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Der Fünfer und das Weggli — Neue alte Schweizer Redewendungen

  • Kommt der Rappen aus Rapperswil?
  • Das Ortsbezeichung „Weiler“ [mhd. wīler] kommt laut unserem Duden von mlat. villare = Gehöft, zu lat. villa = die Villa. Also stand einst eine Römervilla, wo heute ein „-Wil“ im alemannischen Siedlungsraum zu finden ist. Der Ort „Rapperswil“ ist somit der Weiler aller Rapper? Oder hat der Name doch nichts mit Musik, aber mit kleinen Geldstücken zu tun? Ganz falsch, denn die Rapperswiler waren ein Ostschweizer Adelsgeschlecht, das um 1200 den Ort Rapperswil SG (es gibt noch eine gleichnamige Gemeinde in BE) gründete und 1238 gleich wieder ausstarb.

  • Woher kommt der Rappen?
  • Die Schweizer haben den Franken und die Rappen. Nicht des „Schusters Rappen“, mit denen man zu Fuss gehen kann, weil es sich bei diesen nicht um schwarze Pferde sondern um Schuhe handelt, sondern die kleinen runden Dinger aus dem Portemonnaie, zu dem die Deutschen seit 1871 lieber Geldbörse sagten. Der Name für die Münze hat allerdings mit schwarzen Pferden gar nichts zu tun:

    Die Bezeichnung „Rappen“ geht ziemlich eindeutig auf einen Ursprung zurück: Der in Freiburg ab dem 13. Jahrhundert geprägte Pfennig zeigte ursprünglich einen Adler, der dann zum Raben mutierte. Dieser Münztyp des (Raben-)Pfennigs war am Oberrhein sehr verbreitet. Im so genannten Rappenmünzbund von 1377 schlossen sich zahlreiche Münzstätten zusammen, darunter der Bischof von Basel auch für seine Münzstätte in Breisach; im Elsass Colmar und Thann; aus der heutigen Schweiz die Städte Basel, Schaffhausen, Zofingen, Zürich, Bern, Solothurn sowie Freiburg im Breisgau und weitere Gebiete im Breisgau und im Sundgau. Das Ziel war, ein einheitliches Münzwesen und damit wirtschaftliche Erleichterung zu schaffen. Der Rappenpfennig war darin die Hauptwährungseinheit.
    (Quelle: Wiki)

    Wenn wir dieses Kapitel der Wirtschaftsgeschichte des Oberrheins lesen, das sich in dieser Gegend nach Verschwinden der Zähringer abspielte, fühlen wir uns mächtig erinnert an die Gründe für die Einführung des Euros: „Einheitliches Münzwesen und damit wirtschaftliche Erleichterung“.

  • Fünfzig Rappen sind kleiner als zehn Rappen
  • Eine Kuriosität beim Schweizer Kleingeld ist das Phänomen, dass ein ½ Franken, also 50 Rappen, zwar fünf Mal soviel wert ist wie ein Zehn-Rappenstück, aber dennoch einen kleineren Durchmesser hat. Das soll einer verstehen. Diese kleinen halben Franken verlieren sich folglich leicht in der Geldbörse im Portemonnaie.
    50 Rappen sind ein halber Franken
    Das 5 Rappenstück zeigt den Kopf der Libertas , der personifizierten Göttin der Freiheit. Die gute Frau hat übrigens nichts mit der „Helvetia“ zu tun, mit der sie häufig verwechselt wird.
    5 Rappen mit Libertas
    Hier die genauen Masse der Rappenstücke, nur falls Sie sich mal eins selbst aussägen, schnitzen oder giessen möchten:

    5 Rappen Libertas-Kopf (…) Aluminiumbronze 17 mm 1.8 g
    10 Rappen Libertas-Kopf Kupfernickel 19 mm 3 g
    20 Rappen Libertas-Kopf Kupfernickel 21 mm 4 g
    ½ Franken Stehende Helvetia Kupfernickel 18 mm 2.2 g
    (Quelle: Wiki)

