Verschupft ist nicht verschnupft — Neue Schweizer Lieblingswörter

Oktober 31st, 2007
  • Zu spät zur Züspa
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger einen Bericht über die Züspa. Nein, das ist jetzt kein Schreibfehler, sondern das ist die in Zürich gebräuchliche Abkürzung für „Zürcher Herbstmesse“ , erinnert an Kreuzung zwischen „Zu-spät“ oder „Vespa“ und hiess ursprünglich „Zürcher Spezialausstellung“ (jetzt bloss kein „i“ zuviel setzten, sonst ist „Feuer am Dach“)

  • Wo Panzer verschupft herumstehen
  • In diesem Jahr hatte unser Visual-Basic-Scripting Lieblings-Departement VBS dort ebenfalls eine Spezialausstellung. Der Tagi schrieb:

    In Ermangelung des Feindes ist das Kriegführen spürbar in den Hintergrund getreten. Nicht dass man sich darüber beklagen würde. Aber es kommt einem vor, als stünden die paar Panzer und Helikopter fast ein wenig verschupft auf dem Gelände herum, von ein paar wenigen Vätern mit ihren Söhnen bestaunt. Eher diskret werden auch die Waffen vorgezeigt.
    (Tages-Anzeiger vom 24.09.07 S. 15)

    Wie stehen die Panzer dort herum? Nicht verschoben oder verschnupft, nein „verschupft“, aber hoffentlich ohne Schuppen, weil im Freien.

    Das hübsche Wort „verschupft“ kommt von „verschupfen“, und das kennt sogar unser Duden. Nicht als typisch schweizerisch, aber immerhin „landschaftlich“:

    verschupfen (landsch. für fort-, verstoßen, stiefmütterlich behandeln)
    (Quelle: duden.de)

  • Verschupft ist man meistens in der Schweiz
  • Ich verschupfe, du verschupfst, er/sie/es verschupft. Sag noch ein Wort, und ich werde dich bis in alle Ewigkeit verschupfen! Klingt geradezu brutal, wenn man es genau nimmt. Die Verwendung des Partizips „verschupft“ ist bei Google-CH 1‘130 mal belegt, hingegen weist Google-DE nur 239 Fundstellen von denen einige offensichtliche Schreibfehler von „verschnupft“ sind. Es gibt auch ins Internet gestellte passende Fotos zum Thema. Meistens werden darauf „verschupfte“ Meerschweinchen abgebildet:

    Verschupfte Meerschweine
    (Quelle Foto: meerschwein.ch)

    Oder es handelt sich um Fotos von der letzten Fasnacht:

    ich, zweiter von links, bin 17, verschupft und trinke das erste Mal Alkohol.
    (Quelle: politakt.dangerzone.ch

    Ohne weitere Recherche wären wir auch hier von „verschnupft“ ausgegangen.

  • Verschupft bei den Indianern
  • In einem Schweizer Diskussionsforum über nette Indianer „IndieNet“ wird sogar James Blunt mit diesem Adjektiv charakterisiert:

    ich sah diesen volldeppen genannt james blunt als vorband von jamiroquai letztes jahr auf der piazza grande. da hat ihn anscheinend noch niemand gekannt. ich fragte einige, wer das da auf der bühne sei, niemand konnte mir antworten! der stand so was von „verschupft“ mit seiner gitarre da, das ich nur lachen konnte
    (Quelle: indienet.ch)

    Wir machen einen Stein — Neue Schweizer Lieblingstätigkeiten

    Oktober 30th, 2007
  • Gabriel Vetter über die heimkehrenden Schweizer
  • Die Schweiz hat nicht viele natürliche Ressourcen. Im Überfluss besitzt sie Wasser, Wasserenergie und Steine. (vgl. Blogwiese)
    Offensichtlich nicht genug, denn wir lasen im Tages-Anzeiger vom 26.10.07, dass zu den vorhandenen Steinen, die von den Bergen herabfallen und durch die Bäche und Flüsse in die Täler geschwemmt werden, noch weitere Steine zusätzlich künstlich hergestellt werden müssen. In einem Artikel über den Slam-Poeten Gabriel Vetter wird dieser zwar zitiert mit „die Berge habe ich ja nicht selber aufgebaut“, doch im gleichen Anzug fällt der Satz:

    Das kann man immer dann beobachten, wenn die Schweizer mit dem Zug oder mit dem Flugzeug aus den Ferien zurückkommen – vor allem aus dem Süden. Ich hasse diese Schweizer Touristen, die im Zug aus Italien sitzen, und kaum sind sie zurück in der Deutschschweiz, sagen sie: «Ou, nein, lueg, da machen wieder alle einen Stein
    (Quelle: Tages-Anzeiger 26.10.07, S.12)

