„Einmal“ in Bern, „manches Mal“ auch im Oberland

Mai 6th, 2006

Wer als Deutscher in die Schweiz kommt und anfängt, sein Hörverständnis für die Schweizerdeutschen Dialekte (=Sprach-Varianten) zu trainieren, wird früher oder später über diese hübschen Wörter stolpern, die vor allem im Kanton Bern häufig zu hören sind:

  • „Einisch“ sind nicht die „Ein-heim-ischen“
  • Nein, das Wort ist wirklich keine ultraverkürzte Form, mit verschlucktem „heim“ in der Mitte. Ganz im Sinne der dichtbesiedelten Schweiz mit ihrem Gebot, sorgsam und platzsparend mit jeder Fläche umzugehen. „Einisch“ heisst „einmal“, und es wird auch nicht nur einmal geschrieben. So finden sich bei Google-Schweiz 59.400 Erwähnungen. Das Wort wird in der ganzen Schweiz verstanden, aber nicht überall gleich ausgesprochen. Schon im Berner Oberland mutiert es zu „iinisch“.

    Die Schreibweise mit „ei“ am Anfang hat gemäss Aussage eines Berners, den wir dazu befragten, rein gar nichts zu sagen. Er versichert uns, dass dies in Bern wie „ä“ ausgesprochen wird. „Wänn äs näch dän Bärner gänge, kännte män sowieso auf älle „Eis“ verzichtän und nur noch „äh“ sprächen und schräbän“, sagt der Berner und lächelte dabei. Natürlich mit „ä“. Der will uns bestimmt auf die Schippe nehmen. Wir wissen ganz genau, da sind noch jede Menge „ou“ und „u“ im Berndeutschen. Für uns klang das mehr nach dem „Seele-Fant“ aus der Augsburger Puppenkiste Serie „Urmel aus dem Eis„.

    Wir stellten fest, dass es ungefähr 12 Aussprachemöglichkeiten von Lauten zwischen e-ee-ei-ä-eä-iä gibt, die sich kaum mit dem beschränkten Lateinischen Alphabet niederschreiben lassen.

    Das Wörtchen „einisch“ dann konsequent auch mit „ä“ als „ähnisch“ zu schreiben, fiel den Bernern nicht ein. Denn das erinnerte dann doch wieder zu stark an „eher nicht“. Und „einisch“ ist doch „eher doch“ nämlich „ein Mal“ zumindest. Zu „einisch“ passt noch ein zweites Wort, dass ebenfalls aus Bern stammt:

  • Mängisch oder mänggisch in der Schweiz
  • Hat es was mit „Mengen“ der „Mengenlehre“ zu tun, oder mit „Männern“? Wenn Weiber „weibisch“ sein können, warum sollten in der Schweiz nicht auch Männer „mängisch“ werden? Solchen Ideen gehen uns als Deutsche durch den Kopf, bis wir das Wort endlich dank des Kontextes, in dem es permanent verwendet wird, verstehen können. Mani Matter sei Dank! So in seinem Lied „D Nase“:

    Loset mit was für Methode
    Mängisch ds Schicksal eim tuet schla
    Loset mit was für Methode
    Mängisch ds Schicksal eim tuet schla
    Zumnen Arzt isch eine cho dä
    Het e zlängi Nase gha
    Het e zlängi Nase gha
    (Quelle: geocities.com)

    Oder im Lied „Hemmig“:

    I weis, das macht eim heiss, verschlat eim d’Stimm
    Doch dünkt eim mängisch o s’syg nüt so schlimm
    S’isch glych es Glück, o we mirs gar nid wei
    Das mir Hemmige hei
    (Quelle: geocities.com)

    Und in „Mir hei e Verein“

    Mir hei e Verein, i ghöre derzue
    Und d’Lüt säge: Lue dä ghört o derzue
    Und mängisch ghören i würklech derzue
    Und i sta derzue

    Mänggisch sollte laut alter Berndeutsch Schreibung eigentlich mit zwei „g“ geschrieben werden, sagt unser Berndeutsch Spezialist. Bei Google-Schweiz finden sich jedoch fast nur Verwendungen der knappen Form „mängisch“, dass dafür sensationelle 49.800 Mal!

