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Wenn RAF/RAV nichts mit Terrorismus zu tun hat

(reload vom 7.12.05)
Die Deutschen denken bei dem Wörtchen „RAV“, das rein lautlich nicht von „RAF“ unterschieden werden kann, an etwas ganz anderes als die Schweizer:
Kennen sie sich gut im deutschen Sozialrecht aus, dann steht RAV bei Ihnen für „Rentenanpassungsverordnung“. Doch dann gehören sie mit Ihrem Wissen einer äusserst kleinen Minderheit an. Die meisten Deutschen zucken bei der Lautfolge „RAV“ zusammen, und denken sogleich an die „Rote Armee Fraktion“, die terroristische Vereinigung der Bader-Meinhof Zeit.

Die Rote Armee Fraktion (RAF) war eine linksterroristische, aus dem Untergrund heraus operierende Gruppe um Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Horst Mahler, Ulrike Meinhof und andere, die 1970 in der Bundesrepublik Deutschland gegründet wurde und sich 1998 endgültig auflöste. (Quelle Wiki)

Die Bader-Meinhof Gruppe hatte übrigens eine Vorliebe für schnelle B.M.Ws, worauf man diese Abkürzung mit „Bader-Meinhof-Wagen“ zu erklären begann (statt Bayrische Motoren-Werke). Die RAF in Deutschland hatte ihren Namen an die „Rote Armee“ der Sowjetunion angelehnt. In England wird mit den Lauten „R.A.F“ hingegen die Royal Aire Force assoziiert, die Königliche Luftwaffe also.

  • Raffen wir das jetzt auch?
  • Ich raff das nicht“ ist für Deutsche eine Variante des schweizerischen „ich komme nicht draus“ und hat wirklich gar nichts mit Arbeitsvermittlung zu tun.

  • Und für was steht RAV in der Schweiz?
  • Da steht „R.A.V.“ für die „Regionalen Arbeitsvermittlungszentren“, bei denen sogar das in Deutschland abgeschaffte Wort „Arbeitsamt“ noch verwendet werden kann. Beispiel Kanton Aargau. Es gibt bekanntlich in der Schweiz, verglichen mit Deutschland, wenig Arbeitslose, die hier offiziell „Stellensuchende“ genannt werden.

  • Warum kennen die Deutschen das RAV nicht?
  • Ganz einfach, weil sie in die Schweiz kamen, um hier zu arbeiten. Weil sie hierhin angeworben wurden oder hier schon eine Stelle gefunden hatten. Ohne Stelle wäre früher ein Umzug in die Schweiz, ganz ohne Pferdewagen und Zügel, gar nicht möglich gewesen. Kurzum: Sie sind nicht arbeitslos, die Deutschen in der Schweiz, denn sonst wären sie nicht hier, sondern in Deutschland.

  • Aus Arbeitsamt wird „Agentur für Arbeit“
  • In Deutschland hat man versucht, die grosse Krake „Arbeitsamt“ zu reformieren, in dem man nicht etwa etliche der vielen Hierarchieebenen abschaffte, auf denen Arbeitslose gezählt und verwaltet, sortiert und „saisonbereinigt“ werden, bevor sie nach Berlin zum „Bundesarbeitsministerium“ gemeldet wurden. Nein, man fing erst einmal damit in, in allen deutschen Städten den Schildermachern ein Auskommen zu verschaffen, in dem man das Arbeitsamt umbenannte in „Agentur für Arbeit“. Damit hatten die Hersteller von Leuchtschriften, von Schildern etc. für ein paar Wochen genug zu tun, um sämtliche Ämter in Deutschland umzubenennen. Auch neues Briefpapier musste gedruckt werden, ein weiteres schönes Beschäftigungsprogramm für Druckereien und Zulieferbetriebe.

    Wahrscheinlich eher ungewollt ist bei der Abkürzung „RAV“ die lautliche Nähe zum englischen Slangausdruck „riffraff“, das gar nichts Gutes bedeutet:

    riffraff das Gelichter
    riffraff das Gesindel
    riffraff das Lumpengesindel
    riffraff das Lumpenpack
    riffraff der Pöbel
    Quelle LEO

    In Zürich heisst sogar ein Kino so: Kino RiffRaff

    

    11 Responses to “Wenn RAF/RAV nichts mit Terrorismus zu tun hat”

    1. Simone Says:

      Es gibt auch noch „zusammenraffen“ (sammeln), „sich aufraffen“ (raff dich auf = beweg deinen Hintern) und die so genannte Raffgier.

    2. DaniDo Says:

      Ein Deutscher, der in der Schweiz nicht genau hinhört, und der den Dingen nicht auf den Grund geht, kommt zu merkwürdigen Schlussfolgerungen (und könnte sich durchaus an einige Traumata seines Landes erinnert fühlen):

      Alles jubelt für die Nazi und wer nicht arbeitet geht zur RAF!

    3. Simone Says:

      @DaniDo:
      Wenn hier jemand ein Trauma aufarbeiten muss, dann bist es sicher Du.

      Innerhalb dieses Blogs wie ebenso in den anderen geht es um die nicht immer ganz ernst gemeinte Auseinandersetzung mit hiesigen Phänomenen, sprachlich und kulturell. Der Administrator verwendet das Stilmittel der Ironie, die anderen Blogger wollen ihn dann möglichst noch überbieten und setzen eins drauf.

