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Verschupft ist nicht verschnupft — Neue Schweizer Lieblingswörter

  • Zu spät zur Züspa
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger einen Bericht über die Züspa. Nein, das ist jetzt kein Schreibfehler, sondern das ist die in Zürich gebräuchliche Abkürzung für „Zürcher Herbstmesse“ , erinnert an Kreuzung zwischen „Zu-spät“ oder „Vespa“ und hiess ursprünglich „Zürcher Spezialausstellung“ (jetzt bloss kein „i“ zuviel setzten, sonst ist „Feuer am Dach“)

  • Wo Panzer verschupft herumstehen
  • In diesem Jahr hatte unser Visual-Basic-Scripting Lieblings-Departement VBS dort ebenfalls eine Spezialausstellung. Der Tagi schrieb:

    In Ermangelung des Feindes ist das Kriegführen spürbar in den Hintergrund getreten. Nicht dass man sich darüber beklagen würde. Aber es kommt einem vor, als stünden die paar Panzer und Helikopter fast ein wenig verschupft auf dem Gelände herum, von ein paar wenigen Vätern mit ihren Söhnen bestaunt. Eher diskret werden auch die Waffen vorgezeigt.
    (Tages-Anzeiger vom 24.09.07 S. 15)

    Wie stehen die Panzer dort herum? Nicht verschoben oder verschnupft, nein „verschupft“, aber hoffentlich ohne Schuppen, weil im Freien.

    Das hübsche Wort „verschupft“ kommt von „verschupfen“, und das kennt sogar unser Duden. Nicht als typisch schweizerisch, aber immerhin „landschaftlich“:

    verschupfen (landsch. für fort-, verstoßen, stiefmütterlich behandeln)
    (Quelle: duden.de)

  • Verschupft ist man meistens in der Schweiz
  • Ich verschupfe, du verschupfst, er/sie/es verschupft. Sag noch ein Wort, und ich werde dich bis in alle Ewigkeit verschupfen! Klingt geradezu brutal, wenn man es genau nimmt. Die Verwendung des Partizips „verschupft“ ist bei Google-CH 1‘130 mal belegt, hingegen weist Google-DE nur 239 Fundstellen von denen einige offensichtliche Schreibfehler von „verschnupft“ sind. Es gibt auch ins Internet gestellte passende Fotos zum Thema. Meistens werden darauf „verschupfte“ Meerschweinchen abgebildet:

    Verschupfte Meerschweine
    (Quelle Foto: meerschwein.ch)

    Oder es handelt sich um Fotos von der letzten Fasnacht:

    ich, zweiter von links, bin 17, verschupft und trinke das erste Mal Alkohol.
    (Quelle: politakt.dangerzone.ch

    Ohne weitere Recherche wären wir auch hier von „verschnupft“ ausgegangen.

  • Verschupft bei den Indianern
  • In einem Schweizer Diskussionsforum über nette Indianer „IndieNet“ wird sogar James Blunt mit diesem Adjektiv charakterisiert:

    ich sah diesen volldeppen genannt james blunt als vorband von jamiroquai letztes jahr auf der piazza grande. da hat ihn anscheinend noch niemand gekannt. ich fragte einige, wer das da auf der bühne sei, niemand konnte mir antworten! der stand so was von „verschupft“ mit seiner gitarre da, das ich nur lachen konnte
    (Quelle: indienet.ch)

    

    18 Responses to “Verschupft ist nicht verschnupft — Neue Schweizer Lieblingswörter”

    1. DaniDo Says:

      Ein wunderbares Wort, das etwas ausdrückt, was man sonst nur mit langen Umschreibungen sagen könnte!

    2. Tellerrand Says:

      @ DaniDo

      Naja, ganz so einmalig ist’s dann doch wieder nicht – obwohl ich es in über acht Jahren Schweiz wohl noch nie gehört habe. Der Gebrauch des Worts ist wohl auch ein wenig verschupft 😉

    3. sylv Says:

      Eine weniger lange Umschreibung ist:

      Itz due nid wie ne beleidigti Läberwurst!?