  • Berndeutsch nur gesprochen?
  • Wir erinnern uns an die ständig gehörte Feststellung, dass Schweizerdeutsch nur eine gesprochene Sprache ist, abgesehen von Liedtexten bei Mani Matter, SMS und E-Mail. Wie kommen dann die fast 50.000 Einträge in Google zustande? Gibt es Berner, die ihre E-Mails von Google erfassen lassen?

  • Mängisch oder mengmal
  • Nein, aber es gibt dafür Menschen, die statt mängisch lieber mengmal sagen. Die kommen dann in der Regel aus dem Berner Oberland. Die restlichen 23 regionalen Versionen von „manchmal“ im haben wir dann nicht mehr weiter gesucht.

    Nicht ins Auge, in den Teich sondern ins Tuch gehen — Neue alte Schweizer Redewendungen

    Mai 5th, 2006
  • Wohin man alles gehen kann
  • Wenn etwas „ins Auge“ geht, dann tut das weh, und eine Sache ist misslungen, fehlgeschlagen. Wenn jemand „ins Wasser“ geht, dann will er sich umbringen, geht er „über den grossen Teich“, dann wandert er aus nach Amerika. Die Schweizer, das haben wir gelernt, gehen am liebsten in den Ausgang (vgl. Blogwiese) Manchmal geht auch etwas ganz gewaltig „in die Hose„, wenn etwas schief läuft oder misslingt. Doch was bedeutet es, wenn etwas „ins Tuch geht“?

    Wir lasen im Tages-Anzeiger, dem Fachblatt der Leinenweber und Strickindustrie, vom 19.04.06 in einem Artikel über die „Schleichende Preiserhöhung“ des Benzinpreises:

    Den Tank auffüllen, das geht wieder ins Tuch.

    Ohne auch nur die geringste Vorstellung davon zu haben, was hier gemeint sein kann, beginnen wir zu grübeln. Wann geht in Deutschland etwas „ins Tuch“? Nun, das kann zum Beispiel dem Baby passieren, wenn es satt und zufrieden seine menschlichen Bedürfnisse in die Windeln erledigt, falls Mami und Papi dafür keine Pampers Wegwerfwindeln gekauft haben sondern lieber die „Stoff-Variante“ mit dem praktischen Abhol- und Wäschedienst in Anspruch nehmen.

  • In trockene Tücher sein
  • In Deutschland werden die Dinge gern und häufig „in trockene Tücher“ gebracht, als Anspielung an den Vorgehensweise der Hebamme bei einer Geburt, wenn das Kind, frisch geboren und noch feucht und glitschig, erst einmal in ein „trockenes Tuch“ gewickelt und so gesäubert und gewärmt wird. Wenn etwas „in trockenen Tüchern“ ist, dann ist es laut Variantenwörterbuch

    endlich zufrieden stellend abgeschlossen, erledigt.

    In der Schweiz muss dafür wohl ein besonders teurer Stoff verwendet werden, denn die Redewendung „ins Tuch gehen“ bedeutet hier:

    Tuch: *ins [gute]Tuch gehen CH „teuer zu stehen kommen“: Ins gute Tuch und ans Ersparte geht es erst, wenn wir das Spital in Anspruch nehmen müssen (Biel/Bienne 28.5.1998, 6)
    (Quelle: Variantenwörterbuch S. 806)

    Wir fanden 47 Belege bei Google-Schweiz für „ins Tuch gehen“:
    Beispiel „Betrug am Betrieb“

    Ins Tuch gehen aber auch die Verlockungen, denen sich Kassierinnen ausgesetzt sehen. Trotz raffinierter Scanning-Systeme, die Eintippen überflüssig machen, kommt es zu Gelddiebstahl durch Kassenmanipulation in Form von Gutschriften, Stornos, Verbilligungen oder Fehlbons.
    (Quelle: onlinereports.ch)

    Beispiel „Freelancing statt Arbeitnehmerverhältnis“

    Genau da liegt denn auch das beträchtliche Risiko für den Auftraggeber bzw. Arbeitgeber: entpuppt sich nämlich das Freelancing plötzlich als Arbeitnehmerverhältnis, müssen die entsprechenden Beiträge nachgezahlt werden, was ins Tuch gehen kann.
    (Quelle: kommunikationsrecht.ch)

    Google Fundstellen aus Deutschland hingegen reden von Babies, die Windeln anhaben, oder

