Fliegende Zelte für Angela Jolie — Die Schleckstange ist nicht das was Sie denken
(reload vom 14.5.06)
Wir lasen in 20minuten, der kostenlosen Schweizer Pendlerzeitung mit einem morgendlich erreichten Publikum von knapp 1.2 Millionen Lesern:
Jolie lässt Erdnussbutter-Zeltli einfliegen
(Quelle 20minuten vom 5.5.06, S. 22)
Das finden wir echt hübsch, was Jolie so alles treibt. Nun werden schon kleine Zelte für sie eingeflogen, noch dazu welche aus Erdnussbutter. Klingt irgendwie nicht so lecker. Warum sollte sie in ihrem hochschwangeren Zustand sich auch noch um eine Camping-Ausrüstung kümmern wollen?
Aber das Schweizer Wörtchen „Zeltli“ hat mit Zelten gehen und Camping rein gar nichts zu tun, auch wenn es nach einem typisch schweizerischen Diminutiv mit „-li“ am Ende des Wortes „Zelt“ aussieht. Vielleicht kommt „Zeltli“ ja von „Zetteli“, von kleinen Papierfetzen, den Zetteln, in welchen man in der Schweiz Bonbons einwickelt?
London — Auch ein Hollywood-Star wie Angelina Jolie ist offenbar nicht gegen Schwangerschaftsgelüste immun: Wie «The Sun» berichtete, liess die 30-Jährige eigens aus den USA eine ganz spezielle Bonbonsorte nach Namibia einfliegen. Dort wartet die hochschwangere Jolie zusammen mit ihrem Lebensgefährten Brad Pitt (42) und den zwei Adoptivkindern auf ihre Niederkunft. Jolies Heisshunger richtet sich auf die mit Erdnussbutter gefüllten Mini-Bonbons Reese’s Pieces.
(Quelle: 20minuten 5.5.06, S. 22)
Sicher nicht vom Zelten. Ob es einen Hersteller gab, der so hiess? Die Theorie mit den kleinen Papierfetzen scheitert an zwei Tatsachen:
1.) Das Wort „Zeltli“ wir auch für unverpackte Bonbons verwendet. Es ist allgemein ein Synonym für kleine Süssigkeit. Das kann alles sein, ausser Schokolade, denn die hat mit „Schoggi“ und „Täfeli“ ihre eigene Bezeichnung.
2.) Es ist auch die Sprech- und Schreibweise mit „ä“ als „Zälti“ verbreitet. Dann klingt es mehr nach einer Abkürzung wie „Z-L-I“ = Zürcher Lehrmeistervereinigung Informatik. Nur kümmern die sich mehr um die Ausbildung von Informatik Lehrlingen als um Bonbons.
Vor Zeltlis warnt die Schweizerische Zahnarzt Gesellschaft:
Hauptfeind der Zähne ist der Zucker (in Nussgipfeln, Schokolade, Crèmeschnitten, Konfitürenbroten, Schleckstengeln, Dörrobst, Caramels, Glace, Zeltli, aber auch in mit Zucker gesüssten Getränken).
(Quelle: sso.ch)
Dabei gibt es die Dinger ganz sportlich als „Sport Fresh“:
Foto:
Aso die Zeltli verzehri regelmässig, well sie halt eifach soo guet send… aber 🙂 du hesch recht, weg dene zeltli werd mer leider ned sportlicher!
(Quelle: lovebugs.ch)
Im Schwimmunterricht in der Schweizer Primarschule beschloss der Lehrer, die Kinder mit einem netten Spiel in Bewegung zu halten. Er erzählte eine Geschichte, in der das Wort „Zeltli“ vorkommt. Immer wenn er das Wort erwähnt, sollten die Kinder das Becken einmal quer durchschwimmen. Nach 5 Minuten und etlichen Zeltlis später war unsere Tochter immer noch nicht losgeschwommen. Sie hatte die ganze Zeit auf das Auftauchen eines Campingplatzes in der Geschichte gewartet. Niemand hatte ihr erklärt, dass es hier nicht um „Zelten gehen“ sondern um Bonbons ging. Muss alles erst gelernt werden im Schweizer Alltag!
Mai 6th, 2009 at 9:40
Als Bündner hat man’s einfacher: bei uns heissen die ‚Zältli‘ nämlich ‚Zückerli‘.
Zältli = kleines Zelt
Täfeli = kleine Tafel
Zückerli = kleines Zuckerstückchen, was es eigentlich trifft 😉
Mai 6th, 2009 at 11:30
Und bei uns ist es ein „Täfeli“. Wenns um Schokolade geht, ist’s entweder ein „Reieli Schoggi“ oder ein „Plättli Schoggi“.