  • Warum ist der halbe Franken so klein?
  • Hierzu erhielten wir eine Mail direkt von der swissmint, die wir hier gern zitieren:

    Als im Jahre 1850 das Münzwesen in der Schweiz vereinheitlicht wurde, lehnte sich die neue Münzeinheit der Schweizer Franken eng an das französische Münzsystem. Dabei wurde der Franken wie folgt definiert: 1 Schweizer Franken = 5 Gramm Silber 900/000 fein. Da anfänglich alle Frankennominale vollwertig ausgeprägt wurden, bestand ein halber Franken demzufolge aus Silber 0,900 und war 2,5 Gramm schwer. 1875 wurde der Feingehalt des 1/2-Franken-Stückes auf 0,835 reduziert und die Prägung damit zur Scheidemünze (nicht vollwertig ausgeprägte Münze – das Gewicht blieb gleich), seit 1968 ist der Halbfränkler aus Kupfernickel (Gewicht 2,2 g). Seine Abmessungen sind seit Beginn unverändert.

  • Wenn der Fünfräppler 6 Rappen kostet
  • Auf den Fünfer wird abgerundet oder aufgerundet in der Schweiz, denn 1 Rappen-Stücke gibt es im Alltag so gut wie keine mehr. Die waren einst aus Bronze und hatten einen Durchmesser von 16 mm.

    Swissmint evaluiert zur Zeit, ob der Fünfräppler (5-Rappen-Münze) abgeschafft werden soll, da die Produktion einer 5-Rappen-Münze 6 Rappen kostet und die Münze bei der Bevölkerung eher unbeliebt ist. Als Gegenargument wird die zwingende Preisänderung genannt, da die Preise mit grösster Wahrscheinlichkeit aufgerundet würden.
    (Quelle Wiki)

    Am 13. April schrieb der Tages-Anzeiger dann, dass der Fünfräppler doch nicht abgeschafft werden soll, anders als der Einräppler, welcher zum 1. Januar 2007 aus dem Verkehr gezogen wird. Wir haben ihn ehrlich gesagt noch nie gesehen.
    Fünfräppler bleibt im Portemonnai

  • Fünfer und Weggli
  • Der Fünfer ist übrigens eine sehr begehrte Sache in der Schweiz. Zusammen mit dem Weggli, das wir in Deutschland als Brötchen, Schrippen, Semmel oder auch Wecken kennen, je nachdem in welchem hochdeutschen Gebiet wir unsere fein geschliffene und vor allem stets mit Politur gepflegte Sprache gerade sprechen. Alle wollen den Fünfer und das Weggli haben. Es finden sich bei Google-Schweiz 151 Fundstellen zu dieser Formulierung
    Es ist eine Art von Politik:

    Dies ist eine klassische Fünfer und Weggli-Politik auf dem Buckel der Mieterinnen und Mieter.
    (Quelle sp-zug.ch)

    Eine universelle Lösung für viele Probleme:

    Auf der Suche nach der Fünfer-und-Weggli-Lösung sind wir nun einen Schritt weiter gekommen.
    (Quelle: kocherhans.ch)

    Das wäre die Fünfer-und-Weggli-Lösung gewesen, nämlich eine staatliche Unterstützung ohne Staatseingriffe.
    (Quelle: parlament.ch)

    Oftmals finden wir noch ein „das“ dabei:

    Der Fünfer und das Weggli
    (Quelle: Tages-Anzeiger)

    Auch umgedreht:

    Nein, Sie wollen „das Weggli und den Fünfer
    (Quelle: zuonline.ch)

    So könnten wir munter weiter Quellen zitieren, denn für „Fünfer unds Weggli“ gibt es bei Google noch 22 weitere Belege.
    Und für „Fünfer und das Weggli“ sogar 517 Stellen! Aber wir lassen es, denn sonst mutieren wir noch zur „Googlewiese“, und stattdessen war ja genfreie Genialität vorhergesagt für heute.

