Die Tücken mit den tüütschen Tüten — Vorschlag für ein Referendum
April 25th, 2006Die „Mailbox“ Kolumne von Peter Rothenbühler in der Weltwoche (vgl. Blogwiese) rief natürlich ein paar Leserbriefschreiber auf den Plan. So schrieb Ruedi Iseli aus Benglen:
Herrn Rothebühlers Deutschtümelei finde ich nicht nur peinlich, sondern auch befremdend. Seit die «Meteo»-Ansager(innen) Schweizerdeutsch reden, kommen sie locker und sprachgewandt daher.
(Quelle: Weltweoche Nr. 16.06)
Und die Zuschauer haben ihren Spass beim munteren „Werweissen“, um welche Dialektregion es sich jeweils handelt. Warum das eigentlich nicht jeweils eingeblendet wird: „Heute auf Walliserdeutsch“, oder: „Sie hören gerade eine durchwachsene Mischung Berndütsch-Solothurndütsch, angereichert mit etwas Baseldütsch“. Oder: „Sie meinen Sie hören Züridütsch? Falsch, es ist Schaffhauserdütsch..“ etc. Doch weiter im Leserbrief heisst es:
Nur eine unbedeutende Zahl von Deutschen und noch weniger Welsche sehen und hören SF1 und SF2 regelmässig. Deutsche wie Welsche belächeln höchstens das holperige Hochdeutsch, das unseren ausdrucksstarken Dialekten unterliegt.
165.000 Deutsche sind allerdings eine „unbedeutende“ Zahl, bei ca. 2.000.000 Ausländern in der Schweiz. Nicht mal 8.2 % sind das, wenn wirklich alle zuschauen. Die restlichen 97.8% machen vorher einen Crashkurs in der Migros-Clubschule. Ob die Deutschen und Welschen allerdings das „holperige Hochdeutsch“ weniger als die „ausdrucksstarken Dialekte“ belächeln, das können wir nicht entscheiden. Uns geht es beim Ansehen von Meteo weniger ums Lächeln als ums Verstehen der Wettervorhersage. Der Spass, wenn wir am nächsten Tag ohne Schirm im Regen stehen, kommt dann ganz von allein, zusammen mit der Schnupfennase.
Im ausdrucksschwachen Hochdeutsch gibt es — nebenbei bemerkt — auch ein paar Möglichkeiten, sich über die Art von „Regen“ zu äussern. Es kann „plästern„, „plädern„, „fiseln„, „schiffen“ oder auch ganz drastisch „pissen„, und trotzdem würde niemand im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Deutschlands bei einer Wettervorhersage dieses Vokabular gebrauchen, denn Meteorologen versuchen geradezu akribisch, ihrem stark an Astrologie und Wahrsagerei grenzenden Fachgebiet durch die Verwendung von Fachtermini einen wissenschaftlichen Anstrich zu verpassen und damit eine grössere Glaubwürdigkeit zu erzielen. Erreicht man dies auch durch Meteo im Dialekt? Doch weiter im Leserbrief von Ruedi Iseli:
Die klägliche Flucht in die Interpretation von «Deutsch» in der Bundesverfassung ist ebenso weit hergeholt. Nirgends steht «Hochdeutsch», sondern man könnte «Deutsch» der damaligen Zeit mit etwas Fantasie ebenso in «Tüütsch» ableiten.
Richtig gesprochen, Herr Iseli! Und Sie bringen uns da gerade auf eine ganz kolossale Idee für ein Referendum.
In der Bundesverfassung soll doch bitte bei der Aufzählung der Landessprachen das unleidige Wörtchen „Deutsch“ ganz einfach ersetzt werden durch „Tüütsch“. Das nördliche Nachbarland benennen wir um in „Tüütschland“, den Unterricht in der Schule erteilen „Tüütschlehrer“, etwas anderes kommt doch gar nicht in die TüütscheTüüte. Ob dann die Polizeiautos auf den Strassen noch mit Blaulicht und „Ta-Tüü-tata“ fahren dürfen, oder das auch gleich geändert werden muss, wegen der Verwechslungsgefahr, bleibt zu diskutieren. Gefordert ist hier Fantasie, und schon sind wir die Tücken mit dem ungeliebten Wort „Deutsch“ in allen Varianten los. Der Souverain möge wie immer ganz souverän selbst entscheiden. Die Abstimmungsvorlage dann aber bitte auch nur auf „Tüütsch“ vorlegen, sonst wäre das nicht ganz stimmig bei der „Abstimmig„.