Mai 6th, 2009 at 14:58
In den Kommentaren zum Ureintrag dieses Blogtagesthemas steht übrigens die höchstwahrscheinliche Lösung, woher das Wort „Zältli“ stammt. Es hat mehr mit „Honig“ als mit „Zelt“ zu tun. Viel Spass beim Kommentarlesen, es hat zum jetzigen Zeitpunkt nur 14 Einträge:
http://www.blogwiese.ch/archives/279
Mai 6th, 2009 at 15:19
Jetzt gibts schon reloads aus der Zukunft … Das nenn ich mal Fortschritt!
Mai 6th, 2009 at 17:45
@Phipu
Dein Hinweis auf das Archiv 279 ist ein guter Ansatz, der von @Marischi dort wg. der Lebzelter und der Zeidler / Imker beschrieben wurde.
Aber die Urquelle des ominösen „Zeltli“ muss m. E. über die Berufsbezeichnung des „Zelterers“ weiter zerlegt werden.
Die ab den Kreuzzügen gebackenen besagten Zelten haben folgende Eigenschaften, die noch heutzutage erkennbar sind. Das Ding ist flach (!!), meist rund geformt, dünn, teils mit Gewürzen oft überladen und mit (damals) Honig und (heute) Schokolade / Zucker überzogen..
Und nun der Hinweis auf unsere Br. Grimm:
….“Zelten“….. flacher, dünner kuchen; in der Schweiz, dem bair.-österr. sprachgebiet und dem südosten Württembergs ….. wie fladen durch die flache, dünne form gekennzeichnet und nach dieser benannt, da aus der germ. wurzel teld- „breit ausspannen“, derselben, aus der „zelt“, stammt, abgeleitet….. grammatisch ein substantiviertes adjectiv: ahd. zelto.
Die Quelle für das Zelt lässt sich auch auf die selbe Bezeichnung zurückführen.
Was bei der Fundstelle überrascht, ist die Aussage, das spanische Wort „tortella“ würde auch hiervon abstammen! Ist aber logisch, da der Aufbau wie die Zelten und Lebkuchen sind. Und natürlich die Westgoten mit ihren wenigen Sprachspuren in Hispanien nicht vergessen.
Hier die entgültige Lösung: …..Zelten als „confect“, wie solches zuerst in den nonnenklöstern hergestellt und vom volk gern übernommen wurde…..airzältlin (Augsburg) ….. man pecht ein zeltlin mit ain ayertotter
und ainer halben muscatnusz auf einer herten hertstatt ……zuckerzelten …..confect … uberzogen samen oder gewuertz. Zeltel…..mache darausz zeltlin oder gleich einem martzapan …..der zuckerbacher bedienet sich der blech, die scheifelein oder zeltlein darauf zu gieszen ….zelteln als bonbons…..zeltchen, auch zuckerln genannt…..zeltchen runde plätzchen von zucker und einem ätherischen öle, am bekanntesten die pfefferminzküchelchen…..zeltl viereckige, längliche oder rundliche pastillen, z. b. chokolad-, prominzen (pfeffermünz-)zeltln …..
Also hat sich die Bezeichnung „Zeltli“ über das „Confect“, welches durch den Lebzelter dann auch mit produziert hatte, übertragen.
Möglicherweise ist der Ursprung in kleinen Teigresten, welche mitgebacken wurden und danach mit allerlei süßem Zeug und / oder Streusel (Samenkörnern, Gewürzen, Zuckerstückchen (?)) überzogen wurden. Also eigentlich eine neue Variante für Schleckmäuler. Die Bezeichnung selbst hat also die Attribute des techn. Zeltes, welche aus dem ahd. „zelt“, mnd. „lelt“ ags. „teld“ und altnord. „tjald“ und dem germ. Verb „teldan“ für „ausbreiten, decken „ abstammt.
Das alte Spiel: Das „l“ mutiert bei den Südgermanen zum „z“!
Und so hat die Begriffunterscheidung im Genussfach in der Schweiz auch einen vernünftigen Sinn:
Schoki, Bonbon, Gutzele und Zeltli.
Jedes in sein eigens leckeres Fach(li).
Mai 6th, 2009 at 18:49
Tschuldigung;
Falsch: Das alte Spiel: Das „l“ ………
Richtig: Das alte Spiel: Das „t“ mutiert bei den Südgermanen zum „z“!
