Haben Sie auch einen Knopf in der Leitung?

Mai 12th, 2009

(reload vom 19.5.06)

  • Der Knopf in der Leitung
  • Wir lasen im Tagesanzeiger vom 05.05.06 auf Seite 28:

    Der Knopf in der Doha-Leitung

    Der Knopf in der Leitung
    und verstanden natürlich erst mal nur noch Bahnhof. Verstehen Sie das?

  • Wenn Deutsche nichts verstehen
  • Wenn Deutsche etwas nicht verstehen, dann können Sie das auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck bringen. Zum Beispiel, in dem Sie „gerade auf der Leitung stehen„. In der Schweiz klappt das nicht, denn die Schweizer telefonieren nicht über Leitungen, sondern über Linien, genauer gesagt „Telefon-Linien“, wenn man den digitalen Ansagen des Telekommunikationsanbieters Swisscom Glauben schenken darf „Alle unsere Linien sind belegt“ (vgl. Blogwiese).

    Die Schweizer weigern sich, im Falle eines Verständnisproblems nach draussen zu gehen. „Ich komme nicht draus“ (vgl. Blogwiese). Wahlweise kann man in Deutschland auch noch auf dem „Schlauch“ stehen, wenn man nichts versteht. Ob das nun die Sauerstoffleitung auf der Intensivstation ist, auf der man da steht, oder der Bierschlauch, welcher vom grossen Tank der Kleinbrauerei hinüber in den Biergarten führt, ist nicht bekannt. Wenn alle Stricke reissen, dann verstehen die Deutschen nur noch Bahnhof, oder es kommt ihnen alles Spanisch vor.

  • Warum ist ein Knopf in der Leitung?
  • Als Deutsche wundern wir uns, wenn plötzlich von Knöpfen geredet wird, obwohl es gar nicht um Kleider und Hemden geht. Der Knopf ist in der Schweiz dass, was wir Standarddeutschen als „Knoten“ bezeichnen. Knöpfe braucht man beim Klettern mit Seil, beim Segeln und beim Schuhe zubinden sollten man sie tunlichst vermeiden.
    Das Variantenwörterbuch verrät uns:

    Knopf der; -(e)s, Knöpfe: 1. A CH D-süd Verknüpfung von Fäden, Schnüren o. Ä:
    Du machst oben an der Scheibe einen Knopf in den Faden, unten befestigst du eine bunte Holzperle (Bastellecke, 2002, Internet; A); Die Turnschuhe dürfen lediglich mit einem normalen Knopf verschnürt werden (Schweizerischer Turnerverband, 2002, Internet; CH)

    Sogar die Krawatte erhält in der Schweiz einen „Krawattenknopf“, ganz ohne Knopfloch.

    Wenn in der Schweiz „jemandem der Knopf aufgeht“, dann verliert er nicht gleich seine Hose, sondern er ist

    „plötzlich zu sehr guter Leistung fähig, macht einen sprunghaften Fortschritt“
    (Quelle: Variantenwörterbuch, S. 420)

    Gerade im Sport scheint in der Schweiz der Knopf recht häufig aufzugehen:

    Der als Vorlage gedachte Schuss fand den direkten Weg ins Tor von Piamont. In der Folge ging der Knopf auf und Kerzers fing an zu spielen – und zu treffen.
    (Quelle: freiburger-nachrichten.ch)

    Wir fanden noch einen Beleg beim FC Henau:

    Wir mussten bis ca. in die 15. Minute, bis uns endlich das erste Tor gelang. Erst jetzt ging der Knopf auf, bis zur Pause gelangen uns noch zwei weitere Treffer.
    (Quelle: fchenau.ch)

    Zum Schluss noch ein Tipp: Wenn der Knopf mal nicht aufgeht, dann hilft es manchmal, ihn einfach abzuschneiden. So wie im „Krieg der Knöpfe“.