  • Aber was heisst denn nun dieser Ausdruck?
  • Sie müssen diese Kombination mögen, die Schweizer. Wir mögen eigentlich lieber Marmelade und frische Butter auf dem Wecken, dem Brötchen. Aber hier geht es ja nicht darum, den Fünfer mit dem Weggli zu essen. Nein, der Ausdruck bedeutet: Man kann nicht alles haben. Wer das Weggli kaufen möchte, muss den Fünfer hergeben. Frei nach dem alten Motto: „Wenn Du nie was ausgibst, kannst Du auch nie was sparen!

    Das zeigt uns, aus welcher alten Zeit diese Redewendung stammen muss. In Deutschland hätten wir als entsprechende Redewendung nur anzubieten:

    Man kann keinen Kuchen backen ohne Eier zu zerbrechen.

    Das gibt es auch auf Englisch

    You can’t have your cake AND eat it, too.

    Merke: Wir Deutschen denken an Kuchen und Eier, wenn wir beides haben wollen, und die Schweizer hingegen an Geld (zuerst) UND an was zu essen. So einfach ist das.

    

    15 Responses to “Der Fünfer und das Weggli — Neue alte Schweizer Redewendungen”

    1. ichbins Says:

      Nein nein der Räppler kommt nicht von da, aber man sagt HipHop sei in Rappersville ähh Rapperswil entstanden 😉

    2. viking Says:

      Den Brötchen, Schrippen, Semmel entsprechen in der Schweiz eher das Semmeli oder Muntschli etc. Der Wecken den ich aus D kenne entspricht auch eher dem (ehemaligen Examens-)Weggen. Für das weiche schweizer Weggli kenne ich keine direkte deutsche Entsprechung, lasse mich diesbezüglich aber gerne aufklären 😉
      Auf den Wecken könnt ihr gerne Butter und Marmelade schmieren, aufs Weggli gehören Anke und Gumfi und wenn ich den Fünfer dazu behalten kann (der beim Weggli ja auch schon etwa 20x soviel wert ist) habe ich auch nichts dagegen 😉

      Gruss
      Bruno

    3. Videoman Says:

      Weggli nennen wir in Basel übers Schwöbli. Ich glaube du kannst dir sicher vorstellen, woher der Name kommt.

    4. Simu Says:

      Ich trage immer einen Einräppler bei mir im Portemonnaie, aus Aberglaube! Soll angeblich Glück bringen. Falls wir uns mal treffen sollten, kann ich ihn dir zeigen, Jens. 😉

    5. Phipu Says:

      Wenn schon englisch und Anke (Butter) und Gumfi (Konfitüre) zitiert wurden, können wir gleich auch bei den Nidle- (Rahm) Produkten weitermachen. Jetzt aber auf französisch:
      « Vous ne pouvez pas avoir le beurre et l’argent du beurre » http://www.cafebabel.com/fr/article.asp?T=T&Id=5283 bedeutet bildlich dasselbe wie der Füfi/Föifi und Weggli-Spruch (Sie können nicht die Butter und das Geld für die Butter haben). Gelegentlich wird dieser idiomatische Ausdruck noch durch « … et encore la fromagère » (und auch noch die Käserin) ergänzt.

    6. Pio Says:

      S’Föfzgerli ist kleiner als das Zehnrappenstück, da es bis 1967 aus Silber war. (ebenso wie die 1-, 2-, und 5-Frankenstücke)

      Aus http://www.snb.ch/d/banknoten/noten.html?file=muenzen/content_muenzen.html :
      “ Die folgenden Münzen aus Silber wurden auf den 1. April 1971 ausser Kurs gesetzt:

      * 5-Franken-Stücke (mit Einschluss der Gedenkmünzen) der Prägejahre 1931-1967 und 1969
      * 2-Franken-Stücke der Prägejahre 1874-1967
      * 1-Franken-Stücke der Prägejahre 1875-1967
      * 1/2-Franken-Stücke der Prägejahre 1875-1967

      Manchmal kriegt man aber trotzdem noch eine Silbermünze im Laden.