    Slam Poet Gabriel Vetter
    (Quelle Foto: gabrielvetter.ch)

    Nein, zur Lüge wird hier niemand aufgefordert, den „luege“ ist verwandt mit „to look“, im Südbadischen auch bekannt durch den „Lueginsland“ benannten Berg Schauinsland bei Freiburg i. Brsg. (vgl. Blogwiese). Uns fasziniert die Feststellung „da machen wieder alle einen Stein“. Kein Wunder, dass dabei hohe Berge herauskommen in der Schweiz. Kein Wunder, dass diese Ressource nie knapp wird, soviel Kies das Land auch täglich per Zug oder LKW verlässt. Der Kies und die Steine gehen raus, viel Moos, Asche, Mäuse oder Stutz kommen via Datenleitung oder Köfferchen zurück.

    Die machen alle einen Stein“ ist natürlich mehrdeutig. Macht nun jeder einen oder alle an einem herum? Dann wäre die Ausbeute natürlich mager, aber vielleicht dafür der Stein besonders gross.

    Manchmal rollen die Steine davon und kommen nur gelegentlich alle paar Jahre für ein Konzert auf dem Flughafengelände von Dübendorf oder nach Lausanne zurück, dann allerdings sogar singend. Das wird so weitergehen, bis sich Steine in der Niere oder Galle wohler fühlen und nicht mehr raus wollen.

    Stein Gesicht von Fred Lang
    (Quelle Foto: fred-lang.de)

  • Der Stein mit Geschmack
  • Die Schweizer machen nicht nur „einen Stein“, sondern auch manchmal einen „sauren Stein“. Doch wer isst schon Steine, noch dazu wenn sie sauer schmecken? Stein ist in diesem Satz kein Synonym für Geld, wie zunächst falsch vermutet, sondern für etwas Rundliches, das ziemlich hart sein kann. Sitzt auf den Schultern und nennt sich auch „Kopf“.

  • Lächelnde Steine
  • So entdeckten wir

    Mit einem Lächeln erreichen Sie bestimmt mehr als mit einem „sauren Stein“.
    (Quelle: flughafen-flohmarkt.ch)

    In einem Online-Lexikon finden dann die genaue Erklärung:

    en {suurä} schtäi machä (expr.) to look unhappy,unfriendly note lit. ‚to make a sour stone‘ ( lit. german ‚einen sauren Stein machen‘)
    (Quelle: SwissGerman )

    Ob jemand, der zuviel „sauren Sprudel“ trinkt, irgendwann einen „sauren Stein“ macht?

    Einladung zur Vernissage „Portraits and Cityscapes“ von Julie Galante am 02.11.07

    Oktober 29th, 2007
  • Was heisst „ass antler“ auf English?
  • Regelmässige Blogwiese-Besucher kennen Julie Galante wahrscheinlich über ihren Blog „This is non-American Life“, in dem sie regelmässige sehr amüsant über ihre Reisen und Erlebnisse als „expatriate“ in der Schweiz berichtet.
    Julie Galante

    Demnächst zieht sie nach München und freut sich bereits auf das „High German“ in German-Land. Ein paar ihrer Hochdeutschen Lieblingswörter wie „ass antler“, „ear worm“ oder „Schadenfreude“ (das kann nur ein Deutsches Wort sein!) präsentiert sie zur Zeit auf ihrem Blog. Gibt es echt kein Konzept für „Schadenfreude“ auf Englisch? Mischievousness klingt doch auch nicht schlecht für den Anfang. Julie verlinkte sogar einen Song zur Illustration.

  • Der American Women’s Club of Zurich
  • Doch bevor Julie Zürich verlässt, lädt sie noch ein zur Vernissage ihrer aktuellen Werke als Künstlerin, wo anders als im „American Women’s Club of Zurich“. Einen solchen Club haben Deutsche Frauen in Zürich meines Wissens noch nicht auf die Beine gestellt. Wir werden auf jeden Fall zur Vernissage gehen und freuen uns auf zahlreiche Gesichter, nicht nur auf die „faces“ in Acryl.

  • Einladung zur Vernissage am 02.11.07 18:00 Uhr
  • Visual artist Julie Galante will be exhibiting her recent paintings at The American Women’s Club of Zurich during the month of November 2007. [PDF Flyer]
    Where: The American Women’s Club of Zurich, Schöntalstrasse 8, 8004 Zurich
    Opening hours: Mon, Tue, Wed, & Fri: 9:00 to 16:00
    Sat (Nov 10th & 17th only): 14:00 to 17:00
    Vernissage: Friday November 2nd: 18:00 to 21:00
    Milan Navigli von Julie Galante

    Since moving to Zurich, Switzerland, in 2005, Julie has been working on two new bodies of work. The first is a series of acrylic portraits of individuals who have played important roles, large or small, in her recent life. Her subjects hail from a variety of countries and cultures. The vibrant colors she uses in her paintings reflect the passionate souls of those depicted.