    Wo lagern Sie Ihr Heu? Neue alte Schweizer Redewendungen

    Mai 11th, 2009

    (reload vom 18.5.06)

  • Die Bühne ist nicht im Theater
  • Wir lasen im Migros-Magazin, dem Fachblatt für den Schweizer Landwirt und das Schauspielwesen, über die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und den damaligen US-Präsident George W. Bush:

    In Sachen Umwelt haben die beiden das Heu nicht auf der gleichen Bühne

    Heu nicht auf der gleichen Bühne
    (Quelle Migros-Magazin 19, 8.05.06, Seite 4)
    Wir wussten nicht, dass Merkel und George W. Bush im Nebenberuf Schauspieler sind und aus Platzgründen ihr Heu auf der Bühne, sogar auf unterschiedlichen Bühnen, lagern. War nicht Ronald Reagan der Schauspieler unter den Präsidenten? Doch ist das natürlich alles Kokolores. Wer lange im Süden lebt, kennt die Variante „Bühne“ für „Dachboden“ oder „Speicher“ natürlich bereits. Es soll aber immer noch aus dem Norden Deutschlands zugewanderte Feuerwehrhauptmänner geben, die beim Anruf „Es brennt bei uns auf der Bühne“ in einer Schwäbischen Stadt mit dem Löschzug zum Städtischen Theater gefahren sind. So weit, so gut. Aber wie ist das jetzt mit dem „Heu auf der gleichen Bühne“?

    Wir wurden fündig im Variantenwörterbuch:

    Heu: *das/sein Heu [nicht] auf der gleichen Bühne haben
    CH eine gleiche/unterschiedliche Art des Denkens und Fühlens haben; [nicht ]die gleiche Wellenlänge haben: „Ein Berner Vertreter der Schweizerischen Volkspartei hat das Heu nicht auf der gleichen Bühne wie ein Waadtländer (Wiedmer, Hautnah-Helvetia 53)
    (Quelle Variantenwörterbuch S. 348)

    Und nicht nur dort! Sogar die Neue Zürcher Zeitung, die sich sonst mit Helvetismen immer schön zurück hält, kann hier mitreden:

    Der Vergleich mit dem Parlamentarier-Rating zeigt, mit welchen Nationalräten man das Heu auf der gleichen Bühne hat – oder eben nicht.
    (Quelle: nzz.ch)

    Oder die Zeitung RZ Oberwallis:

    Wie man die letzten paar Jahre mitbekommen hat, haben Sie selten das Heu auf der gleichen Bühne wie Ihre Kollegen im Gemeinderat. Sind Sie ein Querkopf?
    (Quelle: rz-online.ch)

    Ohne Probleme könnten wir 42 weitere Belege für die Verwendung dieser Redensart bei Google anführen.

  • Heu nicht nur im Gruss
  • In der Schweiz, deren Einwohner sich schon in ihrer Grussformel als Fachleute für getrocknetes Grass im Allgemeinen zu erkennen geben, gibt es noch weitere Redewendungen mit Heu. So sagt man z. B.:

    *sein Heu im Trockenen haben
    CH eine Aufgabe erfolgreich beendet haben
    , seinen Anteil gesichert haben.: Der stillstehende Landamman spricht, als ob er mitten im Wahlkampf stecken Würde. Dabei hat er sein Heu längst im Trockenen (Blick 28.9.1999, 6)
    (Variantenwörterbuch, S. 348)

    Nördlich des Rheins muss es mehr Schafe als Heu gegeben haben, zu der Zeit, als diese Redewendung entstand, denn dort hat man eher seine „Schäfchen im Trocknen“.

    Oder:

    *Jetzt ist genug Heu [dr]unten!
    CH Jetzt ist aber genug!:

    Hierfür ein Beispiel aus Schaffhausen:

    Ferner steigen die Kosten für die Schätzer kräftig an, obwohl nur noch ein Schätzer anstelle von zweien unterwegs ist. Dazu kann man nur noch sagen: „Jetzt ist genug Heu drunten.
    (Quelle: grossratsprotokolle.sh.ch)

    Klar, wenn an den steilen Hängen der Schweiz das Heuen so arbeitsaufwendig ist, muss das Produkt anschliessend sparsam verwendet und darf nicht übertrieben grosszügig verfüttert werden.