Ja, ja, die Alterschnelligkeit!
Mai 7th, 2009 at 7:47
AnFra, auf diese Erklärung haben wir Amateursprachanalysten schon lange gewartet. Wo warst du 2006, dass wir das erst jetzt erfahren dürfen?
Mai 7th, 2009 at 11:05
@Phipu
2006? Natürlich im finsteren Mittelalter!
Habe hier eine Geschichte mit Lebzeltern anzubieten. Diese endete in einer lebenslangen Feindschaft.
Habe vor etlichen Jahren bei einer Feier einer bekannten Familie das „geheiligte“ Familienwappen, welches augenscheinlich ca. 1880 phantasievoll erarbeitet / „kreiert“ wurde, nach meinem Gusto ausdeuten sollen. Die Familie hatte den (hier anonymisierten) Namen „Lezelter“! Das Wappen zeigte eine güldene Scheibe in der Mitte und an beiden Seiten je eine Schaufel und etliche güldene Brocken.
Eben diese ominöse Goldscheibe sei nach der „Familiengeschichte“ ein Hinweis auf Gold- oder mindestens Edelmetallsucher gewesen. Auch würde der Familienname auf wertvolle Mineralien hindeuten. Dat war ein echter Quatsch! Man konnte an der linken Schaufel ein halbtonnenförmigen Ansatz eines Mehlschöpfers erkennen und an der rechten Schaufel ein flachförmiges Schubstück für die fertigen Lebkuchen / Lebzelten. Wollte den stolzen Gevatter darauf hinweisen, lieber mich nicht darüber auslegen zu lassen. Er bestand jedoch weiterhin darauf. Nun, das Entsetzen war riesengroß! Die Familien soll ein von einem Handwerker abstammen, und dann auch noch von einem Lebkuchenbäcker!!!
Man kann alles noch toppen. Um diese Scharte auszupolieren karrte er noch ein geheiligtes Kunststück heran. Eine originale, wunderschöne und auffällig intakte Schüssel / Salbschale (römisch?)-etruskischer! Herkunft. Gesichert durch den „Händler“ sei dies ein „echtes Original“ und auch noch recht teuer. In der Größenordnung eine neuen Kleinautos. Bei der „Bewunderung“ ist eine kleine Abplatzung sichtbar gewesen. Auf die Rückfrage, ob man dies so erworben hätte, wurde gesagt, dies sei wohl vor ein bis zwei Jahre beim Anstoßen entstanden. Das „Kunstwerk“ habe man nun ca. 6 Jahre. Die Frage nach dem Unterschied zum „unechten Original“ wurde niemals beantwortet.
Habe diesen „Anstoß“ genauer angeschaut, der Hals schnürte sich zu, die Luft blieb weg…. weil im Zentrum der Abplatzung ein kleiner weißer Fleck erkennbar war, ein sog. „Kalkmännchen“, d.h. ein Kalktreiber. Es ist i. d. R. Kalkstein / Gips, sehr wasseraufnahmefreudig und deshalb volumenvergrößernd, was zum Abplatzen der Überdeckung führt. Dieses Kalkmännchen saß ca. 5 mm unter der Oberfläche, war blank-weiß, frisch und unschuldig. Wollte wieder dem Clanchef sagen, mich nicht outen zu müssen. War auch sinnlos. Sagte den armen Leutchen: Das Kalkmännchen bewirkt meist innerhalb der ersten ca. 5 bis 10 Jahren nach dem Brennen oft ein oberflächliches Abplatzen in der Form eines Trichters, eben wie bei diesem Ding hier! Die Party war damit gelaufen und dann konnte ich mich wortlos von dannen schleichen.
Laut etlicher Berichte im „Spiegel“ ermittelt / ermittelte die ital. Justiz gegen diesen Händler und seine ital. „Lieferanten“ wg. Kunstfälschung, illegalen Kunstexport, Steuerhinterziehung und Geldwäsche.
Resümee:
Lieber „echt Nürnberger Lebkuchen oder echte Schweizerzeltli“ essen als einen „echt originalen etruskischen“ Sprung in der „unecht originalen“ Schüssel haben.
Mai 7th, 2009 at 16:47
@Phipu
Hier ein kleiner Nachtrag wg. Zeltli als Warengruppe „confect / Konfekt“
Denn in D wird von etlichen Menschen der Begriff „Konfekt“ unrichtig gedeutet! Die lat. Benennung „confectum“, aus welchem die Benennung sich entwickelt hat, umschreibt u.a. „zusammenbringen / anfertigen / fertig machen“.