    Her most recent body of work, entitled Cityscapes, depicts glimpses of various cities Julie has visited or inhabited in recent years. In this series of acrylic and oil paintings, she continues her exploration of bold colors while attempting to invoke the moods of the locations being depicted.

    A portion of the proceeds from this show will be donated to Hands On Switzerland, a local non-profit group of which Julie has been a board member since 2006.
    (Quelle: juliegalante.com)

    Yoshiko by Julie Galante

    Verstehen Sie Ruhrpott-Deutsch? — Tu ma dat Mäh ei

    Oktober 26th, 2007
  • Verstehen Sie Ruhrpott-Deutsch?
  • In Deutschland spricht man Deutsch. Genauer gesagt „Hochdeutsch“, gern auch als „geschliffenes Hochdeutsch“ bezeichnet. Versteht jeder in der Schweiz, und mit der Rückfrage: „Verstehen Sie Hochdeutsch, oder soll ich Schweizerdeutsch sprechen“ können Sie schon lange niemand mehr bei den Eidgenossen schocken.

    Da müssen Sie stärkere Sprach-Kaliber auffahren, vielleicht so einen Satz aus dem Ruhrpott, wie er aus Bochum berichtet wurde: „Tu ma dat Mäh ei“, so gesprochen vom Opa zu den Enkeln im Zoo. Was das heissen mag? Jetzt können Sie sich fühlen wie ein Deutscher unter Zürchern (ohne „i“) oder Baslern im Zolli (mit zwei „l“ und einem „i“) auf der Streichelwiese: „Streichel mal das Schaf“ hört man da sicher auch nicht auf Hochdeutsch.

    Tu mal dat Maeh ei
    (Quelle Foto: wingst.de)

  • Dialog in einer Imbissbude
  • Noch zwei wundervolle Beispiele:
    Sind Sie dat Schnitzel? Nee, ich bin nur die Pommes Mayo. Dat Schnitzel is meine Frau“

    Gleich noch die passende beschriftete Lokalität dazu:
    Futtern wie bei Muttern
    (Quelle: einzelhandelspoesie.de)

    Dort könnte auch dieser Dialog aufzeichnet worden sein:
    Hörma, weiste waste bist?“ Frage eines älteren Herrn an seine vor ihm laufende Gattin. Antwort: „Du bist deinen Absatz am verlieren“
    (Quelle: Kopfnote aus Bochum)

    Wir suchen jetzt nach dem Schleifpapier und schleifen fleissig weiter an unserem Hochdeutsch. „Datte mich dat aber nich alle Leute verklickern tus“.

    Bissige Ärzte aus Deutschland — Der Spiegel entdeckt die Schweiz

    Oktober 25th, 2007
  • Vom Comic-Magazin zum Schimpfwort für Teutonen
  • In meiner Jugend gab es ein monatlich erscheinendes Comic-Magazin namens „Zack“ . Die Helden darin hiessen „Leutnant Blueberry“, „Michel Vaillant“ oder auch „Rick Master“. Das Magazin Zack wurde 1980 eingestellt und 1999 wieder belebt.

    Zack und Leutnant Blueberry
    (Leutnant Blueberry. Quelle Foto: zack-magazin.de)

    Die Helden von Zack sind heute in neuer Mission unterwegs. Sie fallen scharenweise im südlichen Nachbarland Schweiz ein und machen den Schweizer Ärzten das Leben zur Pein. So lasen wir im Spiegel-Online vom 24.10.07:

    Zack-zack-Teutonen kurieren die Schweiz

    Das Wort „Zack-zack“ ist negativ besetzt in der Schweiz und wird regelmässig im Zusammenhang mit den Deutschen genannt, da helfen auch keine sentimentalen Erinnerungen an glorreiche Comic-Figuren. Wenn jemand „auf Zack“ ist, dann ist er Deutscher und schnell wird befürchtet, dass der einem Schweizer einen „Zacken“ aus der Krone brechen könnte.
    Wir lesen weiter:

    Hohe Gehälter, beste Bedingungen: Deutsche Ärzte wandern in Scharen in die Schweiz aus. In mancher Kantonsklinik stammt schon jeder zweite Mediziner aus Deutschland. Doch nicht überall werden die ehrgeizigen Einwanderer mit Liebe begrüßt.