    Nur weil man ein wenig älter ist als 14, sollte man mal trotzdem leise sein!! Wenn man ohne 14jährige feiern will, dann soll man ins Tuch gehen oder so!! Schließlich gibt es für euch mehr Möglichkeiten mal tanzen und feiern zu gehen als für uns!! Also werd ma nicht aufmüpfig hier.
    (Quelle: max-kiel.de)

    Was die wohl meinen mit „soll man ins Tuch gehen oder so!!“ Vielleicht ist der Ausdruck „jemand an die Wäsche gehen“ damit gemeint? Aber Wäsche und Tuch, das sind doch zwei völlig gegensätzliche Vorstellungen. Wie sagen die Deutschen dann, wenn etwas teuer wird? „Das geht ans Eingemachte“, oder „das wird eine Stange Geld kosten“. Die Schweizer trinken die Stange lieber, anstatt mit ihr zu bezahlen (vgl. Blogwiese)

    Nicht popeln oder poppen sondern pöpperlen — Neue alte Schweizer Verben

    Mai 1st, 2006
  • Es pöpperlet
  • Wir fanden im Fachblatt für angewandte Schweizer Onomatopoesie, dem Tages-Anzeiger vom 03.04.06 auf Seite 50 in der Kritik zum Theaterprojekt „Blaiberg und Sweetheart19“, vorgetragen von der Gruppe „Rimini Protokoll“ diesen Passus:

    Dazu pöpperlet der Technotrack „Brutalga Square“ von DJ Koze.

    Es pöpperlet

    Auch diesmal musste unser freundliches Gegenüber im der S-Bahn nicht lange nachdenken, um uns das Wort erklären zu können. „Pöpperlet“ hat ganz und gar nichts mit „poppen“ zu tun, im Sinne von „miteinander schlafen“. Oder doch?

    Es scheint da vielleicht sogar einen Zusammenhang zu geben, denn „poppen“ heisst eigentlich „sich schnell hin u. her bewegen“, und das wird beim „leisen Klopfen“ mit dem Finger auch getan.

    Der Duden meint dazu:

    poppen (sw. V.; hat) [zu landsch. poppern = sich schnell hin u. her bewegen od. zu landsch. poppeln (wohl zu Puppe) = ins Bett legen] (landsch. derb): mit jmdm. Geschlechtsverkehr haben.

    Natürlich gibt es noch die Varianten „es poppt“, die sich von der Pop-Kultur ableitet:

    poppen : (regional ugs.)
    hervorragend u. effektvoll, wirkungsvoll od. beeindruckend sein; z. B. die Sache poppt.

    Doch zurück zum freundlichen Gegenüber in der S-Bahn. Diesmal wurde mir erklärt, dass „pöpperlen“ in der Schweiz einfach nur „leise klopfen“ bedeutet. Und in diesem Sinn findet sich der Begriff gleich 427 Mal bei Google-Schweiz.

    Sogar das alte Wörterbuch der Gebrüder GRIMM kann etwas mit dem Verb anfangen:

    PÖPPERLEN, verb. wiederholt und leise poppern (1) SCHM.2 1, 400. STALDER 1, 204:er pöpperlet am lädemli. HEBEL (1843) 1, 134, s. GÖTHE 33, 175;
    er (der spatz) pöpperlet am fenster a,
    und bettelt um e stückli brot.
    vor einer stunde pöpperlet sie ans fenster, wie ich vorübergeh, und winkt mir hinauf. AUERBACH ges. schriften 16, 19.
    (Quelle: Grimms Wörterbuch)

    Der alemannische Dichter Hebel und sogar Göthe (mit „ö“) werden zitiert

    Ob nun das Wort ein Beispiel für Onomatopöie, Onomatopiie oder Onomatopoesie, der „Lautmalerei“ ist, in dem hier das leise Klopfgeräusch als Naturlaut nachgeahmt wird, oder ob es wirklich vom schnellen „hin und her bewegen“ des Fingers kommt, wie der Duden vermutet, lässt sich bestimmt nicht mehr ganz genau klären. Wir finden es toll, dass selbst neumodische Technotracks von DJ Koze in der Schweiz leise „pöpperlen“, als wäre hier die Zeit seit Johann Peter Hebel stehen geblieben.