      Was man sagt, wenn jemand eben,verschupft reagiert/sich verhält,woher diese Umschreibung kommt ( wie kann eine Leberwurst beleidigt sein??) weiss ich nicht.

      Phipu,any input?

    4. neuromat Says:

      @ sylv

      die Erklärung halte ich für nicht zutreffend.

      @ Tellerrand hat Recht. Das geniale mir bisher nur „theoretisch“ bekannte – nie gehörte Wort führt ein ebensolches Dasein.

      Schön dass es jetzt in den Schweizerischen Sprachgebrauch zurückfindet. Es war ben lange Zeit bestellt, aber nicht abgeholt.

    5. sylv Says:

      @neuro bitte ausführen warum nicht zutreffend

      sonst tu‘ ich dann ganz ‚verschüpft ‚ was übrigens im Bernbiet ein geläufiges Wort ist,deshalb kann ich nicht glauben, dass Ihr dem noch nie begegnet seit……………

    6. Fiona Says:

      Verschnupft = SAD (New English). I am suffering from Seasonal Affective Disorder = i bin e chli verschnupft.

      Die Schotten mögen es, durch das Dialekt sich von den Sassenachs (Engländern) Abstand zu nehmen. Beispiel: Dinna fash yersel = Don’t get angry (fash

    7. Fiona Says:

      …fash > se facher (Fr) aus dem 16C als Mary Queen of Scots nach Jahren in Frankreich als Dauphine nach Edinburgh zurückkam. Gibt’s auch in Schwyzerdeutsch Rückstände, aus historischen Gründen – wie oben – die im Dialekt geblieben sind?

    8. nadjagn Says:

      @sylv: das stimmt so nicht, die „beleidigti Leberwurscht“ ist eher ein Synonym des „suure Stei“

      „Verschupft“ gehört für mich zum alltäglichen Sprachgebrauch und ist somit nicht selber als verschupftes Wort zu bezeichnen, wird es doch in meinem recht häufig für die Beschreibung von Leuten verwendet. 😉
      Ich würde die Bedeutung mit „schüchtern, verschüchtert, aussenseiterisch, unsicher wirkend, nicht dazugehörend“ umschreiben.

    9. nadjagn Says:

      @sylv: evtl wird das Wort im Bernbiet folgendermassen gebraucht:
      „etz tue nid so (als hettemer dich) verschüpft“ ?
      Anders kann ich mir diese Verwendung nicht erklären.

    10. Alexandra Says:

      natürlich ist verschupft ein viel gebräuchliches wort. ich benütze es in folgendem zusammenhang:
      „sie isch e chli es verschupfts huehn“ oder „stoht verschupft do“.
      heisst: sie sieht verlassen und etwas ausserhalb der normen aus.

      herrliches wort!

      aber, dass das wort in den tagi fand, erschreckt mich dann doch etwas. „verschupft“ ist nicht gerade bestes deutsch in meinen augen und lässt mich etwas an der journalistischen qualität des tagi zweifeln…

    11. neuromat Says:

      @ sylv

      verschüpfen – wie oben ja von Jens schon ausgeführt bedeutet „verstossen, lieblos behandeln

      verschnüpfen meint beleidigen. Der Unterschied liegt hier im „n“. Verschüpfen ohne n verschüpfen mit n. Alles klar?. Du musst also verschnüpft tun.

      Noch ein Beispiel: Wiederholen so acht bis zehn Eidgenossen im Fernsehen mit stolzer Ueberzeugung und leichtem Grinsen das Wort „arrogant“ – dann ist das „verschnüpfe“ (in der Schweiz ist das kein Problem, wir dürfen uns hier ueber alle Nationen äussern wie wir wollen, auch ueber die deren Männer die Röcke tragen; denn das fällt im Unterschied zur EU nicht unter das Rassismusgesetz). Wenn die Eidgenossen die ganzen Ausländer gar nicht beachten, immer grummelig ansprechen, umständlich tun usf. dann ist das verschüpfen.

