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Wo lagern Sie Ihr Heu? Neue alte Schweizer Redewendungen

(reload vom 18.5.06)

  • Die Bühne ist nicht im Theater
  • Wir lasen im Migros-Magazin, dem Fachblatt für den Schweizer Landwirt und das Schauspielwesen, über die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und den damaligen US-Präsident George W. Bush:

    In Sachen Umwelt haben die beiden das Heu nicht auf der gleichen Bühne

    Heu nicht auf der gleichen Bühne
    (Quelle Migros-Magazin 19, 8.05.06, Seite 4)
    Wir wussten nicht, dass Merkel und George W. Bush im Nebenberuf Schauspieler sind und aus Platzgründen ihr Heu auf der Bühne, sogar auf unterschiedlichen Bühnen, lagern. War nicht Ronald Reagan der Schauspieler unter den Präsidenten? Doch ist das natürlich alles Kokolores. Wer lange im Süden lebt, kennt die Variante „Bühne“ für „Dachboden“ oder „Speicher“ natürlich bereits. Es soll aber immer noch aus dem Norden Deutschlands zugewanderte Feuerwehrhauptmänner geben, die beim Anruf „Es brennt bei uns auf der Bühne“ in einer Schwäbischen Stadt mit dem Löschzug zum Städtischen Theater gefahren sind. So weit, so gut. Aber wie ist das jetzt mit dem „Heu auf der gleichen Bühne“?

    Wir wurden fündig im Variantenwörterbuch:

    Heu: *das/sein Heu [nicht] auf der gleichen Bühne haben
    CH eine gleiche/unterschiedliche Art des Denkens und Fühlens haben; [nicht ]die gleiche Wellenlänge haben: „Ein Berner Vertreter der Schweizerischen Volkspartei hat das Heu nicht auf der gleichen Bühne wie ein Waadtländer (Wiedmer, Hautnah-Helvetia 53)
    (Quelle Variantenwörterbuch S. 348)

    Und nicht nur dort! Sogar die Neue Zürcher Zeitung, die sich sonst mit Helvetismen immer schön zurück hält, kann hier mitreden:

    Der Vergleich mit dem Parlamentarier-Rating zeigt, mit welchen Nationalräten man das Heu auf der gleichen Bühne hat – oder eben nicht.
    (Quelle: nzz.ch)

    Oder die Zeitung RZ Oberwallis:

    Wie man die letzten paar Jahre mitbekommen hat, haben Sie selten das Heu auf der gleichen Bühne wie Ihre Kollegen im Gemeinderat. Sind Sie ein Querkopf?
    (Quelle: rz-online.ch)

    Ohne Probleme könnten wir 42 weitere Belege für die Verwendung dieser Redensart bei Google anführen.

  • Heu nicht nur im Gruss
  • In der Schweiz, deren Einwohner sich schon in ihrer Grussformel als Fachleute für getrocknetes Grass im Allgemeinen zu erkennen geben, gibt es noch weitere Redewendungen mit Heu. So sagt man z. B.:

    *sein Heu im Trockenen haben
    CH eine Aufgabe erfolgreich beendet haben
    , seinen Anteil gesichert haben.: Der stillstehende Landamman spricht, als ob er mitten im Wahlkampf stecken Würde. Dabei hat er sein Heu längst im Trockenen (Blick 28.9.1999, 6)
    (Variantenwörterbuch, S. 348)

    Nördlich des Rheins muss es mehr Schafe als Heu gegeben haben, zu der Zeit, als diese Redewendung entstand, denn dort hat man eher seine „Schäfchen im Trocknen“.

    Oder:

    *Jetzt ist genug Heu [dr]unten!
    CH Jetzt ist aber genug!:

    Hierfür ein Beispiel aus Schaffhausen:

    Ferner steigen die Kosten für die Schätzer kräftig an, obwohl nur noch ein Schätzer anstelle von zweien unterwegs ist. Dazu kann man nur noch sagen: „Jetzt ist genug Heu drunten.
    (Quelle: grossratsprotokolle.sh.ch)

    Klar, wenn an den steilen Hängen der Schweiz das Heuen so arbeitsaufwendig ist, muss das Produkt anschliessend sparsam verwendet und darf nicht übertrieben grosszügig verfüttert werden.