    Wie, keine leuchtenden Augen und herzliche Umarmung, küssen links und rechts auf die Wange durch die erwartungsvollen Schweizer? Zum Glück werden alle anderen Nationen hierzulande mit dieser Liebe begrüsst, das gleicht sich dann aus.

  • Parken in der Waldstrasse
  • Luzern – Es gibt Orte in der Schweiz, da wähnt man sich in Deutschland. Zum Beispiel unterhalb des Bettenhochhauses des Kantonsspitals Luzern. In einer Waldstrasse stehen Dutzende Autos mit deutschem Kennzeichen aneinandergereiht. Sie gehören deutschen Ärzten und Krankenschwestern, die in einem der größten Krankenhäuser der Schweiz arbeiten.
    (Quelle für alle Zitat: Spiegel-Online)

    Was für eine Parkzone diese „Waldstrasse“ in Bern sein mag? Die Schwarz-Rot-Goldene? Und warum die bloss ihre Autos noch nicht umgemeldet haben? In Zürich empfiehlt sich das Ummelden, denn sonst sind schnell mal 1-4 Reifen platt gestochen über Nacht. Doch auch die Zürcher wissen, dass es die billigsten Neureifen gleich hinter der Grenze in Deutschland gibt. Warum nicht ein bisschen Wirtschaftsförderung für diesen Gewerbezweig in Grenznähe betreiben?

    Jeder vierte Arzt hier ist Deutscher. Noch größer ist der Anteil in den ländlichen Nachbarorten: In den kantonalen Krankenhäusern in Ob- und Nidwalden stammt sogar jeder zweite Arzt aus Deutschland. In der Gesamt-Schweiz sind mehr als zehn Prozent der rund 28.000 aktiven Ärzte Deutsche – eine Verdreifachung seit 2004.

    Endlich mal eine deutliche Zahl: Zehn Prozent = 2.800 Ärzte aus Deutschland in der Schweiz.

    Bei den Schweizer Ärzten herrscht zwar Vollbeschäftigung – eben deshalb werden ja Personallücken durch ausländische Mediziner gestopft. Trotzdem blicken einige mit Neid und Ärger auf die deutschen Kollegen. „Ich finde jeden einzelnen nett, aber manchmal denken wir Schweizer: ‚Ja, Gopferdammi, müssen uns eigentlich die Deutschen die besten Jobs wegnehmen?'“, fragt sich besorgt ein Oberarzt vom Kantonsspital Obwalden.

    Da haben wir grösstes Verständnis. 10 % weniger Deutsche Ärzte im Land bedeutet 10% mehr Stellen zum Aussuchen für die Schweizer, und bessere Konditionen lassen sich so auch aushandeln.

  • Vorsicht bissiger Deutscher
  • Für große Aufregung sorgte zuletzt eine Aussage von Markus Dürr, Gesundheitsdirektor des Kantons Luzern und Präsident der Schweizer Gesundheitsdirektorenkonferenz: „Viele deutsche Assistenzärzte haben mehr Biss als ihre Schweizer Kollegen. Sie sind bereit, auch Wochenend- und Bereitschaftsdienste zu übernehmen. Das ist ein Wettbewerbsvorteil.“

    Nein, das verzerrt doch den Wettbewerb! Wer braucht schon am Wochenende oder in der Nacht einen Arzt. Und noch dazu einen, der beisst?

    „Wir müssten etwa 20 Prozent mehr Medizinstudenten ausbilden, doch ob die Kantone die entsprechenden Mehrkosten an den Unis und Spitälern zu tragen bereit sind, ist fraglich.“ Auch dieses Jahr gibt es im Fach Medizin in der Schweiz mindestens dreimal mehr Anwärter als Plätze. Mit jedem aus dem Ausland importierten Arzt spart die Schweiz rund eine Million Franken Ausbildungskosten.

    Kurzes Aufrechnen: die 2.800 Ärzte haben dem deutschen Staat demnach 2.8 Milliarden Franken gekostet bzw. der Schweiz erspart. Vielleicht sollte man mit diesem eingesparten Geld damit eine Stiftung „Neue Autoreifen für Deutsche Opfer von Vandalen-Aktionen“ einrichten?

  • Deutsche Ärzte nach England zum National Health Service
  • Es gibt übrigens ein Land in Europa, in dem noch mehr Deutsche als Ärzte arbeiten als in der Schweiz. Die Rede ist von Grossbritannien. Aber geht das überhaupt? Können die Briten denn so gut Deutsch, um sich mit diesen Migranten aus Deutschland zu verständigen? Denn Deutsche im Ausland können nichts als Deutsch, das wissen wir alle noch vom letzten Spanien-Urlaub.