      Jetzt wird es wirklich Zeit für den Einsatz von Phipu und für Anfra, der uns die Zusammenhänge zur süddeutschen Schupfnudel darlegen wird. 🙂

    12. AnFra Says:

      @neuromat

      Man merkt es, unser neuromat hat bei der Vorlesung über die Konditionierung mit dem „Pavlovschen Hund“ sehr gut zugehört. Hat nun die verbale Glocke klingen / tönen lassen. Habe wie Brummbär Bruno z.Z. etwas wenig Zeit, um einen techn. Entwurf zu beenden.
      Phipu und mir läuft trotzdem schon das Wasser in Mund zusammen bei der Jagd nach den verlorenen Worten.

      Die alemannisch, schwäbisch, bayrische „Schupfnudel“ hat mit dem „verschupfen“ nichts direkt gemeinsames. Verschupfen meint eigentlich etwas aus der rechten Lage in die z.B. linke Lage verschieben, abseits stellen, wegbewegen, verändern, isolieren oder aus der scheinbaren Normalität bringen. Wird in etwa auch so bei den Sprachheiligen Brüdern Grimm dargestellt.

      Bei den Schupfnudeln: http://de.wikipedia.org/wiki/Schupfnudeln ist nur scheinbar eine vergleichbare Etymologie vorhanden, obwohl eine gewisse inhaltliche Zusammengehörigkeit erkennbar ist. Da werden die beiden Handflächen beim Nudelerzeugen zueinander wegbewegt, verschoben und gerollt!
      Die Erzeugung dieser Schupfnudel erfolgt i.Ü. von Hand, wobei die Schupfnudeln zwischen den Handflächen zu einer walzenförmigen bzw. etwas tonnenförmigen runden Nudel geschupft wird.

      „Schupfen“ müssen wir als Stammwort für das heurige „schieben und schubsen“ sehen. In der Lautverschiebung haben mal wieder die Alemannen u. A. die Sprachentwicklung nicht nachvollzogen und haben das trockene harte „p“ bzw. „pf“ belassen und nicht das saftige weiche „b“ angenommen.

      Um die Idee von neuromat aufzunehmen:
      Eine zugezogene Norddeutsche in CH versucht verzweifelt, den schweizer Nachbarfrauen ihre erstmalig selbstgemachten Schupfnudeln (in Hochdeutsch: Schiebe- bzw. Schubnudel!!!) zu kredenzen. Sie hat sich wegen der Schupfnudeln selbst verschupft und die schweizer Nachbarfrauen sind verschnupft.

    13. dampfnudle Says:

      Nadjagn im ersten Beitrag und Neuromat (der schenll assimilierte Friesenspezialist, wobei mit Friesen nicht Frisuren gemeint sind!) in seinem zweiten Beitrag (@sylv) haben meines Erachtens das „verschupft“ am besten gedeutet. Verschupft (ausgestossen) wird man eigentlich, aber schüchterne des Typus Mauerblümchen (auch männliche) können sich aus lauter Angst, irgendwo anzustossen oder gestossen (gemobbt) zu werden, schon zum vornherein „verschupft“ verhalten.

      Dafür hat der doch sonst so sprachsinnige Neuromat einen Ausdruck verwendet, der sprachlich etwas unsensibel ist: „Wenn die Eidgenossen die ganzen Ausländer gar nicht beachten, immer grummelig ansprechen, …“

      Wenn die Ausländer nur halb herumlaufen würden, etwa nur die Beine bis übers Becken, oder aber nur der Oberkörper plus Kopf mit nachgeschleiften Armen – man stelle sich das bildlich vor! – dann würde wohl jeder Eidgenosse mal kurz gucken.