    Wieso die gleiche Lagerung von Heu auf einem Heuboden, der in der Schweiz „Heubühne“ genannt wird, auch auf gleiche „Art des Denkens und Fühlens“ zurückschliessen lässt, bleibt uns ein Rätsel. Die Schweizer brauchen keinen Psychologen für die Selbsterkenntnis: Sag mir, wo Du Dein Heu lagerst, und ich sag Dir wer Du bist.
    Wo lagern Sie Ihr Heu?

    

    11 Responses to “Wo lagern Sie Ihr Heu? Neue alte Schweizer Redewendungen”

    1. Gery us Büüli Says:

      Es soll ja sogar Leute geben die setzen das getrocknete Gras (Heu) sogar dem Geld gleich.

      z.B. „dä het Geld wie Heu“. oder „hesch gnueg Heu derbii?“

      Wird wohl daher kommen das es, wie von Jens bemerkt, ein wertvolles Gut ist, wenn man es mühsam von den steilen Berghängen zusammen rechen muss.

    2. AnFra Says:

      Um zu der Auflösung der „Heubühne und Heulagerung“ zu gelangen, muss man einen interessanten Einblick in den „bäuerlichen pekuniären Kapitalismus“ wagen und sich mit dem Bauernkapitalismus beschäftigen!

      Die Ableitung von „pekuniär“ kann man auf lat. „pecunia“ für Geld, Vermögen, Viehbesitz zurückführen, welches vom lat. „pecus“ für Vieh abstammt. Dieses gehört zur indogerm. Wurzel indogerm.„peku“ und „pek“ für Wolle. „Kapital“ kann man auf das lat. „caput“ für Haupt zurückführen, welches die vorhandene Anzahl der Vieh-„Köpfe“, also die Anzahl der Tiere, ausdrückte. Also eindeutig landwirtschaftliche Bezüge.

      Die beiden vorherigen Ableitungen betreffen den landwirtschaftlichen Bereich, sind jedoch dem lateinischen Sprachgebrauch entsprungen. Die „Heubühne“ und seine Derivate mit den Sinnsprühen kommen jedoch aus dem germanischen Sprachbereich. Wenn man anerkennt, dass die Alemannen (auch die in der heutigen Schweiz) vor der Zuwanderung in das Gebiet (der heutigen Schweiz) im nord-östlichen Teil (des heutigen Deutschland) lebten und dort eine eigene, aus der nordeuropäischen Abstammung entwickelten eigenen Baukultur hatten, ist nun nachvollziehbar: Die Bezeichnung „Heuboden“ entstammt m. E. noch aus der Zeit, als die Alemannen im flachen, küstennahem und wasserreichem Gebiet Norddeutschlands lebten. Die Heubühne beinhaltet die Bezeichnung „Bühne“, welche wohl zum Küstengebiet mit einer „Buhne“ als hölzerner Ufersteg gedeutet werden kann.
      Auch sind die Entwicklungsgebiete der sog. „Langhäuser“ in diesem Umfeld festzuhalten. Im Norden an der Meersküste haben sich um die Zeit der Völkerwanderung diese Langhäuser entwickelt. In diesen lebten meist mehrere Bauernfamilien.
      Und hier ist der springende Punkt:
      Die unteren Wohn- und Stallungsbereiche waren jeweils separat gebaut, aber die Dachkonstruktion in etwa der Form eines umgedrehten Bootes hatte meist eine gemeinsame einheitliche Bühne, Boden, Tenne, Stock, Decke usw. Mit „Buhnen“-Hölzern wurden die Wohnungen gedeckt, die dann wiederum im „Heustock“ die „Bühne“ für das Heu bildeten. Wenn also die große Anzahl der Viecher damals das große „Kapital“ war, musste natürlich das Heu auf der Heubühne auch eine große Menge sein. Der gute und erfolgreiche landwirtschaftliche „Kapitalist“ brachte gutes, trockenes, nährstoffreiches Heu in großen Menge auf die Bühne. Der nicht erfolgreiche Bauer brachte eben wenig Heu in die Bühne. Im allerschlimmsten Fall musste er sich beim Großbauern heimlich etwas „Heu“ ausleihen. Also war die Ehrlichkeit, das Vertrauen, die gutgläubige Zusammenarbeit auf der „Heubühne“ notwendig. Aber es gab auch die Gelegenheit der Hintergehung, trotz möglicher Zusammenarbeit beim gemeinsamen „Heien“.

