natural-friends.de)
Einen Deutsch-Kursus belegen? Nur wegen zweier wunderbarer praktischer Wörter wie “Knorz” oder “birreweich”? Eindeutig Helvetismen, aber wenn wir die alle gemeinsam noch gehörig oft schreiben, sind sie irgendwann sowas von Teil der Standardsprache, das es keinem mehr auffällt.
Neben der „Birre“ hört man in der Schweiz auch noch häufig im Adjektiv „birrebitzeli“ (in diversen Schreibweisen). Beispiel:
„Vellicht sötsch es emal äs birrebitzeli früündlichr versuachä?“
(Quelle: forums.macnn.com)
Das war er also, der „Biss der Birne“. Ein „Birnenbisschen“ ist muss ziemlich klein und weich sein. Und des schnarrt so herrlich zwischen den doppelten stimmhaften Plosiven „b-irre“ und „b-itzeli“. Erst neulich hörte ich das Wort in einem SF-Meteo Wetterbericht vom Moderator Thomas Jordi schnarrend artikuliert. „Es birrebitzeli wärmer“ soll es werden, oder so (Foto von Thomas Jordi siehe hier). Ach was kann Sprache doch schön sein. Wer als Zugezogener den oben zitierten Satz in zwei Sekunden auswendig sagen kann, der hat garantiert keine birreweiche Birne, sondern einen Orden für „hervorragende Leistung bei der sprachlichen Assimilation“ verdient, oder?
Februar 27th, 2008 at 8:28
Im Slangikon ist „ganz wenig“ übrigens ausgezürichdeutscht:
http://zuri.net/default.asp?action=slang&slangID=1220
Für mein Dialektgefühl schreibt man die Birne „d’Bire“ nämlich ohne doppel-R, weshalb ich bei „birebitzeli“ sogar auf 880 Google-Einträge komme und für „bireweich“ überrunde ich Jens ebenfalls, mit 848 Einträgen.
Darunter auch ein Eintrag, der zusätzlich belegt, dass man sich selbst als etwas „durchgeknallt“ benennen darf. Ein „birebitzeli“ Selbstironie gehört schon dazu, wenn man seine eigene Firma „bireweich“ nennt:
http://www.firmenwissen.de/az/firmeneintrag/3053/9500049710/BIREWEICH_GMBH.html
In der englischen Übersetzung klingt „Mikroweich“ natürlich auch ein „pear-bit better“.
Dabei möchte ich einmal mehr zur Vorsicht mahnen. Nicht alles, was man im Internet geschrieben findet, ist ein „Helvetismus“. Das Wort „bireweich“ ist nach meiner Ansicht klar „Dialekt“ (und nicht ein Helvetismus, letzterer in geschriebener Sprache toleriert) und sollte in einem konsequent Hochdeutsch geschriebenen Text entweder gar nicht oder aber klar mit Gänsefüsschen versehen daherkommen. Die Schweizer Tageszeitung mit den grossen Buchstaben sollte dafür besser nicht als Massstab genommen werden.
Hier noch eine weitere praktische Übungsvorlage für Einwanderer, die es mit Nachsprechen versuchen wollen:
http://www.youtube.com/watch?v=O-5zdVbcgcM&feature=related
Februar 27th, 2008 at 9:16
Mittlerweile gibt es sogar eine neue Krankheit:
das Birn-out Syndrom
Februar 27th, 2008 at 11:27
@Phipu
Oh, ich habe auch schon oft Berichte über „Kleinweich“ gehört, speziell in Zeitungen zum Thema „Weichwaren“ (die FAZ nennt so am Dienstag ihre Software-Kritik-Kolumne)
Februar 27th, 2008 at 11:57
@ neuromat.
Die Steigerung für BirnoutSyndrom ist Birrnell. Da sind sie dann schon im Glas.
Februar 27th, 2008 at 12:11
Für mich ist eher nicht jemand sondern etwas bireweich. Es wird für Umstände oder Taten verwendet. Also eher nicht „Du bisch ja bireweich“, sondern „das isch ja bireweich!“.
Dies im Gegensatz zu „gaga“, das sowohl für Personen wie für Umstände und Taten passt.
Februar 27th, 2008 at 14:02
absolut richtig. Dr Jens hat ebbe kei Ahnig von Badhose. Auch ich habe den Begriff noch nie in Verbindung zu einer Person gehört, selbst nicht zu Journalisten, nicht einmal betreffend Herrn Guggenbühl.