      Übrigens: Dampfnudeln werden auseinandergeschupft, ehe man die Zuckerbuttermilch darübergiesst (kurz vor Ende der Backzeit). Verschupft sind sie aber deswegen nicht.

    14. ch.atzefrey Says:

      Ich bin völlig verschnupft! Diesmal aber nicht beleidigt, sondern gründlichst erkältet.

    15. Neuromat Says:

      @ dampfnudle

      mir ist ehrlich gesagt nicht ganz klar, was ich da wieder unintelligentes fabriziert habe. Na gut, in den letzten Wochen und Monaten ist die Zeit immer knapper geworden … allfällige mangelnde Sensibilitaet bitte ich zu entschuldigen; aber gelegentliche Provokation ist man von mir doch gewohnt.

      Vielen Dank für das Kompliment bezüglich Sinn für die Sprache

    16. sylv Says:

      hmmmm interessant,verschnupft brauche ich zum Beispiel überhaupt nicht in diesem Zusammenhang mit dem OP.

      Für mich ist der einzige Zusammenhang mit diesem Wort– ‚verschnuderet‘,was dann wieder mit Viren und so weiter zu tun hat:)

      Schöne hinech no!

    17. Phipu Says:

      Wegen Ferienabwesenheit, war ich nicht zur Stelle, um euren Hilferuf zu vernehmen. Aber ich habe wieder mal an eurer Stelle Grimms Wörterbuch http://germazope.uni-trier.de/Projects/DWB aufgeklappt und erstaunliche Parallelen auch zu heutigem Deutsch entdeckt.

      Unter verschupfen / verschüpfen steht dort:
      „verschuppen, in die ferne von sich wegschuppen, mit einem Schuppe stoszen; verschüppen, mit der Schüppe stoszend wegwerfen, mit der Schüppe vergraben; die beiden zu verschüppen gegebenen Bedeutungen sind wohl nur construiert.“
      Das erinnert an die „Schippe“ (Schaufel), was eher in Deutschland bekannt ist.
      „die ursprüngliche Bedeutung des Wortes ist mit einem Stosz fort bewegen, ‚einen Schups geben‘ verschupfen, verschüpfen, mit einem Stosz schieben.“

      Wenn ich nun den Link bei AnFra über die Zubereitung der Schupfnudeln lese, erinnere ich mich tatsächlich an ein Weinfest in einer schwäbischen Stadt, wo riesige (Brat-)pfannen gebraucht werden, und um darin überhaupt rühren zu können, muss man schon fast mit einer Art „Schippe“ den gebratenen Inhalt umher-„schubsen“. Womit ich aber nicht viel mehr als AnFra aus den Erklärungen gezogen habe.

      Übrigens, Sylv, heisst es wirklich „verschnupft“ für „eingeschnappt, verdrossen“; soviel steht auch in Grimms Wörterbuch unter „verschnupfen“ unter Sinn 3, auszugweise: „davon häufig übertragen, verdrieszen, ärgern, verstimmen, beleidigen (…) das verschnupfte ihn. sehr häufig in mitteld. mundarten: es hat ihn verschnupft, doch auch er hat es verschnupft, übel genommen. (…) dagegen bedeutet nd. versnuppen etwas verwinden, verschmerzen, vertragen.“

      Das ist das schöne, wenn man erst hinterher die Beiträge liest; da ist alles schon gesagt.

    18. Christian (der Andere) Says:

      @neuromat: Provokant fand ich das – wohl komplexbehaftete – aufgeilen über Tippfehler meinerseits eher nicht, sondern vielmehr ein wenig lustig.

      Allerdings fehlen mir diese langen Traktate, dessen Sinngehalt mir bisweilen verschlossen blieb, ein wenig – von den fehlenden Zeilenumbrüchen ganz zu schweigen.

      @AnFra: Und ich dachte schon es gäbe so etwas wie „verstoßene Nudeln.“