    Wieso die gleiche Lagerung von Heu auf einem Heuboden, der in der Schweiz „Heubühne“ genannt wird, auch auf gleiche „Art des Denkens und Fühlens“ zurückschliessen lässt, bleibt uns ein Rätsel. Die Schweizer brauchen keinen Psychologen für die Selbsterkenntnis: Sag mir, wo Du Dein Heu lagerst, und ich sag Dir wer Du bist.
    Wo lagern Sie Ihr Heu?

    Wer schaut zum Kind — Kind und Karriere vertragen sich schlecht in der Schweiz

    Mai 8th, 2009

    (reload vom 17.5.06)

  • Wer schaut zum Kind
  • Die Weltwoche Nr. 17.06 bachte einen hochinteressanten Artikel von Markus Schneider zu der Frage, warum in der Schweiz das Wirtschaftswachstum so schwach ist: Weil zu wenige Frauen aktiv sind:

    Zwar arbeiten 81,3 Prozent der Frauen zwischen 25 und 54 Jahren, fast so viele wie in Schweden oder Dänemark. Aber es gibt eine grosse Einschränkung: Die meisten Schweizer Frauen arbeiten nur Teilzeit. Haben sie Kinder, hat nur noch eine von vier einen vollen Job.
    (Quelle: Weltwoche 17.06, S.9)

    Der Artikel ist mit einem Foto bebildert, dass die Professorin Monika Bütler bei einer Vorlesung zum Thema „Home Economics“ zeigt. Deutlich zu sehen ist die Überschrift des aktuellen Präsentation. „Wer schaut zum Kind“.

  • Zum oder nach dem Kind schauen?
  • Nun, wir sind es gewohnt, Fernsehen zu schauen, oder mal nach dem Essen zu schauen. ob es nicht anbrennt oder überkocht. Auch zum Kind schauen wir kurz, wenn es nach uns ruft und wir die Augen von der Zeitungslektüre lösen müssen, um unseren Blick in seine Richtung zu lenken. Gemeint ist mit „Wer schaut zum Kind“ natürlich die Frage, wer sich um das Kind in einer Familie kümmert, wer die Erziehung und Betreuung übernimmt. Die Schweizer Variante „zum Kind schauen“ im Sinne von „das Kind betreuen“ war uns neu. Wir kannten bisher nur „Wer schaut nach dem Kind“.

  • Die Betreuungskosten sind vom Einkommen abhängig
  • Die Mutter von zwei Kindern erklärte, warum Frauen immer öfter kein Kind haben wollen oder im Maximum eines, dann aber meistens nur halb arbeiten. «Weil sich Arbeiten nicht lohnt — und ein zweites Kind noch weniger.» Schuld daran sind die Tarife der Kinderkrippen und Kinderhorte. Diese Tarife sind vom Einkommen der Eltern abhängig. — mit grotesken Auswirkungen auf die Frauen: «Für nicht-arbeitende Mütter sind sie am günstigsten», rechnet die Ökonomin Bütler akribisch nach. Steigere die Frau ihr Arbeitspensum, steige das Einkommen — und parallel dazu der Tarif für die Kinderbetreuung. Arbeiten Mann und Frau voll, wächst das Einkommen so stark, das meist der Maximaltarif gilt: Pro Kind und Tag macht das gut und gerne 100 Franken.
    (Quelle: Weltwoche 17.06 S.9)

    Bei durchschnittlich 20 Arbeitstagen im Monat macht das für ein Kind locker 2000 Franken Betreuungskosten aus, die erstmal verdient und versteuert sein wollen.

    Kein Wunder also, dass in der Schweiz die Unterstützung durch freundlichen Kinderfrauen aus der Nachbarschaft, privaten Kindergruppen und vor allem durch „das Grosi“ besonders gross und oft die einzige Möglichkeit ist. Wenn der normale Kindergarten für Kinder erst ab 5 Jahre geöffnet ist und dann auch nur für wenige Stunden am Tag, mal früh und mal spät, ist das keine Kinderbetreuung, die Vollzeit-Berufstätigkeit einer Mutter zulassen würde.