    Sind Sie auch manchmal galt oder rindrig? — Sprachexkursion auf die Alp

    April 28th, 2006
  • Was ist ein Maiensäss
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger, dem Fachblatt für das Alpwesen, in einem Bericht über die Terrassenlandschaft des Maggiatals:

    Über Generationen hinweg haben sie die abschüssige Flanke des Rovanatals terrassiert – bis zu den Maiensässen hinauf. Entstanden ist eine eindrückliche Kulturlandschaft.
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 20.04.06, S. 4)

    Als alte Flachländer haben wir selbstverständlich keine Ahnung, was ein „Maiensäss“ ist und müssen den Duden befragen:

    Maiensäß, das; -es, -e
    [2. Bestandteil schweiz. Säß, Sess (mhd. sesse)= unterste Stufe einer Alm] (bes. schweiz.): Weide, auf die das Vieh im Mai gebracht wird, bevor es auf die Almen weiterzieht.

    Nicht „veraltet“, nicht „landschaftlich“ aber ein „besonders schweiz“ vergibt die Duden Redaktion als Prädikat für dieses Wort. Bei der Suche nach der Bedeutung entdeckten wir ein Fachlexikon für Ausdrücke des Alpwesens. Dort wird erklärt:

    Maiensäss
    auch Vorsäss. Höhenstufe zwischen Heimbetrieb und Alp, die im Frühsommer und Herbst (d.h. vor und nach der Alp) mit dem Vieh beweidet und während der Alpzeit gemäht wird. Maiensässe dienen zum Ausfüttern der Nutztiere, werden aber zusehends von ferienbetreibenden Menschen belegt.
    Quelle: zalp.ch

    Im Bergdorf Jenaz, in der Nähe von Landquart, wurde ein Maiensäss am 2. Oktober 1943 von amerikanischen Bomben getroffen. So berichtet die Prättigauer Zeitung:

    Luftkämpfe über uns
    „Wie aus Jenaz berichtet wird, fielen zahlreiche Bomben in die Maiensässe in Valdavos. Mehrere Ställe wurden teilweise zusammengeschlagen, verschoben oder versanken in Bombentrichtern. Auf der Weide wurden 12 Stück Vieh getötet, wovon 8 Stück des Ldm. Chr. Bärtsch – Vetsch.“

    Was war geschehen?
    Die Alliierten griffen bereits mit der Luftwaffe in das Geschehen im mitteleuropäischen Raum ein. So waren an diesem Tag amerikanische Bomber, sog. fliegende Festungen, über die deutsche Grenze geraten. Sie wurden von deutschen Abfangjägern, von den legendären Messerschmitts gestoppt, und über die Schweizergrenze bis über das Prättigau verfolgt. Es handelte sich um sieben amerikanische Bomber, bestückt mit je fünf Bomben zu 500 Pfund, die ihre verheerende Last nicht in das vorgesehene Ziel bringen konnten. Sie mussten, wollten sie den schnellen Jägern entkommen, ihren Ballast abwerfen, taten dies auch in ihrer ehrlichen Überzeugung über unbewohntem Gebiet, eben im Valdavos. Die wenigen Ställe galten für die Piloten kaum als Wohnstätten. Wie durch ein Wunder waren keine Menschenleben zu beklagen. Etliche Bauern betreuten zu dieser Zeit noch ihr Vieh in diesem Gebiet
    (Quelle: jenaz.ch)

    Wie stiessen im Internet auf den Ort Jenaz, weil die dortige „Weideordnung“ sich uns als eine wahre Fundgrube für sprachliche Entdeckungen auftat. Die Fachsprache der Alp muss gelernt sein, bevor auch nur ein Satz einer Alpordnung verstanden werden kann. Falls Sie nun der Ansicht sind, einen relativ grossen Schweizerdeutschen Wortschatz zu besitzen und bis jetzt noch mit jedem in Schriftdeutsch geschriebenen Werk klarzukommen, dann lesen Sie bitte aufmerksam weiter, denn wir zitieren voller Erfurcht und Erkenntnisdrang:

    Die Alpen und die Sommerweiden in den Maiensässen sowie die Sommerheimweiden können – mit eigenem Vieh – im Verhältnis zur eigenen Grundfutterbasis bestossen werden. Die Gemeinde kann im bisherigen Rahmen (ca. 100 Mesenstösse) Alpen pachten, die den eigenen gleichgestellt sind.