      Deshalb die wichtige Frage, die über das winterliche Überleben und den Fortbestand der Familien entschied: Mit wem bringet man das Heu in die Heubühne unter das (damals noch gemeinsame Lang)-Dach.
      Der Begriff lebte weiter, aber die Rahmenbedingungen der zugewanderten Alemannen mit den dann gebräuchlichen kleineren Einzelgehöften lassen die Quelle des Begriffes nicht mehr erkennen.

      Der Begriff „Bühne“ als wohl ehem. Küstenwort haben die Alemannen unverändert in das zentrale Europa mitgenommen und hat sich etabliert, während sich die Tenne, Boden, Speicher im übrigen Deutschland verbreitete.
      Deshalb hat die „Heubühne“ als Synonym für Vertrauen, Zusammenarbeit und auch Wohlstand diese Bedeutung gehabt und hat sie noch (großteils unbekannt) heute noch!

      Als Quintessens kann man jetzt sagen:
      Viele Banken sind pekuniär am Ende, haben aber an Kapital (d. h. Anzahl der Rindviecher und Ochsen), keinen Mangel, da diese Banker ihr „Heu“ nicht auf die gemeinsame „Heubühne“ verbringen wollten. Nun fressen diese Bank-Rindviecher und Ochsen unser gemeinsames „Heu“ weg.

    3. Simone Says:

      Mit dem Migros-Magazin habe ich das Heu nicht auf derselben Bühne. Einmal habe ich mich derart über einen Beitrag über irgendeinen deutschen Politiker geärgert, dass ich dieses Schundblatt sofort abbestellt habe. Die sollen über ihre Produkte informieren und nicht irgendwelche Headlines aus dem Blick abschreiben.
      Wenn ich mir das Marketing der Migros so anschaue, habe ich immer mehr das Gefühl, dass Erich Honecker noch lebt und die Marketingabteilung verdeckt leitet. Erhielt ich als stolze Besitzerin einer Cumulus-Card vor Monaten ein Schreiben, in dem auf vier laktosefreie Produkte der Migros aufmerksam gemacht wurde. Liebe Leute, für sowas verschwenden die Papier. Bei den Produkten handelt es sich um eine Sorte fettarmer Milch, mit der man weder kochen noch Kaffee weißen kann, um Ziegenkäse, um eine Sorte laktosefreien Naturjoghurt und um „Sanissa Classic“. Kaum zu glauben, aber Margarine sollte generell keine Butteranteile haben, sonst wäre es keine Margarine. Coop bringt da mit „Free from“ schon deutlich mehr, wobei auch das noch kein Vergleich zur Minus-L-Linie aus Ravensburg ist. Aber zurück zum Thema: Das Migros-Magazin sollte zu seinem Anliegen einer adäquaten Produktinformation, von mir aus gepaart mit einigen Sudokus und der Wettervorhersage zurückfinden. Außer einem eventuellen Blick in die Sterne sollte aus dem Blick nichts dort auftauchen. Und auch Erich Honecker sollte seine theoretische Auseinandersetzung mit der freien Marktwirtschaft nicht als Ghostwriter im Migros-Magazin oder in den Serienbriefen an die Cumulus-Kunden verschriftlichen.