    Frau Bütler schreibt in ihrer Einleitung:

    Eine Familie mit 2 kleinen Kindern bezahlt für zwei Krippenplätze in den meisten schweizerischen Städten rund 50’000 Franken für eine vollzeitliche Betreuung, oder 10’000 Franken für einen Krippentag pro Woche. Für die Zweitverdienerin einer nicht subventionsberechtigten Familie lohnt sich daher die Erwerbstätigkeit erst, wenn der Nettolohn einer Vollzeitanstellung nach Steuern und anderen Berufsauslagen mindestens 50’000 Sfr. beträgt. Konkret heisst dies, dass es sich in der Regel zum Beispiel für gut ausgebildete Informatikerinnen und Lehrerinnen finanziell nicht auszahlt, zu arbeiten. Die Betreuung durch eine Tagesmutter reduziert zwar den Betrag um circa einen Viertel, viel attraktiver ist deswegen die Erwerbstätigkeit nicht, selbst wenn diese eigentlich gewollt ist.
    (Quelle: vwa.unisg.ch)

    Als Lösung aus diesem Dilemma schlagen Credit-Suisse-Ökonominnen eine neue Familienpolitik vor:

    Der Staat dürfe nicht länger die Plätze für jene Frauen verbilligen, die am wenigsten Geld verdienen. Sondern umgekehrt: Er müsse jene Paare belohnen, die möglichst viel arbeiten wollen. Diese Paare sollen neu Betreuungsgutschriften erhalten, damit der Tarif in der Krippe auf etwa fünfzig Franken pro Tag sinke.
    (Quelle: Weltwoche Nr. 17.06)

  • Wohnen Sie auch wirklich in der Schweiz?
  • Die ganze Studie gibt es hier: emagazine.credit-suisse.com
    Falls Sie diese Studie runterladen wollen, dann schauen Sie bitte zunächst in Ihren Pass, ob Sie auch wirklich Schweizer sind bzw. mindestens in der Schweiz wohnen. Sonst geht das Runterladen eines Dokuments der Credit-Suisse nämlich leider rein rechtlich nicht. Sorry, aber die Schweiz ist nicht in der EU, und es gibt auch kein Auslieferungsabkommen, und überhaupt, wo kämen wir da hin, wenn jetzt schon Informationen einfach so über die Grenze nach Europa fliessen würden… ach, Sie haben da doch bestimmt Verständnis für, oder? Falls Sie auf den Link klicken sollten, können Sie dies hier lesen:

    Wichtiger Rechtlicher Hinweis
    Insbesondere aus rechtlichen und regulatorischen Gründen sind gewisse Webinhalte der Credit Suisse nicht für alle Besucher zugänglich.
    Durch Klicken auf „Ja“ bestätigen Sie, Ihren Wohnsitz in der Schweiz zu haben. Sollten Sie Ihren Wohnsitz nicht in der Schweiz haben, so klicken Sie bitte auf „Nein“. Sie haben in diesem Fall keinen Zugang zu den nachfolgenden Inhalten.
    (Quelle: )

    Also wissen Sie jetzt, ob sie „Ja“ oder „Nein“ anklicken müssen? Dann vielleicht doch erst nochmal in den Pass schauen. Die Site wartet schnell so lange auf Sie, kein Problem, Sie wissen ja schon: Im „schnellen Warten“ sind die Schweizer Weltmeister, nur nicht in der Kinderbetreuung.

    Falls Sie nun Flora Bartolini heissen und die Schwiegermutter von Berlusconi sind, dann dürfen Sie selbstverständlich klicken und weiterlesen. Sie haben ja erst vor zwei Jahren Ihre Schriften nach S-chanf ins Engadin verlegt, dort also folglich auch ihren Wohnsitz. Das ist gut so. Sehen Sie, es muss alles seine rechtliche Ordnung haben hier.

    Die Credit-Suisse sagt sich bestimmt: Wo kämen wir da hin als Bank, wenn wir es bei unseren Kunden erlauben würden, Schriftstücke und sonstiges „Gedrucktes“ illegal über die Grenze zu transportieren. Da machen wir beim Transportweg „Internet“ keine Ausnahme.

    Wie lautet die Parole? — Freie Abstimmung in der Schweiz

    Mai 7th, 2009

    (reload vom 15.05.06)

  • Wie lautet die Parole?
  • Die Schweizer sind ein Volk mit besonderen Geheimnissen. Allen voran lieben sie selbstverständlich ihr „Bankgeheimnis“. Als dies preisgeben wurde ging für sie ein Stück Identität verloren. Darum verteidigten sie diese letzte geheime Bastion wie ihren Augapfel vor der umgebenden, immer bedrohlich näher rückenden EU.