    Grundsätzlich sind Niedergelassene und Bürger gleichberechtigt; sollte sich eine Überbestossung ergeben, so hat bei gleicher Grundfutterbasis der Bürger das Vorrecht. (…) Leere Mesen müssen besamt werden, oder es muss zusätzlich zum Hirtlohn Fr. 50.– bezahlt werden.

    Sömmerungsanspruch haben sommergalte Kühe, sofern diese bis Ende September 9 Monate trächtig sind; [und] Rinder, wobei solche, die bis Ende September 9 Monate trächtig sind, das Vorrecht haben.

    Erfolgen mehr Anmeldungen als Stösse zur Verfügung stehen, können pro Betrieb höchstens zwei Stück gesömmert werden. Rindrig gewordene Tiere müssen in eine andere Alp verstellt werden.
    (Quelle: jenaz.ch)

    Was beim „Besamen von leeren Mesen“ ganz genau passiert, fragen wir lieber nicht. Jedenfalls kostet es Fr. 50, zusätzlich zum Hirtenlohn, wenn man es nicht tut. Merkwürdig. Auch sommergalt und richtig rindrig sind wir vielleicht öfter als wir ahnen? Vor allem wenn wir lange nicht gesömmert wurden? Galt die Kuh früher mehr, wenn sie galt war, oder galt sie weniger? „Galt“ kennt zum Glück der Duden:

    galt (Adj.) [1vgl. gelt] (südd., österr., schweiz.):
    (von Kühen, Ziegen) keine Milch gebend:
    eine galte Kuh.

    Das Adjektiv „rindrig“ kennen die Österreicher übrigens eher als „Fasnachtfieber“. Es ist ein Synonym für „läufig“, „brünstig“, auch als „stierig“ bekannt (Quelle), wenn die Kuh zum Stier will. Kein Wunder, dass es diese spezialisierte Webseite mit einem Nachschlagewerk für die Fachsprache der Alp gibt. Hand aufs Herz: Wussten Sie zuvor, was ein „Alpstoss“, „Kuhstoss“ oder „Mesenstoss“ ist?

    Stoss:
    Futterbedarf eines Tieres während 100 Tagen Alpdauer; wird meist in Grossvieheinheiten angegeben (…)

    Oder dass die Liste der alpenden Tiere „Alpenrodel“ genannt wird? Wir hatten ja schon den Gantrotel (vgl. Blogwiese), allerdings mit „t“ und nicht mit „d“ geschrieben.
    Fräulein Rottenmeier:
    Das Fräulein Rottenmeier spricht kein Älpisch
    Wie fragte „das Heidi“ das Fräulein Rottenmeier, als sie zusammen nach Frankfurt fuhren: „Muss ich jetzt Hochdeutsch sprechen“? Es hätte das Heidi als Vertreterin der Älpler und Älplerinnen lieber das Fräulein Rottenmeier fragen sollen: „Verstehen Sie Alpisch?“

    Wenn eine Schwiegermutter unter die Verleger geht

    April 26th, 2006
  • Verlegen Sie auch Ihre Schriften?
  • Bisher kannten wir den Verlag als Wirkungsstätte eines Verlegers, der sein Geld damit verdient, Bücher und andere Schriften drucken zu lassen und sie dann zu verlegen. Nein, nicht das „Verlegen“ was Sie vielleicht jetzt meinen, wenn Sie daheim einfach die Autoschlüssel nicht mehr finden können, weil Sie sie vielleicht „verhühnert“ haben, also in der Wohnung irgendwo verlegt. Wir meinen „verlegen“ im eigentlichen Sinne im Sinne von „Bücher veröffentlichen“.

    Das deutsche Verb „verlegen“ ist ausgesprochen vielseitig, wie uns der Duden lehrt:

    verlegen [mhd. verlegen, ahd. ferlegen; 7:
    urspr. = Geld (für die Druckkosten eines Buches) vorlegen, vorstrecken]:

    Nehmen wir dies als Grundbedeutung.

    1. an eine andere als sonst übliche Stelle legen u. deshalb nicht wieder finden: den Schlüssel, die Fahrzeugpapiere, die Brille verlegen; ich habe meinen Schirm verlegt; Ein verlegter Totozettel und die Folgen (Hörzu 18, 1981, 65).