      Gruss,

      Pio

    7. Jannis Says:

      Da gibt es auf dem thurgauer Seerücken noch den Weiler „Raperswilen“.

      Ist eine Fünfer-und Weggli-Lösung auf neudeutsch eine win-win-Lösung, wo der eine alles bekommt und der andere nichts ? Da kommt mir Herr Ospel in den Sinn, obwohl es bei ihm schon aus Gewichtsgründen keine Fünfräppler sind.

    8. Pio Says:

      Hmm, auf Französisch heisst ‚de Füfer ond’s Weggli‘ ‚Le beurre et l’argent du beurre‘, leider nicht quantifiziert.
      Das ganze unterscheidet sich allerdings von einer Win-Win-Lösung, da da beide Parteien profitieren (sollten). Den Fünfer und das Weggli will aber nur eine Partei haben, der anderen erwachsen dadurch die Nachteile…

      Gruss,

      Pio

    9. Pio Says:

      @Phipu: Tschuldigung, deinen Kommentar habe ich überlesen, darum die Wiederholung, ist nicht gewollt!

      Pio

    10. Fiona Says:

      Rapper rappen in Rappersville! Verreckte Siech (wow!).

      Btw, ein Stutz auf E heisst „a Swissie“.

      Ich freue mich, dass ein Romand (Phipu) immer auf diesem Forum dabei ist!

      It’s amazing what one learns on this forum.

      Fiona

    11. Christian Says:

      @Jens:
      Da steckt ein kleiner Gedankenfehler in deinem Eingangsstatement: Spät- oder mittellateinisch villare wurde sehr wohl ins Alemannische entlehnt, aber NICHT als Ortsname, sondern als allgemeine Ortsbezeichnung (was nicht dasselbe ist). Es handelt sich um unser Wort „Weiler“; dieses konnte auch verwendet werden, wenn man von irgendwelchen Siedlungen im Allgemeinen sprach (à la „beim letzten Hochwasser sind alle Weiler im Tal unten abgesoffen“). Damit ist das aus althochdeutsch wilare später verkürzte „-wil(en)“ in Ortsnamen auch KEIN Kennzeichen dafür, dass ehedem schon die Römer dort eine Siedlung hatten, eher im Gegenteil: Was ja vor dem „-wil(en)“ meist noch steht, ist üblicherweise der Rest eines germanischen Personennamens. D.h.: Ortsnamen à la Raperswil(en) (aus älterem: Ratbrechtes wilare = Weiler des Ratbrecht) ist deutlich eine germanische Gründung.

    12. Päde Says:

      Zur Verwirrung im Portemonnaie: Die „grossen Batzen“ sind alle gerippelt, gar gesternelt („gstärndlet“). Also auch wenn die Münze klein ist… ist sie gerippelt, ist sie ein guter Fang an der Kioskkasse. Mit wenig Übung sind dann auch die 10is und 20gis leicht zu unterscheiden. Und der 6-Räppler sowieso.

    13. solar Says:

      Zurück zum „Föifer unds Weggli ha“: Verstärkt wird diese Wendung – etwa von Politikern mit populistischem Flair fürs Sprücheklopfen, vor allem in Steuerfuss-Senkungsdebatten – durch eine Ergänzung: „Me cha halt nid de Föifer unds Weggli und dänn no Tochter vom Beck derzue ha!“

    14. Holger Says:

      Hi,

      eine andere deutsch-deutsche Übersetzung für Fünfer und Weggli wäre: „Wasch‘ mir den Pelz, aber mach‘ mich nicht naß!“

      Holger

    15. Monique Says:

      Noch etwas zum Fünfer

      In Bern sagt man, mä cha nid dr Föifer s’Weggli d’Bäckersfrau unds Bäckershuus ha.
      Das kann man beliebig ausweiten, je nach Umfang der Unverschämtheit.
      Gruss