Also ist dieses Konfekt „Zeltli“ wohl eigentlich zuerst ein Beibackprodukt gewesen, welches als kleine Stücke mit dem übrigen Brot / Gebäck mitgebacken wurden und dann zur Unterscheidung den Übernahmen „Zusammengebackenes“ erhalten haben. Da die Klöster die Geburtsstätten waren, gab es eben den gelehrten lateinischen Begriff „confectum / confect / Konfekt“.
Siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Konfekt
PS:
Auf der Rückfahrt ist mir auf deine Frage nach 2006 die wirklich einzig wahre Antwort in den Sinn gekommen.
Es war mein Volontariat beim Peer bei der 7. US-Kavallerie in Yuma / Arizona.
Mai 10th, 2009 at 23:52
Dank an AnFra:
Die Bezeichnung einer alten Glarner Spezialität war mir bis jetzt ein Rätsel: Anggezeltä und Druesezeltä.
Es handelt sich um flache, runde Süssgebäcke, die es in Tortengrösse (Durchmesser 25 bis 30 cm) oder auch als Einzelportion (Durchmesser ca. 10 bis 12 cm) gibt. Die dünnere, mürbere Druesezeltä schmeckt mir besser.
Druesä ist vermutlich Buttermilch o.ä. ???
Die Anggezeltä (Angge = Butter) hat auf der Oberfläche trichterförmige Löchlein. Vermutlich hat man dort je ein Butterstückchen eingesteckt. Auf der Druesezeltä hingegen hat es körnigen „Hagelzucker“.
Leider bekommt man die beiden Zeltä-Sorten in immer weniger Bäckereien/Konditoreien, dort aber als Spezialitäten.
Mai 11th, 2009 at 11:36
@solanna
Das Ding mit dem „Druesenzeltä“ hat mich als deutschen Blogger doch vom Hocker runtergehauen.
Habe dauern überlegt, ob die ollen Glarner die vom Schlachten übrigen „Drüsen“ vom Schwein, Pferd, Kalb oder Huhn da mitbacken. Ober gar etwa die vom Hund oder der Katze?
Dann kam die Erleuchtung: „Druese“ meint wohl hier grundsätzlich ein wässriges-halbflüssiges-zähes Produkt, welches aus dem aufgestreutem „Hagelzucker“ nach dem Backvorgang sich auf dem Zeltä befindet. Ob diese „Druese“ mit anderen Dingen vermischt ist, kannst du beim Bäcker erfragen. Erbitte um deine Antwort.
Wenn es ausschließlich ein teil- bzw. vollverflüssigter Zucker ist und die Karamellisationsstufe noch nicht erreich wurde, wird es natürlicherweise einen weislichen Schimmer (vergleichbar wie Buttermilch!?) besitzen.
Könnte mir die Kreation so vorstellen: Die Zuckermasse auf der Zeltä wird warm und verschmilzt und nach dem Backen, bevor das Ding auskühlt wird noch grober Zucker (Hagelzucker) aufgebracht. Selber habe ich so eine „Druesenzeltä“ noch nicht gesehen, geschweige gegessen. Diese Oberfläche dürfte vergleichbar wie auch bei Schnecken mit dem klebrigen, weislichen Zuckerguss (nach dem Backvorgang aufgebracht!) sein.
Im späteren Mittelalter war diese Gebäckart mit dem „Hagelzucker / Grieselzucker / Grobzucker“ eine beliebte Zelte. Der benötigte Zucker wurde vom festen „Zuckerhut“ abgebrochen und dann zerstampft. Dieses Gebäck war sehr teuer, da der Zucker aus Zuckerrohr hergestellt war und nur aus dem moslemisch beherrschten Raum (Orient, Nordafrika, Spanien) für teures Geld nach Europa importiert werden konnte.
Gewicht reines Zucker in etwa gegen das gleiche Gewicht in reinem Silber!
Also waren die Vorläufer der Glarner „Druesenzeltä“ somit sehr alte, extravagante und teure Leckereien. Aber die Glarner haben´s ja.
Mai 12th, 2009 at 23:55
@AnFra
Ich habe nun mal eine Anfrage gestertet, was genau in der Druesäzeltä drin sei und habe zudem folgenden Link mit Fotos entdeckt. Wenn das Rezeptgeheimnis gelüftet wird, halte ich dich auf dem Laufenden.
http://www.cornetto.ch/index.php?id=34&tx_ttproducts_pi1%5BbackPID%5D=34