    Für dieses „Verlegen“ kann man in Deutschland auch „verschusseln“ und in der Schweiz „verhühnern“ sagen.

    2. etw., wofür ein bestimmter Zeitpunkt bereits vorgesehen war, auf einen anderen Zeitpunkt legen: eine Tagung, einen Termin verlegen; die Premiere, Veranstaltung ist [auf nächste Woche] verlegt worden.

    Da werden wir aber ganz verlegen, wenn wir unser Rendezvous verlegen müssen. In Deutschland hat sich das „Stelldichein“ dafür nie durchsetzen können, wer stellt sich schon selbst ein, ausser er ist Arbeitgeber? Duden-Bedeutung 3. – 6. bezieht sich aufs „Rohre verlegen“ u. ä., doch dann kommt

    7. (von einem Verlag) veröffentlichen:
    einen Roman verlegen; seine Werke werden bei Faber & Faber verlegt; dieses Haus verlegt Bücher, Musikwerke, Zeitschriften; … als Inhaber der Cotta’schen Buchhandlung, die auch Goethe verlegte (W. Schneider, Sieger 464).

    Und wo bleiben die „Schriften verlegen“ in der Schweiz? Wir fanden Sie in einem Artikel des Tages-Anzeigers vom 18.04.06 auf der Titelseite. Es geht um die Schwiegermutter von Berlusconi, die ihre Schriften nach S-chanf verlegt.

    Schriften verlegen

    Diese Gemeinde im Engadin schreibt sich übrigens wirklich so mit Bindestrich und freistehendem S, dass ist kein Trennungswitz. Sie hat einen Ortsteil namens „Cinuos-chel„, auch mit Bindestrich und klein weiter.

  • Was heisst „ihre Schriften verlegen“.
  • Schreibt die 76jährige Flora Bartolini an einem dicken Buch? Werden ihre Werke nun in dem kleinen Dorf „S-chanf“ gedruckt und verlegt? Nein, ganz und gar nicht. Um den Satz aus dem Tagi verstehen zu können, müssen wir die besondere Bedeutung von „Schriften“ in der Schweiz erklären. Dazu meint unser Variantenwörterbuch:

    Schriften CH die; nur Plur.:
    schriftliche [amtliche] Legitimation einer Person; Ausweisdokument: „Bei einem Wegzug muss die Niederlassungs- bzw. die Aufenthaltsbewilligung der Gemeinde zurückgegeben werden, damit die Einwohnerkontrolle die deponierten Schriften aushändigen kann“ (Gemeinde Reutigen, 2002, Internet)

    Seine „Schriften verlegen“ heisst also in der Schweiz, alle seine Ausweise und Bewilligungen auf eine andere Gemeinde tragen, sich dort anmelden und seinen ersten Wohnsitz deklarieren. Frau Bartolini tut dies, damit sie in S-chanf ein Haus kaufen kann, denn das geht nicht, wenn man nicht dort wohnt, bzw. so tut als ob man dort wohnt. Das bringt ihr ein paar nette Vorteile. So schreibt der Tages-Anzeiger weiter:

    „Sie profitiert bei den Steuern von einem Pauschalabkommen, gültig für Personen, die in der Schweiz domiziliert, hier aber nicht erwerbstätig sind.“

    Das Wörtchen „domiziliert“ haben wir jetzt nicht mit „domestizieren“ (von lat „domesticare“ = zähmen) verwechselt, aber messerscharf mit stets „parat“ (und nicht bereit) gehaltenem Fremdwörterbuch in der Schweiz herausgefunden, dass es gleichfalls etwas mit „Domus“, der Heimstatt/dem Haus zu tun haben muss. Unser Variantenwörterbuch sagt es klipp und klar:

    domiziliert CH Adj. (nicht steigerbar): „wohnhaft“:
    „Das Generalsekretariat des Europäischen Musikrates (EMR), domiziliert in Aarau, zieht am 1. Januar 2000 nach Bonn“ (Blick 28.10.1999)

    Übrigens auch im deutschsprachigen Teil von Belgien bei den Flamen bekannt. Es gibt also noch andere kleine Völker, die sich von Französischen Nachbarn das ein oder andere Wort abgucken. „Fritten“ zum Beispiel, oder „Mayonnaise“, zu denen wir in Deutschland bekanntlich „Pommes Schranke“ sagen. Vgl. Blogwiese.