    Von der „geheimen Landesverteidigung“ mit clever versteckten Bunkern, und Panzersperren berichteten wir hier bereits.

    Bei all dem ist es von besonderer Wichtigkeit, trotz notwendiger Geheimhaltung den Kommunikationsfluss zwischen den Eidgenossen nicht abreissen zu lassen. Dazu dienen zum einen clever gezogene Telefonleitungen
    Telefonleitungen ohne Anfang und Ende
    in der freien Landschaft platziert, ohne Anfang, ohne Ziel, wie hier bei der Panzerpiste am Flughafen Kloten, und natürlich die geheimnisumwobenen „Parolen“, die mehrmals jährlich, meistens im Zusammenhang mit anstehenden Abstimmungen, im Tages-Anzeiger veröffentlicht werden:
    Parolen zur Abstimmung am 21. Mai 2006
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 13. Mai 2006 Seite 3)

    Da diese Parolen im Tages-Anzeiger für jeden zu lesen sind, können sie nicht ganz so schrecklich geheimnisvoll sein, wie wir uns das in unserer blühenden Fantasie ausgemalt haben:
    Ja: und Nein: und Stimmfreigabe:
    Das lässt sich ja leicht merken.

    Falls Sie sich als Deutscher nun fragen, was solche „Parolen“ in der Zeitung zu suchen haben, und das auch noch genau eine Woche vor einem Abstimmungssonntag, dann wollen wir das Geheimnis jetzt lüften: Am 21. Mai 2006 erfolgt die „Abstimmung über den Bildungsartikel“. Diese Abstimmung ist selbstverständlich frei, für alle gleich und geheim, wie sich das für die „ältesten Demokratien“ Europas ziemt. Diese Demokratie verdankt die Schweiz ganz nebenbei einem französischen Despoten namens Napoleon:

    Die 1798 von Napoleon ausgerufene Helvetische Republik schaffte sämtliche Untertanenverhältnisse ab und stellte alle Gemeinden einander gleich. Zudem führte Napoleon das Stimm- und Wahlrecht für alle Schweizer Männer ein. Mit der Bundesverfassung von 1848 wurde die direkte Mitbestimmung auf gesamtschweizerischer Ebene eingeführt. Neben der Landsgemeinde konnten die Stimmbürger nun über die Wahl ihrer Vertreter ins Parlament sowie über die direktdemokratischen Rechte mitbestimmen.
    (Quelle: virtor.bar.admin.ch)

    Vergessen Sie also mal ganz schnell ihre Vorstellung, die wunderbare Schweizer Demokratie sei sozusagen schon beim Rütlischwur von den Eidgenossen selbst erdacht worden. Nein, sie wurde einfach von diesem Franzosen von oben befohlen. Ein Grund mehr, heute an der Grenze zu Frankreich besonders wachsam zu sein und keine Franzosen ohne Papier mehr ins Land zu lassen. Man hat da so seine eigenen Erfahrungen in der Schweiz.

  • Freie, gleiche und geheime Abstimmungen
  • Frei“, denn sie findet am Sonntag statt, da haben alle frei.
    „Gleich“, jeder Schweizer hat eine Stimme, egal ob Mann oder Frau, wichtig ist nur der Schweizerpass, der sie etwas „gleicher als gleich“ macht, als einer von 5,8 Millionen Schweizern im Land der 7,4 Millionen Einwohner. Ach ja, das mit der „Gleichheit“ für Männer und Frauen, das hat in der Schweiz auch noch etwas länger gedauert als anderswo. Ein kleiner Vergleich dazu aus Wikipedia zum Thema „Frauenwahlrecht“:

    1906 dann Finnland als erstes europäisches Land. In Deutschland erlangten Frauen am 30. November 1918 mit der „Verordnung über die Wahlen zur verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung (Reichswahlgesetz)“ das aktive und passive Wahlrecht. Seit 12. November 1918 besteht auch in Österreich das allgemeine Wahlrecht für Frauen. US-Frauen erhielten 1920 mit der Verabschiedung des 19. Verfassungszusatzes das vollständige Wahlrecht. Großbritannien kam am 2. Juli 1928 hinzu. In der Türkei haben die Frauen seit 1934 (nach einigen Quellen auch erst 1935) das Wahlrecht. Als Frankreich sich im Sommer 1944 mit Hilfe der Alliierten von der deutschen Besatzung befreit hatte, erhielten die französischen Frauen, 1946 dann die Belgierinnen und die Italienerinnen ihre vollen Bürgerrechte. Die Schweizerinnen mussten bis zum 7. Februar 1971 warten. Der Kanton Appenzell Innerrhoden führte das Recht sogar erst 1990 ein.
    (Quelle: Wikipedia)

    Kleine Nebensächlichkeiten in der ältesten Demokratie Europas eben.

    Und „geheim“? Da sind wir wieder bei unseren „geheimen Parolen“. Damit alles schön geheim bleibt, kann der Schweizer nämlich vor einer Abstimmung lesen, wie die anderen so abstimmen werden. Besser gesagt, was die grossen Parteien, Verbände und Organisationen empfehlen, wie man abstimmen sollte. Wenn Sie also im Lehrerdachverband, im Arbeitgeberverband oder im Gewerkschaftsbund sind, dann ist das mit der freien und geheimen Wahl für Sie ganz einfach, denn die haben JA gesagt zum Bildungsartikel. Sind sie im „centre patronal“, dann heisst es NEIN für Sie.

  • Was ist eine Parole für die Deutschen?
  • Für die Deutschen ist eine „Parole“ etwas, dass sie aus dem Kinderbuch „Emil und die Detektive“ kennen. Dort war „Parole Emil“ das Stichwort für die gemeinsame Aktion aller Kinder

    Der Duden meint dazu:

    Parole, die; -, -n [frz. parole, eigtl. = Wort, Spruch, über das Vlat. zu lat. parabola, Parabel]: Kennwort (2 a):
    die Parole kennen, sagen, ausgeben; wie heißt die Parole?; am Tor will ein Posten nach der Parole fragen, sein Kiefer klappt töricht herab, als er in die Pistolenmündung starrt (Loest, Pistole 14).

    Aber das Wort „Parole“ hat noch mehr Bedeutungen:

    in einem Satz, Spruch einprägsam formulierte Vorstellungen, Zielsetzungen o. Ä. [politisch] Gleichgesinnter; motivierender Leitspruch: politische, kommunistische Parolen; die Parole lautet: …; Überall in Orgosolo und den Nachbardörfern stehen Parolen an den Hauswänden: Sardinien den Sarden (Chotjewitz, Friede 192); einen Spruch als Parole zum 1. Mai ausgeben; Parolen rufen, skandieren; der Parteitag stand unter der Parole: …; das war schon immer meine Parole (Motto).

    Aber es kommt noch schlimmer! Als letztes führt der Duden eine Bedeutung an, die uns in Zusammenhang mit der Abstimmung und den Parolen in der Schweiz arg zu denken gibt:

    3. [unwahre] Meldung, Behauptung:
    aufwieglerische Parolen verbreiten; den -n des Gegners keinen Glauben schenken.
    (Quelle: duden.de)

    Sollten die Schweizer sich durch solche „aufwieglerischen Parolen“ etwa bei der Abstimmung beeinflussen lassen? Fragen Sie doch einfach in den nächsten Tagen mal einen Schweizer oder eine Schweizerin in Ihrer Umgebung, worum es im Detail bei diesem Bildungsartikel eigentlich geht und wie er oder sie ganz geheim abstimmen wird. Sie werden verblüfft sein über den ausgezeichneten Bildungsstand der Eidgenossen in dieser Frage. Und falls Sie selbst nach Ihrer Meinung gefragt werden, antworten Sie doch einfach mit geheimnisvoller leiser Stimme: „Parole Emil!“.