Nach meinem Empfinden kennt das Wort zwar jeder, Verwendung findet es jedoch häufiger in den Regionen Solothurn, nördliche Regionen des Kantons Bern – jetzt zügeln die Leute aber wie wild…
Mit dem Doppel rr wollte Jens wahrscheinlich ausdrücken, dass hier ein r gesprochen wird und dass das i recht kurz ausfällt, es wird aber offen gesprochen (Also keine Angst offen im Sinne der Aussprache) Das geschlossene i würde jedoch als y verschriftet.
Die Deutschen sagen auch Bürne oder Börne oder sind unentschlossen und sprechen von Büörne. Das r fällt dabei kaum ins Gewicht, ist eben hörbar, jedoch nicht unbedingt als r. Daran scheitern viele Schweizerinnen und Schweizer bei den ersten Versuchen. Macht aber Spass!
Viel Glück!
[Anmerkung Admin: Ich sage sogar „Biiane“ dazu so wie „Liane“]
Februar 27th, 2008 at 16:52
Möchte etwas richtig stellen das Sprichwort die Birne fällt vom Baum gibt es nicht. Es heisst: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Jens, sagt man im Ruhrgebiet nicht auch : Der hat einen in der Birne. Ich glaube ja, man bezeichnet damit jemand der im Kopf nicht ganz klar ist.
[Anmerkung Admin: Lieber Boby, das war ein Scherz mit der Birne und dem Stamm. Aber schön, dass du es auch gemerkt hast. So kann der Zahn der Zeit weiter Gras über die Sache wachsen lassen und dann das Fass zum Überlaufen bringen, bis es bricht… usw]
Februar 27th, 2008 at 18:03
Wenn die Birne einfach zu weich ist, gibt es eine tolle Variante.
Siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Abrissbirne
Februar 27th, 2008 at 21:46
Herrlich dein Text. Danke für das Aufzeigen solch schöner linguistischer Helvetismen.
Februar 27th, 2008 at 22:48
Wer nicht ganz richtig im Kopf ist, hat einen an der Waffel, nicht an der Birne. Vielleicht hat er auch, unabhängig davon, einen in der Krone.
Februar 27th, 2008 at 23:12
Ich könnte mir vorstellen, dass das „Birebitzeli“ anfänglich mal eine Ableitung von / Anspielung auf „Birebitzgi“ gewesen ist. Das „Bitzgi“ (auch „Bitschgi“, „Bütschgi“ o. ä.) ist der klägliche Rest, der bleibt, wenn man den Apfel oder die Birne bis auf das Kerngehäuse aufgegessen hat. „Bitzli“ tönt ja fast wie „Bitzgi“, oder?
@neuromat: Sünd das vülleicht dü Gebüldeten müt ührem tüpüschen Dünkel, dü ümmer müt gespützten Lüppen sprechen und deshalb nur „Bürne“ sagen können?
Februar 28th, 2008 at 0:25
Es heisst: Der hat einen an der Waffel, wenn man damit etwas unfein sagen will, dass derjenige nicht ganz richtig erscheint. Mit der Birne muss man umformulieren zu nicht ganz dicht in der Birne sein. Wenn einer was in der Birne hat, wird das ohne weitere Beschreibung mal als positiv aufgefasst. Solange bis sich herausstellt, dass damit ein Riss in derselben gemeint war.
Bire ist mittelhochdeutsch. Althochdeutsch bira. Bitzeln ist eigentlich eine diminuierende Bildung zu beissen. Aber ich glaube, das führt hier nicht weiter …
Februar 28th, 2008 at 13:03
@ Guggeere
die Erklärung mit Bitzgi gefällt mir sehr gut.
Die, die ich meinte, die können gar nicht anders, unabhängig vom Bildungsstand. Dieses Wort wäre wahrscheinlich geeignet einmal zu demonstrieren wie unterschiedlich die Aussprache im „Standard“deutschen je nach Region ist.
Februar 28th, 2008 at 17:24
@neuromat
Danke für die „Bitzeln“-Herleitung. Die Hessen sagen zu kohlensäurehaltigem Mineralwasser „Bizzelwasser“, und ich habe mich schon immer gefragt, woher das kommt.
März 12th, 2008 at 5:53
Der Ausdruck: „En Schuss i dä Birrä“, hast du vergessen. Bedeutet soviel wie „einen an der Waffel haben“.
Wo geht es hier zum Desert? Birnen, Waffeln fehlt nur noch der Schlagrahm und Glace