      Es ist so ähnlich, als wenn sich jemand ernsthaft wundert, dass eine Komödie lustig ist und eine Tragödie eher tragisch. Also, nicht weinen, sondern mitlachen.

    4. Inda Says:

      Um dann noch eine Brücke zum vorletzten Artikel zu schlagen: Im RiffRaff werden die Filme OHNE Pause gezeigt. Zumindest bei meinem letzten Besuch dort war es noch so.

    5. AchimK Says:

      @Inda
      Genau! Immer wieder gerne miterlebt! Hat auch den Vorteil, dass die Chipstütenraschler keine zweite Chance bekommen.

    6. DaniDo Says:

      @Simone

      Uff, da hast Du mich wohl auf dem falschen Fuss erwischt. Ja, da steckt sicher ein Trauma meinerseits dahinter…werde mich gleich mal in Behandlung begeben.

      Danke für die Diagnose!

      (PS: könnte es sein, dass man manchmal auch im Kommentar das Stilmittel der Ironie verwendet? Naja, wäre neu…)

    7. Simone Says:

      @DaniDo:
      Bloggen funktioniert ohne Ironie nicht, jedenfalls nicht bei mir. Zum reinen Informationskonsum würde ich mich eher bei Wikipedia aufhalten 🙂

    8. ng Says:

      @Simone: Zur Klärung, ich glaube DaniDo wollte Dir damit sagen, dass auch sein Kommentar ironisch gemeint war?!

    9. Simone Says:

      @ng:
      Glaub ich eher nicht.

    10. DaniDo Says:

      Simone, Du machst mich prusten!!!

      Nimms nicht zu ernst, gell!;-)

    11. neuromat Says:

      @ Simone

      Quote DaniDo: „Ein Deutscher, der in der Schweiz nicht genau hinhört, und der den Dingen nicht auf den Grund geht, kommt zu merkwürdigen Schlussfolgerungen (und könnte sich durchaus an einige Traumata seines Landes erinnert fühlen): Alles jubelt für die Nazi und wer nicht arbeitet geht zur RAF!“

      Und darum bin ich den Dingen mal ein wenig, vor allem aber ironisch auf den Grund gegangen

      Denn es stimmt, gerade beim Sport müssen wir Deutsche genau hinhören. Erinnere ich mich noch an den ersten Besuch eines Länderspiels. Den armen Jungs in ihren roten Trikots floss bereits nach zehn Minuten das Wasser nur so runter gegen die wendigen und quirligen Gegner und das eigene Publikum rief auch noch „Hopp, schwiitz!“ Mehr zufällig geriet ich dann an eine ruhigere Sportart, die aber trotzdem immer wieder höchst spannende Life Übertragungen im Fernsehen findet. Eigentlich wollte ich etwas Musik hören; dann stellte sich „jassen“ als etwas ganz anderes heraus. Aber früher dachte ich auch noch, dass die Fremdenpolizei aus Fremden besteht; dann wurde sie abgeschafft, genauso wie die Armee-Brieftauben. Schwere Traumata, wie ich erst begriff, nachdem ich auch verstanden hatte, dass Hornuss gar nichts Essbares ist.

      Oder SVP, da fühlen sich die meisten von uns erinnert an die Saarländische Volkspartei oder an die Sonstige Politische Vereinigung, (SVP), die Grünen . Ja, die Erinnerungen. Geschichte nennt man das glaube ich auch. Geschichte, Erinnerung und nationale Identität.

      Es soll Länder geben, da stimmt das Geschichtsbild gar nicht mit der Wirklichkeit überein. Das steht im „Grünen Heinrich“ von Gottfried Keller, der hat aber mit den Grünen gar nichts zu tun, findet aber eine altvertraute Holzbrücke als „niegesehene Prachtbrücke“. So eine Prachtbrücke hat Vorteile. Da gibt es keine Traumata.

      So eine Sempacher Schlussapotheose (das ist so eine Prachtbrücke), damals war zwar das Aufspannen von Sonnenschirmen bei Sommerhitze noch streng verboten, die ist dennoch völlig untraumatisch. Am 08. Juli 1940 hat es dann wohl geregnet, als der General zum einen und der Titularchorherr zum anderen sich über den Prachtband und den Schlachtbrief beugen, den hatte man erst im Jahre 1930 frisch herstellen lassen, nachdem er zuvor aus einem Schülerheft abgelesen wurde. Das Original soll ja aus 1577 stammen, nur dass die Schlacht nicht 1577 stattfand. (Die hohle Gasse hat man auch erst in den dreissiger Jahren angelegt.)

      Da wird es schwer vorstellbar, dass es tatsächlich Geschichte gibt, die auf wissenschaftlich erforschten Tatsachen beruht. Und dann ist das natürlich sofort ironisch mit dem Jubel, den Erinnerungen und den Traumata. Darum bin ich den Dingen mal ein wenig auf den Grund gegangen, denn sonst kennt man sich am Ende gar nicht mehr aus. Nur dass ich jetzt nachdem ich diesen Dingen auf den Grund gegangen, das Gefühl habe, dass ich eher zu merkwürdigen Schlussfolgerungen gelange.

      Ja, so ist das mit der Ironie, der Ironie des Schicksals. Nicht immer ist das für den einen ironisch, was es für den anderen ist oder war es umgekehrt. Was wohl die Schweizer denken, wenn sie hören, das wir zuhause „ömmes jet vertellen“ sagen?