    Fliegende Zelte für Angela Jolie — Die Schleckstange ist nicht das was Sie denken

    Mai 6th, 2009

    (reload vom 14.5.06)

  • Zelte aus Erdnussbutter?
  • Wir lasen in 20minuten, der kostenlosen Schweizer Pendlerzeitung mit einem morgendlich erreichten Publikum von knapp 1.2 Millionen Lesern:

    Jolie lässt Erdnussbutter-Zeltli einfliegen
    (Quelle 20minuten vom 5.5.06, S. 22)

    Erdnussbutter-Zeltli
    Das finden wir echt hübsch, was Jolie so alles treibt. Nun werden schon kleine Zelte für sie eingeflogen, noch dazu welche aus Erdnussbutter. Klingt irgendwie nicht so lecker. Warum sollte sie in ihrem hochschwangeren Zustand sich auch noch um eine Camping-Ausrüstung kümmern wollen?

    Aber das Schweizer Wörtchen „Zeltli“ hat mit Zelten gehen und Camping rein gar nichts zu tun, auch wenn es nach einem typisch schweizerischen Diminutiv mit „-li“ am Ende des Wortes „Zelt“ aussieht. Vielleicht kommt „Zeltli“ ja von „Zetteli“, von kleinen Papierfetzen, den Zetteln, in welchen man in der Schweiz Bonbons einwickelt?

    London — Auch ein Hollywood-Star wie Angelina Jolie ist offenbar nicht gegen Schwangerschaftsgelüste immun: Wie «The Sun» berichtete, liess die 30-Jährige eigens aus den USA eine ganz spezielle Bonbonsorte nach Namibia einfliegen. Dort wartet die hochschwangere Jolie zusammen mit ihrem Lebensgefährten Brad Pitt (42) und den zwei Adoptivkindern auf ihre Niederkunft. Jolies Heisshunger richtet sich auf die mit Erdnussbutter gefüllten Mini-Bonbons Reese’s Pieces.
    (Quelle: 20minuten 5.5.06, S. 22)

  • Woher kommt der Begriff „Zelti“?
  • Sicher nicht vom Zelten. Ob es einen Hersteller gab, der so hiess? Die Theorie mit den kleinen Papierfetzen scheitert an zwei Tatsachen:
    1.) Das Wort „Zeltli“ wir auch für unverpackte Bonbons verwendet. Es ist allgemein ein Synonym für kleine Süssigkeit. Das kann alles sein, ausser Schokolade, denn die hat mit „Schoggi“ und „Täfeli“ ihre eigene Bezeichnung.
    2.) Es ist auch die Sprech- und Schreibweise mit „ä“ als „Zälti“ verbreitet. Dann klingt es mehr nach einer Abkürzung wie „Z-L-I“ = Zürcher Lehrmeistervereinigung Informatik. Nur kümmern die sich mehr um die Ausbildung von Informatik Lehrlingen als um Bonbons.

    Vor Zeltlis warnt die Schweizerische Zahnarzt Gesellschaft:

    Hauptfeind der Zähne ist der Zucker (in Nussgipfeln, Schokolade, Crèmeschnitten, Konfitürenbroten, Schleckstengeln, Dörrobst, Caramels, Glace, Zeltli, aber auch in mit Zucker gesüssten Getränken).
    (Quelle: sso.ch)

    Dabei gibt es die Dinger ganz sportlich als „Sport Fresh“:
    Sportfresh bei Lovebugs.ch
    Foto:

    Aso die Zeltli verzehri regelmässig, well sie halt eifach soo guet send… aber 🙂 du hesch recht, weg dene zeltli werd mer leider ned sportlicher!
    (Quelle:
    lovebugs.ch)

  • Bei Zelti schwimmt ihr los
  • Im Schwimmunterricht in der Schweizer Primarschule beschloss der Lehrer, die Kinder mit einem netten Spiel in Bewegung zu halten. Er erzählte eine Geschichte, in der das Wort „Zeltli“ vorkommt. Immer wenn er das Wort erwähnt, sollten die Kinder das Becken einmal quer durchschwimmen. Nach 5 Minuten und etlichen Zeltlis später war unsere Tochter immer noch nicht losgeschwommen. Sie hatte die ganze Zeit auf das Auftauchen eines Campingplatzes in der Geschichte gewartet. Niemand hatte ihr erklärt, dass es hier nicht um „Zelten gehen“ sondern um Bonbons ging. Muss alles erst gelernt werden im Schweizer Alltag!