    4. cocomere Says:

      @Simone

      Niemand ist gezwungen in der Migros einzukaufen, das Migros-Magazin zu lesen oder eine Cumulus-Karte zu besitzen. Ich denke, dass dies unter Honecker doch etwas anders gelaufen wäre…
      Lassen Sie also die Finger von der Migros, lassen Sie den Markt spielen. Wenn die Migros so schlecht ist, kaufen sie einfach anderswo ein.
      Und zur politischen Migros noch: Die Migros war nie unpolitisch. Bis vor einigen Jahren hatte sie noch eine Partei gehabt: Der Landesring der Unabhängigen wurde jeweils mit viel Migros-Geld unterstützt. Schliesslich war der Gründer der Migros der Gründer dieser Partei und hat viel Pionierarbeit für freien Handel und Konsumentenschutz geleistet.
      Übrigens ist auch die Coop nicht unpolitisch. Und die hat das Heu nicht auf der gleichen Bühne wie die Migros. Denn die Coop ist (war) eher mit den Sozialdemokraten verbandelt. Sie hat uns den populären Bundesrat Stich hervorgebracht.
      Also, wenn Sie jetzt deswegen das Heu auch mit der Coop nicht mehr auf der gleichen Bühne haben, dann können Sie ja immer noch bei Aldi und Lidl einkaufen gehen. Dort wird sicher alles nach Ihrem Gusto sein.

    5. Simone Says:

      @Cocomere:
      Was bieten mir Aldi oder Lidl an im Vergleich zur Migros an Qualität? Gar nichts! Der einzige Vorteil besteht in niedrigeren Preisen und bei Aldi vielleicht darin, dass sich die Werbung auf Werbung reduziert. Suche ich Qualität, gehe ich zu Coop bzw. kaufe in Deutschland bei Familla, Edeka oder Teegut ein. Da kann die Migros wahrhaftig noch was lernen. Und im Marketing sollte man den Schwerpunkt auf Produktentwicklung legen, nicht auf Papierverschwendung.

    6. neuromat Says:

      die Frage ist doch nicht, welches Heu man auf der Bühne, sondern wieviel Stroh man im Kopfe hat

    7. cocomere Says:

      @Simone

      Dachte eben, dass alle Deutsche gerne bei Aldi und Lidl einkaufen gehen… Aber pardon, ist wohl ein Cliché…
      Wir zwei werden bezüglich Einkaufen und Marktwirtschaft das Heu nie auf der gleichen Bühne haben, was maich auch nicht stört. Aber Sie tun so, als wäre die Migros eine öffentliche Institution, die es allen Recht machen muss. Gehen Sie ruhig in die Coop, oder dann über die Grenze zum Teegut etc. Das ist freie Marktwirtschaft. Ich kaufe weiterhin die hervorragenden und preiswerten Produkte bei Migros, die genauso viel für die Umwelt und den Fairtrade macht, wie etwa die Coop. Marketing ist mir egal und wer findet, dass das Migros Magazin Papierverschwendung ist, soll es einfach nicht lesen, dann wird es auch in weniger grosser Zahl gedruckt. So funktioniert der Markt. Sie möchten ja sicher keine DDR-Zustände, wie ich aus Ihren Zeilen entnehmen konnte.

    8. Simone Says:

      @Cocomere:
      Ich habe weder etwas gegen die Migros noch gegen ihre Produkte, sondern verabscheue dieses Magazin und schüttle an der einen oder anderen Stelle den Kopf über das Marketing.
      Was die DDR betrifft, so habe ich das Gefühl, dass sie in der Schweiz noch ein wenig lebt, die Betonung liegt auf „ein wenig“. Wenn ich mir anschaue, wie es beispielsweise im Personalbereich beim Einholen der Referenzen zugeht, dann fühle ich mich ab und zu in die Zeit vor den Mauerfall zurückversetzt.

    9. neuromat Says:

      und Denner, was ist mit Denner?

    10. cocomere Says:

      @Simone
      Ja das stimmt. In vielen Personalbüros und im HR-Bereich arbeiten viele Deutsche. Wusste aber nicht, dass viele davon aus dem Osten kommen.

    11. viking Says:

      > und Denner, was ist mit Denner?
      Denner gehört in der Zwischenzeit auch der Migros und ist somit abgehandelt.

      Da es hier aber auch um Heu und damit Landwirtschaft geht, sollten wir den Volg und die Landi nicht vergessen. Ich liebe auf alle Fälle unseren Dorf-Volg und den immer noch ländlichen Charme der Landi Bülach. 😉